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  • Day 77

    Chiloé

    January 17, 2017 in Chile ⋅ ☀️ 15 °C

    Die Fahrt nach Chiloé war eine der kürzesten, die wir bisher hatten. Von Puerto Varas mussten wir nur eine gute Stunde weiter nach Süden fahren, um in Puerto Montt auf die Fähre zu kommen. Von dort aus ging es nochmal eine Stunde weiter, um Ancud zu erreichen.

    Wir sind nach Chiloé gereist, in der Hoffnung Wale und andere dort lebende Tiere sehen zu können. Neben zwei verschiedenen Arten von Delphinen kommen in der Region auch noch Orcas, Buckelwale und sogar Blauwale vor. Bei den Landtieren war ich besonders am Pudu, einer winzigen Hirschart interessiert.

    Ich hatte vor einigen Wochen ja erzählt, dass Peru als die Heimat der Kartoffel gilt, es jedoch in Bezug darauf ein paar Unklarheiten gibt. So ist es möglich, dass die Kartoffel auch aus anderen Regionen Südamerikas kommt und in Peru nur eingeführt wurde. Eine dieser Regionen ist Chiloé. Die Insel bietet über 400 Sorten einheimischer Kartoffeln und konkurriert damit mit Peru, bzw. der Andenregion, um die Frage nach dem eigentlichen „Geburtsort“ des Erdapfels.

    Auf der Insel lebten einst ausschließlich die Huiliche, die zur Gruppe der schon erwähnten Mapuche-Indianer gehören. Die Zuordnung erfolgt unter anderem aufgrund der Sprache. Denn alle Mapuche, gleich welcher Untergruppe, sprechen Mapudungun. Das ist insofern bedeutend, als dass es heute hunderte von Begriffen im chilenischen Spanisch gibt, die dem Mapudungun entnommen sind. Chileno gilt daher selbst für Spanischsprecher als „eigen“ und schwer zu verstehen.
    Hier findet man die wohl häufigsten Worte im Überblick:
    http://www.allchile.net/chileforum/viewtopic.ph…

    Ich habe mich damit aber nur oberflächlich beschäftigt. Mein Spanisch ist definitiv noch nicht ausgereift genug, um mich tiefer in solche Dinge einzuarbeiten. Nachdem in Chile unsere Spanischfortschritte (gefühlt) weniger geworden sind, habe ich mir eine Tandempartnerin aus Kolumbien gesucht, mit der ich jetzt regelmäßig telefoniere.

    Die Mapuche glaubten, dass der oberste Schöpfer der Sonnengott sei. Hier gibt es also deutliche Parallelen zu den Inka, wobei ergänzt werden muss, dass die Sonne in vielen Volksgruppen der Welt und insbesondere Südamerikas eine zentrale Rolle gespielt hat. Die besondere Stellung der Sonne bei den Mapuche war allerdings, dass sie nicht nur einen Vater (männlicher Sonnengott) oder eine Mutter (weiblicher Sonnengott) repräsentierte, sondern zugleich auch als Bruder und Schwester angesehen war. Sie spielte also die Rollen von Ernährer, Beschützer, Weggefährte und eines zu beschützenden Wesens. Auch sind den Mapuche die Himmelsrichtungen Süd und Ost heilig. Aus diesen Richtungen kommen „die guten Winde“. Noch etwa 20% der heute lebenden Mapuche gehören dieser Religion an, wobei die zentralen Feste und Rituale auch bei den christianisierten Mapuche eine große Rolle spielen.

    Das spannendste an der Volksgruppe ist wohl, dass sie es als wohl einziges indigenes Volk Südamerikas, sieht man einmal von den „Unkontaktierten“ ab, geschafft haben, sich den Spaniern zu widersetzen. Dies geschah jedoch nicht ohne „zivilisatorische Opfer“. Die Mapuche lebten in der vorkulumbianischen Zeit ohne Schrift, Hierarchien und Oberhaupt. Sie waren beinahe anarchistisch organisiert (und das in einem funktionsfähigen Sinne) und erkannten keinerlei Obrigkeiten an. Die Schamanen hatten zwar eine Vormachtsstellung in Bezug auf ihren Einfluss, nicht aber in Bezug auf tatsächliche Zwangsmittel. Nach dem Eintreffen der Spanier erkannten die Mapuche allerdings, dass sie ihnen eine neue Organisationsform entgegensetzen mussten.
    Die neue Gesellschaft der Mapuche war nun straff und militärisch organisiert. Bereits die Kinder wurden zum Hass auf die Spanier erzogen. So dass nicht nur der bewaffnete Kampf, sondern auch Folterungen, Vergewaltigungen und kannibalistische Taten zur Einschüchterung der Besatzer genutzt wurden.

