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  • Day 22

    Meditation

    November 22, 2023 in India ⋅ ⛅ 29 °C

    Ich schließe mich einem Ausflug zum Strand an, der eierlegende Schildkröten verspricht, aber nur tausend Mini-Krabben und sengende Hitze im petto hat. Wir setzen uns unter die Palmen in die Dünen, Tejas erzählt uns viel über Spiritualität und Hinduismus. Mehr aus Langeweile als irgendwas sonst, bitten wir ihn, uns das Meditieren beizubringen. Das sei ganz einfach, sagt er, der Schlüssel ist das Atmen.

    Also Atme ich... Es ist schwierig die Gedanken zu besänftigen, aber irgendwann hab ich den Dreh beinahe raus. Ich bin entspannt und klar, aber habe den Eindruck es noch nicht "richtig zu machen", nicht tief genug zu sinken. Ich resigniere, öffne die Augen und erschrecke... Es fühlt sich an, als hätte mir jemand einen Eimer kaltes Wasser übergekippt. Ein Schock, ausgelöst dadurch, die Umgebung wieder visuell wahrzunehmen. Ich bin total verunsichert, aber auch neugierig geworden.

    Am nächsten Morgen gehe ich zu einer Meditation-class. Genau das selbe Phänomen wieder: ich schaffe es, die Konzentration nach innen zu richten, entspanne mich und dann die unerwartete Klatsche beim Öffnen der Augen. Der Effekt danach ist krass: die mentale 8-spurige Autobahn ist zu einer Einbahnstraße geworden, auf der immer nur ein Gedanke Platz hat, bis er vorbei gezogen ist. I'm on fire now: Noch am selben Abend gehe ich wieder zu einem Kurs und ich kann es kaum erwarten euch davon zu erzählen:

    Schon der Spaziergang zum Treffpunkt war faszinierend: In völliger Dunkelheit ging es durch die dschungelartige Anlage. Riesige Pflanzen von allen Seiten, man fühlt sich wie eine kleine Ameise im Labyrinth. Die Atmosphäre fesselt mich, ich wünschte ich könnte sie in einem Foto einfangen.
    Im Pavillon angekommen, stellen sich zwei Hippies vor, die einen starken 70er-Jahre-Vibe ausstrahlen. Ich bin misstrauisch, habe den Eindruck, dass die beiden zugedröhnt sind. Der Kurs ist gut besucht, man kann Vorfreude von jedem einzelnen Gesicht ablesen. Alles Wiederholungstäter. Nagut, ein Versuch ist es wert, hat ja nur 6€ gekostet... Die nächsten 1 1/2 Stunden werden unterschiedliche Instrumente im Raum gespielt, es wird gesungen, gebetet, Geräusche imitiert... Von Fern betrachtet ganz sicher ein völlig abgefahrener Anblick, wie wir alle ausgestreckt auf den Matte liegen und der Guru aus unterschiedlichen Positionen ins Didgeridoo trötet. Aber egal wie albern es erscheint, es hat wirklich funktioniert: kurz vor Ende der Session, ich hab schon lange aufgegeben mit den Atemübungen, merke ich plötzlich wie ich "sinke". Ich spüre meinen Körper nicht mehr und Bilder formen sich vor dem inneren Auge. Ich bin mir ganz sicher wach und klar zu sein, no drugs nor booze. Wenige Minuten später wird die Session beendet, ich hatte nur wenig Zeit den neuen Zustand zu erleben.
    Ich fühle mich danach stolz und erfüllt vom Erfolg aber auch eingeschüchtert von der neuen Erfahrung. Keiner der anderen spricht. Ich denke an den Film Inception, wenn der Träumende im tiefsten Level stirbt und Jahrzehnte in der Welt des Traums gefangen ist. Der Moment des Erwachens, das Innere hat eine unendlich lange Reise erlebt und die Gegenwart ist noch schwierig zu verkraften. Genau so sahen die Leute um mich aus.
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