☀️🌊Caminho Portugues 🌊☀️
🥾🎒👣 370 km - 19 Tage 👣🎒🥾
Porto • Santiago de Compostela • Fisterra
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  • Day 10

    O Porriño - Arcade (ca. 22 km)

    September 15, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 25 °C

    - Run! -

    Ganz oft werde ich gefragt, warum ich mich dazu entschieden habe, den Jakobsweg zu laufen und warum noch dazu alleine. Zugegeben - eine gute Frage aber ich merke immer wieder, dass ich diese nur sehr ungern gefragt werde. Dennoch beschäftigt sie mich selbst natürlich auch. Es ist gar nicht so leicht diese Frage zu beantworten, jedes Mal vergesse ich etwas oder finde gar nicht die richtigen Worte dafür. Ich glaube, es gibt da einige Gründe und am Ende bleibt wie jedes Mal bevor ich mich wieder auf den Weg mache, eine innere Stimme bzw. ein innerer Drang, der mich spüren lässt: Lauf einfach los!
    Wenn ich laufe, vergesse ich oft alles um mich herum. Irgendwie kann ich hier den Abstand zu einer Welt gewinnen, in der mich manchmal die Oberflächlichkeit des Lebens erdrückt und in der ich am Liebsten verstummen möchte. Eine Welt, in der ich mir manchmal erhoffe und wünsche, dass ausnahmslos alles in sich zusammenbricht und wir die Möglichkeit haben, alles noch einmal ganz von vorne, gut und richtig aufbauen zu können. Ja, ich glaube, es ist einer der Hauptgründe der mich dazu antreibt zu laufen. Und das ist kein Wegrennen vor einer Welt, in der ich nicht leben möchte. Nein, das Laufen hilft, mich wieder selbst aufzubauen und mich von den Fehlern im System der irdischen Welt erholen zu können, um dann den Kampf gegen die Oberflächlichkeit und das, was schief läuft, wieder aufnehmen zu können.
    Ich möchte in keiner Welt leben, die von (Vor-)Verurteilung, Selbstverständlichkeit, Schnelllebigkeit, dem sich gegenseitig nicht zuhören, großartige Kleinigkeiten übersehen, dem Materiellen nacheifern, Emotionen nicht zulassen, nur (sichtbare) Leistung und Erfolg zählen lassen, Recht haben als erste Priorität, ungefilterten Nachrichten und dem Reflektieren von ausschließlich dem mir selbst passend erscheinenden, geprägt ist.
    Vielleicht, ja ich glaube, deswegen habe ich gerade auch gar kein Problem mit der Tatsache, Tage, Stunden, Minuten, Sekunden Zeit mit mir selbst zu verbringen und durch die Gegend zu laufen ohne den Drang dazu zu verspüren, überhaupt irgendjemandem begegnen und reden zu müssen. Ich bin gerade sehr dankbar dafür, diesen Weg alleine gehen zu können.

    - How many superfluous words do we say in a day? -

    Lektion 9: Friendly reminder an mich selbst: Wenn du Dich auf der Welt völlig verloren und völlig fehl am Platz fühlst, findest du Zuflucht bei Gott! Viele Geschehnisse im Leben sind Fehler im System Welt, die nicht dem Plan Gottes entsprechen.

    „Die Weltgeschichte ist ein Kampf zwischen zweierlei Formen von Liebe:
    der Liebe zu sich selbst - bis zur Zerstörung der Welt; und der Liebe für den anderen - bis zum Verzicht auf sich selbst.“ (Heiliger Augustinus)

    - My God turns my darkness into light. (Ps 18,28) -

    Zur Route:
    O Porriño - Veigadaña - Mos - Padrón - Redondela - Cesantes - Arcade

