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  • Day 5

    Extraktionen über Extraktionen!

    May 2, 2023 in Tanzania ⋅ ⛅ 30 °C

    Auch unser heutige Morgen beginnt wieder um Punkt 07:00 Uhr mit dem Klingeln des Weckers. Schwester Hifadhi klopft zwei Minuten später schon an unsere Tür, um uns Bescheid zu geben, dass heute früh um 07:45 Uhr im Health-Center ein Meeting der Mitarbeiter stattfindet und sie uns da gerne vorstellen möchte.
    Also machen wir uns fertig für den Tag, trinken mit Sister Hifadhi wie gestern auch einen Tee (auch wenn uns dieser mal wieder bei den schon 25 Grad die ein oder andere Schweißperle auf die Stirn wirft ) und schlingen noch kurz eine Banane runter, um den ersten Hunger zu stillen - wer weiß wie viele Patienten heute kommen und wann wir das nächste Mal Pause machen!

    Bis sich alle Mitarbeiter auf einer kleinen Außenfläche vor dem Health-Center versammeln, ist 8 Uhr schon verstrichen. Die deutsche Pünktlichkeit wird auch hier, wie in den meisten anderen Ländern der Welt, nicht gelebt. Wir haben dadurch aber Gelegenheit mit den anderen Ärzten und Mitarbeiten ins Gespräche zu kommen und versuchen uns, die knapp 12 Namen der anderen Mitarbeiter zu merken. Erstaunlich viele der Frauen heißen Mary - wie die Mutter Gottes (auf englisch) wie uns erklärt wird.

    Danach geht es in die für uns vom Vortag schon bekannten zwei Räume, die mit “Meno” (Zähne) ausgeschildert werden. Hier warten schon die ersten Patienten auf uns. Dr. Joseph und die Helferin Rosi sind wieder vor Ort und stehen uns mit Rat und Tat zur Seite. Schwester Hifadhi kommt im Laufe des Tages auch dazu. So werden auch heute bei den insgesamt 14 Patient*innen 10 Extraktionen durchgeführt (hauptsächlich praktisch von uns ganz alleine durchgeführt, Dr. Joseph war aber immer vor Ort um bei Bedarf zu unterstützen), ein Trauma behandelt, eine Zahn- und Taschenreinigung durchgeführt (da die Patientin mit Schmerzen aufgrund von stark geschwollenem Zahnfleisch kommt) und von Schwester Hifadhi eine Prothese eingegliedert.
    Außergewöhnlich ist heute, dass wir sehr viele Kinder behandeln. Einige von Ihnen sind super hart im Nehmen und lassen sich ohne ein Zucken die doch recht unangenehme lokale Betäubung geben und anschließend auch den Zahn ziehen. Andere wiederum schreien, weinen und strampeln vor sich hin während der Behandlung, sodass teilweise auch Schwester Hifadhi und Rosi dazu kommen, um die Kleinen zu beruhigen - für uns wirklich herzzerreißend mitanzusehen.
    Vor allem Dr. Joseph ist uns bei den Behandlungen der Kinder eine große Hilfe, da er während der Eingriffe die Kinder versucht mit Geschichten abzulenken und auf andere Gedanken zu bringen. Auch wenn wir mittlerweile die nötigsten Sätze für eine Behandlung auf Swahili weitestgehend drauf haben, können wir auf eine solch “beruhigende” Weise natürlich leider noch nicht mit den Patient*innen kommunizieren.

    So sehr den Patient*innen hier vor Ort auch geholfen wird und Ihnen durch die Extraktion des verursachenden Zahnes der Schmerz genommen wird, fällt es uns in einigen Fällen dennoch schwer diese “that’s the nature of our patients” Philosophie zu verinnerlichen.

