• Eileen Mägel
Juli – Aug. 2019

Drei Generationen unterwegs

Mit dem Wohnmobil von Dresden nach St. Petersburg Weiterlesen
  • Jurasdzeni in Tuja/ Lettland

    2. August 2019 in Lettland ⋅ ⛅ 17 °C

    Wir haben unseren Platz unterhalb Tallinns heute morgen verlassen und sind etwa 220 km gefahren. Wir sind nun wieder in Lettland. Kurz oberhalb von Riga stehen wir - eigentlich zum ersten Mal direkt am Meer. Dies ist nun einer der schönsten Plätze die wir bisher gesehen haben. Vor uns die Düne und direkt im Anschluss ein breiter Sandstrand. Kaum Menschen. Die Temperaturen sind erträglich. Sehr kalt am Morgen, aber über den Tag wärmt es sich auf. Mehr als 20 Grad werden es aber nie und leider ist es etwas windig. Wenn man doch nur baden könnte. Aber das bleibt uns leider verwehrt.
    Der Platz ist ziemlich groß, hat auch einen großen Zeltplatz, und es gibt ziemlich viele Wohnmobile, aber überfüllt ist er nicht. Sehr naturnah. Die neuen luxuriösen Sanitäranlagen mit Entspannungsmusik wirken fast ein wenig deplatziert. Umso mehr, als dass fürs Duschen jedes Mal zwei Euro fällig werden.

    Die Leute hier kommen von überall her. Estland, Lettland, Norwegen, Finnland, Deutschland, den Niederlanden, auch Engländer sind dabei. Witzig sind die verschiedenen Gewohnheiten der Camper. Die Finnen zum Beispiel verwandeln ihre Stellplätze binnen Kurzem in ein Zuhause indem sie es abzäunen und Hängeranien an ihren Vordächern aufbringen.
    Endlich konnte auch ich meine Hängematte mal aufhängen. Ich spannte sie zwischen Wohnmobil und einem Apfelbaum direkt auf der Düne mit Blick zum Meer. Während ich so im Meerwind schaukelte, zog plötzlich der Apfelbaumduft aus dem elterlichen Garten meiner Kindheit über mich hinweg. Plötzlich hatte ich das Gefühl sehr erholt zu sein. Es hatte in diesem Jahr lange genug gedauert, bis sich dieses Gefühl einstellte.
    Wir bleiben zwei Nächte, gehen am Meer spazieren, lesen. Rosa lernt ein paar nette Jungs kennen, bei denen sie sich nicht entscheiden kann, ich welchen von beiden sie sich verliebt hat.
    Am letzten Tag kommen wir ins Gespräch mit unserem Nachbarn, einem Hamburger, der allein unterwegs ist. Er war Erzieher in Hamburg, ist inzwischen im Ruhestand und hat mit "Wüste-Zeiten" eine Art alternatives Reiseunternehmen, mit dem er Wüstentouren organisiert. Er reist allein, weil seine Frau arbeiten muss und nur wenig Urlaub hat. Über unsere Weiberrunde ist er erstaunt und findet uns mutig. Schade, dass wir ihn nicht eher kennengelernt haben. Er hat eine Gitarre dabei und wäre sicher ein lustiger Begleiter gewesen. Es wird nun immer deutlicher, dass wir ein wenig reisemüde werden. Es ist doch anstrengend immer wieder auf- und abzubauen, immer wieder alles ein- und auszupacken und manche Dinge sind einfach auch körperlich schwer. Wir versuchen für die letzte Etappe nochmal ein wenig Kraft zu sammeln und sind einfach - am Meer.
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  • Deutschordensburg in Bauska

