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- Khamis, 10 April 2025 UTC
- ⛅ 21 °C
- Altitud: Paras Laut
Pazifischer Ozean27°11’46” N 140°33’25” W
Außenseiter

Anders als auf den deutlich kleineren Expeditionsschiffen, auf denen ich in den letzten beiden Jahren unterwegs war, bin ich in meiner langsam zu Ende gehenden Zeit hier an Bord irgendwie nicht so recht Teil der Crew geworden.
Einerseits absolut selbstgewählt - die Zeit auf'm Schiff ist für mich in allererster Linie Me-Time und an zweiter Stelle Weltentdeckerei.
Sicherlich hätte ich sonst viel aktiver Anschluss suchen können.
Ich kann Gruppe, ich kann lustig, ich kann offen und interessiert, aber es ist auch immer irgendwie anstrengend.
Und ganz ehrlich, wofür?
Ich bin hier echt nicht auf der Suche nach neuen besten Freunden, ich hab offen gestanden überhaupt keine Lust, jemandem, der eigentlich nur meinen Namen kennt, weil der ja so lustig ist (und ihn auch in zwei Wochen wieder vergessen haben wird) in der verrauchten Crewbar zuzuschreien, was mich ausmacht, was ich mag, wie ich die Welt sehe.
Spannender wäre schon, was mein Gegenüber ausmacht, was es mag und wie es die Welt sieht. Aber da auf dem Stand zu bleiben, gelingt mir ja schon bei meinen bestehenden Freundschaften nicht wirklich.
Also noch ne Kartei-Leiche mit Ansage?
Ach nö.
Mit lediglich fünf Wochen an Bord bin ich hier auch sowas wie eine Eintagsfliege zwischen denen, die vier bis acht Monate da sind. Klar, dass das Schiff dann dein sozialer Mittelpunkt, dein Dorf wird. Logisch, dass du einen Platz in der Gruppe suchst und findest, Freundschaften schließt, von anderen genervt bist, dich einer Clique zugehörig fühlst.
Mein Dorf ist ziemlich weit weg. Ich kämpfe nicht um einen Platz in der Gruppe, ich bin hier, um meine Ruhe zu haben, Klavier zu spielen und die Welt zu sehen. Jede Nacht zum Tag machen, saufen, flirten?
Ach nö.
.. also, äh, nicht dass ich jemals wieder Lust gehabt hätte zu flirten, seit ich verheiratet bin. *hust*
Andererseits war das ja auf den kleineren Schiffen auch meine Herangehensweise, und trotzdem wurde ich dort mit viel offeneren Armen empfangen, wenn ich mich dann doch mal aus meinem Mauseloch gewagt hab.
Nachdem Levin von der Rezeption - um das mit einem kleinen Erlebnis zu untermauern - mich mit einem freundlichen "Hey, komm doch auch mal in die Crewbar, ist voll lustig dort und so!" am vierten oder fünften Tag an Bord in den Feierabend verabschiedet, entscheide ich mich kurzerhand, dann doch mal in ebenjener fensterlosen Raucherhöhle vorbeizuschauen, die ich bis dahin gemieden hatte. Levin ist natürlich nicht da, denn der arbeitet ja noch.
Halbvoller Raum, viele Dreier- und Vierergrüppchen. Einige kenne ich schon vom Sehen. Manche blicken kurz auf, aber keiner signalisiert mir "Hey, Pianist, komm gern zu uns rüber." Also stell ich mich erstmal etwas verunsichert an die Bar und bestell mir ein Glas Wein.
Während mir der Barkeeper den Rotwein mürrisch auf den Tresen haut, sodass die Hälfte außen am Glas wieder runterläuft, wandert mein Blick nochmal unauffällig durch den Darkroom.
Man, das da hinten, das ist doch Johannes! Den kenn ich vom anderen Schiff, wir haben uns ein paar mal echt gut unterhalten - ich weiß sogar noch worüber!
