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  • Day 5

    VerboteneVerboteneStadt

    August 20, 2019 in China ⋅ ☁️ 21 °C

    8:30 early birds. Es regnet in Strömen, nochmal im Bett umdrehen. 9:30 late birds. Ein kurzer Hüpferer zum SevenEleven, Regenschirme kaufen. Ein Pancake Restaurant wird uns in unmittelbarer Laufweite von MapsMe angezeigt, da wollen wir frühstücken. Mal was anderes.
    Von der großen Straße links in eine kleine Straße, dann in eine noch kleinere Straße, Hutong, mittendrin, hier wird gewohnt. Es ist grau. Der Himmel, die Mauern, die Menschen. Rot dazwischen: mal eine Tür, mal Laternen, mal ein Fahrradsattel. Der Bezirksvertrauensbeamte lächelt von einem Poster, eigentlich lächelt er gar nicht, also: sein Foto mit verbindlich-neutralem Blick ist auf einem Poster abgebildet, das da an der grauen Mauerecke hängt. Auch grau irgendwie. Es regnet, unsere Schirme sind bunt, ein bisschen.

    Eine der anderen angezeigten potentiellen Frühstücksoptionen ist geschlossen, eine Müllhalde hinter den großen Fenstern. Dann drei lokale Lokale auf einem Fleck, welches ist jetzt das mit den Pancakes? Eines hat Hotpot, wollen wir nicht, nicht zum Frühstück. Dann das daneben. Es ist eine Butze mit Resopaltischen, Arbeiterklasse schlurft Nudeln, Mama kocht, genau mein Ding. Keine Widerrede, rein da.

    Die bilderlose Karte ist ausschließlich in Chinesisch, der Googleübersetzer lässt auch nach mehreren Anläufen nichts Gutes ahnen. Trotzdem, Laura und ich werden fündig, irgendwas mit Suppe und Nudeln und Fleischeinlage, hochspekulativ, aber sicher lecker. Google hat versagt. Fynn zieht ne Schnute, Nele tut sich sehr schwer mit unbekanntem Essen. Diskussionen, Genöhle, Abbruch.
    Ooooch schade, armer Reiseführerpapa, aber Hungerlaune von Kindern ist nicht verhandelbar - und das ist sehr diplomatisch formuliert.
    Also gibt’s knatschigen Weissmehlzuckerpampf vom Bäcker ein paar Ecken weiter in die Hand.

    U Bahn bis Tiananmen Platz. Der berühmte Platz des himmlischen Friedens, der gescheiterten Revolte, der größte öffentliche Platz der Welt, der Platz mit dem Maomausoleum, da wollen wir hin. Kaum aus der U Bahn, Polizei, dicke gepanzerte Fahrzeuge, Mannschaftsbusse, Wasserwerfer.
    Einbahnwege, eingeschränkt durch dicke Geländer, wir latschen lange Trassen entlang, wie Vieh im Schlachthof, bis wir endlich auf dem Platz stehen, wieder frei beweglich. Hier lebt der Kommunismus, hier regiert die Partei. Riesige Lampen ragen in die Höhe, in sozialistischem Schick mit Komplettaustattung: Kameras, Scheinwerfer, Lautsprecher. Frankfurter Allee in Berlin mal hundert.
    Links die Parteizentrale, rechts das Nationalmuseum, in der Mitte das Maomausoleum. Regen. Grau. Hunderte bunte Regenschirme spiegeln sich auf den nassen Bodenplatten, das ist hübsch und hat etwas Subversives. Irgendwie passt das Wetter perfekt zum Szenario.
    Eine große grüne Leuchtschrift verkündet in chinesischen Zeichen, dass das Maomausoleum von acht bis zwölf geöffnet ist. Es ist acht nach zwölf. Plöd.