    Noch im dunklen startete mein Tag heute in O Porriño. Die Stunde Zeitumstellung von Portugal und Spanien macht sich besonders Morgens bemerkbar. Statt um 7 Uhr wird es jetzt erst um 8 Uhr hell. Dafür konnte ich dabei zusehen, wie die Sonne hinter den Bergen aufging und den Himmel rot, lila, rosa und orange färbte. Als ich unter einer Brücke durchlief, um eine Autobahn zu umgehen, durfte ich den Klängen eines typisch galicischen Dudelsacks lauschen - was ein schöner Start in den Tag. Zum Glück wusste ich im Vorhinein nicht, wie viele Höhenmeter ich heute hoch und runter wandern musste. Die Steigungen kann man eigentlich ganz gut mit Wänden vergleichen, die man hoch und runter läuft. Da waren dann auch die E-bike- und Fahrradfahrer nicht mehr schneller als ich zu Fuß. Über die Ausblicke, die sich mir boten, durfte ich mich dafür allerdings nicht beschweren (manchmal lohnt sich dann doch auch ein Blick zurück, um zu sehen, was man geschafft und “sich erarbeitet” hat). Nach knapp 17 km machte ich eine lange Pause und genoss meinen ersten frisch gepressten spanischen Orangensaft, einen Cappuccino und die für Spanien typischen Churros. Und während ich langsam beginne, manche bekannten Gesichter zu vermissen, laufen vier Spanier um’s Eck, die ich schon öfter aber länger nicht mehr gesehen habe. Auf spanisch fragen sie mich alle, ob es mir gut geht und ich versuche mit meinen nicht vorhandenen Spanischkenntnissen “Si, muy bien.” zu antworten (dafür reichen sie dann doch gerade noch so aus). Um mich von meinen schmerzenden Füßen abzulenken, lief ich irgendwann vor mich hin summend durch die Gegend, worauf hin mich eine Irin ansprach, mit der ich mich für ein paar Minuten unterhielt und zusammen eine weitere Steigung erklimme. Auf dem Weg hier lernt man wirklich jede kleinste Geste zu schätzen. Deswegen ist es auch immer wieder eine große Freude, wenn mir Autofahrer mit breitem Lächeln aus dem Auto zuwinken und manchmal auch hupen, um mir so im Vorbeifahren “Buen Camino” zu wünschen. Zum Abschluss des Tages ging ich mit zwei Mädels, ungefähr im gleichen Alter, aus Australien und Italien essen.
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  • Day 11

    Arcade - Portela (ca. 23 km)

    September 16, 2022 in Spain ⋅ ☀️ 27 °C

    - Accept your pain! -

    … und aut den Schatten folgt das Licht …
    Und dann ist da plötzlich wieder das Sonnenlicht, das reflektiet und die dunklen Schatten unterbricht.
    Ohne Licht ist Schatten unmöglich, was bedeutet, dass es immer da und nie ganz weg ist. Jesus, der das Licht ist, hat die Schattenseiten des Lebens (Traurigkeit, körperlichen und seelischen Schmerz, Verletzungen jeglicher Art) besiegt. Jesus ist der, der Resignation und Alltagsgrau überwindet und uns vor die Herausforderung stellt, nicht darin unterzugehen, sondern hindurch und weiter zu laufen. So dürfen wir ihn ein bisschen besser kennenlernen und ihm ganz nahe sein.

    Lektion 10: Wenn ich schon längst keinen Durchblick mehr über mein inneres Chaos, meine Ängste, Unsicherheiten und Sorgen habe, übernimmt Gott das Ruder. Gott kämpft meine Kämpfe mit mir und für mich!

