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  • Day 220

    Hiroshima, Friedensmuseum und Miyajima

    January 20 in Japan ⋅ 🌧 9 °C

    Im Friedenspark war es grau, still und es regnete. Irgendwie passend, dachte ich mir. An den Denkmälern vorbeizulaufen und daran zu denken, was hier im zweiten Weltkrieg geschehen ist, ist bedrückend. Da leuchtet eine Flamme als Erinnerung an die Verstorbenen von 1945. Es gibt ein Denkmal für die Kinder, die betroffen waren. Ein Gebäude mit zerstörter Kuppel, rund 160 entfernt vom Zentrum der Verwüstung gestanden hat, wurde in seinem erschütterten Zustand belassen. Jeder, der sich am 6. August 1945 um 8.15 Uhr darin befunden hat, ist gestorben. Genauso wie etwa 140.000 weitere Menschen bis zum Jahresende. Viele weitere litten an Verbrennungen, anderen Verletzungen oder den Folgen der Strahlung.

    Ich sah, wie junge Leute den Park auf ihrer Joggingstrecke durchquerten und dachte, was ich auch bei meinem Besuch in Auschwitz gedacht habe. Irgendwie ist es gleichzeitig unbegreiflich und doch logisch, dass das Leben weitergeht, auch wenn das Schlimmste geschehen ist. Ich spazierte auch kurz durch andere Stadtteile. Ein Sportzentrum hier, ein Kunstmuseum oder eine Uni dort. In der Einkaufsstraße werden Okonomiyaki und Spielkarten verkauft, es gibt Spielhallen und alles genauso wie in einer gewöhnlichen Stadt.

    Mein Abend endete an der Sushi-Theke eines kleinen Restaurants, wo ich mich mit einigen Japanern unterhielt. Die zeigten ihre Freude über den Austausch, in dem ich etwas von ihrem Sake abbekam. Der Mann rechts von mir aß unter anderem Hoden vom Kugelfisch. Die Fische seien so giftig, dass Verkäufer eine eigene Lizenz brauchten, erklärte er. Nach einiger Zeit zog ich mich ins Hostel zurück. Im Aufenthaltsraum war eine Art Samurai-Uniform und es lief immer wieder das gleiche Lied, ich denke ein Kinderlied, in Dauerschleife.

    Am nächsten Morgen ging ich ins Friedensmuseum. Auch eine japanische Schulklasse war dort. Natürlich, dachte ich. Im ersten Ausstellungsraum wird der Abwurf der Atombombe und dessen Auswirkung auf die Stadt durch eine Animation veranschaulicht. Danach folgen Gemälde, Fotografien und Erinnerungsstücke aus 1945. Kleidungsstücke mit Brandlöchern, die von Kindern getragen wurden, die die Bombe nicht überlebten. Herzzerreißende Zitate von Augenzeugen. Geschichten von Menschen, die die Explosion überlebten, aber krank wurden und kurz später starben. Geschichten über Familienmitglieder, die einander wochenlang suchten, über Geschwister, die bis zuletzt füreinander da waren. Sich das vorzustellen ist mehr, als man ertragen kann.

    Es folgten Ausstellungsräume über technische Details, die Geschichte rund um den Bombenabwurf und den Wiederaufbau der Stadt, und einiges las ich auch. Aber eigentlich war ich in Gedanken noch in den ersten Räumen geblieben.

    Am Nachmittag fuhr ich mit Zug und Fähre auf die Insel Miyajima. Sie ist vorrangig für den roten Schrein mitten im Meer bekannt. Den ließ ich allerdings zusammen mit den Hobbyfotografen und -models links liegen und machte mich stattdessen auf den Weg zum Berggipfel.

    Zum Glück hatte ich den Wanderweg fast für mich allein. So konnte ich dem Vogelgeschrei und dem Murmeln des Bachs lauschen, während ich bergauf ging. Ich hatte den Aufstieg gehörig unterschätzt, war aber doch noch rechtzeitig oben, um die Sonne über den entfernten Inseln am Horizont untergehen zu sehen. Auf dem Rückweg lief ich noch einem schönen Rebbock über den Weg.

    Abends im Restaurant gönnte ich mir Yakitori - genau wie der Mann aus dem Restaurant von gestern es mir empfohlen hatte. Das sind verschiedene Hähnchenspieße: Flügel, Brust, Herzen und andere Teile, die ich nicht verstanden habe, alles über Kohle gegrillt. Dazu gab es nicht nur Reis, sondern auch gegrillte grüne Paprikaschoten und einen großen Shiitake-Pilz mit säuerlicher Sauce.

    Es war spät und ich war an dem Tag mehr als 20 Kilometer gelaufen, aber am Abend packte ich noch mein Zeug, denn ich musste früh los, um durchs halbe Land nach Yudanaka zu fahren.
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