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  • Day 15

    Erster Regen

    June 14, 2023 in Norway ⋅ ⛅ 17 °C

    Noch vorm einschlafen recherchiere ich auf YouTube, was man gegen die Schmerzen im Fußballen machen kann. So komme ich auch zu meiner Diagnose: Metatarsalgie im linken Fuß - Dr. yout. Baudrexl. Es gibt verschiedene Ansätze, damit umzugehen. Ein Video schwört darauf, einen bestimmten Punkt zu triggern, ein anderes setzt auf verschiedene Dehnübungen. Ein paar davon probiere ich aus. Es fühlt sich auf jeden Fall gut an. Dennoch glaube ich nicht, dass morgen meine Probleme verschwunden sind. Dazu mache ich jetzt auch zu wenig.

    Am nächsten Morgen, für meine Verhältnisse habe ich richtig gut geschlafen, schlüpfe ich in meine Lagerschuhe und gehe zum Klo. Leider keine echte Veränderung zum Vortag. Ich habe gestern auch davon gehört, dass man barfuß gehen soll. Also ziehe ich die Schuhe aus und gehe vorsichtig über den Rasen und mache während des Frühstücks meine Dehnübungen. Das Fuß abrollen auf dem Rasen gelingt dann schon deutlich leichter und schmerzfreier. Trotzdem nehme ich noch eine Ibuprofen, falls es sich auch um Entzündungen handelt.

    Während ich meinen Rucksack packe, kommt auch die Dame zum kassieren. Tatsächlich zahle ich nur 100 Kronen. Ich mach mich fertig, fülle noch einmal meine Wasservorräte und mache mich auf den Weg. Tatsächlich läuft es sich deutlich angenehmer. Allerdings spüre ich, dass der linke Fuß noch empfindlich ist, aber es ist ein Unterschied wie tag und Nacht im Vergleich zum Vortag. Mit meinen neuen Trekkingstöcken geht es zunächst einen Pfad entlang, später auf einer Kiesstraße. Ich gehe zügig. Das fühlt sich super an. So habe ich mir vorgestellt, dass es sich so nach meinem Ruhetag anfühlt. Ich fliege einfach nur dahin. Direkt in eine Sackgasse. Ein Blick auf die Karte sagt mir, dass ich 500 m in die falsche Richtung gelaufen bin. Ich war so motiviert, dass ich gleich zu Tagesbeginn eine extra Kilometer gehen durfte. Ich fliege ein wenig langsamer zurück zu der Stelle, wo ich hätte abbiegen müssen.

    Ich bin richtig motiviert. Aus immer mehr Ecken kommen positive Signale, dass meine Route durch die östliche Hardangervidda, die größte Hochebene Europas, machbar sein wird. Ich bin eigentlich nur mit Jens und Tobi im Austausch. Jens hatte zuletzt schon von anderen berichtet, die es versuchen möchten. Tobi, der mir mittlerweile zwei Tage voraus ist, schickt mir ein Foto vom gegenüberliegenden Gebirgszug mit Blick auf die Hardangervidda. Das sieht absolut machbar aus. Heute Morgen habe ich doch einmal Instagram aufgerufen und finde auch hier Bilder und Pläne, die Hochebene zu durchqueren. Außerdem finde ich ein kurzes Video mit zwei lustigen Vögeln, die ein Lied pfeifen und dazu mit dem Kopf nicken, welches ich sofort an Nicole weiterleite. Ich frage mich, ob ich nicht doch weniger Zeit in der Natur und dafür mehr Zeit auf Instagram verbringen sollte. 😄

    Nach 8 km geht es auf der Straße weiter. Es ist eine breitere Straße, jedoch ohne Mittelstreifen. Schnell merke ich, dass hier einiges los ist, unter anderem sind einige LKWs unterwegs. In Kurven muss ich echt aufpassen und jederzeit bereit sein, schnell über die Leitplanke zu klettern, hinter welcher es aber direkt runtergeht, dass ein Gehen hier hinter keine Möglichkeit ist. Die Straße zieht sich so dahin. Mal mit Leitplanke, mal ohne, mal mit viel Verkehr, mal mit wenig Verkehr. Meinen Fuß merke ich nun doch häufiger, kann aber den leichten Schmerz schnell mit unterschiedlichem Auftreten regulieren und teilweise komplett verdrängen.

