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  • E1-72-D- Konstanz (6km)

    October 22, 2016 in Germany ⋅ ☁️ 9 °C

    Dem Ziel entgegen (11)

    Die Nacht in der Jugendherberge war anstrengend. Ein Zimmergenosse kam erst spät und packte erst dann seine Sachen aus. Zwei andere standen sehr früh auf. Aber ich will nicht meckern, ich wollte meine Tour so beenden. Bald ist alles zusammengepackt und es kann los gehen.

    Heute naht das Ende meiner Wanderung "Längs durch Deutschland".
    Von der DJH strebe ich durch Allmansdorf Richtung Süden dem Ufer des Bodensees entgegen. Noch einmal geht es durch herbstbunten Wald. Es ist der Lorettowald und heute kann ich die schöne Laubfärbung wieder in vollen Zügen genießen. Voller Ungeduld gehe ich das letzte Stück und dann - endlich - liegt er in der Morgensonne vor mir: der große, blau schimmernde Bodensee. Ganz dicht ans Ufer gehe ich, bleibe stehen, schließe die Augen und genieße diesen Moment. Dann öffne ich die Augen und schaue sehr bewusst, sehe die Sonne, das blaue Wasser und das gegenüberliegende Ufer. Mein Blick schweift über den weiten See, dessen anderes Ufer ich nicht ausmachen kann. Ich richte meinen Blick auf das nahe Konstanz, sehe die Altstadt und den kleinen Park am Wasser, an dem ich meine Reise beenden will. Schließlich blicke ich geradeaus, sehe die Schweiz, die nächstes Jahr -vielleicht- Schauplatz einer weiteren Wandertour sein wird.
    Aber nun genieße ich nur diesen feierlicher Moment. Ich stelle Kumpel, der mich so lange geduldig und stumm begleitet hat, vor mir ab und hole aus ihm Feder und Muschel, die mich fast den gesamte Weg begleitet haben. Ich habe sie immer dabei gehabt, nur um sie jetzt dem Wasser des Bodensees als eine Geste des Abschlusses übergeben zu können. Lange halte ich sie in der Hand und kann mich nicht von ihnen trennen. Die Wanderung ist vorbei, wenn ich sie loslasse, so fühle ich. Schließlich übergebe ich sie sanft dem Wasser, sie treiben träge davon. Lange schaue ich ihnen hinterher, wie sie auf der spiegelglatten Oberfläche langsam in Richtung des anderen Ufers driften.
    Doch ewig kann ich hier nicht stehen bleiben. So schultere ich Kumpel ein letztes Mal, wende mich ab und gehe Richtung Konstanz. In dem kleinen Park nahe am Hafen beende ich meine Tour.
    "Du hast deine Tour gesichert", verkündet Else, als ich das Komoot-Programm beende.
    Nun wird sie vermutlich bis zum Frühjahr schweigen.
    Sehr lange sitze ich auf einer Bank, genieße die Sonnenstrahlen, den Blick auf den See geheftet, dessen Blau mir heute sehr intensiv vorkommt. Der Wettergott hat es gut mit mir gemeint am Ende dieser Etappe und meiner Reise.
    Und wieder spüre ich die innere Wärme, die ich gestern schon spürte. Sie beginnt in der Mitte meines Körpers und breitet sich von dort aus. Als sie meinen Kopf erreicht, fühle ich nur - Glück. Nichts ist wichtig, nichts ist zu tun in diesem Moment, denn ich bin angekommen. Für eine sehr lange Zeit verharre ich still auf der Bank. Körper, Geist und Seele sind eins und wollen nichts mehr.

    Doch jedes Glücksgefühl vergeht wieder und natürlich ist auch noch etwas zu tun, denn ich brauche jetzt ein Ticket für meine Rückfahrt, muss eine geeignete Zugverbindung heraussuchen. Obwohl noch Zeit ist, verspüre ich wenig Lust, mir noch die Altstadt anzusehen. Lieber warte ich hier voll Muße auf den Zug, der mich dann die vielen Kilometer, die ich bis hierher gelaufen bin, um ein Vielfaches schneller nach Hamburg zurück bringt.
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