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  • E1-54-D > Dobel (22km)

    September 14, 2016 in Germany ⋅ 26 °C

    Südwärts auf dem Westweg (2)

    Das Frühstück verbringe ich mit ein paar Studenten. Bei ihnen dreht sich gerade alles um Betriebswirtschaft und eine nahende Prüfung. Mir scheinen sie sehr angespannt zu sein und ich muss schmunzeln, als ich mich frage, ob ich während meines Studiums früher auch so war. Ach, das ist lange her. Ich fühle mich heute lebendiger als damals und denke, wie gut ich es doch gerade habe.
    Bald bin ich wieder auf dem Weg, werfe noch schnell einen Blick zurück auf die Jugendherberge, die mitten in die alte Burgruine der Rabeneck gebaut wurde.
    Die Sonne vertreibt die Morgenkühle, der Weg durch den Wald ist breit und gut befestigt, so komme ich auf dem ersten Stück des Westweges gut voran. Der Weg ist ausgezeichnet mit der roten Raute beschildert. Verlaufen ist hier fast ausgeschlossen und meine Navigationssoftware <Komoot> wird hier eigentlich gar nicht gebraucht. Ich lasse sie nur zum Trecken mitlaufen. Else Komoot ist nahezu arbeitslos.
    „Willste `nen Apfel?“, fragt eine alte Frau, als der Weg mich gerade an ihrem Schrebergarten vorbei führt. In der linken Hand trägt sie einen großen Korb mit frischen Äpfeln.
    „Gerne“, sage ich und sie reicht mir einen schönen, runden, roten Apfel.
    „Woher kommt du?“
    „Aus Hamburg“, versuche ich mit einen beiläufigen Ton zu sagen, aber es klingt wohl doch etwas Stolz mit.
    „Ah, Hamburg, das kenn` ich. Ein schönes Städle. Da hab`n mein Mann und ich mal `ne Hafenrundfahrt g`macht.
    Und dann fragt sie, was alle fragen:
    „Biste den ganzen Weg g'laufn?“
    „Ja, aber nicht in einem Stück, sondern in mehreren Touren.“
    „Und wo will`ste hin?“
    „Zum Bodensee“.
    „Das is' ja noch a Stückle zu Fuß.“
    Da hat sie Recht, denke ich. Und ich werde jeden Schritt genießen. Beim Weitergehen beiße ich in den frischen Apfel, der köstlicher schmeckt als jeder Apfel aus einem Supermarkt.
    Die heutige Tour ist zum Einwandern bestens geeignet. Der Weg ist breit und gut befestigt, gewinnt nur ganz allmählich an Höhe. Die Mittagspause verbringe ich auf einer Bank, von der aus ich meinen ersten Weitblick genießen kann. So viele mehr werden folgen.
    Eine Wanderin müht sich im Wald den Weg entlang. Sie sieht nicht aus wie andere Wanderer, denn statt Funktionshose trägt sie einen bunten Rock, statt Fleecejacke eine Wolljacke. Auf ihrem Kopf trägt sie einen lustigen Hut. Das Bemerkenswerteste aber ist ihr Rucksack, den sie nicht auf dem Rücken trägt, sondern auf einem Rollwagen hinter sich her zieht. Das erscheint mir recht mühsam zu sein und sie ist auch recht langsam unterwegs. Bald habe ich sie erreicht und als ich sie überhole, frage ich neugierig, was es mit dem Rollwagen auf sich hat.
    „Ich habe mir die Schulter verletzt“, meint sie, „aber ich möchte trotzdem unbedingt jetzt den Westweg laufen. So trage ich meinen Rucksack nicht, sondern ziehe ihn.“
    Das hört sich nach einer ungewöhnlichen Geschichte an und ich bin geneigt, sie ein Stück zu begleiten. Sie sieht ja auch ganz keck aus mit ihrem lustigen Hut und dem Wanderrock.
    „Wo soll es heute denn noch hingehen?“, fragt sie.
    „Nach Dobel“, antworte ich.
    „Ach, da will ich noch ein Stück weiter“, meint sie.
    Da bin ich sprachlos, denn sie hat damit noch ein weites Stück vor sich und bald schon wird es dunkel werden.
    Ein kurzes Stück gehe ich neben ihr, um mehr von ihr zu erfahren, aber ihr Tempo ist mir einfach zu langsam. So verabschiede ich mich bald von ihr, denn ich möchte noch vor dem Dunkelwerden in Dobel ankommen, um in Ruhe ein schönes Abendbrot zu genießen.
    „Vielleicht treffen wir uns morgen ja wieder auf dem Weg“, meint sie noch, während ich schon ein paar Schritte entfernt bin. Das hoffe ich auch, denn sie hat sicher eine spannende Geschichte zu erzählen. Doch ich zweifle, dass sie Dobel heute noch passieren wird.
    Bald darauf erreiche ich die Pension Heidi, meine heutige Unterkunft. Abendessen wird nicht angeboten und so muss ich wieder raus. Die Empfehlung der Wirtin ist das Hotel Talblick, dort genieße ich auf der Terrasse den Blick ins Tal, die untergehende Sonne, das riesige Schnitzel Wiener Art und mehrere der äußert lecker schmeckenden Biere.
    Das Wandern ist herrlich. Und erst die Pausen!
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