    - My battles belong to God! -

    Zur Route:
    Arcade - Pontevedra - Portela

    Nie, nie, nie war ich so froh, an meiner Pilgerunterkunft anzukommen wie heute!!! Die drei Ausrufezeichen haben ihren Grund. Ich spürte heute das erste Mal auf meiner Reise - und das sind ja jetzt schon ein paar Tage - meinen gesamten Körper: Schultern, Rücken, Nacken, Arme, Beine, Knie, Füße, Fußzehen, Knöchel, Sehnen und Bänder, Muskeln und Knochen. Die ersten 10, vielleicht 12 km waren ja noch irgendwie erträglich zu meistern, nach dem ich mich eine halbe Stunde an den Schmerz meiner Druckstelle unten am kleinen Zeh gewöhnt hatte und meine Blasen warm gelaufen waren. Es gab heute wirklich ein paar Momente, da hätte ich einfach heulend stehen bleiben können und am liebsten ein Taxi gerufen, dass mich die letzten 60 km bis nach Santiago de Compostela fährt. Stattdessen quälte ich mich die letzten 10 km humpelnd bis an mein Ziel, an dem ich mich nach einer kurzen Dehnsession dankbar in meinen Stuhl fallen lies und die Füße hochlegte. So viel zu den Schattenseiten des heutigen Tages, kommen wir zu den sonnigen Seiten.
    Ja, ich gebe zu, vielleicht heute morgen ein paar schlafende Wachhunde und damit evtl. auch ihre Besitzer geweckt zu haben. Allerdings ist 7 Uhr auch eine Uhrzeit, zu der man durchaus wach sein kann, nur weil der Alltag in Spanien halt erst um 9 Uhr morgens beginnt aber dafür abends umso länger geht, heißt das ja nicht, dass ich jetzt ewig lange im Bett liegen bleiben muss. Auch die Hähne krähen nach mir. Und dann meinte ich wohl unwissend, mich selbst auch noch herausfordern zu müssen. Da stand ich, am Waldrand mit meiner Stirnlampe (ich komme mir vor wie ein Glühwürmchen), ganz auf mich alleine gestellt und musste dadurch laufen. Ich konnte ja jetzt auch schlecht eine Stunde vor dem Wald stehen bleiben und warten bis jemand vorbei kommt oder bis es doch hell wird. Warum ich so früh aufstehe und los laufe? Weil die Luft so klar und gut ist, ich morgens sehr gut laufen kann, nur wenige/keine Menschen unterwegs sind und weil der Sternenhimmel und das Erblicken der ersten Lichtstrahlen am Morgen, die langsam hinter den Bergen hervor kommen, unendlich schön sind. Übrigens saß am Wegrand irgendwann in der Dämmerung noch ein Glühwürmchen. Es war ein Mann, der in seinem Bauwagen lebt und ganz viel Stühle und einen kleinen Verkaufsstand für die am Tag vorbei kommenden Pilger aufgebaut hat. Ich redete ein wenig mit ihm (er sagt, ich wäre heute die erste die vorbei kommt, was mich kaum wundert so im Dunkeln), bekomme einen Stempel und gehe weiter.
    Mein Weg führte mich heute zunächst über eine wunderschöne mittelalterliche Steinbrücke, die ich zum Glück gestern noch bei Tageslicht fotografierte, durch wunderschöne Wälder, Ortschaften und kleine Städte. Einen lohnenswerten Umweg von einem Kilometer machte ich, um einem Pfad entlang eines schönen Flusses zu folgen. Zwischendurch erholte ich mich in einer kleinen Kirche, in der es noch dazu einen richtig schönen Pilgerstempel gab. Die Stempel sammeln alle Pilger, um am Ende ihre Compostela (Pilgerurkunde) erhalten zu können. Im Wald wurde für mich heute besonders bemerkbar, dass es Spätsommer ist bzw., dass der Herbst bald kommen wird - das liegt vor allem auch daran, dass es hier sehr viele Esskastanien gibt. Total unerwartet treffe ich Lucie in der Herberge wieder, die ich am dritten Tag am Strand kennenlernte. Es tut so gut sie zu sehen! Die Herberge unterscheidet sich etwas von den meisten. Hier wird gelebt wie in einer Kommune. Da wir Irgendwo im Nirgendwo sind, wird abends für alle gekocht und alle sind für das Tischdecken verantwortlich, Frühstück gibt es auch - und das alles auf Spendenbasis. Am Abend kommt der Host sogar nochmal in den Übernachtungsraum und wünscht allen eine gute Nacht und einen guten Weg.
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  • Day 12

    Portela - Caldas de Reis (ca. 12 km)

    September 17, 2022 in Spain ⋅ ☁️ 27 °C

    - What would I miss, if there is no one or nothing showing me my way? -

    Heute wurde ich gefragt, ob es etwas gibt, was ich hier auf dem Weg von zu Hause wirklich vermisse. Wenn ich ehrlich bin, vermisse ich gar nichts - ok, mal abgesehen von einer Waschmaschine vielleicht, seit eineinhalb Wochen wasche ich alles per Hand. Warum ich nichts vermisse? Alles was ich zum (Über-)Leben brauche ist in meinem Rucksack, die wichtigsten Erinnerungen sind in meinem Kopf und die bedeutendsten Menschen in meinem Herzen (hört sich vielleicht kitschig an, aber es ist so). Meine Antwort war deswegen die Gegenfrage: Was werde ich vermissen, wenn ich morgens aufwache und weiß, nicht mehr auf dem Camino unterwegs zu sein?! Wenn ich darüber nachdenke, werde ich traurig und schon jetzt wehmütig. Ich werde die Einfachheit des Pilgerlebens, die Friedfertigkeit, die Offenheit, das Einfach-sein-können, die Hilfsbereitschaft, die Internationalität, das alle auf dem selben Weg sein und das Verfolgen eines gemeinsamen Zieles (mit den selben Mitteln und Gedanken) vermissen. Und ganz besonders werde ich vermissen, dass mir mein Weg hier ganz genau vorgegeben ist - eigentlich ein Luxus, mal nicht entscheiden zu müssen, welche Abzweigung ich heute benutzen soll.

