Satelital
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  • E1-26-D-Willingen [Upland] (21km)

    5 de julio de 2015, Alemania ⋅ 33 °C

    Bei Hitze und Gewitter durch das Sauerland (2/2)

    Über Nacht hat es etwas abgekühlt. Der Morgen ist herrlich lau, während ich auf der Terrasse sitze und frühstücke. Der Blick ist auf den Stausee gerichtet, in dem die Sonne glitzert. Doch wo gestern die Sonne glutrot verschwand, ziehen jetzt Schleierwolken herauf. Nachmittags soll es gewittern.
    In den Höhen ein Unwetter zu erleben, ist das Abenteuer? Können Blitze dem Wanderer nicht gefährlich werden? Mit diesen Gedanken gehe ich los. Den Weg über die südliche Seeseite entlang nehme ich nicht, sondern biege am Campingplatz „Hohes Rad“ auf einen Wirtschaftsweg ab. Es geht die „Große Eschenseite“ hinauf. So erspare ich mir ein paar Kilometer. Durch dieser Abkürzung erhoffe ich mir, in Willingen zu sein, bevor das Gewitter mich auf offener Strecke erwischt.
    Im Gegensatz zu gestern ist das Wandern heute leicht, denn die Temperaturen sind wesentlich angenehmer als gestern.
    Bald treffe ich wieder auf den Diemelsteig. Ich werfe einen letzten Blick zurück auf den großartigen Stausee, wende mich dann ab, offen für Neues. Auf einem Feld steht goldschimmernd die Gerste. Es ist gänzlich still hier oben. Doch nicht lang, da wird die Ruhe jäh zerstört. Motorenlärm schwappt vom Tal herauf, gefolgt von einer endlosen Kette chromglänzender Harleys, die blubbernd langsam den Berg herauf kommen. Als sie an mir vorbei ziehen, grüßen die Fahrer, schwarz vermummt mit Helm und Leder, freundlich. Bald sind sie außer Sicht. Die Stille kehrt zurück. Ein Segen! Ich bin wieder alleine hier oben und das tut mir wohl.
    Immer weiter geht es hinauf. Der Blick reicht weit und kann vom großen Butterberg über den Örenstein bis zum Hemberg schweifen, die alle auf der anderen Talseite liegen. Diese Gipfel sind über 600m hoch und befinden sich auf Augenhöhe. Darüber türmen sich dunkle Wolkengebirge auf. Hin und wieder fährt ein Blitz aus den schwarzen Wolken hinab ins Tal, gefolgt von lautem Grollen, der polternd die Abhänge hinunter rollt. Ich bin besorgt, doch über mir scheint noch die Sonne. Ich hoffe sehr, dass das Unwetter mich verschonen wird.
    Ich wende mich ab, gehe weiter. Kurz darauf verschwindet der Höhenweg im Wald. Erst geht es durch einen lichten Buchenwald, dem bald langweiliger Fichtenwald folgt. Lange Reihen hoher, schmaler Stämme sind durch kahle Flächen durchbrochen, die Lücken lassen für Wirtschaftsgeräte. Eine von Menschenhand gestaltete, eintönige Nutzwaldnatur.
    Schließlich weist ein Schild auf einen nahen Aussichtsturm. Ich folge dem schmalen Steig. Fünfhundert Meter geht es steil den Dommel hinauf. Schnaufend und vor Schweiß triefend erreiche ich den Gipfel, er liegt 738m ünN, die höchste Erhebung meiner bisherigen Wanderung. Oben steht der Dommelturm. Die Turmstufen bringen mich noch ein wenig höher hinauf. Der Lohn des Aufstiegs ist ein grandioser Ausblick. Vier bunte Informationstafeln geben Auskunft über die Berge und Orte der Umgebung. Die südliche Tafel interessiert mich besonders, denn dort sind zwei meiner Wanderziele verzeichnet: Konstanz am Bodensee, das ich hoffe im nächsten Jahr zu erreichen, ist noch 408km entfernt. Und Frankfurt, mein Etappenziel für dieses Jahr, ist "nur" noch 136km entfernt. „Fast ein Katzensprung“, denke ich, „Luftlinie natürlich“. Wenn ich fliegen könnte, wäre ich heute schon da. Doch ich habe Beine und Füße und bleibe am Boden. So werde ich doch länger brauchen. Aber das macht überhaupt nichts, denn meine Leidenschaft ist die genussvolle Langsamkeit. Und es ist mir Recht, wenn das Wandern durch Deutschland noch andauert.
    Lange stehe ich hier oben und schaue, bis ich mich satt gesehen habe. Zufrieden verlasse ich den Ort, gehe zurück auf den Diemelsteig. Wenige hundert Meter weiter kreuzt der Uplandsteig, dem ich ab jetzt folgen werde. Er führt nach Willingen.
