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  • Day 13

    Nix tun und 1017 EUR

    June 12, 2023 in Norway ⋅ ☁️ 21 °C

    Der lang ersehnte freie Tag! Auf dem ebenen Rasen des Campingplatzes gelingt es mir deutlich leichter, mich morgens noch ein paar mal umzudrehen und wieder einzuschlafen. Gegen halb neun wird es aber dann doch ziemlich warm im Zelt. Die Sonne steht bereits hoch und entfaltet ihre Kraft.

    Ich koche mir einen Kaffee und schreibe meinen Tagebucheintrag von gestern zu Ende. Auf‘s Müsli verzichte ich bewusst. Ich gehe eh gleich einkaufen und werde mir dann irgendwas geiles zum Frühstück holen. Parallel zum Tagebucheintrag schreibe ich mit Tobi, der nicht mehr weit von Rjukan entfernt ist. Ich freue mich auch über seinen Optimismus, dass die östliche Haddangervidda einen Versuch wert ist und die Schneelage ein Durchkommen gegebenenfalls zulässt. Ich lasse mir viel Zeit und koche einen zweiten Kaffee. Ich habe einfach keine Lust aufzustehen. Wozu auch. Da ich aber Hunger habe, gibt es doch Früchtemüsli mit heißem Wasser. Faulheit: 1, Hunger: Früchtemüsli.

    Das Schreiben der Tageszusammenfassungen gibt mir jedesmal viel, weil ich ganz bewusst die Tage noch einmal durchgehe. Es tut mir einfach gut und hierfür nehme ich mir gerne Zeit. Nachdem ich mich für die Route der kommenden vier Tage entschieden habe, steht fest, dass ich heute auch nicht mit dem Bus nach Åmot fahren werde, um Trekkingstöcke zu kaufen. Aufgrund der etwas abgeänderten Route komme ich da morgen sowieso durch. Ehrlich gesagt wäre mir der Ausflug nach Åmot für heute eh zu viel geworden. Mein ToDo-Liste ist lang. Wäsche waschen, einkaufen, nix tun. Insbesondere der letzte Punkt soll heute ein echter Zeitfresser werden.

    Die halbe Ladung Waschmaschine verteile ich auf dem Rasen in der Sonne. Dazu spanne ich etwas Gleitschirmleine als Wäscheleine zwischen zwei Bäumen. Dann tue ich etwas nix. Bald kommt aber der kleine Hunger und ich mache mich auf den Weg zum Supermarkt. „Supermarkt“ ist auch so ein Wort, das zu selten hinterfragt wird, aber das ist eine andere Baustelle. Auf dem Weg frage ich an der Rezeption, ob ich meine Powerbank zum Laden anhängen kann. Ich hoffe, dass sie sich über das Netzteil irgendwie resettet. Draußen sitzt der holländische Besitzer des Campingplatzes, der in etwa mein Alter hat. Vor ihm auf dem Tisch liegt eine kleine DJI Mini 3 Pro. Die Drohne, die ich gerade in meinem kleinen Tagesrucksack zur Post im Supermarkt transportiere. Ich spreche ihn darauf an und wir kommen zunächst über das Drohnenthema ins Gespräch. Wir verstehen uns gut und auch hier bin ich überrascht, dass mein Englisch einer am Ende fast einstündigen Unterhaltung standhält.

    Wie so oft stelle ich immer erst beim Schreiben fest, dass ich die Leute nie nach ihrem Namen frage. So bleibt es der anonyme Holländer mit dem Campingplatz. Auch er hat eine spannende Geschichte. Ursprünglich hat er in Holland im Bereich Cyber Security gearbeitet. Erst als Angestellter, dann als Teamleiter und schließlich als Manager. Gutes Geld habe er damit verdient. Spätestens als Corona kam hatte er die Schnauze voll und hat diesen Campingplatz übernommen. Zuvor ist er von einem Meeting ins andere gerannt. Hier verdient er nur ein Viertel seines ursprünglichen Gehalts, arbeitet dafür nur während der Sommersaison. Mit einem zufriedenen Lächeln erzählt er, dass er hier selbst beim Kloputzen glücklicher ist als in seinem alten Job.

    Ich liebe solche Geschichten, weil jede einzelne davon ein weitere Beleg ist, dass wir die gestern erwähnte Autobahn nicht fahren müssen. Zumindest nicht die ganze Zeit.

    Bei der Post im Supermarkt gebe ich mein Paket auf. Inzwischen routiniert. Die Frau hinterm Tresen sagt, dass sie zum ersten Mal ein Paket aufnimmt, wo sie bei Adresse des Empfängers und Absenders die gleiche Adresse einträgt. In meinem Fall die Adresse von Christian in Oslo. In Norwegen muss man eine norwegische Absenderadresse eintragen. Ich erkläre ihr, dass das die sicherste Methode ist. Ich selbst habe halt keine Adresse und sollte Christian nicht zu Hause sein, geht das Paket halt zurück an Christian. Ein todsicheres Ding!

    Neben Salat und Wurst wandert viel süßer Mist in meinen Einkaufswagen. Aber ich lasse mich nicht so gehen wie ursprünglich gedacht, als ich noch im Gelände war. Danach geht es zurück zum Zelt und ich lege mich eine Weile raus auf den Rasen. Als die Wolken vor die Sonne ziehen und mir eh gerade langweilig wird, lege ich mich ins Zelt. Schon besser. Die Sonne kommt schnell wieder raus und es wird richtig warm aber ich genieße das komatöse Dahindösen.

    Dann gibt es einen doppelten Kaffee und ich schaue nach meiner Powerbar. Sie lädt immer noch nicht und so steht ein weiterer Posten auf meiner Einkaufsliste für Åmot. Noch einmal laufe ich zum Supermarkt, um mir zur Feier des Tages zwei kalte Dosen Bier zu kaufen.

    Mit Brot, Wurst, Bier und ein paar Telefonaten lasse ich den Abend ausklingen. Das war ein erfolgreicher freier Tag! :-)

    Und noch eine kleine Erfolgsmeldung. Mit meiner Ankunft in Dalen habe ich 300 km geschafft und die ersten 1017 EUR erlaufen. Falls wer wen kennt, der wen kennt. Ich nehme natürlich noch weitere Sponsoren für mein Spendenprojekt auf! :-)
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