    Lektion 11: Übertragen auf meine Gottesbeziehung, weil Gott mein “way maker” ist - “Was würde ich vermissen, wenn ich morgens aufwache und Gott keine Rolle mehr in meinem Leben spielt?!

    - clarity -

    Zur Route:
    Portela - Briallos - Tivo - Caldas de Reis

    Die erste Stunde meiner Etappe lief ich heute morgen wieder mit Lucie, danach alleine. Auf manchen Wegabschnitten kann einen der Gedanke daran, noch eine Pilgerunterkunft finden zu müssen, durchaus stressen. Heute ist das zum Glück nicht der Fall. Dieses Gefühl muss aber gar nicht mal so schlecht sein, um schätzen zu lernen, wie gut man es selbst hat, immer ein Dach über dem Kopf zu haben. So banal dieser Gedanke vielleicht scheinen mag, ist er gar nicht.
    Meine Strecke von 12 km ist heute nicht lang, aber sie reicht aus. Außerdem lässt es sich hier in Caldas de Reis wirklich sehr gut aushalten. In einem Café treffe ich mal wieder auf bekannte Gesichter. Während diese heute noch ein Stück weiter laufen, liege ich erst mal zwei Stunden neben einer Kirche unter einem Dach aus Palmenblättern, bis meine Herberge öffnet. Abends hat die Kirche dann auch offen und ich setze mich für eine Stunde hinein. Danach treffe ich auf zwei Pilger, die ich am Vortag kennengelernt habe, wir unterhalten uns, gehen noch schnell einkaufen und laufen noch ein bisschen durch die Stadt. Weil ich noch etwas mehr Zeit auf dem Jakobsweg verbringen möchte, entscheide ich mich dazu, meinen bisher angedachten Ankunftstag in Santiago von Montag auf Dienstag zu verschieben und die nächsten zwei Etappen auf drei kürzere aufzuteilen. Mal sehen, was die nächsten Tage so bringen und wo es überhaupt Pilgerherbergen gibt. Mein Weg führte mich heute hauptsächlich durch ein paar Dörfer, Weinreben, ab und zu auch an Autostraßen entlang und durch Felder - es war ein ruhiger und angenehmer Weg.
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  • Day 13

    Caldas de Reis - Pontecesures (ca.16 km)

    September 18, 2022 in Spain ⋅ ☁️ 28 °C

    - beautiful mess -

    Jeden Tag, wenn ich meinen Rucksack ein- und ausräume entsteht ein kleines Chaos, das eigentlich wieder ganz schnell aufgeräumt ist. Ein eher weniger wundervolles Chaos gab es heute in meinem Inneren - meine Gedanken und meine Gefühle spielten etwas verrückt.

    Lektion 12: Akzeptiere das Chaos in deinem Leben und nutze es als Chance zur Weiterentwicklung und lass etwas Positives daraus entstehen. Aus Chaos entstehtein Neuanfang! Nimm dir Gott als Beispiel. Auch er lässt aus jedem Chaos, bereits seit der Entstehung der Erde, aus jedem Streit, aus jedem inneren Kampf, aus Zweifeln, Sorgen und Ängsten etwas Größeres und Besseres hervorgehen.