Also nehm ich mein klebriges Glas und mache mich auf den Weg zum rauchenden Carpenter, der ebenfalls mit drei weiteren Menschen an einem Stehtisch steht.
Aus meiner Perspektive sieht es so aus, als würde Johannes gerade einfach nur die Wand anstarren, also spreche ich ihn direkt an.
"Hey, schön dich hier wiederzusehen! Ich bin Stefan, wir waren zusammen vor zwei Jahren auf'm Expeditionsschiff in Südamerika unterwegs, falls du dich erinnerst."
Völlige Ratlosigkeit hinter den dicken Brillengläsern.
"Äh .. ich, na Mensch!"
Überlanger Zug an eigentlich längst zu Ende gerauchter Zigarette.
Johannes hat keinen Schimmer.
Kein Ding, denk ich mir, ein zwei Stichworte und dann dämmert es vielleicht wieder, aber genau in dem Moment dreht sich die Crew Purserin, die mich eh gefressen hat, seit ich vor drei Jahren mal vor ihr saß und ein wichtiges Dokument nur in Kopie und nicht im Original dabeihatte, aus seinem Schatten hervor. "Äh, wir reden hier gerade."
Todesblick.
"Oh, okay, Entschuldigung, ich wollt ja auch nur kurz hallo sagen."
Auf dem Weg zurück zum Tresen nehme ich einen großen Verlegenheitsschluck aus meinem Weinglas - und will ihn eigentlich direkt wieder zurückspucken. Was ist das? Sand? Zigarettenasche?
I don't wanna know.
Schluck, Knirsch.
Ich stelle das halbvolle Glas zurück an die Bar und nehme würdevoll reißaus, gehe nicht über Los, ziehe nicht 4000 Mark ein. Immerhin riechen meine Klamotten so, als hätte ich einen lustigen Abend gehabt.
Und wann immer Johannes in den nächsten vier Wochen vor der Herausforderung steht, irgendwie an meinem Flügel vorbeizumüssen, macht er einen lustigen weiten Bogen um den weirden Stalker-Freak an den Tasten, von dem er sicher schwört, dass er ihn noch nie gesehen hat.
Nachtrag: Sicher, das war kein schöner Moment da in der Crewbar. Aber das nette Gespräch, was ich da vielleicht ein bisschen zu sehr gesucht hab an diesem Abend, ist mir an anderer Stelle immer wieder ganz ungezwungen zuteil geworden. Danke Benjamin, Kristin, Jo, Jessi, Levin, Natalia, Kristina, Sylvi, Simon, Yanez und Lukas.Baca lagi
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- Jumaat, 11 April 2025 UTC
- ☁️ 16 °C
- Altitud: Paras Laut
Pazifischer Ozean32°52’27” N 126°50’27” W
Viereinhalb Tage am Klavier

Um uns ein möglichst dramatisches Finale der Reise zu bieten, frischt der Wind anderthalb Tage vor unserer Ankunft in Los Angeles nochmal merklich auf. Von spiegelglatter See und blauem Himmel hin zu weißen Wellenkämmen und lustigen Gäste-Sturmfrisuren sind nur wenige Stunden vergangen.
Nach einem herrlichen Sport-Bummel-Lese-Vormittag sitze ich heut zum vorletzten Mal am Klavier und freu mich innerlich noch ein bisschen über die ausgesprochen gute Bewertung meiner Tätigkeit hier an Bord, die ich gerade bei meiner Chefin unterschreiben musste. "Schade, dass du so selten hier bist. Du passt so gut hier her, ich wünschte, wir hätten mehr von deiner Sorte." Das klingt schon erstmal nicht nach völlig versagt, würde ich sagen. Offensichtlich ist der Brandbrief vom Band-Pianisten von vor drei Wochen noch nicht bei ihr angekommen. ;-)
Auf dem kleinen Schiff mag das Miteinander familiärer und das Abenteuer noch abenteuerlicher sein - mein eigentliche Arbeit ist hier dafür unerhört entspannt. Denn während ich auf Expedition wahlweise Klavier spielen, dazu singen oder gar als DJ fungieren muss, bin ich hier wirklich nur der Typ, der sanfte Melodien am Klavier säuselt und dabei Gäste anlächelt. Und das genau drei Stunden am Tag und nicht exakt so lange, bis der letzte keine Lust mehr hat, an der Piano Bar zu sitzen.