    3. August 2019 in Lettland ⋅ ⛅ 20 °C

    Wir haben Lettland heute morgen verlassen und uns auf unserer Tagesetappe, nach rund 150 km, die Deutschordensburg in Bauska angeschaut. Der Komplex (Bauskas Pils) besteht aus einer Burgruine und einem Renaissanceschloss. Die Anlage liegt zwischen den Flüssen Mūša und Mēmele am Rand des Stadtzentrums. Typisch für Ordensburgen ist die Bauweise im Stil der norddeutschen Backsteingotik und die Anlage in Form einer Wasserburg, da sich die Burgen meistens im Flachland befanden und daher relativ ungeschützt waren. Die Anlage in Bauska stammt teilweise aus dem 15. Jahrhundert. Im 16. Jhd, - nach Ende der Ordenszeit - wurde auf dem Gelände der Vorburg ein Residenzschloss errichtet. Burg und Schloss wurden im nordischen Krieg 1705 von russischen Truppen gesprengt.
    Das Schloss wird laufend restauriert und instand gesetzt, momentan ist nur der Schloßteil zugänglich, der Teil der Burg ist Baustelle. Am Fuße der Burg fand gerade ein großes Musik- und Aktivfreizeitfestival statt: TASTE. Zwei Tage lang spielen jede Menge Bands, werden zahlreiche Freizeitaktivitäten angeboten, dies in Bauska offenbar schon zum dritten Mal.
    Das war schön, hatte aber die unangenehme Konsequenz, dass es im nahe gelegenen Lokal nichts mehr zu essen und nicht einmal mehr Wasser gab. Musiker und Gäste hatten alles verzehrt. Also fuhren wir - nach einem tollen Spaziergang und schönem Blick auf Park und Fluss - weiter, dem Ziel unserer heutigen Etappe entgegen.
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  • Ein Ort zum Wiederkommen: Pajiesmeniai

    4. August 2019 in Litauen ⋅ ⛅ 16 °C

    Wir sind wieder da. Bei Kees und Daiva in Pajiesmeniai auf dem Camper Place Lithuania. Auch wenn es diesmal ziemlich voll ist (Wochenende!) und nach wie vor etwas kühl. Es ist ein wunderbarer Ort zum Entspannen. Daiva und Kees haben uns wie alte Bekannte empfangen. Wir stehen ein wenig anders als beim ersten Mal aber wieder herrlich geschützt. Ich bin 5 km gelaufen, Rosa hat gleich neue Freunde gefunden. Zunächst eine Holländerin, die mit ihrem Sohn allein unterwegs war bis nach Lappland und nun auf der Heimreise. Am Abend lernten wir noch eine Familie aus Amsterdam kennen: Sie ist Deutsche, er Engländer, die beiden Mädchen Elinor (6) und Lucinda (4) sprechen englisch, deutsch und holländisch. Die drei Mädels werden unzertrennlich und als am kommenden Tag die Abreise droht, gibt es Tränen.
    Wir bleiben zwei Nächte, Ruhe vor den letzten beiden langen Etappen durch Polen nach Hause.
    In "unserem" kleinen See gehen wir sogar noch einmal Baden. Nur Rosa ist es zu kühl, sie bleibt lieber draußen. Montag Nachmittag kommt Kees zu uns und trinkt mit uns einen Kaffee. Er erzählt uns eine Menge Dinge über das Leben in Litauen, die uns sehr erschüttern. Daiva - seine Frau - ist eigentlich Biologin. Zuletzt war sie eine Art Lehrerin, bekam immer mehr und mehr Arbeit für immer weniger Geld. So haben sie irgendwann beschlossen, dass Daiva aufhört zu arbeiten und sie gemeinsam von Kees´ Rente und den Einkünften des Camperplatzes leben. Ohnehin bekommt ein Rentner in Litauen, egal wie lange und als was er gearbeitet hat, nur um die 200 Euro Rente im Monat. Zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben. Die Armut, insbesondere die Altersarmut in Litauen ist groß und nun wundert es auch nicht mehr, dass ich im kleinen Laden im Ort für 7 Euro einen kompletten Einkauf machen konnte.
    Kees ist es auch, der uns darüber aufklärt, warum das Verhältnis zwischen Litauern und Russen nach wie vor gespalten ist. Er erzählt uns, dass es in den 50er Jahren noch immer litauische Partisanen in den Wäldern gab. Die russischen Besatzer haben sich, wenn sie sie fingen, bitter gerächt, haben die Gefangenen umgebracht und stapelweise vor die Kirchen einfach hingeworfen. Wenn ein Angehöriger auf dem Weg zum Gottesdienst den Seinen erkannte und Emotionen erkennen lies, wurde er sofort verhaftet und erschossen, egal, ob Eltern, Frauen oder Kinder. Kees lies keinen Zweifel daran, dass Hass und Bitterkeit noch tief sitzen und zumindest in dieser Generation wohl kaum Versöhnung möglich sein wird.

