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  • E1-29-D-Hilchenbach (30km)

    August 10, 2015 in Germany ⋅ ☀️ 28 °C

    Der Weg der Sinne: Rothaarsteig (3/3)
    Es geht durch eines der schönsten Waldgebirgslandschaften Deutschlands.

    Am nächsten Morgen bin ich der Erste im großen Speisesaal. Als die anderen Gäste eintrudeln und sich über das wunderbare Frühstücksbuffet hermachen, bin ich fertig zum Abmarsch. Die Sonne ist schon vor mir aufgestanden, steht bereits hoch am Himmel und verspricht einen schönen und sonnigen Tag. Die Luft ist klar und und die Sicht gut. Nach ein paar Kilometern komme ich an einer Schutzhütte vorbei, die nagelneu ausschaut. Und tatsächlich, sie wurde erst 2012 fertig gestellt, ersetzt ein Hütte, die 2007 wie so vieles andere auch dem Orkantief Kyrill zum Opfer fiel. Aber warum nennt man sie „Potsdamer Platz? Die Frage lässt mir keine Ruh'. Ich finde die Antwort später in einem Online-Artikel der WAZ: <<Der von Wanderern und Radfahrern stark frequentierte Bereich hat seinen Namen von einem Waldarbeiter, der seinerzeit folgenden markanten Satz prägte: „Hier ist ja genau so viel Betrieb wie am Potsdamer Platz“.>>
    Ob er jemals in Berlin war?
    Zehn Kilometern weiter liegt der Rhein-Weser-Turm, ein 24 Meter hoher, schwarzer, monolithischer Turm, der nicht meinem Schönheitsempfinden entspricht. Vier dicke Stahltrossen, eines an jeder Turmseite, sichern den Turm im Boden. Deshalb vielleicht hat er den Orkan Kyrill, dem die kleine Schutzhütte zum Opfer fiel, schadlos überstanden. In seinen Fuß liegt eine Gastwirtschaft, sie hat geöffnet und mein Milchkaffee scheint gesichert. Still sitze ich auf einer Bank in der Sonne, auf der geschrieben steht: „Muße zu zweit“. Ein Pärchen namens „Cordula und Bernhard“ haben sie gestiftet. Muße erlebe ich hier auch gerade, aber nicht zu zweit. Auch wenn ich die vielen Momente mit mir alleine genieße, so fehlt mir jetzt gerade der Mensch, der mich beim Wandern begleitet und das Erlebte mit mir teilt. Aber ich will es ja so, wie es ist!
    Ich besteige den Turm, der einen herrlichen Panoramablick in alle Himmelsrichtungen gewährt. Wie immer geht der Blick dahin, wohin ich noch gehen werde. In der Ferne drehen sich langsam fünf Windkrafträdern, dorthin muss ich heute. Ganz klein sind sie noch.
    Als ich wieder unten bin, hat sich in der Gastwirtschaft das Setting verändert. Ein Reisebus ist eingetroffen und eine Schar munterer Senioren bevölkert Gaststube und Terrasse. Sie haben Kaffee und Kuchen bestellt und schnattern mit vollem Mund munter drauflos. Einige schicken sich an, den Turm zu besteigen, der jährlich von 10.000 Touristen besucht wird. Für die meisten von ihnen ist die Besteigung jedoch zu beschwerlich. Die Kraft reicht gerade vom Bus bis in das Café und zurück.
    Weiter geht es Richtung Hirchenbach. Kurz vorm Ziel verlaufe ich mich. Wo laut Komoot ein Weg sein sollte, ist keiner. Wo nur geht's lang? Ich schaue nach links und nach rechts, kann mich aber nicht entscheiden. Soll ich auf der Straße weiter gehen und einen Umweg machen? Nicht gut! Ich muss pünktlich am Bahnhof sein, denn ich habe ein Sparticket, das keine spätere Abfahrt zulässt. Das erzeugt ein Stressgefühl in mir, es fühlt sich unangenehm an. Ich entscheide mich für den kürzesten Weg, der geradeaus führt, klettere kurzerhand über den Zaun und gehe einfach über die Wiese, folge blind den Anweisungen von Komoot, denn Komoot irrt sich selten. Ein breiter Bach stoppt mich nur kurz, jemand vor mir hat wohl ebenfalls den Weg versucht und Steine im Bachbett verteilt. So komme ich trockenen Fußes ans andere Ufer. Noch ein Zaun, dahinter die Straße. Komoot ist zufrieden: „Du bist zurück auf der Tour“. Hey, das hat Spaß gebracht!
    Bald liegt Hilchenbach vor mir. Es geht eine breite Einfallstraße entlang, die direkt zum Bahnhof führt. Wie so oft sind es die zwei letzten Kilometer, die sich endlos hinziehen. Den Ort lasse ich links (Verzeihung: rechts) liegen, für einen Stadtrundgang scheint keine Zeit mehr zu sein. Jedenfalls meine ich es in diesem Moment, ich fühle mich durch die fixe Abfahrtszeit gehetzt. Ich komme weit vor der Zeit am Bahnhof an, so viel zu früh, dass ich sogar einen Regionalzug eher nehmen kann. Das geht, feste Abfahrtszeiten gelten nur für den überregionalen Zugverkehr. So bleibt mir in Hagen mehr als eine Stunde bis zur Abfahrt des ICE nach Hamburg. Zeit genug also, um mich umzuschauen. Der Bahnhofsvorplatz wirkt grau und abweisend. Die angrenzenden Seitenstraßen zeugen von trauriger Tristesse und bröckelnder Nachkriegsarchitektur. In einem Fastfood-Restaurant am Bahnhof schlinge ich einen Burger und eine Cola runter. Das ist nicht, was ich liebe!

    Endlich ist es Zeit für die Heimfahrt. Die Rückfahrt dauert fast sechs Stunden, die zwei Stunden von Hagen nach Hamburg sind gefühlt davon die Längsten. Es ist anstrengend, nach einem langen Wandertag auch noch eine endlose Zugfahrt zu erleben. Auf der Fahrt reift die Erkenntnis, dass ich die Wandertage ab jetzt anders einteilen sollte. Der erste und der letzte Tag dürfen keine langen Strecken mehr enthalten. Das zwingt mich wohl zu längeren Touren.
    Erst nach Mitternacht bin ich wieder in Hamburg. Nachts träume ich vom Wandern - von der nächsten Tour, die ich hoffentlich bald machen werde. Sie soll noch einmal auf den Weg der Sinne führen.
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