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  • Day 11

    Athabasca-Gletscher (Icefield-Parkway)

    August 1, 2023 in Canada ⋅ ⛅ 13 °C

    *Verfasst von Henne

    Da wir nun schon auf dem Icefield-Parkway sind, freue ich mich doch auch auf die Gelegenheit, einem tatsächlichen Gletscher so nahe wie möglich zu kommen! Wir biegen also ab und parken auf einem Parkplatz, der noch etwas entfernt ist. Ein langgezogener flacher Hügel versperrt die Sicht, also klettern wir rauf, nur um auf einen weiteren zu schauen. Daniel ist mit seinem Humpelfuß gehandicapt, Kelly ist etwas frisch, aber ich gehe voran und stürme den Hügel hoch. Kalter Wind weht mir plötzlich entgegen, als ich oben stehe, und die Aussicht ändert sich radikal: Zwischen den Bergen erstreckt sich ein weißer Gletscher in der Ferne. Aufgeregt winke ich die anderen heran, der Anblick ist ergreifend. Kurz stehen wir auf der Hügelkante, dann zwingt uns der Wind zurück. Zum Laufen ist es zu weit, außerdem können wir einen weiteren Parkplatz näher am Gletscher erkennen.

    Als wir dort sind, beschließen die beiden, im Auto zu bleiben. Kelly war es zu kalt und Daniel kann bzw. möchte wegen dem Humpelfuß nicht so weit laufen. Kelly borgt mir ihren dicken Pullover (meine Jacke ist irgendwo im Kofferraum verbuddelt) und ich wandere los.

    Der steinige Weg führt zuerst etwas steil nach oben; Als er dann ebenerdiger wird, sehe ich am Wegesrand Infotafeln. Henne liebt Infotafeln! 😄

    So weiß ich z.B. zu berichten, dass die tollen Färbungen der Seen dadurch zustande kommen, dass die Gletscher durch ihre Vorwärtsbewegung sanft die Steine zermalmen und dadurch Steinmehl ("rock flour") entsteht. Dies wird mit dem Schmelzwasser herausgespühlt und erzeugt je nach Konzentration und Licht- bzw. Sonneneinfall trübgrauen bis brillant-türkisene Farbeffekte.

    Die Vorwärtsbewegung des Gletschers kann man noch ganz klar auf den riesigen zerkratzten ebenen Felsen sehen, über die ich gerade laufe. Dies lässt die gewaltigen Kräfte erahnen, die dabei wirken.

    Außerdem stehen am Wegesrand runde Schilder mit Zahlen. Schnell begreife ich, dass das Jahreszahlen sind, die den Gletscherrand zum damaligen Zeitpunkt markieren. Gerade bin ich bei "1992" angekommen, und bis zum Gletscher ist es noch ein ganzes Stück. Selbst als ich bei "2006" ankomme, trennt mich noch ein ganzes beeindruckendes Stück vom Gletscherrand. Ein mulmiges Gefühl macht sich bei mir breit. Schließlich erreiche ich die offizielle Begrenzung, ein reißender Schmelzwasserfluss strömt von links nach rechts und sammelt sich in einem nahegelegenen trübgrauen See. Eine vorherige Infotafel sprach davon, dass der Gletscher pro Jahr 5 Meter verliert. Ich schätze, es sind eher 50, und dass er in 20 Jahren weg sein wird. Ein Einheimischer, den wir später kennenlernen, bestätigt meine Einschätzung der Meter und meint, dass dem Gletscher eher noch weniger Zeit bleibt, eher 10 bis 15 Jahre. Auch soll sein Volumen nur noch rund 1/4 dessen entsprechen, was er vor über 100 Jahren hatte. 🫣

    Der Anblick ist trotz des komischen Gefühls beeindruckend, und dann sieht man, dass Busse bis zur Hälfte an der Seite hochfahren und auf dem Gletscher Menschen Klettertouren veranstalten, und man kann nur ungläubig den Kopf schütteln. In solchen Momenten hinterfragt man nicht nur die Menschheit, sondern auch sich selbst. Den Ökomodus im Auto anschalten und die Apfelplastepfandflasche aus Deutschland immer wieder als Trinkflasche aufzufüllen reicht da gefühlt nicht aus.

    Ich kehre betreten zum Auto zurück (ca."1950") und wir fahren aus dem Tal (ca. "1892") weiter nach Jasper, Ökomodus an, Klimaanlage aus.
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