    "For God has not given us the spirit of fear; but of power, and of love, and of a sound mind." (2 Thimothy 1,7)

    - create new beginnings -

    Zur Route:
    Caldas de Reis - O Pino (Valga) - Pontecesures

    Meine Nacht war kurz - wir waren zwar nur zu viert in einem Zimmer und ich habe mittlerweile viele Menschen schnarchen hören aber das hat alles übertroffen, da haben selbst Kopfhörer und Musik nicht mehr geholfen. Dem entsprechend geht es heute dann doch früher los als es sein müsste. Eine Spanierin, die auch so früh aufstand wie ich, drückt mir zum Frühstück ein Brötchen mit Chorizo in die Hand und wünschte mir einen guten Appetit - das war richtig lieb. Um kurz nach 7 Uhr mache ich mich auf meinen Weg und komme schon um kurz vor 11 Uhr an. Ich bin so früh da, nicht so viele Kilometer gelaufen, habe eigentlich noch viel Energie, ich sehe so viele weiter laufen (einige davon sind Tagestouris) - jetzt bin ich schlecht gelaunt, das erste mal auf meinem Weg, obwohl ich mich ja selbst dafür entschieden habe. Jetzt, um ca. 13 Uhr in der heutigen Mittagshitze weiterlaufen macht nur wenig Sinn. Außerdem wäre ich dann morgen bei unter 10 km und das wäre mir auch eindeutig zu wenig. Es ist das erste mal, dass ich mich ziemlich einsam und alleine fühle. Einige Stunden später bin ich immer noch alleine, da kommt zum Glück eine weitere Pilgerin an, die wegen der leeren Herberge auch etwas verwundert ist. Komisch, als ich heute morgen an der Wegmarkierung vorbei gelaufen bin, die anzeigte, dass es nur noch 30 km bis nach Santiago sind, hatte ich noch das Gefühl, dass die Entscheidung für die Aufteilung dieser Kilometer genau richtig war. Der Weg an sich war heute sehr schön. Während die Sonne aufging, wanderte ich durch Feld, alte Dörfer und Wald. Abends ging ich dann gemeinsam drei weiteren Pilgern essen. Nachdem wir einen Imbiss gefunden haben, der erstmal wenig vertrauenswürdig aussah, in den wir uns aber dennoch hineinwagten, entpuppte sich der Abend als ein weiterer sehr schöner und lehrreicher Abend. Der Kontakt zu Einheimischen unterscheidet sich doch oft von dem zu anderen. Wir erfahren mehr über die Kornspeicher der Anwohner in den Gärten, bekommen Tipps für den nächsten Wandertag und ein bisschen was erfahren wir auch noch über die Architektur der Kirchen auf unserem Weg im Vergleich zur Kathedrale in Santiago. Das alles bekamen wir nach unserem Essen, das der zunächst sehr seltsame Besitzer, der sich dann immer mehr öffnete und trotzdem etwas eigen blieb, für jeden von uns ganz frisch kochte. Ganz unanstrengend war der Abend nicht - einem ca. einstündigen Monolog auf einer Mischung aus Spanisch und Englisch zu folgen war dann doch etwas viel auf einmal. Auf unserem Rückweg bestaunten wir einen wunderschönen Sonnenuntergang, der sich auf dem Wasser des an die Stadt angrenzenden Flusses spiegelte.
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  • Day 14

    Pontecesures (-Herbón) - Teo (ca. 12 km)

    September 19, 2022 in Spain ⋅ ☀️ 30 °C

    - Every tear means healing! -

    Heute lerne ich Evelyn, 68 Jahre, pensionierte Lehrerin für Mathe und Physik, kennen. Während ich auf einem wunderschönen Rastplatz Pause machte, meine Tränen liefen, obwohl ich das eigentlich gar nicht wollte, hielt sie mir die Hälfte ihrer Birne, die ihres Apfels und eine Mandarine vor die Nase. Im ersten Moment war es mir richtig unangenehm - ausgerechnet in diesem Moment und irgendwie doch auch genau im Richtigen (insgeheim dachte ich noch daran, wie gut es tun würde, gerade jetzt nicht alleine zu sein). Ich weine, weil der Weg bald zu Ende ist, aus Stolz auf das, was ich bereits geschafft habe, wegen Gedanken die mir durch den Kopf gehen - eigentlich total dämlich oder doch nicht? Während Evelyn irgendwann weiter geht, bleibe ich noch etwas sitzen, ich habe schließlich mehr als genug Zeit, da kamen Kerstin und Joachim vorbei. Auch sie erwischten mich in einem Moment, mit glasigen Augen. Wir sprechen darüber, dass unser Weg morgen vorerst endet und auch Kerstin erzählte, dass ihr der Tag sehr schwer fällt und sie auch immer wieder den Tränen nahe ist. Einige Male war ich auf dem gesamten Weg kurz davor zu weinen und ich habe mir gewünscht einmal richtig weinen zu können. Jetzt bin ich froh darüber, die Tränen einfach laufen lassen zu können. Sie fühlen sich plötzlich sehr heilsam an.

