Satellite
Show on map
  • Day 19

    Cần Thơ - floating markets

    November 24, 2023 in Vietnam ⋅ ☁️ 29 °C

    Der Wecker klingelt um 3 Uhr morgens, ich schäle mich aus dem Bett und schlafwandle zum Thanh ha guesthouse von Ms Ha durch das dunkle Can tho. Hier sind bereits erstaunlich viele Leute wach und unterwegs. Bei Ms Ha lerne ich die 3 Männer aus Österreich kennen, mit denen ich die Tour heute mache - Mario, Manfred und ein dritter Name den ich ohne Untertitel leider nicht verstanden habe. Ms Ha steht schon in den Startlöchern, drückt jedem von uns einen Kaffee im Plastikbecher in der Plastiktüte mit Plastikstrohhalm in die Hand und wir laufen ihr im Gänsemarsch hinterher Richtung Bootsteg während Manni und co. bereits ihre erste Schachtel Zigaretten leert.
    Dann geht es über das dunkle Wasser des Song Can tho. Wir passieren bereits den größeren floating market Cai rang, sind jedoch zunächst auf dem Weg zum kleineren, weniger touristischen Phong dien. Hier angekommen ist es bereits hell, es dümpeln die Verkaufsschiffchen ruhig auf dem Wasser, die Verkäufer unterhalten sich und die Stimmung ist entspannt. Verkauft werden Obst und Gemüse, es gibt ein Suppenbötchen und Kaffee gibt es natürlich auch. Wir probieren allerlei Obst und "sticky rice", trinken noch einen Kaffee und beobachten das Marktgeschehen - wie die hauptsächlich weiblichen Verkäuferinnen in ihrer bunten Kleidung mit ihren Reishüten auf dem Kopf geschickt die Boote aufeinander zusteuern und mit einem Bein beieinander halten während des Verkaufes. Danach gibt es eine Pinkelpause an einer Tankstelle. Anschließend fahren wir in einen Seitenarm des Flusses, hier sieht es aus wie man sich das Mekong-Delta vorstellt - alles grün, exotische Pflanzen, Wasser-Kokospalmen und schlammbraunes Wasser. Leider schwimmt auch überall ziemlich viel Müll herum, mehrfach müssen wir anhalten weil sich große Plastikfetzen um die Schiffsschraube gewickelt haben. Diese werden dann auf eine für den Zuschauer beunruhigende Art und Weise mit einem scharfen Messer entfernt und anschließend wieder zurück in den Fluss geworfen.
    Mittlerweile ist es 7.10 Uhr morgens und Ms Ha bietet uns ein Bier an. Die 3 Österreicher sagen da natürlich nicht nein und aus Geselligkeit mach ich mit. Und vielleicht auch weil Ms Ha recht hartnäckig ist. Und so stoßen wir um 7.13 Uhr mit einem fröhlichen "Dzo!" mit unserem Bia Saigon an. Es folgt eine entspannte Fahrt über das Flüsschen, ein wunderbarer Moment!
    Anschließend stoßen wir wieder auf den Hauptfluss und steigen bei am Flussufer lebenden Bekannten von Ms Ha aus, die Pflanzen großziehen und Kokoskonfekt herstellen. Schon während der Fahrt hatte Ms Ha herausgefunden, dass ich Ärztin bin, was sie nun stolz allen Leuten an Land erzählt. Eine Frau kommt sodann aus ihrer Wohnung heraus, bringt ihre Tüte voller Nitrate, Betablocker und einiger weiterer Tabletten mit und berichtet in Zeichensprache von bereits 5 Stents im Herzen. Ms Ha erzählt daraufhin, dass auch sie krank sei und regelmäßig zu Untersuchungen müsse, dies sei jedoch sehr teuer (alle 4 Monate ein MRT für 4.000.000 dong) und der Grund warum sie so viel arbeite.