    Wir bleiben zwei Nächte und machen uns am Dienstag morgen auf den Weg nach Hause.
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  • DWOR Klembow - Hotel am Rande Warschaus

    6. August 2019 in Polen ⋅ ☁️ 28 °C

    Nach acht Stunden und 544 Kilometern stehen wir kurz vor Warschau. Ich habe - mal wieder - bei Booking ein Hotel gebucht und verfalle bei der Anfahrt in einen hysterischen Schockzustand. Der Reihe nach: Wie schon auf der Hinfahrt ist eigentlich alles oberhalb Warschaus nur Landstraße. Deshalb braucht es für solche Entfernungen viel Geduld und Ruhe (beides mir bekanntermaßen fremde Eigenschaften!) Das letzte Stück vor unserer heutigen Station ist dann tatsächlich Autobahn. Dann fahren wir ab und finden uns in einer absoluten Einöde. Der Weg führte - nachdem wir einige kleine Ortschaften im Speckgürtel Warschaus durchfahren hatten - plötzlich als Sandweg geradewegs in den Wald hinein. Man stelle sich unsere Überraschung - und meinen Schock - vor. Ich hatte Angst in dem Sand stecken zu bleiben, rechts und links kratzten Baumzweige an Detleff. Und wir, die wir nach langer Anreise nun wirklich fertig und verschwitzt waren, waren einfach genervt. Als wir linker Hand schließlich eine Parkplatzeinfahrt fanden und das Hotel entdecken, sind wir erleichtert. Es scheint neu, eine riesige Anlage, im Wald und ruhig gelegen mit einer Vielzahl von Konferenz- und Tagungsräumen aber auch fast leer. Die bei der Buchung avisierten Englischkenntnisse beschränkten sich auch darauf, dass die Speisekarte schnell mit Google Übersetzer übersetzt wurde, als wir danach fragten. Unabhängig davon war alles sehr schön. Es gab Bier und wir radebrechten uns durch. Am Ende treffen wir noch einige wirklich nette polnische Gäste und haben echt viel Spaß.
    Da wir unsere Lebensmittel nirgendwo unterstellen konnten, eine Minibar (erprobte Lösung) gab es nicht und in der Hotelküche durften wir aus hygienischen Gründen den Kühlschrank nicht nutzen, waren wir zum ersten Mal gezwungen, (Achtung Lacher!!) unseren Detleff - Kühlschrank mir Gas zu betreiben. Wir müssen unsere Gasphobie überwinden und denken dankbar an unseren Schornsteiger Jan und unsere Begegnung in Lettland. Unser Essen kühlt herrlich und wir schlafen im Hotel!
    Am nächsten Morgen machen wir noch einen wunderbaren Spaziergang in die Gegend. Herrliche Wälder und Ruhe, wir sehen sogar mehrere Rehe, die sich vor uns in den Wald verdrücken. Und wir finden zur Ausfahrt einen Weg, der nicht perfekt, aber ein bisschen besser ist als die Sandpiste bei der Ankunft.
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  • Letzter Halt: Łodz