    Ein Beispiel: eine unserer Patientinnen, im Alter von 7 Jahren, kam heute zu uns mit sehr starken Schmerzen am rechten unteren Backenzahn (der erste bleibende Backenzahn, der im Alter von ca. 6 Jahren durchbricht). Sie habe die ganze Nacht deswegen nicht schlafen können.
    Bei der Inspektion der Mundhöhle fällt direkt auf, dass sich das Zahnfleisch über das Ende des Zahnes gestülpt hatte. Dadurch hat sich seit Durchbruch des Zahnes eine Nische gebildet, die prädestiniert für Essensreste ist, aber mit der Zahnbürste nicht zu erreichen ist. Unter dieser “Zahnfleischkapuze”, wie wir es nennen, hat sich also in den ca. anderthalb Jahren eine riesige Karies gebildet, die mittlerweile schon bis zum Nerven durchgedrungen ist. Die Therapie besteht hier vor Ort also in der Extraktion des Zahnes.
    Als Zahnärzt*innen blutet einem bei sowas aber innerlich das Herz, da dies sehr einfach durch das Entfernen der Zahnfleischkapuze hätte verhindert werden können, wenn die Patienten regelmäßig zur Vorsorge zum Zahnarzt/zur Zahnärztin gehen würden.
    So wurde der Kleinen ein Zahn gezogen, der erst knapp seit anderthalb Jahren da war und eigentlich für noch viele Jahrzehnte ihres Lebens vorgesehen war.
    Aber wie wir die letzten beiden Tagen schon gelernt haben, ist das die “nature of the patients” und das System hier funktioniert einfach anders: Zahnärzt*innen werden aufgesucht, wenn akute Schmerzen bestehen!

    An die Umstände also, dass über 90% der Patient*innen mit wirklich starken Schmerzen kommen und dementsprechend die Behandlung auch unangenehmer verläuft (z.B. durch schlechtere Wirkung der Anästhesie), müssen wir uns wirklich noch gewöhnen! Dennoch merken auch wir, dass es mit den Behandlungen immer besser klappt, wir immer eigenständiger werden und auch die nötigen Swahili Sätze für eine Behandlung uns nach und nach besser im Kopf bleiben.

    In der Zwischenzeit, wenn mal keine neuen Patient*innen gerade vor Ort sind, haben wir die Zeit genutzt um eine paar Eindrücke mit der Kamera festzuhalten: von dem manuellen Behandlungsstuhl in einem der Räume (nur einer verfügt über einen elektrischen Behandlungsstuhl, wie man ihn aus Deutschland kennt), den verwendeten Materialien vor Ort, sowie auch Fotos von Dr. Joseph und uns.

    Gegen 14:30 Uhr verlässt die letzte Patientin die Zahnstation, sodass auch wir Feierabend machen können. Wir essen gemeinsam lecker zu Mittag (es gibt wieder Kochbananen mit einer Art Grünkohl - so schmeckt es zumindest) und machen anschließend einen Power Nap (Mittagsschlaf). Die ganzen neuen Eindrücke der letzten Tage sind viel zu verarbeiten!

    Am Nachmittag besuchen wir Schwester Hifadhi nochmal in der Zahnstation, während sie Prothesen herstellt für Patienten, die die kommenden Tage zum Einsetzen und Anprobieren vorbei kommen. Wirklich faszinierend zu sehen, mit welcher Routine und Geschicklichkeit sie dort arbeitet.

    Die restliche Zeit bis zum Abendessen verbringen wir mit Entspannen und dem weiteren Knüpfen der persönlichen Schlüsselanhänger für die Schwestern.
    Zum Abend hin essen wir gemeinsam mit Schwester Hifadhi, Schwester Goretti und der kleinen Success im Gemeinschaftsraum zu Abend. Es gibt Reis mit Bohnen, einen selbst gemachten Krautsalat, Maiskolben und zum Nachtisch Wassermelone und Tahnee’s absolut favorisierten Passionsfrüchte - vom hauseigenen Maracujabaum direkt vor dem Jino-Häuschen versteht sich. Noch nie haben wir so leckere Passionsfrüchte gegessen, mit einem solch intensiven Geschmack! Tahnee schwebt hier definitiv im Maracuja-Himmel!

    Auch heute fallen wir wieder recht kaputt ins Bett. Morgen steht ein neuer Arbeitstag an. Wir sind gespannt, was uns erwarten wird. Bis dahin, schlaft gut! Lala salama 💤
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