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  • E1-65-D- Camping bei Lenzkirch (27km)

    October 15, 2016 in Germany ⋅ ☁️ 14 °C

    Dem Ziel entgegen (4)

    Am nächsten Morgen finde ich erst spät aus dem weichen Bett. Als ich endlich im Frühstücksraum erscheine, sitzt dort nur noch Achim, die beiden Frauen sind schon fort. Gleich plaudern wir munter drauflos, was wir heute vorhaben. Wanderer haben sich immer etwas zu erzählen. Achim meint, dass er mir heute den Feldberg zeigen könnte.
    "Ich kenne ihn wie meine Westentasche, war schon oft da oben", meint er.
    Eine gute Idee! Und so gehen wir gemeinsam los. Er vorneweg und ich hinterher, so stiefeln wir die verbleibenden zweihundert Höhenmeter zum Gipfel hinauf. Noch scheint die Sonne und ich freue mich schon auf den herrlichen Weitblick, wie er mir angekündigt wurde. Doch da zieht Nebel auf und oben ankommen, kann man die Hand vor Augen nicht mehr sehen. Das ist Pech, denn der Feldberg ist mit seinen 1.400 Höhenmetern die höchste Ergebung, die man auf dem ganzen E1 in Deutschland erleben kann. Der Reiseführer versprach einen Blick bis zum Bodensee und den Alpen. Nun aber ist nur grau in grau zu sehen. Ähnlich war es schon auf dem Kahlen Asten, auch dort war nur Nebel und keine Sicht am Gipfel. Es ist wohl mein Wanderschicksal.
    Da es jetzt auch noch saukalt wird, machen wir uns an dem Abstieg und schon zweihundert Höhenmeter tiefer kommt der Abschied. Ich reiche Achim wortlos die Hand, wir schauen uns in die Augen, dann wendet er sich ab, richtet seine Schritte in eine andere Richtung und ich schaue ihm nach, bis seine Gestalt im Nebel verschwindet. Der Westweg verläuft weiter durch den Schwarzwald Richtung Süden bis nach Basel. Der E1 dagegen biegt hier nach Osten ab und folgt für kurze Zeit dem Mittelweg durch den östlichen Schwarzwald. Immer weiter geht es bergab, runter zum Schluchsee, einem künstlichen Stausee von riesiger Ausdehnung und einige hundert Höhenmeter tiefer scheint schon wieder die Sonne.
    Wohl jeder Mensch hat einen heimlichen Traum, den er sich vielleicht irgendwann erfüllen möchte. Meiner ist ein kleines Haus, direkt an einem See gelegen, in dem ich dann wohne. Einsam und friedlich wird es liegen, weit ab von der Hektik der Welt. Während ich dem Stausee näher komme, nimmt dieser Traum urplötzlich Gestalt in Form eines kleinen Wochenendhäuschen mit überdachter Veranda an, das genau so aussieht wie in meiner Vorstellung. Gut, es steht nicht direkt am See, aber mein Gott, man kann nicht alles haben. Nur schwer kann ich weitergehen, aber ewig stehen bleiben kann ich auch nicht.
    Zum Glück komme ich bald an einem Seglerheim vorbei, in dessen Garten ich meine Schritte lenke. So kann ich mich aus meinem Traum lösen. Mit selbstgebackenem Kuchen in der Hand suche ich mir einen freien Platz auf der Terrasse. Ein paar Segler winken mich an ihren Tisch und stellen, kaum dass ich sitze, neugierige Fragen. Sie scheinen beeindruckt von meiner Tour und wir stellen nach einer Weile fest, dass die Mutter einer Seglerin gleich bei mir in Hamburg um die Ecke wohnt. Das gibt es doch nicht! Vermutlich habe ich sie schon mal beim Bäcker getroffen. Ich erfahre auch, das hier im Vereinsheim heute Abend ein Oktoberfest gefeiert wird.
    "Bleib da und sei unser Gast. Eine Unterkunft besorgen wir dir schon."
    Das klingt verlockend. Doch ich will lieber weiter laufen. So schicken die netten Segler mich den Bildstein hoch, der eigentlich nicht auf meinem Weg liegt.
    "Wegen der schönen Aussicht", geben sie mir mit auf den Weg.
    Nun mühe ich mich den Berg hoch, vorbei an herbstlich leuchtenden Laubbäumen, deren Blätter golden in der Sonne schimmern. Und auf halbem Weg zum Gipfel stelle ich fest, dass ich im Seglerheim mein kleines Sitzkissen vergessen habe, das ich bei den kühlen Temperaturen bei Pausen oder abends am Zelt vor der Kälte von unten zu schätzen weiß. Aber ich musste wohl etwas zurück lassen, nachdem ich heute morgen meinen Zeltsack glücklich zurück gewonnen habe. Eine Plastiktüte wird ab jetzt als Unterlage genügen müssen.
    Schließlich finde ich den schönen Ausblick hinunter zum Schluchsee und es ist den Aufstieg wirklich wert gewesen. Dann geht es weiter auf einem Höhenweg, der gegenüber dem geplanten Weg sogar eine Abkürzung ist. Endlich erreichte ich den Campingplatz Kreuzhof bei Lenzkirch, in einem altehrwürdigen Empfangsgebäude checke ich ein und bekomme einen Platz auf einer trockenen Wiese weitab der Dauercamper zugewiesen. Sie liegt in der noch prallen Abendsonne und das schnell aufgestellte Zelt trocknet in Windeseile ab. Der Kreuzhof ist ein vorzüglicher Campingplatz mit guten Einkaufsmöglichkeiten, einem Schwimmbad, beheiztem Sanitärbereich. Es verfügt auch über zwei Restaurants, die mich gerade am meisten interessieren. Der Gasthof an der Straße ist der schönere der beiden Lokale, aber dort ist ausgebucht. Aber in dem anderen sitzt man auch gut und das Wildgoulasch schmeckt richtig lecker. Ich komme mit einem Camperpaar ins Gespräch, die sich den Tisch mit mir teilen. Ich erfahre, dass sie morgen ihren Wohnwagen winterfest machen werden und die diesjährige Campingsaison damit beschließen. Regelmäßig kommen sie aus der Schweiz herüber und verbringen ihre Wochenenden im Schwarzwald auf diesem Campingplatz. Sachen gibt es!
    Als wir uns nach einem schönen Abend verabschieden, laden sie mich für den nächsten Morgen auf einen Kaffee zum Aufwärmen ein. Das ist nett von Nancy und Mike und ich nehme dankend an.
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