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  • Day 176

    Kapstadt

    August 1, 2022 in South Africa ⋅ ☀️ 16 °C

    Am Mittag des 01.08 kommen wir nach einer eigentlich wirklich ganz angenehmen 22-stündigen Busfahrt aus Windhoek glücklich und bei bestem Wetter in Kapstadt an. Schon auf den letzten Metern bis zum Busbahnhof sehen wir den berühmten Tafelberg und den daneben liegenden Lion’s Head in ihrer ganzen Pracht und können uns an der endlich wieder grünen Landschaft erfreuen.

    Wir lassen uns mit unserem ganzen Gepäck in den Stadtteil Green Point nahe der Küste fahren, wo wir eine tolle kleine Wohnung für die nächsten zwei Wochen beziehen. Wir freuen uns sehr, nach den drei Wochen Namibia unsere Sachen erstmal alle wieder waschen zu können und von dem sich überall befindlichen Staub zu befreien. Ausserdem haben wir hier richtig Platz, uns richtig auszubreiten, zu kochen und auf der großen Terrasse in der Sonne zu sitzen. Nur den kleinen Pool werden wir hier wohl eher nicht nutzen können 🥶.
    Wie auch in Namibia, ist hier gerade Winter, allerdings heißt das in Südafrika und vor allem auch in Kapstadt, Regenzeit und Temperaturen zwischen 10 und 25 Grad. Auch wenn es nun nicht mehr jeden Tag nur sonnig ist, sind die grünen Bäume und Wiesen doch auch etwas schöner, als nur staubtrockene Weiten. Den letzten Regentag hatten wir immerhin in den USA in Florida 😱.

    Nach unserer Ankunft und dem ersten Ausruhen, macht es richtig Spaß, sich mal wieder ausgiebig und abwechslungsreich mit Lebensmitteln für einige Tage eindecken zu können und wir kochen uns anschließend gemütlich Abendessen und genießen das Leben 😍.
    Unser Plan für die Zeit in Kapstadt besteht darin, keinen Plan zu haben 😅.

    Und so verbringen wir die nächsten Tage mit morgendlichen Laufrunden an der wunderschönen Küstenpromenade, kleinen Spaziergängen durch die Stadt und schlendern zu der sog. Victoria & Alfred Waterfront (benannt nach der britischen Königin Victoria und ihrem zweiten Sohn, Prinz Alfred), das historische Hafen- und Werftgelände, welches ab den 1990ern und zuletzt zur Fußballweltmeisterschaft 2010 in eine attraktive Shopping-, Flanier- und Ausgehzone umgebaut wurde. Hier finden sich grosse und kleine Restaurants, Boutiquen und Trendshops, Museen, Vergnügungseinrichtungen, ein grosses Einkaufszentrum und das riesige Kapstadt-Stadion, welches für die Fußballweltmeisterschaft 2010 erbaut wurde, ist auch gleich um die Ecke.

    Die Stadt gefällt uns auf Anhieb richtig gut, gerade die Lage direkt am Atlantik und am Fuße des Tafelberges mit dem dazugehörigen Nationalpark macht die Stadt mit ca. 4,5 Millionen Einwohnern zu etwas Besonderem.
    In den Vierteln Green Point, V&A Waterfront und Sea Point reihen sich schicke Häuser mit beneidenswerten Terrassen und Aussichten aneinander, während leckere Cafés und Restaurants aus aller Welt dazu einladen, jeden Tag etwas anderes zu probieren.
    Und auch das City Centre lädt mit vielen Geschäften, Bars und Restaurants inmitten einiger Hochhäuser zum Verweilen ein, die Long Street bildet dabei die bekannteste Ausgehmeile.
    Allerdings lässt sich überall auch die Armut sehen, neben den ganzen schönen Häusern und schicken Cafés tummeln sich zahlreiche (nach meinem Empfinden ausschließlich schwarze) Menschen, die nach Essen, Zigarettenstummeln und Geld betteln und am Straßenrand in improvisierten Zelten wohnen.
    Und auch wenn Kapstadt und vor allem die oben genannten Viertel mittlerweile gut bereist werden können und als sicher gelten, gibt es immer noch viele Gegenden, die man besser meiden sollte, nach Einbruch der Dunkelheit ist man insgesamt mit einem Taxi oder Uber besser beraten.