    Nächstes Highlight, verbotene Stadt, Kaiserpalast, von der Regierung lieber Palastmuseum genannt.
    Hier spielt auch der Film ‚Der letzte Kaiser‘, den ich den Kindern leider nicht mehr vor der Reise zeigen konnte. Das hätte unseren Besuch heute noch in einen ganz anderen, lebendigeren und realen Bezug gestellt, Kaiserzeit und Kulturrevolution miteinander verknüpft, so wie es die beiden benachbarten Plätze nicht besser repräsentieren könnten.
    Durch hunderte Meter lange Geländergänge, immer als Teil einer Massenbewegung, erreichen wir irgendwann das Tor des himmlischen Friedens. Wer kennt es nicht, das riesige Maobild über dem Durchgang. Einen leichten Schauer mag ich gar nicht leugnen, als ich jetzt live und direkt darunter hindurch gehe. Es öffnet sich ein gewaltiger Platz, gut gefüllt mit geschäftigen Menschen und Gruppen, mal staunend, mal wartend, mal zielstrebig laufend, vor allem aber Selfies machend. Irgendwo in diesem Chaos muss der Ticketcounter sein.
    Wir gehen auf die linke Seite hinüber, Museumsladen, Imbissbuden, sonst nichts weiter, rechte Seite, wieder nichts, gerade aus zum hinteren Ende, nur Ticket Check und Einlass, kein Ticketcounter weit und breit. Vom einen Ende zum anderen des Platzes sind es einige hundert Meter Gehatsche. Nochmal das Ganze? Ne ne. Wir fragen Leute, auf Englisch. Die schauen uns verständnislos an, sonst keine Reaktion, ausser vielleicht ein schnelles Foto von uns. Google Translator versagt einmal mehr grandios, zumindest bekommen wir wieder keine Reaktion, wenigstens keine, die weiterhilft. Vielleicht schmollt er ja noch wegen seines Versagens in der Suppenküche.
    Auf das Stichwort Ticket werden wir von etwas aufgeschlosseren Leuten im besten Falle auf die Selfticket-Automaten verwiesen. Das Ding ist nur, für uns Ausländer geht da leider gar nichts, denn um Tickets zu ordern, benötigt man zum einen chinesischen Perso und zum anderen einen WeChat Account. Den bekommt man nur freigeschaltet auf Empfehlung durch einen Chinesen. Also Doppelnein.
    Nach einer guten halben Stunde Umherirren, spricht uns jemand von einem der zwei Infostände auf der Platzmitte endlich in englischen Bruchstücken an. Wir glauben erst nicht, was wir uns da aus dem Wortpuzzle zusammensetzen: die Tickets für Heute sind seit acht Uhr morgens ausverkauft, bis Samstag, Heute ist Mittwoch! Online geht auch nichts mehr für heute, nicht einmal für Chinesen. Bäm. Keine Verbotene Stadt für uns heute und morgen und überhaupt. Eine bittere Pille, die müssen wir jetzt erstmal schlucken, wir sind jetzt ordentlich enttäuscht und auch etwas pissed. Wir sind in Peking und keine Verbotene Stadt, das geht eigentlich gar nicht, ist aber wohl so. Über diese desaströse Ticketsituation war nirgends wo nie auch nur ein Mü nachzulesen, nie.

    Geknickt suchen wir den Ausgang aus diesem Ort des Desasters. Den finden wir erst auch nicht. Wir sind jetzt auch noch leicht genervt. Was soll das? Wir verstehen das einfach nicht.
    Der Verdacht liegt nahe, dass die Regierung Individualreisende nicht sehr gerne im Land sieht und denen entsprechend Steine in den Weg legt. Das fängt ja schon beim Visum an, dann die mehrfachen Rausschmisse aus den Unterkünften, jetzt diese schikanierende Ticketpolitik... naaa-ja.

    Ein Herr spricht uns an, ein Reiseagent, wie sich schnell herausstellt und fragt, ob wir Tickets für die Verbotene Stadt suchen. Na, jetzt nicht mehr! Danke vielmals, jetzt ist es zu spät und morgen ist unser letzter Tag. Er gibt uns sein Kärtchen und zeigt uns den Weg zum Ausgang, 1,9 km um den Aussenbezirk des Palasts herum laufen, die mächtigen Geländer machen den elenden Hatscherer alternativlos, na servus.

    Wir haben Hunger, und essen in einer palastnahen Imbissbude mittelmäßige Suppe. Die Souvenirläden im Dunstkreis sind wiederum eine Schau. Mao Devotionalien, Käppi, Taschen, T-Shirts, großartige Fototeller zum Aufstellen, Fächer, Essstäbchen - wir bummeln, etwas versöhnlicher und auch wieder fröhlicher. Fröhlicher auch, weil wir haben ja noch einen ganzen Tag in Peking, den letzten, und jetzt wissen wir, was wir an diesem Tag unternehmen werden! Shopping ist es nicht...

