Die Reise ist das Ziel

Heute bekommen wir den vollen Wahnsinn des Camino Francés zu spüren. Dieser ist auf den letzten 100km eine einzige große Party, könnte man manchmal meinen. Es gibt Gruppen, Familien, Schulkinder und Menschen aller Altersgruppen. Der Strom an Pilgern reißt nie ab.

Außerdem gibt es mindestens alle paar Kilometer eine oder mehrere Bars und Sam und ich finden uns heute in einer Art Barhopping wieder. Später gabeln wir Addie auf und setzen den Pubcrawl mit ihr fort. Vielleicht hat es uns so lange unterwegs an regelmäßigen Einkehrmöglichkeiten gemangelt, dass wir sie jetzt voll auskosten wollen. Oder wir brauchen regelmäßige Kaffee- und Bierpausen, um mit dem Menschenauflauf klarzukommen. Wie auch immer, jedenfalls finden wir uns am Nachmittag im Regen unter dem Vordach einer Bar wieder, als wir beschließen, von kaltem Bier auf warmen Tee umzusteigen. Das galicische Wetter hat uns heute doch noch erwischt.

Wir übernachten in Lavacolla, das nur etwa 11km außerhalb des Zentrums von Santiago liegt. Hier kommen wir in der einzigen Herberge alle nochmal zusammen: Sarah, Addie, Amy, Sam, Maru, Alyssa, Till und Martin. Sarah und Alyssa kochen ein köstliches Curry für alle und wir setzen das Kartenspiel von gestern fort.

Am Ende will ich nicht wirklich schlafen gehen, obwohl es schon spät ist. Ich kann nicht glauben, dass es der letzte Abend vor Santiago sein soll. Ich glaube, Maru geht es ähnlich. Wir sitzen noch eine Weile im Aufenthaltsraum und reden. Es ist schön, Maru an meiner Seite zu haben, den ich an seinem ersten und meinem 101. Tag zwischen Irún und San Sebastian kennengelernt habe. Wir scheinen uns ein Leben lang zu kennen.
Morgen werden wir gemeinsam die Stadt erreichen, die für so viele das Ziel einer langen Reise ist. Für mich ist sie nicht das Ziel. Sie bestimmt nur die Richtung. Das Ziel wird immer die Reise selbst bleiben, das ist mir schon lange klar.Read more