    7. August 2019 in Polen ⋅ ☁️ 22 °C

    Wir machen den letzten Zwischenstopp unserer fast fünfwöchigen Reise in Łodz. Die Einfahrt in die Stadt ist ein wenig irritierend. Viele Abrissbauten, viele Ruinen. In der Stadt selbst ist es sehr lebendig. Unser Hotel ist wieder in der Innenstadt.,umgeben von Einbahnstraßen und der dazugehörende Parkplatz liegt wieder im Innenhof hinter einer Toreinfahrt. Wir wagen es nicht und finden auch hier, glücklicherweise einen Platz vor dem Tor, auf dem wir stehen können (verkehrt herum in der Einbahnstraße) und eine junge Frau, die uns hilft, aus dem Parkautomaten den nötigen Parkschein zu ziehen. Später sehe ich an der Rezeption, dass die Überwachungskamera vor dem Haus genau unser Auto im Visier hat und bitte die Rezeptionistin einen Blick auf Detleff zu werfen. Das Zimmer ist nicht schön, ganz oben unter dem Dach und die Fenster in 4 Meter Höhe lassen sich nur nach oben öffnen. Rausgucken? Fehlanzeige. Und die nach oben geöffneten Fenster sind bei Regen eher unpraktisch.
    Oma geht zum Friseur, als sie feststellt, dass sie im derzeitigen Zustand ihres Haupthaares ihrem Gatten nicht unter die Augen treten will.
    Wir haben geplant zu Shoppen, das haben wir während der kompletten Reise nicht einmal gemacht - und es auch nicht vermisst.
    Uns begegnet mit der Piotrkowska die längste Shoppingmall Europas (5 km) so lang, dass wir den Rückweg mit einer Fahradriksha antreten müssen. Viele junge Designerläden, kein einziges Mainstreamgeschäft auf dieser Strasse, überall wird gebaut. Beeindruckend das alte Fabrikgebäude einer ehemaligen Textilfabrik - dafür war die Stadt bekannt - in dem lauter hippe Kneipen und Kreative angesiedelt sind. Überall im der Stadt stehen Bronzefiguren, die große Łodzer wie Rubinstein oder die Gründungsväter der Stadt abbilden. Die ganze Stadt scheint ein Projekt. Lodz ist - obwohl die drittgrößte Stadt des Landes, kaum als Touristenort bekannt. Deutsche kennen sie ohnehin nur aus dem Lied "Theo - wir fahrn nach Lodz" obwohl kein Pole verstehen würde, was wir Deutschen da singen, denn der Name der Stadt - gesprochen Wudsch - wird so ganz anders ausgesprochen als in dem Schlager.
    Mega bekannt ist die Hochschule für Film, Fernsehen und Theater aus der Stars wie Polanski oder Waida hervorgegangen sind. Wir gehen früh schlafen, den am nächsten Morgen wollen wir früh raus und fit sein, für die allerletzte Etappe unserer Reise.
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  • Wieder zu Hause

    8. August 2019 in Deutschland ⋅ ⛅ 23 °C

    Nach 4600 Kilometern und fünf Ländern in 32 Tagen sind wir wieder zu Hause. Das fühlt sich fremd an. Wir haben so viel erlebt und gesehen und vieles davon wird erst in den Tagen und Wochen danach im Kopf und im Herzen ankommen.

    Wir haben uns gefreut und gehadert, manchmal auch gezweifelt, ob diese Reise eine gute Idee und wohlüberlegt war. Vielleicht war sie das - zum Glück - nicht bis ins letzte Detail. Dann hätten wir sie vielleicht nie gemacht. Wir wurden oft bestaunt und noch häufiger zweifelnd gefragt, ob wir das alles auch ordentlich geplant hätten.

    Eines war sie auf jeden Fall: Wundervoll.
    Fast jeder Tag brachte uns eine Erkenntnis des Tages:
    Wohnmobilstufen sind mit Vorsicht zu betreten, der Kühlschrank im Womo kühlt beim Fahren, Gummistiefel müssen an Bord, auf Campingplätzen gibt es fast nur interessante Menschen und - die wichtigste - zur Veränderung gehört NUR Mut.
    Wir haben festgestellt, dass man mit sehr wenig Geld lange Zeit auskommen kann. Das zum Leben genügt, was auf zehn rollende Quadratmeter passt, das Mensch mehr nicht braucht.

    Wir sind uns noch nicht sicher, ob das Reisen mit dem Wohnmobil die Art des Reisens ist, die wir von nun an bevorzugen werden. Aber wir hatten Detleff kaum abgestellt, schon begannen wir die Zeit mit ihm auch schon zu vermissen.

    Sicher, es geht noch freier, noch unabhängiger, man braucht auch keine Campingplätze mit Strom und Dusche. Das aber wäre wohl nicht unsere Art zu Reisen gewesen.

    Wir haben unheimlich viele, interessante Menschen getroffen und uns Zeit genommen für Gespräche und Kennenlernen. Und wir haben Einiges über uns selbst herausgefunden. Rosa war unser Motor, unsere tägliche Freude. Immer fröhlich, immer begeistert, immer zufrieden. Oma und ich hatten auch Tiefpunkte, waren mal müde, mal angespannt oder unzufrieden. Es war kein Tag wie der andere. Wir waren eben drei Generationen. Unterwegs.
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    Ende der Reise
    8. August 2019