    Lektion 13: Jede einzelne Träne hat eine heilende Wirkung, also lass sie zu! In den richtigen Momenten stellt Gott dir die Menschen zur Seite, die du wirklich benötigst!

    - You are not alone! -

    Zur Route:
    Pontecesures (-Herbón) - Padrón - Teo (Rúa de Francos)

    Mit nur 15 km Wegstrecke startete mein Tag entspannt um kurz vor 8 Uhr. Alles war super, bis mir mal wieder bewusst wurde, dass ich morgen in Santiago ankomme, einige die ich kenne spätestens heute dort sind und heute deutlich bemerkbar wird, wie plötzlich sehr viele Menschen nach Santiago rennen. Ganze Busse voller Menschen stiegen direkt vor mir aus, unterhielten sich die ganze Zeit lautstark und nervten mich einfach nur. Meine Stimmung war getrübt, den ganz genauen Grund kann ich gerade gar nicht benennen. Auch der Gedanke, dass ich in drei Tagen nochmal loslaufen und 90 km laufen werde, machte den Moment nicht besser. Auf meinem Weg hatte ich heute nochmal ganz viele Menschen in meinen Gedanken dabei, Menschen, die gerade nicht in der Lage wären, diesen Weg zu gehen, Menschen die ich vermisse, Menschen, von denen ich weiß, dass sie an mich denken während ich gerade unterwegs bin, Menschen, die sich nicht zutrauen, solange unterwegs zu sein, obwohl ich mir sicher bin, dass sie es schaffen könnten, wenn sie es möchten. Da ich nicht so früh an meiner Unterkunft ankommen wollte, frühstückte ich in einem Café, treffe dort einen Portugiesen nach ein paar Tagen wieder, gehe weiter und mache auf einem wunderschönen Rastplatz noch einmal einen Stopp. Dort lernte ich Evelyn kennen, die sich irgendwann weiter auf den Weg macht. Wir trafen uns dann in unserer Herberge wieder, aßen dort gemeinsam mit einem Amerikaner zu Abend und ich trank meinen ersten Sangría in Spanien. Mittags traf ich auch noch Kerstin und Joachim auf dem selben wunderschönen Rastplatz. Die beiden lernte ich vor ein paar Tagen kennen, die zwei sind richtig liebenswert. Nach dem wir ein bisschen zusammen saßen machten wir uns auf, um die zwei letzten Kilometer unserer Etappe für heute zu gehen. In meiner Unterkunft traf mich erst mal der Schlag, für eine Übernachtung zahlte ich statt der angekündigten 13€, 17€ - da habe ich selbst in Santiago eine günstigere Unterkunft gefunden (zur Info: In der Regel zahlt man für eine Übernachtung in der Regel zwischen 8€ und 12€). Naja, es gibt keine Ausweichmöglichkeit, also bleibt mir nichts anderes übrig, als hier zu bleiben. Ich bekomme den Tipp noch einmal ein Stück des Weges zurück zu gehen, um mir ein schönes Waldstück anzusehen - das tue ich und es ein weiterer unbeschreiblich schöner Platz mit Sitzgelegenheit, einem wunderschönen Bach und einer süßen kleinen Brücke. Mein Weg an sich führte zu Beginn an unschönen Straßen entlang, recht schnell wurden daraus schöne Ortschaften die ich durchquerte, umgeben von Weinreben und Feld, immer mit Aussicht auf einen wunderschönen Wald.
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  • Day 15

    Teo - Santiago de Compostela (ca. 15 km)

    September 20, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 28 °C

    - God is not only a destination. It‘s a lifelong decision to go with. -

    Der Weg und das Ziel meines Weges waren zwar klar vorgegeben aber das alleine reicht nicht aus, um dort auch anzukommen. Die offiziell 280 km an der Küste Portos über das Landesinnere Spaniens bis nach Santiago de Compostela zu laufen, erforderte jeden Tag die neue Entscheidung, weitergehen zu wollen. Das hat auch oft etwas mit Willensstärke und Kampfgeist zu tun - oft ist es einfach Kopfsache und eine innere Motivation bzw. ein innerer Antrieb.