Ehrlicherweise fällt mir kein einziges Crewmitglied auf dem gesamten Kahn ein, das weniger arbeitet als ich. Das darf ich gar nicht laut sagen.
Trotzdem werd ich - wenn der Wind mich nicht vorher über Bord weht - morgen Abend für dieses Mal meinen letzten Ton spielen und dann immerhin auch 109 Stunden lang am Klavier gesessen haben.
Meinem Repertoire haben die Wochen auf jeden Fall gut getan - 500 Stücke sind jetzt in meiner Liste, die ich ziemlich überzeugend abrufen kann, und bestimmt nochmal 100, die ich so lange lächelnd skizzieren kann, bis du an meinem Klavier vorbeigelaufen bist und denkst, dass ich sie ebenfalls voll drauf hab. ;-)
Ich wurde oft angesprochen, wie ich das mache, alles auswendig zu spielen. Und warum überhaupt? Für mich ist das ehrlich gesagt vor allem eine ästhetische Sache, denn ich finde wenig abtörnender als wenn auf einem wunderschönen Instrument in gediegenem Ambiente ein iPad rumsteht.
Und dann hopst das Pferd in mir mal wieder keinen Zentimeter höher, als es muss, denn ich bin in der glücklichen Lage, dass mir relativ leicht über die Finger geht, was ich kenne. So ist mein Repertoire im Grunde nichts weiter als ein großes Sammelsurium von Melodien, die mir eh im Kopf rumschwirren. Für irgendwas musste meine Bravo-Hits-CD-Sammlung in den 90ern ja gut sein. ;-)
Hab ich's nicht im Ohr, kommt's nicht auf die Liste, ganz einfach.
Das hat zu dem lustigen Umstand geführt, dass es ein paar Nummern gibt, dich ich zwar spielen kann, von denen ich aber absolut keine Ahnung hab, von wem sie sind oder wie sie heißen. Das ist blöd, wenn man sie in eine Liste eintragen will.
Auch hab ich mittlerweile kapiert, dass mir der Anfang eines Liedes meistens während des Spielens einfällt, wenn ich erstmal mit dem Refrain beginne. Bei Songs, die ich früher wegen dieser recht offensichtlichen Erinnerungslücke gar nicht erst angefangen hätte zu spielen, segle ich mittlerweile erstmal auf Sicht durch die Chorus-Akkorde und starte dann so richtig, wenn der Groschen doch noch fallen sollte.
Ebenfalls neu für mich entdeckt auf dieser Reise, allerdings ein bisschen fies, deswegen nur in Situationen höchster Unsympathie angewandt: Wahllos ein paar gefällige Akkorde aneinanderreihen und meinen "Na, haben Sie es schon erkannt?"-Blick aufsetzen.
Ehe das jetzt hier zu sehr nach Eigenlob stinkt: Bei allem, was gut und entspannt läuft am Klavier, ist mir aber auch mal wieder sehr bewusst geworden, in welchen Fertigkeiten und Stilistiken noch Vulkankrater-große Löcher klaffen. Es gibt auf jeden Fall noch genug zu lernen, um dann vielleicht irgendwann mit 73 ein halbwegs kompletter Ozeanpianist zu sein.Baca lagi
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- Ahad, 13 April 2025
- ⛅ 19 °C
- Altitud: 10 m
Amerika SyarikatLos Angeles33°44’52” N 118°16’33” W
Los Angeles & das Sandra-Bullock-Double

Während ich meine letzten Töne für dieses Jahr in die teuren Tasten hauche, schlängeln wir uns gerade zwischen Santa Monica und den kalifornischen Kanal-Inseln hindurch. Ich stehe anschließend noch eine Weile an Deck und erfreue mich daran, wie der Mond sanft den Pazifik beschimmert. An Meer, Wellen und Wolken - das lässt sich jetzt ziemlich sicher sagen - kann ich mich nicht allzu schnell sattsehen.
