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  • E1-64-D Wanderheim am Feldberg (24km)

    October 14, 2016 in Germany ⋅ 🌧 7 °C

    Dem Ziel entgegen (3)

    Am Morgen hat sich der Sturm gelegt, das Wetter ist tatsächlich umgeschlagen. Der Himmel ist nicht mehr blau, sondern grau. Dafür ist es nun wärmer als die Tage zuvor.
    Das wenige Wasser reicht gerade noch zum Zähneputzen, aber nicht mehr für ein Frühstück. Also packe ich zusammen und lasse den Magen knurren. Zu meiner Überraschung finde ich den Zeltsack, den ich gestern so verzweifelt gesucht hatte, unter der Zeltunterlage wieder. Meine Freude darüber ist groß und ich danke dem Universum für den glücklichen Ausgang meiner kleinen Prüfung. So hat im Rucksack jetzt alles wieder seine Ordnung und das vom Morgentau noch feuchte Zelt macht im Rucksack nichts mehr nass.
    Kurz darauf kann ich den ersten Blick auf den noch fernen Feldberg erhaschen. Ihn möchte ich heute erklimmen. Aber zunächst geht es hinab zum Titisee. Irgendwo im Wald gibt es in einer der zahlreich vorhandenen Schutzhütten ein kleines Frühstück. Frischwasser konnte ich zuvor schon an einer Quelle aufnehmen.
    Nach dem Auf und Ab der letzten Tage ist es äußerst angenehm, mal eine Weile nur bergab zu laufen. Am frühen Mittag erreiche ich Hermesdorf am Titisee. Weil ich einen Riesenhunger verspüre, steuere ich das erstbeste Lokal an und lande in einem Restaurant mit deutsch-italienischer Küche. Ich frage den Kellner, ob er draußen bedient, denn ich fürchte, dass ich aufgrund meiner reduzierten Körperpflege Unangenehmes ausdünste und das möchte ich den anderen Gästen ungern zumuten. Gerne serviert er mir auf der Terrasse eine große Pizza mit Schwarzwälder Schinken. Das Restaurant wird damit seinem Namen voll gerecht. Dazu gibt es ein großes Bier lokaler Braukunst. Zivilisation hat auch ihr Gutes, denke ich, während ich schlemme. Der Wirt ist freundlich und zeigt mir sogar eine Steckdose auf der Terrasse, damit ich mein Smartphone während des Essens aufladen kann.
    Nach einer sehr ausgedehnten, erholsamen Pause geht es durch eine touristisch geprägte Einkaufsstraße - vorbei an mit Kuckucksuhren überfrachteten Geschäften - zum See hinunter, dessen Anblick mich etwas enttäuscht, denn irgendwie hatte ich ihn mir anders vorgestellt. Imposanter wohl, aber es ist nur ein ganz normaler See. Am Besten gefällt mir ein uraltes Traditionshotel in der ersten Reihe nahe des Kurparks. Hier spüre noch etwas vom längst vergangenen Charme des früheren Touristendorfes.
    Ich wähle die westliche Route des Westweges, die dem nördlichen Ufer des Titisees folgt. Bald gibt ein Wegweiser das Zeichen, den See Richtung Feldberggipfel zu verlassen. Sechzehn Kilometer sind es vom See bis dort.
    Wieder einmal geht es bergauf, aber das ist ja klar. Ein zwar schöner, aber anstrengender Weg windet sich Richtung Gipfel, vorbei an einer Sprungschanze, die ich schon am Morgen von der anderen Seite gesehen hatte, nicht wissend, dass ich sie viele Stunden später erreichen würde. Vorbei an alten Gehöften, die anmuten, als wären sie im Mittelalter erbaut worden, vorbei an Schutzhütten, die eine Option für eine Übernachtung bieten und schließlich zeigt ein Wegweiser zum Naturfreundehaus Feldberg Es ist nur noch vier Kilometer entfernt. Dort will ich hin und ich kann die Ankunft nach dem langen Wandertag kaum noch erwarten. Während der Mittagspause habe ich telefonisch ein Zimmer reserviert. Sicher ist sicher. Die letzten Kilometer werden immer beschwerlicher, am Ende muss ich einem Bachlauf entlang auf schmalem Pfad, der mal am rechten, mal am linken Ufer entlang führt und ihn einige Male auf glitschigen Brücken passiert. Obgleich schön, habe ich keinen rechten Blick mehr für die Natur. Immer steiler führt der Weg den Berg hinauf. Ich kann schon lange nicht mehr.
    Endlich mündet der Pfad auf einen Feldweg, der einer Wiese folgt, auf denen Schafe im Dunst tiefhängender Wolken grasen. Da! Ein Haus liegt im Nebel voraus, ich halte darauf zu. Bin ich am Ziel? Ich hoffe es so. Doch nein, noch nicht! Das ist die Baldenweger Hütte. Dort hatte ich auch angerufen, sie waren ausgebucht. Direkt dahinter taucht nun der Giebel des Naturfreundehaus Feldberg auf. Selten bin ich so erschöpft und gleichzeitig so glücklich durch eine fremde Tür eingetreten. Drinnen werde ich freundlich empfangen und darf gleich auf mein kleines Zimmer im ersten Stock. Nun dies: heiß Duschen, Wäsche waschen und aufhängen, ein Schläfchen machen.
    Die Entspannung kommt beim Abendessen. Drei Wanderer sitzen bereits im Gemeinschaftsraum. Da ich heute Gesellschaft schätze, setzte ich mich dazu an den großen, runden Tisch und bekomme auch gleich einen Teller Suppe vorgesetzt. Es ist der Auftakt zu einem gemütlichen Abend voller angeregter Unterhaltung. Ich erfahre zum Beispiel, dass eine der Wanderinnen ihre Sommer auf einsamen Almen verbringt, um Kühe zu hüten. Dort findet sie Frieden vor der hektischen Welt und verdient sich nebenher ihren Lebensunterhalt für das restliche Jahr.
    Das Leben ist so vielfältig und beim Wandern kann man viel erfahren.
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