    Nachdem Kapstadt 1652 von dem Holländer Jan van Reebeck als Stützpunkt der East India Company für die Versorgung der Handelsschiffe auf ihrem Weg nach Indien gegründet wurde und sich in diesem Zuge immer mehr Europäer hier niederließen, wurden für den immer grösser werdenden Bedarf an Arbeitskräften Sklaven aus Madagaskar, Indien und Malaysia eingesetzt, da sich die Ureinwohner in der Umgebung Kapstadts erfolgreich weigerten, für die Company zu arbeiten.
    Da in der aufstrebenden Kolonie Kapstadt viele männliche Einwanderer ohne Familie tätig waren, kam es zu einer Bevölkerungsvermischung mit den Sklavinnen und auch den Ureinwohnerinnen. Die Nachfahren dieser Verbindungen machen den heutigen Teil der farbigen Bevölkerungsschicht aus.
    Nach einer 150-jährigen holländischen Vorherrschaft erweiterten 1806 die Briten ihr Einflussgebiet auf das südliche Afrika. 1814 wurde die Kaphalbinsel inklusive Kapstadt britische Kronkolonie.
    Reichtum und Wohlstand erlangte Kapstadt recht schnell in den Jahren 1870 bis 1890, nachdem es im Landesinneren von Südafrika nach der Entdeckung zum industriellen Abbau von Gold und Diamanten kam. Durch die günstige Lage am Meer siedelten sich daraufhin immer mehr Unternehmen in Kapstadt an.

    Nach dem zweiten Weltkrieg führte der Sieg der „National Party“ bei den Parlamentswahlen zum Ausbau der Apartheid („Politik der getrennten Entwicklung“). Somit kam es auch in Kapstadt zur strikten Rassentrennung. In die Nähe des Hafens und an die Ostseite des Tafelberges wurde die schwarze Bevölkerung abgeschoben und es entwickelten sich die sogenannten Townships. Wohnviertel und Stadtteile getrennt nach weißer und schwarzer Bevölkerung entstanden. Die Elendssiedlungen der schwarzen Bevölkerung wurden zum Ausgangspunkt des Widerstandes gegen diese Rassentrennung.
    1961 sorgte ein (weißer) Volksentscheid für die Unabhängigkeit von Großbritannien und Etablierung der „Republik von Südafrika“.
    Kurz darauf wurde der Anführer der mittlerweile verbotenen Wiederstandspartei South African Native National Congress (SANNC, später ANC), Nelson Mandela verhaftet und es folgten unzählige (blutige) Unruhen aufgrund der Rassentrennung, bis es 1986 zu einer Eskalation der Gewalt kam und der Präsident Pieter Willem Botha den Ausnahmezustand verhängte.
    Einige Apartheidgesetze wurden aufgehoben (Passgesetze, Zuzugskontrollen, Rassentrennung in Restaurants und Hotels).
    1989 trat Frederik de Klerk als Staatspräsident Bothas Nachfolge an und deklarierte als Ziel seiner Politik das Ende der Apartheid, ein Jahr später wurde Nelson Mandela aus der Haft entlassen und erhielt zusammen mit Frederik de Klerk 1993 für ihr Bemühen um ein „neues“, demokratisches Südafrika den Friedens­nobel­preis.
    Nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis am 11. Februar 1990, hielt Nelson Mandela in Kapstadt seine bedeutende Rede und leitete eine neue Ära für die Entwicklung in ganz Südafrika ein. Trotz zunehmender Korruption in Regierungskreisen von Südafrika haben vielfältige Sanierungsprogramme zu grundlegenden Verbesserungen geführt. Ganz allmählich entwickelt sich die Bevölkerungsstruktur wie in jeder modernen Großstadt in den verschiedenen Wohngebieten eher nach dem Einkommen. Die in Kapstadt seit 2006 regierende Partei ‚Demokratische Allianz‘ hat die Unterstützung der weißen und der farbigen Bevölkerung.
    Aber auch Jahre nach dem Ende der Apartheid bleibt das Land gespalten. Statt der Hautfarbe trennt die extrem ungleiche Einkommensverteilung das Land am Kap. Das enorme Wohlstandsgefälle, Gewalt und Kriminalität gehören zu den Hauptproblemen des jungen Landes. Südafrika verzeichnet daher weiterhin hohe Kriminalitätsraten, vor allem in den Großstädten und der überwiegende Teil der Gewaltkriminalität ereignet sich in den Townships.
    Und so kann man heute gut sehen, wie die Mittel- und Oberschicht, welche einen ähnlichen Lebensstandard wie wir in Deutschland haben, sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln vor der ausufernden Kriminalität, die in den Townships vorherrscht, zu schützen versucht. Es ist üblich, dass Häuser und Wohnungen einbruchsichere Gitter vor den Fenstern und Türen haben und ein hoher Elektrozaun oder Stacheldraht die Grundstücke absichert. Die meisten Komplexe werden zudem von privaten Sicherheitsdiensten überwacht.
    Vor allem aufgrund dieser Maßnahmen konnte die Kriminalität in den meisten Stadtteilen Kapstadts zwar stark zurück (in die Townships) gedrängt werden, das eigentliche Problem der großen Ungleichverteilung wird so aber natürlich nicht gelöst.

