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  • Der Weg der Steinmänchen

    October 17, 2022 in Italy ⋅ ⛅ 6 °C

    Müsli mit Schwefelwasser am Morgen und Speckgraupen-Suppe zum Mittag. Nach so einer kräftigen Stärkung kann ich am Nachmittag die große Herausforderung annehmen. Noch sitzen alle Tagesgäste bei bester Laune an der Talschlusshütte im Sonnenschein. Kurz vor halb Zwei wird es plötzlich finster. Die Sonne wirft tiefe Schatten vom Berggipfel zu uns herunter. Augenblicklich wird es kalt ... und augenblicklich sitzen nur noch ein zwei einsame Gäste hier die ihr Bier nicht schnell genug geleert haben. Da helfen die tröstenden Worte der Wirtin auch nicht als sie meint dass die Sonne doch in zwei Stunden gegen halb vier wiederkehrt.

    Der Naturpark Drei Zinnen ist gänzlich anders. War der gestrige gegenüber liegende Höhenrücken bis zum Kamm mit Gras bewachsen. Endet die Vegetation hier weitestgehend bereits im Talschluss. Ein paar vereinzelte Lärchen wachsen noch im Geröll und geben mit ihrem gelb-orange Tönen einen wunderschönen Einklang mit dem gelb gefärbten Dolomit in der Nachmittagssonne. Auf einer Übersichtskarte am Wegesrand lote ich aus welche Wege alles nach oben führen so dass ich möglichst noch im Hellen an einer Hütte ankomme. Die Wirtin hatte noch gemeint dass eigentlich alle Hütten bereits geschlossen sind. Jedoch haben in diesem Winter erstmals wieder die Winterräume geöffnet. Ich wähle einen verschlungenen Zickzack-Kurs in Richtung Zigmondy-Hütte Und wenn die Kraft es zulässt will ich noch eine Hütte weiter bevor ich mein Nachtlager aufschlage. Frei nach dem Motto - was will ich denn auch 17 Uhr schon Feierabend machen gehe ich bergauf während alle Welt mit Kind und Kegel mir bergab entgegen kommt. Von dem lauter Grüßen bekomme ich noch Blasen auf der Zunge. Der ein oder andere schaut misstrauisch auf meinen vollgepackten Rucksack. Es muss halt immer Menschen geben die gegen den Strom schwimmen, nicht wahr?

    Dennoch bin ich froh im Schatten zu laufen. Das Unterfangen ist dennoch sehr Schweißtreibend und Wasser - gibt es keins. Alle Bäche entlang des Weges sind ausgetrocknet! Schnell wird mir klar, dass ich das Tempo drosseln und Wasser rationieren muss um nicht leer zu laufen. Überanstrengung will ich ebenfalls vermeiden. Die "Zwangspausen", die ich immer wieder mache eröffnen ein riesiges Panorama an schroffen Felsen und einzelnen Zinnen getaucht in ein goldgelbes Licht der Nachmittagssonne. Als ich jedoch weiß dass der Anstieg bis zur Hütte bald vorbei sein müsste wird es zäh. Tatsächlich bin ich nicht der Letzte an diesem Nachmittag! Hinter mir hecheln zwei Hunde mit Herrchen im Schlepptau heran die wohl für einen Trailrun üben. An der Zigmondy-Hütte bekomme ich erstmals den Eindruck endlich in den Dolomiten angekommen zu sein. Die Hütte hat wie angekündigt zu. Ein paar Tageswanderer haben sich hier und da für ein Picknick niedergelassen. Andere studieren emsig die Karten und die Schilder vor steter Diskussion wie weit es noch bis ins Tal ist. Zu diesem Zeitpunkt genieße ich einmal mehr meine Unabhängigkeit von diesen Zwängen und freue mich ab hier das verhoffte atemberaubende Glück zu finden.

    Der Entschluss steht noch bis zur nächsten Hütte zu gehen. Und jetzt am späten Nachmittag gibt es keinen Grund zu trödeln. Mich trennt noch über eine Stunde, der Weg geht weiter bergan, es gibt kein Wasser, die Sonne geht schneller unter als mir lieb ist. Entlang der Steinmännchen bin ich jedoch auch stets aufs Neue angehalten Pause zu machen, die Landschaft rund um den Zwölferkofel zu genießen oder am Wegesrand mit Steinen meinen Namen zu puzzeln. Manchmal macht trödeln eben doch einfach mehr Spaß. Was ich zu dem Zeitpunkt nicht ahnte - die favorisierte Büllejochhütte hat gar keinen Winterraum. Ach wie herrlich hatte ich mir bereits ausgemalt den Rucksack abzulegen, Essen auszupacken, schnell noch mit der Dämmerung zu einem auf der Karte sehr nahe gelegenen See um Wasser zu kochen zu holen. Und morgen früh zum Sonnenaufgang stehe ich auf dem Einserkofel und blicke hinüber zu den Drei Zinnen. Daraus wurde nichts. Stattdessen höre ich sogar ein Rinnsal einer Quelle doch darüber ist eine Metallplatte und ein Vorhängeschloss.
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