    Die Kinder sind erschöpft, sie ist aber auch sehr anstrengend, diese Reiserei, und noch mehr in den Dimensionen von Peking und mit allem, was sonst noch dazu gehört. Also begleite ich die Kinder Nachhause, die freuen sich auf ungebremstes Zocken, und ziehe wieder los, ohne sie. Hat auch was.
    Bei der Quartiersuche im Vorfeld der Reise bin ich immer wieder über den sogenannten Trommelturm gestolpert, um den herum einige Hostels platziert sind. Mir schien er in der Theorie nur etwas zu dezentral für unsere Unternehmungen in alle Richtungen. Jetzt, mit meiner Peking Erfahrung würde ich genau in diesem Kiez eine Unterkunft buchen. Aber lest weiter...
    Eine schöne Route scheint mir der Weg vom Lama Tempel kreuz und quer durch die Hutongs bis zum Platz mit dem Glockenturm, dem gegenüber der Trommelturm liegt und dann zur U Bahnstation unseres ersten Abends mit dem legendären Mangoeis.
    Die „Altstadt“ von Peking, in der und um die herum fast sämtliche Sehenswürdigkeiten liegen, ist einerseits fußläufig zu bewältigen, bzw. perfekt durch die U Bahnen vernetzt. Am Ende ist es wirklich egal, wo man in Peking wohnt. Bei der Planung unseres Pekingaufenthalts dachte ich, dass alles viele zig Kilometer weit auseinander liegt, dem ist nicht so.

    Unser Hostel liegt aber schon verdammt günstig wirklich direkt neben einem U Bahn Knotenpunkt, leider gibt es nur ein spärliches Angebot an Restaurants.
    In nur zehn U Bahn Minuten bin ich beim
    Lama Tempel und lasse mich immer tiefer in den chinesischen Alltag der Straßen und Gassen der Hutongs ziehen. Was ein Erlebnis, ganz still und sehr entspannend. Es ist zwar bewölkt, regnet aber seit dem frühen Nachmittag, also dem Kaiserpalast-Fail, nicht mehr. Alles ist zwar noch grau, aber trocken grau. Ein grauer dicker Hase wird vom Opa mit Enkelin auf der Straße Gassi geführt. Halb offene, rot lackierte Türen geben den Blick auf das Hofhauschaos frei, das nicht selten vorherrscht. Mittelalte Männer in Feinrippunterhemden kippen irgendwas vor die Tür, alte Weiber ratschen, Kinder kreischen, Minihunde von stolzen Frauchen pissen an die Mauern, immer wieder dahingleitende Motorroller, in sehr skurrilen Bauarten, Helden der Arbeit kehren verstaubt Nachhause zurück, Familien essen von einem großen Tablett vor ihrem Haus, immer wieder kleine Emmalädchen mit diesem oder jenem, was der Chinese so alltäglich braucht, und kleinen Restos. Einfach schön und beschaulich.

    Ein Eindruck ist auch, und das gilt wenigstens für den Teil der Stadt, den wir gesehen haben, dass die Straßen penibel sauber gehalten werden. Was sich hinter den Türen der Hutongs dann aber auch schon wieder aufhört, wie’s scheint.
    Soweit ich das beobachtet habe, mag es der brave Pekinese im Allgemeinen schon recht gerne rechtwinklig und aufgeräumt.
    Eine andere geniale Sache ist, dass es alle Meter öffentliche Toiletten gibt und die richtig sauber sind, da ständig jemand anwesend ist, der sie putzt. Ich habe gelesen, dass das dem Umstand geschuldet ist, dass so manches Hofhaus keine Toilette besitzt und diese Toiletten immer noch vor allem von den Bewohnern genutzt werden. Da ist das Interesse an sauberen Klos natürlich entsprechend groß.

