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  • E1-31-D-Dillenburg (31km)

    23. elokuuta 2015, Saksa ⋅ 24 °C

    Unter Schmerzen - Zweiter Teil des Rothaarsteigs (2/2)

    Am nächsten Morgen weckt mich das Muhen der Kühe. Der erste Gedanke gilt meinem Rücken, doch er ist ruhig.
    Unten wartet ein reichhaltiges Frühstücksbuffet. Das Pärchen, das mich gestern so einseitig unterhalten hat, sitzt bereits am Nebentisch, setzt gleich an, das Gespräch von gestern fortzusetzen. Als ich erwähne, dass ich ein Morgenmuffel bin, haben sie ein Einsehen. Erst nach dem Frühstück habe ich Lust auf ihre Gesellschaft. Wir schauen uns die Kuhweide hinterm Haus aus der Nähe an, versuchen die Kühe anzulocken, aber die haben ähnliches wohl schon zu oft erlebt. Jedenfalls fallen sie nicht auf uns herein. Wir verabschieden uns mit den Worten: „Wir treffen uns bestimmt noch einmal im Wald.“ Aber das geschieht nicht und so endet wieder eine flüchtige Begegnung, die folgenlos bleibt. Schlimm ist das nicht.
    Eine Weile führt der Rothaarsteig die einstige Eisenstraße entlang, eine mittelalterliche Handelsstraße.
    <<Die Eisenstraße verdankt ihren Namen dem Erz, das jahrhundertelang auf diesem Weg befördert wurde. Die Händler wurden von Rittern in mächtigen Burgen oder Wallanlagen vor feindlichen Angriffen beschützt. Die Dillburg ist eine davon. Dank der Steinpflasterung konnten die schweren Lasten auf Fuhrwerken bei jedem Wetter transportiert werden, der Weg verlief auf dem Kamm des Rothaargebirges, weil es in den Tälern damals zu sumpfig war.>>
    Nach einer Stunde erreiche ich einen Rastplatz, der Kaffebuche genannt wird. Rechts ragt die einst mächtige Buche als vermodernder Stumpf empor. Sie gab diesem Platz den Namen. Links davon wurde ein für den Rothaarsteig typischer Rastplatz installiert, der wie üblich aus einer Eckbank, zwei schmalen Bänken und einem quadratischen Tisch für das mitgebrachte Picknick besteht. Hinter dem Rastplatz ist eine Informationstafel angebracht und gibt mir Auskunft, was es mit der Kaffebuche auf sich hat: „an dieser Stelle sprudelte einst eine Quelle, mit ihrem frischen Wasser wurde Kaffee aufgebrüht, der dann unter der Buche genossen wurde.“
    Hier raste ich für einen Moment, doch ein Kaffee wird mir nicht kredenzt. Bald geht es weiter durch den Wald. Der Weg führt nun für lange Zeit sanft bergab, denn allmählich nähere ich mich dem südlichen Ende des Rothaargebirges.
    Das Abstoppen beim Abwärtsgehen bekommt meinem Rücken nicht, bei jedem Schritt wird er ein bisschen mehr gestaucht und das tut sehr weh. So beginne ich nach Abkürzungen zu spähen, weiche bei Offdilln von der geplanten Route ab, nehme dafür ein Stück Landstraße in Kauf, auf der es keinen Fußweg gibt. Kurz vor Weidelbach treffe ich auf einen lokalen Wanderweg, der seinen Wegewart wohl nicht sehr interessiert. Er ist fast nicht begehbar, wilder Ginster wächst mitten auf dem Weg und das wohl schon seit Jahren. Das Gras ist kniehoch. Jetzt bloß keine Zecke einfangen, denke ich besorgt, während ich bedächtig vorwärts schleiche. Immer tiefer geht es in den Wald und es scheint, als sei hier seit Jahren kein Mensch mehr gewesen. Eine Lichtung gibt Raum für einen üppig blühenden Heideteppich. Das erinnert mich an eine Etappe im letzten Jahr, die durch die schöne Lüneburger Heide führte. Ich sehe die brennende Heide und die weite, sandige Landschaft wieder vor mir.