    Dies führte zu der ungemein spannenden und einmaligen Situation, dass der Chilenische Staat den Staat der Mapuche, unterhalb des Río Bío Bío, als existent anerkannte. Ein indigener Staat ist (mir) sonst nirgendwo anders bekannt. Wie ich im letzten Bericht schrieb, hielt diese Zeit allerdings nicht lange. Aus Angst vor der Kolonisierung Südchiles durch die Franzosen und Engländer entschloss sich die chilenische Regierung dazu, selbst Siedler (vornehmlich aus Deutschland) einzuführen und die Mapuche zu vertreiben. Seither haben die Mapuche, ähnlich wie die „Natives“ Nordamerikas, in kleinen Reservaten auskommen müssen, in denen Kriminalität, Sucht und Armut gedeihen konnten. Viele von ihnen zog es in die Städte. Verbesserungen ihrer Lebenssituationen wurden erst wieder von der Regierung Allendes durchgesetzt. Unter Pinochet verschlechterte sich ihre Situation allerdings wieder dramatisch. Er negierte einfach ihre Existenz, so stammt folgender Satz von ihm: „Es gibt keine Ureinwohner, wir sind alle Chilenen.“
    Dies führte unter anderem dazu, dass der von Allende geplante zweisprachige Schulunterricht nicht eingeführt und der Río Bío Bío gestaut wurde (was viel Land der Mapuche vernichtete). Im Gegensatz zu anderen Ländern Südamerikas schützt Chile seine indigene Bevölkerung auch heute noch nicht durch einen Verfassungsparagrafen.

    Den Huiliche auf Chiloé ist es leider damals nicht gelungen, sich gegen die Spanier zu behaupten. Dafür existiert auf der Insel auch heute noch eine starke indigene Tradition. In den Nationalparks existieren sogar noch einige kleine Dörfer.

    In Ancud sind wir in einer netten Hospedaje untergekommen (Hostales und Hospedajes unterscheiden sich darin, dass Hospedajes untervermietete Zimmer in bewohnten Häusern sind), die über eine Küche mit einem herrlichen alten Holzofen zum Kochen verfügte. (http://bild4.qimage.de/wer-verschenkt-holzofen-…). Wir hatten hier die Chance erneut auf eine Fahrt zu den Brutplätzen von Pinguinen zu fahren. Dabei haben wir nicht nur Humboldtpinguine gesehen, die wir ja bereits in Paracas bewundern durften, sondern auch Magellan-Pinguin. Beide gehören zur Gattung der Brillenpinguine und unterscheiden sich hauptsächlich durch ihre Zeichnung auf der Brust. Zudem sind die Magellan-Pinguine größer und etwas schlanker, denn beide Vögel weisen bei einem durchschnittlichen Größenunterschied von 25 cm das selbe Gewicht auf. Interessanterweise sieht der Magellan-Pinguin manchmal deutlich kompakter aus, wie der Bildvergleich hier auf Wikipedia zeigt:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Humboldt-Pinguin

    Ein Teil unseres Aufenthaltes auf Chiloé war allerdings anders und etwas ernüchternder als erwartet. In Quellon, dem Ort an dem wir gehofft hatten, Wale sehen zu können, gab es außer einer etwas heruntergekommenen Stadt und einigen Betrunkenen am Hafen nicht viel zu sehen. Wir fanden zwar einen Touranbieter, mit dem ich telefonisch eine Tour in den Nationalpark ausmachte, als wir jedoch zu dieser abgeholt werden sollten, kam einfach keiner. Und trotz meines meist recht durchwachsenen Spanisch, bin ich mir sicher, dass das nicht an mir lag. Und Waltouren haben wir leider erst recht keine gefunden.

    Etwas entschädigt wurden wir dann in Castro, dem Hauptort der Insel, der über eine wunderschöne bunt gestrichene Holzkirche verfügt. Hier fanden wir zumindest eine Delphin-Tour und unheimlich gute Papas Bravas zum Abendessen.

    Für die Tour mussten wir schon früh morgens nach Queilen fahren, um dort auf das Boot zu steigen. Wir nahmen dazu einen regionalen Bus, die hier immer dann anhalten, wenn sie jemand heranwinkt oder wenn jemand aussteigen möchte. Im Großen und Ganzen also ein sehr gemütliches Fahren.

    Die Tour selbst war wirklich großartig. Vor Chiloé leben sowohl Burrunan-Delphine, die auch „Australis“ genannt werden und die sehr „delphintypisch“ aus dem Wasser springen als auch Weißbauchdelphine, die ausschließlich vor Chile vorkommen. Sie gelten als besonders schlau, denn sie sind die einzige Delphinart, die nicht gerne in den Bugwellen von Booten schwimmt. Meeresbiologen nehmen an, dass sie sich dieses Verhalten im Rahmen ihrer Bejagung abgewöhnt haben. Neben den Delphinen konnten wir auch hier zahlreiche Pinguine und Seelöwen sehen.

    Auf der Rückfahrt waren wir beide müde vom Essen und dem Wein, die während der Tour angeboten wurden. Wir wurden grade noch rechtzeitig geweckt, um bei den Palafitos am Rande von Castro austeigen zu können. Palafitos sind Häuser, die zum Teil direkt über dem Wasser errichtet sind, und die an diesen Stellen auf Stelzen stehen. Meistens sind die bunt angemalt und in einigen von ihnen befinden sich heute Cafés oder Hostels. Wir tranken, zum Ausklang des Tages hier noch einen Kaffee, und gingen in unser Hostel zurück. Am nächsten Morgen wollten wir schon früh nach Valdivia aufbrechen.
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