Gegen sechs werde ich dann nicht vom Mond, sondern von blinkenden Lichtern geweckt und zu meinem kleinen Bullauge gelockt. Ich könnte eigentlich noch zwei Stunden schlafen, aber so wie es aussieht, verpasse ich dann ja das Beste an diesem Morgen. Also schnell rein in die Klamotten und raus aufs Deck.
Schon wieder sind wir voll am Durchschlängeln, aber diesmal zwischen einem riesigen Containerschiff rechts und einem fast genauso großen Kriegsschiff links. Das Lotsenboot vor uns blinkt dabei wie ein echtes amerikanisches Polizeiauto. Das hat mich also geweckt. Wir sind im Hafen von Los Angeles angekommen, dem größten in ganz Nordamerika.
Los Angeles, das war bis vor dieser Reise der westlichste Punkt, an dem ich je gewesen bin. Jetzt bin ich ein paar Wochen aus Westen auf diese Stadt zugefahren. Witzig irgendwie.
Schon ziemlich beeindruckend, die ganzen Kräne und Schiffe. Die USS Iowa mit ihren gruseligen Kanonen ist mittlerweile ein Museumsschiff und liegt hier dauerhaft an der Pier, das Containerschiff auf der anderen Seite ist aber sicher bald wieder weg, so hoch stapeln sich die bunten Klötze schon auf seinem Rücken.
Packen, duschen, die verbotenerweise aus dem Crew-Gym geborgte Yogamatte wieder unauffällig zurückbringen - ich hab noch einiges zu tun. Währenddessen macht ein letztes Mal auf dieser Reise das Bugstrahlruder meine Bude zur Rüttelplatte, um uns so lange gegen die Pier zu pusten, bis wir fest vertäut sind.
Nach diesem Vorgang ist die Wahrscheinlichkeit, dass unser Boot während meiner Anwesenheit noch sinken wird, so rapide gesunken, dass ich meine Rettungsweste zum Safety Officer bringen und mir dafür die letzte Unterschrift auf meinem "Running Sheet for Off-Signing Crew" abholen darf. Jetzt darf ich offiziell gehen.
Kurz nochmal den Schwiegerpapa gedrückt und ein kleines Frühstück verdrückt, dann geht es auch schon los Richtung Flughafen.
Weit komme ich nicht. Erster Stopp: US Immigration im Hafengebäude. Die machen ihrem Ruf alle Ehre und befragen jedes einzelne Crewmitglied sehr genau. Dabei sagen wir doch alle das gleiche: „Yes, I have been on this cruise ship. Yes we came all the way from Japan. No, it was not boring on the Pacific.“
Hätte ich hier was zu melden, ich würde mir stattdessen etwas mehr Sorgfalt bei der Wartung des Reisebusses wünschen, den wir anschließend besteigen. So wird die gute halbe Stunde bis zum Flughafen auch nochmal ein echtes Abenteuer.
Als Erstes fliegt nach ein paar hundert Metern die Notausstiegsklappe über den Köpfen der ersten Reihe mit einem lauten Knall auf und lässt sich fortan auch nicht mehr schließen.
Ups.
Nach einer eher rasant angefahrenen Kurve öffnet sich dann die Klappe vom Gepäckstauraum unter uns und es steht zu befürchten, dass die ersten Koffer schon auf der Straße liegen. Unsere Fahrerin ficht das nicht an, schon das Cabrio-Feeling der ersten Reihen hat sie schulterzuckend hingenommen. Gutes Zureden führt dazu, dass sie wenigstens kurz mal anhält. Auf die Frage, ob sie bitte mal nach der Klappe gucken könnte, gibt es nur ein kurzes "Nope, I don't get out. You go."
Bariton, würd ich sagen.