    Der Pfad mündet auf einen breiten Weg. Nun geht es sich wieder besser. Ein hoher, windschiefer Hochsitz, aus dünnen Fichtenstämmen grob zusammen gehämmert, verspricht einen grandiosen Blick ins Tal. Ich wage mich auf der wackeligen Leiter hinauf, sie ist nur angelehnt. Die Sprossen halten, der Ausblick vom Hochsitz ist umwerfend. Vor mir verliert sich der Weg im Grün des Waldes. In der Ferne verschmelzen blass schimmernde Berge mit dem Blau des Himmels, als Topping garniert von zart schimmernden Schleierwolken. Lange sauge ich den überwältigenden Anblick in mich auf und es dauert ewig, bis ich satt bin.
    Jetzt wäre eine Kaffeepause toll. Ich hoffe in Oberroßbach ein Café zu finden. Doch schnell ist klar, dass es das hier nicht gibt. Es ist Sonntagnachmittag, kein Mensch ist zu sehen. Tankstelle und Kiosk haben geschlossen. Sogar die Kirche hat zu. Etwas frustriert setze ich mich auf die Stufen des Kirchenportals und knabbere lustlos auf einem Energieriegel herum.
    Kaum bin ich zurück im Wald, führt ein schmaler Pfad den nächsten Berg hinauf. So beginnt ein mörderischer Aufstieg, der mir den Schweiß nur so aus den Poren treibt. Mein Rücken protestiert umgehend, doch es hilft nichts, ich muss da jetzt hoch. Oben angekommen, lockt eine Bank zur Verschnaufpause. Wer sie errichtet hat, muss sehr wohl um die Mühen des Aufstiegs gewusst haben. Doch leider sitzen schon zwei feiste Frauen auf der Bank. Sie müssen meinen schweißtreibenden Aufstieg eine Weile schon beobachtet haben. Was sie aber nicht sehen können, ist mein Rücken, der mich gerade fast in die Knie zwingt. Aber das lasse ich mir nicht anmerken, als ich vor den beiden Dicken stehe und höflich „Guten Tag“ sage, während ich mir insgeheim wünsche, sie würden Platz machen, damit ich mich setzen, den Rücken strecken und das herrliche Gefühl spüren kann, wenn der Schmerz ganz langsam den Körper verlässt. Aber sie sitzen bräsig auf MEINER Bank und für einen kurzen Moment hasse ich sie dafür. Aber das wissen sie ja nicht und schnell verlasse ich den Platz ohne ein weiteres Wort. Vermutlich fragen Sie sich, wer dieser grummelnde, unfreundliche Mensch wohl war.
    Nun geht es so steil hinab, wie es eben bergauf ging. Jeder Schritt staucht meinen Rücken und jeder Schritt tut weh. So erreiche ich unter großen Schmerzen Manderbach, das im Tal liegt. Ich genehmige mir eine Abkürzung, die mich mitten durch den Ort und nicht wie vorgesehen um ihn herum führt. Von einem unbebauten Grundstück stibitze ich einen roten Apfel. Zur Strafe werde ich von angriffslustigen Wespen verfolgt. Es geht an tristen Häusern mit spießig anmutenden Vorgärten vorbei. In diesem Ort herrscht eine gepflegte Langeweile. Ein Haus sieht aus wie das andere.
    Der nächste Hügel heißt Galgenberg, den ich nun hinauf schnaufe. Der Rücken schmerzt gleich wieder, aber immerhin geht es mir hier nicht an den Kragen wie manch' anderem an dieser Stelle in grauer Vorzeit.