    Dann geht es weiter zum größeren Markt, dem Cai rang. Hier scheint die Stoßzeit vorbei zu sein und die Händler schaukeln entspannt in ihren Hängematten. Dieser Markt ist ganz anders, es sind große Hausboote, die nach Piratenschiffen aussehen, an einem Mast hängen die jeweils angebotenen Waren. Viele der Händler, erzählt Ms Ha, leben hier auf ihren Booten, kommen eigentlich irgendwo aus dem Umland und fahren nur alle paar Tage mal zurück. Ms Ha bietet uns eine Nudelsuppe von einem vorbeifahrenden Bötchen an, leider sind wir 4 Europäer um 9.00 Uhr morgens hierzu noch nicht bereit. Oder eher gesagt - ich bin eigentlich längst satt vom ganzen Obst, der klebrigen Reisspeise und dem Bier. Ms Ha hat Verständnis, sagt jedoch sie möchte einfach, dass wir so viel vietnamesisches Essen wie möglich probieren.
    Anschließend fahren wir wieder in einen kleineren Flussarm, nun besuchen wir Leute, die allerlei Arten von Reisnudeln herstellen. Die Arbeits- und Hygienebedingungen wirken für uns etwas fragwürdig, die Leute jedoch wirken alle fröhlich und unterhalten sich lachend mit Ms Ha. Das ist eigentlich das Beste an dieser Tour - die Interaktion zwischen den Einheimischen und Ms Ha mit anzusehen. Letztere hat auf dem Markt zuvor Produkte eingekauft, die sie nach und nach an ihre Bekannten dort abgibt, sie quatschen und lachen kurz und weiter geht es.
    Zuletzt kommen wir bei einer Familie an, die Glasnudeln herstellt. Hier dürfen wir mithelfen und den dünnen Glasnudelteig auslegen. Damit er nicht kaputt geht, muss man das vorsichtig machen und so steht neben mir der Hersteller, der lediglich vietnamesisch spricht, und sagt "slow" und auch "langsaam". Ich muss lachen, hiermit aus seinem Munde habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Man muss sie einfach gern haben.
    Nach getaner Arbeit gibt es dann auch einen Teller frittierte Glasnudeln mit Knoblauch, Kräutern, Salat, Ei und Erdnüssen. Gefragt wird nicht, ob wir wollen. Solange wir mit Ms Ha unterwegs sind, wird gegessen, was auf den Tisch kommt. Es wäre jedoch auch ein Fehler hier nein zu sagen, denn das Essen schmeckt unglaublich gut. Nach dem Essen knuddel ich ein wenig mit den dort lebenden Hundewelpen, die mich fröhlich anquietschen und anknabbern und die ich am liebsten alle mitgenommen hätte. Aber natürlich geht das nicht und ich hoffe sehr, dass auch ihre Flöhe da geblieben sind. Aber das war es wert. Für die 3 ketterauchenden Österreicher scheine ich aus einer anderen Welt zu kommen. Sie verstehen nicht, wie ich so ganz alleine reisen kann, einfach alles mögliche esse und dann auch noch mit den kleinen Dreckschleudern schmuse. Leben am Limit!
    Auf dem Weg zum Bootssteg zeigt Ms Ha mir noch eine Pflanze - laut google translate eine "rat tail plant" - die Leute mit einer Herzklappeninsuffizienz essen, wodurch diese anscheinend besser wird. Ich traue mich nicht zu fragen, ob das wirklich klappt. Aber spannend ist es trotzdem.
    Am Boot angekommen, schenkt uns unsere Bootsfahrerin selbst geflochtene Kokosarmbänder und mir noch 3 geflochtene Rosen.
    Danach geht es schließlich zurück, vollgefuttert, glücklich, voll mit neuen Eindrücken. Es fühlt sich an als hätte man eine andere Welt betreten, eine Welt in der die Leute noch wissen woraus ihr Essen hergestellt ist, die noch Zeit haben einfach da zu sein, in der Hängematte zu schaukeln und Löcher in die Luft zu starren, sich zu unterhalten oder irgendetwas vor sich hinzuwursteln. Ich muss an Heinrich Böll und seine Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral denken. Vielleicht hat er ja doch Recht...

    Diese Tour war wirklich etwas Besonderes und Ms Ha ist eine besondere Persönlichkeit. Sie war nur 5 Jahre in der Schule, hat jedoch irgendwann durch Hören und Lesen Englisch gelernt, macht jetzt diese liebevoll geführten Touren und betreibt ein Guest house. Falls ich jemals wiederkomme - unbedingt nochmal!
    Read more