So klettert also schließlich unser Security Officer Ingo aus dem Bus, um die Gepäckraumklappe wieder zu verschließen. So richtig fest im Schloss hält die nicht mehr, seinem Blick nach zu urteilen. Gleichzeitig eilen ein paar andere zurück zur Kreuzung und checken, ob wirklich kein Koffer rausgefallen ist. Zwei geschickte Hände eines unserer Filipinos haben inzwischen sogar die Klappe am Dach wieder verriegelt bekommen.
Von dieser adhoc-Instandsetzung weitgehend unbeeindruckt: Unsere Busfahrerin.
Als wir wenige Minuten später den zehnspurigen Harbor Freeway Richtung Flughafen entlang fegen, fühle ich mich an den Film "Speed" erinnert.
Äußerlich hat unsere Fahrerin nicht viel gemein mit Sandra Bullock, ansonsten ist sie ein waschechtes Double, denn auch sie scheint das mit dem Busfahren nicht allzu oft zu machen und auf keinen Fall bremsen zu dürfen.
Rums, die Dachklappe ist wieder auf.
Gelächter und Applaus (natürlich nicht von der Busfahrerin). Die Stimmung im Bus erinnert mich an die Tage, an denen ordentlich Seegang war in den letzten Wochen.
Ist ja auch irgendwie vergleichbar, unberechenbare Naturgewalten eben.
Wobei mir ordentlich Seegang gerade irgendwie lieber wäre.
Am Flughafen angekommen, liegen wir uns in den Armen und beginnen ein neues Leben. Also, ein paar Umarmungen gibt es wirklich, denn jetzt verteilt sich die Meute zu den verschiedenen Terminals dieses Riesenflughafens, um dann in alle Teile der Welt nach Hause zu fliegen.
Ich gebe meinen Koffer ebenfalls ab und überlege, was ich jetzt mit den fast zehn Stunden anfange, die ich noch auf meinen Flug warten muss. Kurz überlege ich, ob ich mir Los Angeles noch ein bisschen anschauen fahre. Ich war acht Jahre nicht hier und hab auch damals bei weitem nicht alles gesehen. Aber bei der Fahrt ins Zentrum ist wegen zahlreicher Baustellen wohl mit deutlichen Verzögerungen zu rechnen, abgesehen davon, dass es auch unfassbar teuer ist. Oder großflächig abgebrannt.🙈
Und so entscheide ich mich, einfach die zwei Kilometer rüber zum berühmten In-n-out-Burger zu schlendern. Ein perfekter Ort zum Plane-Spotting, da wenige Meter dahinter die Landebahn beginnt. So ziehen eine ganze Weile lang die krassesten Flugzeuge im Minutentakt über meinen Kopf hinweg, während ich in der Sonne liege und einen erstaunlich leckeren Cheeseburger esse.
Ist ganz nach meinem Geschmack hier.Baca lagi
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- Isnin, 14 April 2025
- ☁️ 15 °C
- Altitud: 172 m
KanadaMississauga43°40’54” N 79°36’37” W
Städte-Hopping in den Urlaub

Die letzten Wochen waren sicher nicht arm an Abenteuern, aber die größte Aufregung, das größte Fragezeichen wartete von Anfang an ganz am Ende der Reise auf mich.
Als klar war, dass ich genau zu Beginn der Osterferien in den USA vom Schiff absteigen würde, drängte sich am Küchentisch die Idee förmlich auf, danach hier noch etwas Familienurlaub dranzuhängen und Freunde an der Ostküste zu besuchen.
Und so haben wir uns zu Hause schon fast ein Jahr lang darauf gefreut, uns nach fünf Wochen getrennter Wege in Washington wieder in die Arme zu fallen und uns dann ein paar schöne Tage zu machen.
Als die agenturseitige Bestätigung da war, dass ich meinen Rückflug aus den USA auch erst zwei Wochen nach Beendigung meines Vertrages antreten könnte, haben wir Nägel mit Köpfen gemacht und alles gebucht.