    „Der Anfang braucht Begeisterung, ein gutes Ende Disziplin.“

    Lektion 14: Das Gehen des Jakobsweges hat Parallelen zu meinem Weg mit Gott. Gott ist nicht „nur“ ein Ziel bzw. eine Richtung - nein, er fordert mich tagtäglich durch das Treffen meiner Entscheidung für oder gegen ihn heraus, seine Nachfolgerin bzw. seine Jüngerin zu sein. Das Treffen dieser Entscheidung ist allerdings nicht immer einfach, da wir Entscheidungen von Emotionen, Erlebnissen und so vielem mehr abhängig machen - so wie ich die Entscheidung weiterzulaufen unter anderem davon abhängig machte, wie sich meine Füße fühlten. Durch das Treffen von Entscheidungen kann ich aber auch über mich hinauswachsen. Ich muss nicht wegen meiner schmerzenden Füße stehen bleiben, so wie ich meine Entscheidung für mein Leben mit Gott auch nicht von negativen Erlebnissen abhängig machen muss. Riskiere etwas in deinem Leben!

    „Alles, was für unser Leben und unsere Frömmigkeit gut ist, hat seine göttliche Macht uns geschenkt; sie hat uns den erkennen lassen, der uns durch seine Herrlichkeit und Kraft berufen hat.“ (2. Petrus 1,3)

    - Grow beyond yourself with GOD! Thank you lord for everything! -

    Zur Route:
    Teo - Santiago de Compostela

    Meine letzten 15 km rannte ich quasi zum Ziel. Aber jetzt erst mal langsam. Im halbdunkeln startete mein Tag und der herbstliche Morgen war traumhaft. Die Luft so klar, der Nebel über dem Feld und die langsam wärmende Sonne taten gut, nach dem es morgens mittlerweile doch wirklich sehr kühl ist. Mein Weg führte mal wieder durch viel Feld, entlang an Straßen und durch Dörfer, denen ich aber nicht anmerken konnte, dass ich mich einer Großstadt nähere. 15 km - 3 Stunden, eigentlich viel zu schnell. Ab dem achten Kilometer bis zum Ziel konnte ich quasi bereits in der Entfernung auf Santiago blicken. Meine Entscheidung am Vormittag nach Santiago hineinzulaufen war die Beste. Es tümmelten sich zwar schon einige Touristen und Reisegruppen durch die Stadt aber der Vorplatz der Kathedrale, mein vorerst endgültiges Ziel, war immerhin nicht überfüllt. In einer Seitenstraße, die direkt auf die Kathedrale zuläuft, traf ich Lucie wieder. Wir unterhielten uns aber nur kurz, sodass ich mein Ziel endgültig erreichen konnte. Angekommen flossen natürlich ein paar Tränchen und ich setzte mich am Rand des großen Vorplatzes der Kathedrale hin. Hier lies es sich problemlos lange aushalten, da es so viele Menschen zu beobachten gibt. Plötzlich steht Mandy vor mir, die gerade in der Stadt unterwegs ist. Die Freude ist riesig, als wir uns dort plötzlich gegenüberstehen. Gemeinsam verbringen wir den Nachmittag in der Stadt. Abends traf ich mich noch mit ein paar Pilgerfreunden und es gab endlich die heißersehnte Paella und zum Nachtisch den typischen Mandelkuchen „Tarta de Santiago“. Und auch der Sonnenuntergang sah fantastisch aus.
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  • Day 15

    Pilgerfamily I

    September 20, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 28 °C

    Auf dem Camiño traf ich so liebenswerte, wundervolle, offene, einzigartige Menschen, die mir wirklich sehr ans Herz gewachsen sind. Die Meisten von ihnen treffe ich (vorerst) ein letztes Mal in Santiago. Langsam macht sich jetzt jeder wieder auf seinen eigenen Weg, manche fliegen nach Hause, manche fahren mit dem Bus nach Fisterra, manche, so wie ich auch, werden nach Fisterra (weitere 90 km) laufen. Teilweise überschattet der Abschiedsschmerz die riesige Freude über das Wiedersehen und das Ankommen.Read more

  • Day 15

    Finally there - Santiago de Compostela

    September 20, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 28 °C

    - Der Moment gehört nur mir! -

    Ich begann meine Reise bewusst alleine und bewusst endete sie auch mit dem Einlaufen auf den großen Platz der Kathedrale genauso. Ein paar Kilometer vorher dachte ich noch darüber nach, ob das Ankommen alleine oder gemeinsam mit jemand anderem besser wäre. Alleine konnte ich allerdings wirklich einfach da sein und die ersten Eindrücke auf mich wirken lassen. Nun saß ich da auf dem Platz vor der Kathedrale, beobachte die ankommenden Pilger, die Reisegruppen - ich sitze einfach da und genieße den Moment.