    Wir lassen uns aber weiterhin von der Stadt faszinieren und saugen alles auf, was wir hier erleben dürfen.
    Als ein halbwegs sonniger Tag vor uns liegt, entscheiden wir uns den Lion’s Head hinauf zu wandern, von dem man (normalerweise) auch einen tollen Blick auf Kapstadt und auf den Tafelberg hat. Der 669 Meter hohe Berg ist zwar kleiner als der Tafelberg, auf Grund seiner Kegelform und exponierten Lage gilt er jedoch als einer der schönsten Aussichtsberge in der Tafelbucht. Allerdings sehen wir auch hier schnell ein, dass man nichts (außer ein bisschen Bewegung) davon hat, wenn die Wolken sich einfach nicht verziehen wollen. Je höher wir kommen, desto mehr laufen wir nur noch durch eine graue Wand und können nur noch selten die tolle Aussicht auf die Stadt genießen. Nur den Tafelberg, den man so gut von hier aus sehen könnte, zeigt sich uns leider nicht.
    Naja, man kann nicht alles haben.

    Also warten wir weiterhin noch auf den besten Tag für die Besteigung des Tafelberges, können aber in der Zwischenzeit noch unser halbjähriges Reisejubiläum 🥳 feiern, in Erinnerungen schwelgen und machen uns dann an die weitere Reiseplanung.
    Wir mieten uns zunächst einen Mietwagen in Kapstadt, den wir nach drei Wochen in Johannesburg wieder abgeben wollen. Wir haben uns nun doch für eine Einwegmiete entschieden, da es aus Johannesburg deutlich günstiger ins nächste Land geht und die Mietpreise auch mit Einwegmiete recht erschwinglich sind. Und so nutzen wir das wohl hässlichste Auto der Welt 😅 an unserem letzten Tag in Kapstadt noch für einen kleinen Ausflugtag.

    Zuerst geht es in das Viertel Bo-Kaap. Es ist ein ehemaliges rassisch getrenntes Gebiet, das früher als Malay Quarter bekannt war. Bo-Kaap ist bekannt für seine farbenfrohen Häuser und kopfsteingepflasterten Straßen. Das Gebiet ist traditionell ein multikulturelles Viertel und 56,9 % seiner Bevölkerung identifizieren sich als Muslime. Und so fallen einem auf den zweiten Blick auch die zahlreichen Minarette auf. Das Gebiet soll die größte Konzentration von Architektur vor 1850 in Südafrika enthalten und ist das älteste erhaltene Wohnviertel in Kapstadt. 2019 wurde das Gebiet vom südafrikanischen Minister für Kunst und Kultur zum nationalen Kulturerbe erklärt.