    Es geht hinab durch lichten Buchenwald, am Ende überquert eine Holzbrücke den friedlich dahin fließenden Dommelbach. Daneben eine Wassermühle, idyllisch gelegen inmitten der Wiesen am Wegesrand. Doch die Idylle bekommt Flecken. Graue Wolken ziehen von Westen her auf. Sie kommen schnell heran und ziehen über mich weg. Das Grau wechselt zu Schwarz und vor mir zuckt ein Blitz auf. Der Donner lässt auf sich warten, grummelt nur leise. Doch das Gewitter kommt schnell näher, direkt auf mich zu. Blitze zucken, Donner folgt auf Blitz in immer kürzeren Abständen, schwillt an, wird zu Gepolter, das beiderseits des Tals an den Berghängen entlang rumpelt. Der Uplandsteig will nun unglücklicherweise den Hügel hinauf, mitten hinein in die tiefhängende Wolkenbrut, die immer näher kommt. Nein, dem Weg folge ich nicht! Lieber bleibe ich hier im Tal und gehe weiter auf der Straße. Richtig sicher fühle ich mich auch hier nicht. Ehrlich gesagt, ich weiß eigentlich gerade nicht genau, wie ich mich jetzt am Besten verhalten soll.
    Auf einer nahen Weide heben ein paar Kühe ihre Köpfe, glotzen mich an. Dann wenden sie sich wieder dem Grasen zu. Das bedrohliche Gewitter scheint sie nicht zu beunruhigen. Ihre Gelassenheit wünsche ich mir.
    „Solange Kühe ruhig grasen, braucht mein Herz nicht zu rasen“, murmle ich, wie um mich selbst zu beruhigen.
    Kaum habe ich es ausgesprochen, da zischt ein Blitz direkt vor mir in die Straße. Ein ohrenbetäubender Donnerschlag folgt.
    „Donnerwetter, nun bin ich mitten drin im Gewitter!“, denke ich verschreckt. Mein Herz beginnt zu rasen. Der Schreck scheint auch in die Kühe gefahren zu sein, denn nun galoppieren sie eilig ihrem Stall entgegen. So ein gutes Versteck hätte ich jetzt auch gerne.
    Zisch! Noch ein greller Blitz. Rumpel, der Donner folgt augenblicklich. Aber der Schlag ist bereits hinter mir. Gottlob, das Gewitter ist weiter gezogen, die Gefahr scheint vorüber zu sein.
    Aber was folgt, ist nicht besser. Erst beginnt es nur zu tröpfelt, kurz darauf öffnen sich alle Schleusen. Fette, schwarze Wolken entladen ihr Wasser genau über mir. Dicke Tropfen prasseln auf mich herab. Die Straßenbäume bieten nur wenig Schutz, sie sind noch klein und das Wasser rinnt durch ihre Blätter. Ich werde nass bis auf die Haut. Doch so unangenehm ist es gar nicht, denn der Regen ist lauwarm. Und so plötzlich es begonnen hat, so schnell ist der Platzregen vorbei. Die schwarzen Wolken ziehen weiter, machen blauem Himmel Platz, die Sonne lugt hervor und sofort beginnt es zu dampfen. Das Unwetter ist vorüber.
    Auf dem Programm steht noch die Besichtigung der Burgruine Schwalenburg. Doch ich habe keine Lust mehr dazu.
    „Gestern Hitze, heute Unwetter. Da macht das Wandern keinen Spaß mehr“, denke ich und wähle eine weitere Abkürzung, die mich noch schneller nach Willingen bringt. Vorbei geht es an geöffneten Geschäften, Restaurants und Cafés voller Touristen, obwohl heute Sonntag ist. Willingen scheint ein beliebter Wintersportort zu sein, der auch im Sommer etwas zu bieten hat.
    Um fünfzehn Uhr stehe ich am Bahnhof.
    Soll ich schon zurück?
    „Nein! Es ist noch genügend Zeit für eine Fahrt auf den Ettelsberg“, denke ich mir, drehe um und gehe zur Seilbahn. Mit ihr kann ich noch einmal, jetzt ohne Anstrengung, an Höhe zu gewinnen. Nebenbei breche ich den nächsten Höhenrekord. Denn jetzt geht es bis auf 837m ünN hinauf. Oben ragt der Ettelsbergturm steil in die Höhe. Ein Fahrstuhl bringt mich weitere 59 Meter hinauf. Auf einer vollständig verglasten Aussichtsplattform genieße ich den gigantischen Rundumblick. Erst schaue ich zurück auf das Hochsauerland, das nun hinter mir liegt und dann Richtung Süden auf das Rothaargebirge, wohin mein Wanderweg mich als Nächstes führen wird. Direkt unter mir liegt die Seilbahn mit den unermüdlich kreisenden Gondeln. Und wo im Winter Skifahrer befördert werden, sind es jetzt Mountainbiker, die ihre Fahrräder mit sich führen. Kaum aus der Gondel gespuckt, besteigen sie ihr Renngerät und stürzen geschwind auf halsbrecherischen Pisten zu Tal.
    Ich nehme lieber wieder die Gondel hinunter. Es ist immer noch Zeit. Eine Pizza mit Blick auf den Ettelsberg macht den Tag schön rund und während ich sie genieße, denke ich an die nächste Wanderung.
    Ich nehme mir vor, dass sie starten soll, wie diese endete: mit einer Gondelfahrt.
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