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  • Day 8

    Kilometer für Kilometer

    June 7, 2023 in Norway ⋅ ☀️ 17 °C

    Nach dem Tiefpunkt gestern hatte ich noch einen wunderschönen Abend. In der Nacht wache ich aber oft auf und schlafe eher unruhig. Ich habe das Bedürfnis meine Beine in alle Richtungen zu bewegen, aber der Schlafsack lässt das nicht zu.

    Am Morgen verliere ich keine Zeit. Um zehn nach acht geht es los. Dafür, dass das gestern so eine Tortur war, fühle ich mich heute richtig fit. Der Rucksack fühlt sich leichter an und ich folge dem gut ausgeschilderten traumhaften Pfad vorbei an unzähligen Seen. Die Zeit vergeht schnell. Nach 1,5 Stunden immer noch kein Zwicken im Rücken. So darf es weitergehen. An einem kleinen Gipfel mache ich Pause und mache ein paar Drohnenaufnahmen. Beim Blick auf die Karte fällt mir jedoch auf, dass zwar die Zeit im nu vergeht, nicht aber die Kilometer. Ich bin hier doch deutlich langsamer unterwegs. So nehme ich mir vor, die nächste Pause erst an der DNT-Hütte „Skarsvassbu“ zu machen. Der Weg kommt mir unendlich lang vor. Hinzu kommt, das immer mehr leicht sumpfige Gebiete zu durchqueren sind. Mit dem schweren Rucksack kostet das extra Kraft. Auch merke ich schon bei geringen Anstiegen, dass ich doch nicht so fit bin, wie ich mich heute morgen gefühlt habe.

    Als ich die Hütte erreiche, stehen schon ein paar Schuhe davor. Scheinbar wurde meine Ankunft bemerkt. Die Tür öffnet sich und eine Frau im Rentenalter steht vor mir und begrüßt mich. Es ist Jette aus den Niederlanden. Auch sie läuft Norge på langs, allerdings eher nach eigenen Regeln. Sie hat sich die Straßenschinderei gespart und plant später auch mal mit dem Zug zu fahren. Sie ist echt sympathisch und wir unterhalten uns über dies und das.

    Sie erklärt mir auch, wie man in den Hütten bezahlt, wie das mit den Lebensmittel funktioniert und vieles mehr. Sie wird heute hier übernachten. Sie war zuvor schon hier und scheint sich in Norwegen ganz gut auszukennen. Vor vier Wochen war die Hütte noch kaum erreichbar wegen des vielen Schnees. Kaum vorzustellen, auch wenn ich schon mehrfach beobachtet habe, dass einige Gräser noch plattgedrückt waren. Das macht mir etwas Hoffnung, dass sich die Schneemassen auf meiner geplanten Route auch noch in Wasser auflösen bis zu meiner Ankunft. Auch Jette berichtet von ihren Wasserproblemen. Ich finde zwar immer wieder Bachläufe, die ich für gut befinde. Aber teilweise sehe ich auch mal ein paar Kilometer gar keine.

    Ich habe noch mindestens 10 km vor mir und mache mich nach einer guten Stunde wieder auf den Weg. Es dauert nicht lang und ich komme an einen kleinen Bach. Hier fülle ich meine Reserven auf. Seit heute morgen trage ich immer noch einen weiteren Liter Wasser mit mir herum. Einfach zur Sicherheit. Das Gewicht spüre ich allerdings zunehmend. Inzwischen ist es wieder recht heiß. Ich muss immer wieder Pause machen. Beim Blick auf die Karte bin ich jedes Mal enttäuscht, dass ich kaum vorangekommen bin. Der Weg zieht sich und zieht sich und die Kilometer werden einfach nicht weniger. Irgendwann fällt mir jeder Schritt schwer. Wenn es dann noch bergauf geht, quäle ich mich in Zeitlupe da hoch. Ich bin gerade mal bei Kilometer 23. 25 sollen es im Schnitt sein. Aber ich muss mir auch zugestehen, dass heute zum ersten Mal nennenswerte Höhenmeter und Sumpf im Spiel waren. Auch da muss ich noch Fitness aufbauen. Und ich habe bereits 175km nonstop in den Beinen. Vielleicht ist jetzt dann mal Zeit für einen Ruhetag.

    Ich beschließe, die nächste Möglichkeit zum Wasser auffüllen zu nutzen, um alle Vorräte für das Nachtlager zu füllen. Ich finde einen richtigen Bach mit kleinem Wasserfall. Links vom Weg sehe ich ein Felsen etwas oberhalb. Dort finde ich eine Stelle, die halbwegs eben ist, wenn auch etwas nah am Abgrund. Da weitergehen keine Alternative ist, bleibe ich hier. Ich bin richtig erschöpft und auch mental wieder am Boden. Aber ich fange mich und nehme sogar noch eine Dusche am Wasserfall. Fast 12 Stunden war ich heute unterwegs, inklusive Pausen natürlich. Das war die bislang anstrengendste Tagesetappe. Morgen überlege ich, wann und wo ich mir einen Ruhetag gönne.
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