    Der Blick zum Himmel lässt mich zum ersten Mal ins Regenradar schauen. Richtung Westen habe ich blauen Himmel und viele schöne Schäfchenwolken, auf der anderen Seite ist es aber grau und zunehmend dunkler. In der Ferne regnet es bereits und einzelne Tropfen kommen auch bei mir runter. Der Geruch von Regen auf warmem Asphalt lag schon einige Zeit in der Luft. Grundsätzlich bin ich beim Wandern froh, wenn es nicht regnet. Aber ich freue mich schon auf den ersten Regen im Zelt. Zum einen, weil mein doch immer noch recht neues Zelt voll von Blütenstaub und Staub allgemeines. Zum anderen, weil es einfach nichts gemütlicheres gibt, als im Zelt zu liegen, während es draußen regnet.

    Um zwölf schlägt mein Handy Alarm, Notfallalarm. Ich erschrecke mich kurz über das Geräusch, zum Glück wurde ich aber von Christian aus Oslo vorgewarnt. Heute ist in ganz Norwegen um 12:00 Uhr Probealarm. Ohne diese Vorwarnung wäre ich vielleicht etwas irritiert gewesen. Da die Notfallmeldung hauptsächlich in Norwegisch dargestellt ist.

    Mittlerweile ist der Regen deutlich stärker geworden und ich entschließe mich, meinen Regenschutz auf den Rucksack zu machen, meine Regenjacke anzuziehen und eine kurze Pause am Straßenrand zu machen. Die Hose ist nass, aber ich habe keine Lust, meine Regenhose von ganz unten aus dem Rucksack zu kramen. Laut Regenradar ist der Regen sowieso schon durch, was allerdings der Regen noch nicht mitbekommen hat.

    Als es weniger wird, gehe ich weiter. Auf der Straße hat sich teilweise richtig Schaum gebildet. Ich glaube, hier hat es schon lange nicht mehr geregnet. Nach einer Weile wird es mir aber zu warm und ich ziehe dem Rucksack und mir das Regenzeug wieder aus. Was ich noch als kleine Regenwolke mitbekommen habe, hat sich mittlerweile zu einem Gewitter entwickelt. Es donnert mehrfach laut. Aber die Wolke ist schon weiter Richtung Westen gezogen, deswegen glaube ich nicht, dass ich hiervon noch etwas abbekommen werde. So ist es dann auch.

    Gegen 13:30 Uhr habe ich 18 km geschafft und erreiche Rauland, meine letzte Möglichkeit zum Einkaufen für die nächsten beiden Tage, bevor ich Rjukan erreiche. Noch bevor ich zu den beiden Supermärkten komme, entdecke ich ein kleines Bistro. Hier gönne ich mir noch einmal einen richtigen Burger mit Pommes. Er ist aber weit nicht so gut wieder in Dalen. Als ich mein Zeug sortiere, stelle ich fest, dass das Solarpanel keine Spannung anzeigt, obwohl es in der Sonne liegt. Auch als ich die Powerbar noch einmal ab und anstecke, passiert nichts. Ich habe etwas Sorge, dass sie durch den Regenschauer zu viel Feuchtigkeit abbekommen hat und nun defekt ist. Bevor ich sie aber einfach wegschmeiße, möchte ich Sie noch einmal richtig trocknen und testen. Zum einen hat sie über 100 € gekostet, zum anderen ist sie unfassbar praktisch und irgendwie auch ein Sicherheitsfaktor, wenn mal alle Akkus leer sind.

    Ich merke, dass mich dieses Thema gleich wieder belastet. Aber ich versuche nicht weiter drüber nachzudenken und gehe jetzt im Supermarkt. Diesmal wähle ich einen Spar, weil ich zuletzt immer im Extra einkaufen war. Viel brauche ich nicht. Eigentlich nur Müsliriegel. Dazu gibt es einen Smoothie, eine Flasche Cola und leichtes Gebäck. Du denn damit reist es sich leichter.