    In der Ferne ist die Dillenburg zu sehen. Dort liegt mein heutiges Etappenziel. Die Burg möchte ich trotz der Rückenschmerzen unbedingt noch besichtigen. Wieder wähle ich eine Abkürzung. Eine steile Treppe führt direkt zur Burgmauer hoch, doch dann ist der Weg durch einen Bauzaun versperrt. So muss ich zurück, um die ganze Burgmauer herum. Dann endlich bin ich oben. Das Besondere dieser Burg ist der Wilhelmsturm, der normalerweise bestiegen werden kann. Er wird nur gerade saniert. So muss mir der Blick von der Burgmauer hinab über die Stadt Dillenburg reichen. Auch von hier hat man eine weite Sicht über Stadt und Land. Der Blick schweift zurück zu den Anhöhen, über die ich heute gekommen bin. Von hier sehen sie so klein aus und sind unerhört weit entfernt. Das alles bin ich heute gelaufen? Wahnsinn!
    Das heutige Auf und Ab in Kombination mit den Rückenschmerzen war unglaublich anstrengend. Ich brauche dringend eine Pause. Auf dem trockenen Rasen im Burghof strecke ich die müden Beine aus, dehne den mich peinigenden Rücken und bewundere im Liegen die Pracht des Wilhelmsturms, der hier schon seit 1875 in den Himmel ragt. Trotz seiner Mächtigkeit sieht er so filigran aus, als sei er einem Märchen entsprungen. Jeden Augenblick könnte Rapunzel in luftiger Höhe auf einer Turmzinnen erscheinen. Leise raune ich vor mich hin: „Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter!“. Weiter komme ich nicht, denn ich bin eingeschlafen. Als ich die Augen wieder öffne, ist die Sonne ein ganzes Stück verrückt. Wolken sind aufgezogen. Einen Moment noch bleibe ich liegen, schaue den gemächlich vorbei ziehenden weißen Tupfen nach. Mußevolle Momente.
    Ich muss denselben Weg zurück, den ich gekommen bin. Noch einmal geht es ganz um die Burg herum, dann die lange, steile Treppe hinab. Endlich stehe ich wieder in der Fußgängerzone, lasse mich beim erstbesten Italiener nieder, bestelle Pizza und Bier. Beides kommt rasch. Das Sitzen fällt schwer, der Rücken leidet. Die Pizza ist riesig, ich schaffe sie nicht. Der Wirt möchte sie mir einpacken, doch ich lehne dankend ab. Es macht ihn traurig.

    18:30 Uhr, es ist noch genügend Zeit bis zur Abfahrt. Mir fällt ein, dass ich noch das Portal des Rothaarsteins besuchen könnte, es soll ganz in der Nähe sein. Das wäre doch ein schöner Abschluss der Tour. Mit dem Begriff Portal hatte ich ein großes Tor verbunden, durch das man würdig schreitet, um den Abschluss des Rothaarsteigs zu zelebrieren. Doch im Hofgarten steht statt Portal nur ein Holzklotz, auf dessen Spitze die weiß-rote Wegmarke des Rothaarsteigs prangt. Ich bin ein kleines bisschen enttäuscht. Dafür bekomme ich eine Erkenntnis geschenkt, während ich mir das "Portal anschaue". So oft hatte ich mich während der Tour gefragt, was die geschwungene Linie auf der Wegmarke zu bedeuten hat. Hier plötzlich geht es mir auf: es symbolisiert die vielen Hügel, über die der Steig bergauf und bergab führt. So ist auch das geklärt.
    Der Rothaarsteig ist gegangen, ich wende mich ab, strebe dem Bahnhof zu. Meine Kraft ist aufgebraucht, ich kann nicht mehr. Der Rücken schmerzt. Die Rückfahrt ist lang, doch das Sitzen tut wohl.
    Es ist nach Mitternacht, als der Zug im Hamburger Hauptbahnhof einrollt. Noch schnell mit dem Bus nach Hause.
    Wie wohlig es sein kann, in den eigenen Kissen zu versinken, weiß man erst nach solch anstrengenden und schmerzhaften Wandertagen.
    Doch schon während sich die Augen schließen, ersehne ich die nächste Wandertour herbei.
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