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- May 27, 2022, 12:38pm
- ⛅ 26 °C
- Altitude: 1,061 m
- MontenegroCetinjeBukovica42°26’10” N 18°50’49” E
Njeguši
May 27, 2022 in Montenegro ⋅ ⛅ 26 °C
Schon kurz hinter dem Krstac-Pass steht das Ortsschild, bis zum Dorf auf einer geschützten Hochebene sind es aber noch einige Kilometer.
Njeguši ist heute eine wenig stimmungsvolle Anhäufung bäuerlicher Zweckbauten, aber ein kulinarisches Erzeugnis und ein historisches Ereignis haben den Weiler tief im kollektiven Bewusstsein der Montenegriner verankert. Bei Ersterem handelt es sich um einen wohlschmeckenden Schinken, bei Letzterem um den Umstand, dass hier 1811 (oder 1813, die Quellen sind nicht eindeutig) der legendäre Dichterfürst Petar II. aus der Dynastie der Petrović geboren wurde; später erhielt der als Fürstbischof von Cetinje mit quasiköniglicher Macht regierende Modernisierer des Landes den Beinamen Njegoš. Sein Geburtshaus im hinteren Teil des Dorfes kann heute besichtigt werden, wovon während der Schulzeit vor allem Schülergruppen Gebrauch machen. Das zweistöckige Anwesen ist eher schmucklos, sticht aber im Umfeld der sehr einfachen Neubauten deutlich hervor. Auf zwei Stockwerken sind Gegenstände aus Petars Jugend ausgestellt, es dominieren aber Erinnerungsstücke, die sich thematisch um sein bekanntestes Werk Gorski Vijenac („Der Bergkranz“) gruppieren.
Lange hat sich Njegoš in Njeguši nicht aufgehalten, seine Ausbildung erhielt er in den Klöstern von Cetinje und Herceg Novi, seinen staats- und weltmännischen Schliff in Wien und St. Petersburg. Die Regierungsgeschäfte übernahm Petar II. bereits im Alter von 17 (bzw. 19) Jahren (1830), seine Modernisierungsleistung bestand vor allem in der Institutionalisierung des Landes: Unter anderem wurde unter seiner Ägide erstmals ein Senat einberufen, ein Schulsystem begründet und die Erhebung von Steuern zur Finanzierung einer modernen Verwaltung angeordnet. Auf dem Gebiet von Kunst und Wissenschaft tat er sich neben seiner Belletristik mit einer Grammatik und einem Wörterbuch des Serbischen hervor. Bereits 1851 starb Njegoš an den Folgen einer Lungenentzündung in Cetinje, begraben wurde er auf dem 1655 m hohen Jezerski Vrh hoch über seiner Geburtsstadt. Seine bis heute ungebrochene Popularität verdankt der Fürstbischof weniger seinem literarischen Werk als vielmehr seinen Bemühungen um eine panserbische nationale Entität und Identität - besonders heute, im Kielwasser des vorgeblich an der Ethnienfrage entzündeten Bürgerkriegs, hat das ziemlich Konjunktur.
Weltanschaulich und politisch völlig unbelastet ist der Schinken, der vor Ort geräuchert und getrocknet wird - kaum ein Restaurant im Land, das unter der Rubrik „Vorspeisen“ auf njeguški pršut verzichten würde. In Njeguši kann man die fantastischen Schweinebeine direkt beim Erzeuger kaufen und in kleinen Verköstigungsstellen auch probieren. Qualitativ und geschmacklich muss sich der Schinken aus Njeguši hinter den Top-Erzeugnissen aus westeuropäischen Betrieben sicher nicht verstecken, die meist recht kräftige Räucherung und lange Trocknungsphase lassen ihn stark an Spitzenprodukte aus dem Schwarzwald und Südtirol erinnern. Lediglich den Fettmantel würden wir uns gelegentlich etwas dünner wünschen, aber Magerkeit war auf dem Balkan noch nie ein Qualitätskriterium. Der Weg zum EU-Qualitätssiegel G. U. (geschützte Ursprungsbezeichnung) ist allerdings noch weit, denn Schweineställe sucht man in Njeguši bislang vergeblich, die Tiere stammen aus den großen Mastbetrieben Hollands, der serbischen Vojvodina und Zentralserbien. Die strengen - politisch motivierten - Importrichtlinien haben diese feine Wurstware bislang aus unseren heimischen Kühltheken ferngehalten.
Nicht ganz so berühmt wie der Schinken, aber ebenfalls eine weitverbreitete Delikatesse ist der njeguški sir, der mittelfest gereifte Käse aus dem Bergdorf. Die säuerliche Note und dichte Konsistenz ähneln dem norditalienischen Fontina, der njeguški sir ist allerdings deutlich kräftiger. Häufig wird dieser Käse auch in kleine Würfel geschnitten und für mehrere Monate in Olivenöl eingelegt.Read more