Nun dreht sich die Welt ja gerade noch ein bisschen schneller als ohnehin schon - insbesondere, was Gesetze und Erlasse in den Vereinigten Staaten angeht, sodass irgendwann Anfang des Jahres die Nachricht reinflatterte, dass sich leider Verordnungen geändert hätten und die Agentur nun verpflichtet sei, mich direkt nach Beendigung meines Vertrags mit Hilfe eines Rückflugs aus dem Land zu eskortieren, und zwar in mein Heimatland.
Da hab ich erstmal in meine Tastatur gebissen. Denn was soll ich denn bitte in Berlin, während meine Familie im selben Moment gerade in Washington aus dem Flugzeug steigt?
Es ging hin und her, durchaus auch hitzig, schließlich hatten sie es mir ja erstmal zugesagt und ohne die Zusage hätten wir gar keine Flüge gebucht. Am Ende stand die Einigung, dass ich den Rückflug aus L.A. (den zu buchen sie verpflichtet waren) auf eigenes Risiko nicht antrete.
Einfach heimlich im Land bleiben, das wäre schon unter Obama keine gute Idee und auch jetzt keine Option für mich gewesen.
Und so hab ich mich im Vorfeld proaktiv an die Einwanderungsgrenzschutzbehörde gewandt und meinen Fall geschildert. Bestätigt wurde mir, dass ich als Crewmitglied nach Beendigung des Vertrages die USA auf direktem Wege verlassen muss. Allerdings zeigten sie mir auf, dass es in ihren Augen auch reichen würde, in ein Nachbarland zu reisen und von dort dann als stinknormaler Tourist wieder einzureisen.
Der liebe Freund, den wir in Washington besuchen wollten, sagte ähnliches und auch ChatGPT stimmte mit ein, leider aber mit dem Zusatz, dass das manchmal funktioniert, manchmal aber auch als Visa-Betrug aufgefasst und entsprechend geahndet wird an der Grenze.
Mmh. Also doch lieber alles absagen?
Aber ich hab doch das richtige Visum! Ich hab doch nichts Illegales vor. Ich will einfach nur noch ein paar Tage als Tourist im Land bleiben.
Ach komm, das wird schon irgendwie.
Und so beginnt jetzt ganz am Ende der Reise noch eine kleine planmäßige Nervenkitzelei.
Während der Großteil der abgestiegenen Crew gerade mit dem vollen A380 nach London fliegt, freut sich ein Passagier wahrscheinlich über den freien Platz neben sich, denn ich sitze in der Maschine Richtung Kanada.
Wir fliegen durch die zeitzonenverkürzte Nacht und als wir um kurz vor sechs ankommen, geht über Toronto gerade feuerballmäßig die Sonne auf, um direkt danach hinter dichten Wolken zu verschwinden.
Vier Grad und Regen, brrr.
Aber auch bei schönem Wetter hätte ich es in den acht Stunden Aufenthalt heute mal ruhig angehen lassen, denn der Nachtflug war so rumpelig und schlaflos, dass heute spürbar keine Power für Kurzzeit-Sightseeing in mir steckt.
Außerdem weiß ich jetzt schon, dass ich in anderthalb Jahren wieder hier sein werde und dann ganz bestimmt mehr Zeit für die Stadt mitbringe.
So chille ich ein bisschen im Terminal - mit Blick auf die ferne Skyline - und warte auf meinen Weiterflug nach Washington.
Die Wieder-Einreisesituation dort bin ich immer und immer wieder im Kopf durchgegangen. Ich hab mich penibel vorbereitet auf alle erdenklichen Fragen, ich hab zig Dokumente und Zettel dabei, die helfen könnten, die Rechtmäßigkeit meines Vorgehens zu belegen - nicht zuletzt die Email vom Border Patrol Information Center, in der mir ja exakt das nahegelegt wurde, was ich hier gerade mache.
Trotzdem bin ich echt aufgeregt.