    Dann kommt die Ecke, hinter der sich der heiss ersehnte Glockenturm offenbart. Ein überraschend mächtiger Bau, für einen Turm eher gedrungen. In ihm hängt Chinas größte Glocke, über sieben Meter hoch, deren Klang man bis fünf Kilometer weit hören soll. Der Zugang ist schon geschlossen. Um 17 Uhr schließen die meisten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Egal, der Anblick von Außen genügt mir völlig. Am Fuße der Turmes beginnt ein Platz, auf dem frühabendliche Aktivitäten stattfinden. Fitness an einem fest installierten Fitnessparcours, Eltern mit spielenden Kindern, also auch mit ihren Kindern spielend. Pekinger Eltern kümmern sich ganz offensichtlich entzückend um ihren Nachwuchs, konnten wir ganz oft beobachten. Eine ihre kleine Tochter tretende Mutter leider auch, das war aber eine sehr unrühmliche Ausnahme - hoffen wir mal. Alte Männer sitzen um Tische und spielen Brettspiele, Gruppen spielen Indiaca mit den Füßen. Ein Idyll und sicher ein Grund, sich bei einem Pekingbesuch mehr Zeit für solche Momente zu nehmen. Das frühmorgendliche Treiben in den Parks ist legendär und muss großartig sein! Wer Peking wirklich sehen möchte, wird es dort finden.

    Auf der anderen Seite des Platzes thront der Trommelturm. Ein ebenso imposantes und unübersehbares Gebäude. Dahinter wird es immer geschäftiger, die Fassaden bunter. Ein Laden neben dem anderen, eine sehr hohe Restaurantdichte, viele Menschen, aber OK.

    Es ist 19 Uhr, ich vermisse die Kinder, habe Appetit und ich denke, das Leben hier würde ihnen gefallen. Also rufe ich sie an und schlage vor, sie abzuholen, um ihnen diese Ecke von Peking zu zeigen. Jippieh ja, genug gezockt und ausgeruht! So breche ich hier meine Route ab und bin zwanzig Minuten später im Spring Time. Laura und Nele kommen mit, Fynn genießt lieber weiter die Ruhe. Weitere zwanzig Minuten und wir sind wieder beim Trommelturm, mitten im Trubel. Wir gehen natürlich in ein paar Shops, finden dann ein Restaurant mit sehr leckerer Speisenkarte.
    Noch nie gegessene Kreationen landen auf unserem Tisch. Eine Platte mit aufgeschnittenen, kalten, ich nenne es mal Pasteten, mit den unterschiedlichsten Geschmäckern, karamellisierte Auberginen, ein Gedicht, Udonnudeln mit frischen Gemüsen und einer Sauce aus schwarzer Bohnenpaste und als krönender Anschluss frittierte Bananenstücke auf Spießen umgeben von einem Netz aus Karamellfäden auf dampfendem Trockeneis, eine Augenweide.

    Essen macht müde, zu müde zum weiter Shoppen. Um zehn freuen wir uns über einen entspannten Fynn. Gerade als ich die Füße hochlegen möchte, klopft es an der Tür. Das Mädel von der Rezeption erklärt mir mit Hand- und Fußsprache, dass ich Besuch habe. Ich?
    Ich gehe mit hinunter in die Lobby. Jacky ist da, der Jacky vom Pekingentenrestaurant. Ich freue mich richtig. Er wollte und nur noch einmal unsreren Mauertrip für Morgen bestätigen, da sein Bruder, James Bond, uns nicht erreicht hätte.
    Ich erzähle ihm von unserem Desaster mit dem Kaiserpalast. Er schlägt sofort vor, gleich jetzt zusammen mit der Rezeptionistin Tickets für unseren letzten Tag in Peking online zu bestellen.
    Es hätte auch funktioniert, wenn man jetzt schon Tickets für Anfang September bestellen könnte. Das geht aber nicht. So bietet er uns an, die Tickets für uns zu besorgen, sobald das möglich ist. Wir tauschen Emailadressen aus. Jetzt bin ich sehr gespannt, ob wir auf diesem Weg zu unseren Tickets kommen. Man muss sich das mal vorstellen. Ein netter chinesischer Mensch wie Jackie bietet wildfremden Menschen an, für die vorab online Tickets zu ziehen, die diese fremden Menschen vielleicht in guten zwei Wochen abholen werden, dazu gibt es nichts weiter als wackelige Emailadressen... Was für ein Vertrauen ist das? Oder: No risk no money?
    Unser Plan B wäre, die Karten über das Hostel zu organisieren, in dem wir die letzte Nacht in der Stadt verbringen, scheint ja auf diesem Wege möglich zu sein. Fortsetzung folgt.
    Wir reden noch ein wenig, dann ist es aber Zeit fürs Bett, denn schon um Sechs klingelt Morgen der Wecker!
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