    Nach dem Besuch der vielen bunten Häuser fahren wir zum nahe gelegenen Signal Hill, auch „Körper des Löwen“ (Lion´s Rump) genannt, ein markanter Berg mit flachem Gipfel neben dem Tafelberg und Lion’s Head in Kapstadt. Er ist 350 m hoch und bietet Aussicht auf die Waterfront und die dahinter liegende Tafelbucht. Neben der tollen Aussicht und einigen Wanderrouten, versammeln sich hier jeden Tag zahlreiche Paraglider, die sich von den Lüften über die Stadt tragen lassen.
    Wie der Name schon sagt, wurde der Signal Hill in der Vergangenheit verwendet, um Signale über die Wetterbedingungen zu geben. Als die Holländer ihre Basis in Kapstadt errichtet hatten, hatten sie Aussichtspunkte auf drei verschiedenen Hügeln eingerichtet, und einer davon war der Signal Hill. Der Signal Hill wurde verwendet, um Schüsse als Signale auszusenden, um Menschen in Zeiten der Not oder im Notfall zu warnen.

    Und dann führt uns ein auf Google Maps vermerkter Aussichtspunkt unterhalb des Signal Hills in einen Nobelvorort von Kapstadt, nach Bantry Bay. Wir kämpfen uns mit dem Wagen die steilen Straßen des Viertels hoch bis wir vor einer wahnsinnigen Kulisse von unfassbar großen, noblen und meist sehr modernen Häusern stehen, die in die steilen Felsen am Berg gebaut sind und dadurch alle eine unverbaute Sicht auf das Meer haben.
    Die Parkplätze sind in den engen Straßen allerdings etwas rar, so dass oft die Dächer der Häuser als Parkplatz dienen.
    Ich würde mir ja zu gerne diese tollen Häuser einmal von innen anschauen, aber uns bleibt am Ende „nur“ der Blick aufs Meer vom Felsen am Ende der Straße 😅🙈.

    Und dann sind die zwei Wochen hier in Kapstadt schon vorüber gegangen und wir glauben dem Wetterbericht, der uns einen wolkenlosen letzten Tag verspricht, also der perfekte Abschluss mit einem Aufstieg auf den Tafelberg!
    Die ziemlich teure Seilbahn, die einen hoch und auch wieder herunter bringt, ist momentan wegen Wartungsarbeiten geschlossen und wäre sowieso nur zum Herunterkommen in Frage gekommen. Also marschieren wir morgens mit ein paar weiteren Wanderern die schnell ziemlich anstrengende Strecke immer den Berg hinauf. Der Weg ist die meiste Zeit eine Art Treppe aus verschieden großen und vor allem hohen Steinen. Das Hochsteigen geht ganz schön in die Beine und ich frage mich, wieso ich auch noch meine Fließjacke mitgeschleppt habe, aber nach knapp 90 Minuten haben wir die 3,5 km geschafft…und sehen nichts 😭😭 (und ich bin so froh über meine zusätzliche Jacke).
    Der Wind peitscht uns aus allen Richtungen um
    die Ohren, die Wolken, die wir schon während des Aufstiegs misstrauisch begutachtet haben, ziehen zwar schnell vorbei, jedoch kommt von irgendwoher direkt eine neue Schwade herbeigezogen. Und so können wir unsere Enttäuschung nicht ganz verbergen, setzen uns ein wenig an eine halbwegs windstille Stelle in die Sonne und atmen erst einmal durch. Aber alles Warten hilft nichts und die Kälte zieht sich immer mehr durch die nassen Kleider, dass wir irgendwann und nach nur ein paar wenigen schönen Schnappschüssen den Rückweg antreten.
    Auch das Heruntersteigen ist nicht ganz ohne Anstrengung und wir sind froh, als wir mit etwas zittrigen Beinen unten am Auto ankommen. Ein letzter prüfender Blick nach oben beruhigt uns immerhin dahingehend, dass der Gipfel mittlerweile gar nicht mehr zu sehen ist und wir nicht zu früh den Rückweg angetreten sind 😅🙈.
    Wir schütteln die Enttäuschung ab, sind über unsere Wanderung froh und starten nun unseren Roadtrip durch Südafrika.
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