Denn nicht nur, dass ich vor einigen Jahren im nahen Umfeld schon sehr hässliche Dinge hinsichtlich der Einreise in die USA erlebt hab, auch in den letzten Tagen und Wochen war immer öfter von nicht direkt nachvollziehbaren, möglicherweise gar willkürlichen Zurückweisungen deutscher Staatsbürger an US-amerikanischen Flughäfen zu hören.
Andererseits: Da jetzt schweißgebadet und zitternd vor dem CBP Officer zu stehen, bringt ja auch nichts. Es ist jetzt, wie es ist und ich werde ja weder unrechtmäßig noch unvorbereitet vor das hohe Einreisegericht treten. Wenn sie mich aus welchen Gründen auch immer nicht reinlassen sollten, dann können wir über diesen verunfallten Urlaub hoffentlich auch irgendwann lachen.
Als ich meinen Flug von meinem erstaunlich bequemen Liegestuhl aus online einchecken will, bekomme ich immer wieder eine Fehlermeldung. ESTA needed.
Schluck. Ich gehe rüber zum United-Schalter, aber auch dort tritt die Fehlermeldung auf. „Sh*t, that‘s not good.“ entfährt es der Kanadierin hinterm Schalter. „You really just have that Visa here, no ESTA, Sir?“
Mir wird ein bisschen schlecht.
Ehe ich mich auf den Counter übergeben kann, kommt aber eine andere Kollegin hinzu und meint, dass das schon passt so. Das System spinne halt manchmal und mein Visum sei völlig in Ordnung.
Puh.
Mit dem Bordingpass in der Hand gehe ich direkt durch die Sicherheitsschleuse und muss mich da, wo ich unfassbar verlockende Angebote im Duty-Free-Bereich erwarte (not!) überraschenderweise erstmal in einer weiteren lange Schlange anstellen.
„Pre-Clearance U.S. Customs and Immigration.“
Ah, verstehe. Hier werden die schon mal aussortiert, die wirklich so gar keine Chance auf Einreise haben. Spart Rückflugkosten.
Gar nicht so schlecht, denke ich mir, dann kann ich hier in Kanada schon mal üben, ganz offen und selbstverständlich zu sagen, was in meinem Fall Sache ist.
Die strenge Dame macht Fotos, nimmt Fingerabdrücke und will wirklich sehr genau wissen, was ich in den USA will, wo ich hinreise mit wem und warum. Ich gebe bereitwillig Auskunft. Dann starrt sie quälend lange mein Visum an, bevor sie mir eine schöne Reise wünscht.
Generalprobe überstanden.
Mein Herz wird gleich etwas leichter. Ich habe nichts als die Wahrheit gesagt und bin damit gut durchgekommen, das mache ich einfach in Washington nochmal.
Als ich dort angekommen bin und aus dem Flugzeug-Finger ins Gebäude rausflutsche, staune ich nicht schlecht: Ich bin mitten im riesigen Strom der von und zu den Gates laufenden Menschen. Tausende! Die sollen alle noch kontrolliert werden? Mmh.
Auch am Kofferband traue ich dem Frieden noch nicht so ganz, aber fünf Minuten später stehe ich in der Sonne vor dem Terminal.
Vor dem Domestic Terminal, denn Flüge aus Kanada und Alaska gelten hier quasi so halb als Inlandsflüge. Halleluja!
Die Generalprobe in Kanada war also der Moment, auf den es eigentlich ankam und das, was mich in den letzten Monaten manchmal schlecht hat schlafen lassen, hat einfach gar nicht stattgefunden. Wenn das nicht Sinnbild für 90 Prozent meiner Probleme ist.😉
Dreieinhalb Stunden später springt mir dann fast das Herz aus der Brust vor Glück, als ich meine drei Liebsten endlich wiederhabe und wir zusammen den Flughafen hinter uns lassen.
Reich beschenkt mit fünf Wochen voller Erlebnisse hänge ich den Herrn Ozeanpianist in diesem Moment an den Nagel.
Vorerst.
Nächstes Jahr geht es dann wieder aufs Expeditionsschiff.Baca lagi