    Vom Supermarkt geht es weiter über die Straße. Hier soll ein Pfad einige Zeit am Fluss entlang gehen. Ich glaube nicht, dass dieser Pfad im Sommer oft begangen wird. Eigentlich ist er als Skilanglaufloipe ausgewiesen. So gehe ich mehrere Kilometer auf Forstwegen und Langlaufloipen. Den Beschilderung nach ist es hier im Winter ein wahres Paradies für Langläufer. Während ich noch in der Sonne laufe, wird es vor mir zunehmend dunkel. Diesmal möchte ich vorbereitet sein, halte an und krame meine Regenhose vom Rucksackboden hervor. Schon bald kommen die ersten Tropfen. Ich bin aber unentschlossen, ob ich jetzt all mein Regenzeug anziehen soll. Also ziehe ich zunächst nur die Regenjacke an und warte unter einem Baum, dass es weniger wird. So geht es einige Male. Erst, als ich wirklich das Gefühl habe, dass es sich nun etwas eingeregnet hat, ziehe ich auch die Regenhose an. Mittlerweile folge ich einem wunderbaren Pfad entlang eines malerischen Flusses.

    Die Stimmung ist irgendwie seltsam. Auf der einen Seite komme ich gut voran und fühle mich wohl, auf der anderen Seite komme ich mir hier draußen mit dem tristen Himmel doch ein wenig verloren vor. Mittlerweile weiß ich aber, dass sobald mein Zelt irgendwo steht, ich mein eigenes kleines zu Hause habe. Dann ist es egal, wie das Wetter draußen ist. Dann habe ich meinen eigenen kleinen Platz, wo ich es mir gemütlich machen kann.

    Ich folge dem Pfad noch einige Kilometer und komme schließlich an einer Straße raus, direkt am Rauland Høgfjellshotell. Hier ist ein kleines Skigebiet. Es gibt viele dunkle Hütten und das riesige Hotel. Alles scheint aber irgendwie ausgestorben zu sein. Die Berge, die ich mir zum Aufstellen meines Zeltes ausgesucht habe, sind also Skigebiet, obwohl ich den Höhenunterschied auf maximal 300 m schätze. Ich bin unsicher, wie die Wassersituation dort oben ist. Im Eingangsbereich vor dem Hotel stehen zwei Aufsteller mit irgendwelchen Infos. Scheinbar hat das Hotel geöffnet. Ich gehe rein und tatsächlich sind drei Angestellte gerade dabei, sich zu besprechen. Ich frage, ob ich meine Wasservorräte hier noch einmal füllen könne. Der Rezeptionist ist super freundlich und füllt meinen 2 l Sack mit Wasser. Ob ich aus Deutschland komme, fragt er mich. Er sei aus Italien. Aus Venetien, um genauer zu sein. Ich frage ihn, ob er Bassano del Grappa kennt und er freut sich richtig. Als ich ihm erzähle, dass ich das vom Gleitschirmfliegen kenne, nennt er mir noch weitere Flutgebiete. Er ist auch schon einmal mit dem Tandem mitgeflogen. Draußen zeigt er mir noch den Weg nach oben.

    Schnell finde ich ein Arial, wo ich mein Zelt aufstellen möchte. Wie immer besteht die größte Herausforderung darin, 2 m² zu finden, die ungefähr eben sind. Um 18:30 Uhr steht mein Zelt. Eine Pfütze, die zu Hälfte aus Schnee besteht, ist mein Waschbecken für heute Abend. Als ich meinen Rucksack auspacke und das Solarpanel raushole, leuchtet die kleine Diode wieder rot. Es scheint wieder zu funktionieren. Ich schreibe noch mit Tobi, der morgen in die Hardangervidda einsteigen möchte. Er hat sich nun ein genaueres Bild gemacht. Eine Sommerbrücke, die noch nicht aufgebaut ist, könnte zum Knackpunkt werden. Und die zwei Mädels, die mit ihrem Hund unterwegs sind, auch zum Nordkap, wären wieder umgedreht. Das sieht man zumindest bei deren GPS-Aufzeichnungen. Ich habe noch zwei Tage, bis ich in Rjukan ankomme. Bis dahin habe ich vielleicht noch weitere Daten und kann leichter entscheiden, was ich versuchen werde.
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