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  • Day 42

    Malbec in Maipú

    April 8 in Argentina ⋅ ☀️ 28 °C

    Nach zwei Tagen der Ruhe finde ich es ist nun an der Zeit wieder etwas von der Welt zu sehen, also treffe ich Leo - ebenfalls einen Antarktis-Gefährten - wieder, um ein Fahrrad auszuleihen und ein paar Weingüter für eine Degustación abzuklappern. Er bringt noch seine Hostelbekanntschaft Micha mit und nach dem etwas undurchsichtigen Erwerb einer Buskarte (irgendwie habe ich das Gefühl ich habe noch Geld zurückbekommen...) machen wir uns auf den Weg nach Maipú. Hier wirft uns der Busfahrer wohlwissend bei Maipú Bikes raus, dort werden wir willkommen geheißen und angewiesen uns irgendwo hinzusetzen und zu warten. Wir wissen nicht worauf, tun es jedoch brav. In der Zeit füllt sich der Fahrradladen mehr und mehr und die Amerikanerin Darrell gesellt sich auch noch zu unserer Gruppe hinzu. Dann bekommen wir unsere Schrotträder und radeln los, zunächst über die Hauptstraße, die zwar umsäumt wird von Weinfeldern und schönen Ausblicken, jedoch nicht wirklich schön zum Radfahren ist. Dann biegen wir jedoch ab in eine Pappel-gesäumte Allee, in der weniger Autos unterwegs sind, und es ist so idyllisch wie ich es mir vorgestellt habe.
    Wir starten bei dem Weingut Mevi und probieren hier neben einer Charcuterie-Platte (ach ne, ist ja spanisch - also nebst queso y fiambres) einen Weiß-, einen Rosé- (laut Leo einen pinken) und einen Rotwein bei perfektem Sommerwetter auf einer gemütlichen Couch mit Ausblick auf die Weinfelder vor den Anden. Und was soll ich sagen - nach der selbstgewählten Tortur der letzten Wochen ist das genau die Art von Verwöhnung, die ich mir vorgestellt habe.
    Danach geht es ein kleines Stück weiter zum Weingut Viña el cerno, das als vegan angepriesen wird und auf das sich Micha somit den ganzen bisherigen Tag lang lautstark vorgefreut hat.
    Hier ist es deutlich weniger schick, gesessen wird auf bunten Holzpaletten und wir erleben erstmalig bewusst eine laute Gruppe von Briten, die wir im weiteren Verlauf immer wieder treffen werden. Leo und ich bestellen unser Weintasting - welches tatsächlich vegan ist - und der vegane, keinen Wein trinkende Micha fragt aufgeregt nach veganem Essen. Hier folgt jedoch die herbe Enttäuschung - es gibt nur Empanadas mit Fleisch. Das ist definitiv mal ein interessantes Geschäftskonzept - das eigene Weingut groß als vegan anpreisen, dann jedoch lediglich fleischgefüllte Teigtaschen verkaufen.
    Der Wein ist in Ordnung, wobei der vorherige bei Mevi mir besser geschmeckt hat.
    Hier verbringen wir vergleichsweise wenig Zeit und radeln ein kurzes Stück weiter zu Tempus Alba - dem Weingut, das als das Beste angepriesen wird. Das Ambiente hier ist schon mal richtig schön, man sitzt direkt neben den Weinreben unter einer Palme, es gibt einen Food-Truck und aus einem Lautsprecher klingen ein paar entspannte Beats. Und natürlich schallt das liebliche Gekreische der Briten durch die Luft. Wir suchen uns somit einen Platz auf der Wiese, um einen möglichst großen Sicherheitsabstand zu halten und genießen hier einen Rosé-, zwei Rotweine und Pfannkuchen mit (wie könnte es anders sein) Dulce de Leche. Vor allem der letzte Rotwein schmeckt mir gut (ein Tempranillo), dennoch gewinnt für mich bislang der Cabernet von Mevi zu Beginn.
    Während wir hier so unsere Seele baumeln lassen, quälen uns die Briten weiter - ein Weingut-Arbeiter fährt nichts Böses ahnend mit seinem Traktor vorbei, um diesen in die Scheune zu stellen. Eine in rosa Bandeau-Top und rosa Hotpants leicht bekleidete Britin wittert hier jedoch sexy Insta-Content (alternativ ein sexy Bäuerinnen-Kalender-Foto), hält den armen arbeitenden Weinbauern an und posiert anschließend lasziv vor und auf dem Traktor, während einer ihrer Gefährten mit rotfleckig-gefärbten Haaren Fotos macht. Der Weinbauer steht währenddessen - sich etwas unschlüssig am Kopf kratzend und argwöhnisch die Situation betrachtend - im Eingang der Scheune und wartet darauf endlich weiter arbeiten zu dürfen. Das ist Fremdscham pur. Ich will wegsehen, die Situation ist jedoch so skurril, dass ich es nicht schaffe.
    Irgendwann sind sie zum Glück fertig, fröhlich hüpft sie zurück zu ihrer Gruppe zurück und der Weinbauer darf schließlich seinen Traktor abstellen.
    Nach der Wein-Degustación spazieren wir noch die self-guided walking tour entlang über das Weingut und radeln schließlich weiter zum Olivenöl-"Tasting". Tasting in Anführungszeichen, denn "getastet" wird letztlich lediglich ein Öl. Wir mutmaßen, dass es wohl das eine perfekte Olivenöl sein muss, sodass das Probieren weiterer Öle überflüssig wäre. Allerdings schneidet auch im Olivenöl-Vergleich Mevi besser ab. Unser Olivenöl-"Tasting" ist somit ein kleiner Reinfall. Aber schön ist es trotzdem und es gibt immerhin einen leckeren, leichten Weißwein dazu.
    Mittlerweile ist die Zeit so fortgeschritten, dass wir unsere Räder zurückbringen müssen.
    Also zurück zum Fahrradgeschäft, hier gibt es einen Becher Wasser vom niedlichen, etwas kugeligen Besitzer und stolz schenkt auch er dann auch noch Malbec aus. Das wäre eigentlich nicht unbedingt mehr nötig, jedoch will ich ihm nicht das Herz brechen und seinen Wein ablehnen, also gibt es noch einen letzten Becher.
    Danach bestellen wir uns aus Bequemlichkeits-Gründen ein Uber, fahren zurück in die Stadt und treffen Rafi zum gemeinsamen Abendessen.
    Hierbei laufen meine Batterien allerdings komplett leer, sodass ich mich relativ zügig auf den Heimweg mache - nachdem mein kränkelnder Körper tapfer den Tag überstanden hat, ist es nun wieder Zeit zum Ausruhen. Aber schön war es!
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