• Ritt durch die Vergangenheit

    15 août, Allemagne ⋅ ☀️ 26 °C

    Morgen, ihr staubgegerbten Wanderreiter.
    Heute hab ich mich von der Wasserlinie gelöst und bin hoch in die karge Höhe geritten – raus aus den sanften Ufern, rein in eine Landschaft, die Geschichten flüstert, wenn der Wind durch die Mauern zieht. 21 Kilometer, ein klarer Himmel, die Sonne wie ein alter Sheriff, der dich immer im Auge behält.

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    Ich parke meinen Wagen in Einruhr, direkt am großen Platz, wo der Obersee morgens noch still wie ein blank geputzter Spiegel liegt. Statt brav am Wasser entlang bis zur Staumauer zu trotten, nehm ich den schmalen Pfad, der steil hinaufzieht. Die Luft wird trockener, der Blick weiter. Oben breitet sich eine Hochfläche aus – karg, offenes Land, als hätte jemand den Wald vergessen. Der Wind weht frei, ich rieche Gras und Staub.

    Dann steht plötzlich Wollseifen vor mir. Ein Geisterdorf. Keine Menschen, nur Mauern und die alte Kirche, die immer noch in den Himmel schaut. Die Sonne brennt auf die leeren Plätze, und für einen Moment ist es, als würden die Schritte der Vergangenheit noch irgendwo in den Schatten warten. Ich bleib still, geh langsam. Orte wie dieser brüllen nicht – sie reden leise, und nur wer zuhört, versteht.

    Von hier führt der Trail wieder hinunter, durch ein stilles Tal, bis Vogelsang vor mir liegt – diese wuchtige Anlage, schwer von Geschichte. Ich bleib am Rand stehen, lass das Ganze auf mich wirken, ohne Hast, ohne Kamera. Manche Orte nimmt man mit den Augen auf, andere mit der Haut.

    Hinter Vogelsang schluckt mich der Wald. Der Boden federt, das Licht bricht in grünen Wellen durch die Baumkronen. Der Modenhübel wartet noch – ein Aussichtspunkt, der seinen Namen wert ist. Von hier oben sieht das Urfttal aus wie ein aufgeschlagenes Buch, jede Kurve ein neuer Satz.

    Dann beginnt der Abstieg ins Tal. Der Fluss begleitet mich, mal still, mal murmelnd, immer dicht bei. Der Pfad läuft im Hang, weich und schmal, dann wieder direkt am Ufer, wo das Wasser über Steine glitzert. Das Tempo wird ruhiger, fast so, als hätte der Trail selbst beschlossen, den Tag ausklingen zu lassen.

    In Gemünd endet der Ritt. Der Bus bringt mich – mit einem Umstieg in Vogelsang – zurück nach Einruhr. Der Obersee liegt jetzt im warmen Abendlicht, als wüsste er, dass wir uns eine Weile nicht sehen werden.

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    Heute war’s ein Abschied auf Zeit. Gemünd markiert für mich den Punkt, an dem der Eifelsteig kurz pausiert. Der nächste Abschnitt deckt sich fast mit dem Eifelbahnsteig – und so wird’s Zeit, die Spuren zu wechseln, ein paar Etappen weiter östlich zu reiten. Aber ich komme zurück, das weiß ich.

    „Manchmal musst du vom Weg abweichen, um ihm treu zu bleiben.“
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