    Offiziell zählt der Küstenweg laut Pilgerbüro in Santiago 280 km. Nun bin ich stolze Besitzerin einer Pilgerurkunde, die bescheinigt, dass ich diese Strecke gelaufen bin.

    Folgendes Zitat bringt meine ganzen Gedanken und Gefühle sehr gut auf den Punkt:
    „Der Weg dauert nicht ewig: Es ist ein Segen, ihn eine Zeit lang zu gehen, aber eines Tages wird er enden, also sei jederzeit vorbereitet, dich zu verabschieden. So sehr dich auch manche Landschaften zum Staunen bringen oder dich einige Strecken einschüchtern mögen, die zu gehen viel Mühe kosten, halte nichts fest. Weder die euphorischen Stunden noch die endlosen Tage, in denen alles schwierig erscheint und der Fortschritt langsam ist. Früher oder später wird ein Engel kommen und dein Weg wird zu Ende sein, vergiss das nicht." (Paulo Coelho, brasilianischer Schriftsteller, *1947)
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  • Day 16

    One more day in Santiago

    September 21, 2022 in Spain ⋅ ☀️ 26 °C

    - Alleinereisen ~ eine Momentaufnahme -

    Angst vor dem Alleine sein, obwohl man weiß, dass man es nicht ist. Ich rede mit anderen Alleinreisenden. Ihnen geht es ganz genauso, auch in Momenten, in denen wir zusammensitzen. Abschiede fallen noch schwerer. Ich weine alleine, ich weine mit anderen, ich weine in der Öffentlichkeit. Andere weinen in der Öffentlichkeit. Wir werden von fremden Menschen gefragt, wie weit wir gelaufen sind, sie nicken anerkennend und staunend. Ich rechne aus, am Tag durchschnittlich ca. 19 km - eigentlich gar nicht so viel. Tränen fließen, ohne dass ich den Grund kenne. Städte wirken einschüchternd und beängstigend. Ich will lieber wieder weiter laufen. Der vorgegebene Weg der letzten Tage hat verdammt viel Sicherheit gegeben - was ein Luxus. Aber der Weg, das Ankommen und das Weiterziehen zeigen, dass auch immer ein Teil ungewiss bleibt - herausfordernd. Ich merke mal wieder, wie viel Sicherheit andere Menschen einem selbst geben können. Sie bauen einen auf. Helfen. Machen alles leichter - zumindest manchmal. Und eigentlich wollte ich doch auf dem Weg lernen, “niemanden zu brauchen”, von keinem abhängig zu sein. Gefühlschaos. Obwohl ich genau weiß, dass ich alleine klar kommen kann. Wir unterhalten uns mit einem 70-jährigen Kölner. Er hat vor zwei Tagen seinen Weg auf Grund einiger Blutblasen abgebrochen. Für ihn war es nicht nur deswegen ein emotionaler Tag, er weinte auch einfach so viel, warum kann er nicht sagen. Er schenkt mir eine Umarmung und die kommt von Herzen, das merkt man, weil er die selbe Gefühlslage kennt.
    Mit dem Realisieren, dass ich und auch, dass die anderen Santiago erreicht haben, dass wir angekommen sind, führt dazu, dass viele von uns gerne die Reise einfach jetzt beenden möchten - ich auch, den Rückflug einfach umbuchen. Weil es jetzt doch okay ist, weil es jetzt doch einfach reicht. Am Morgen lerne ich Malte kennen, er sitzt am Nachbartisch im Café, er kommt aus Basel. Er baut mich auf. Er kam heute morgen aus Finisterre zurück, erzählt davon. Das reicht schon, um einen Teil der Unsicherheit zu nehmen. Es geht halt gerade doch der eine Camiño, ein Abschnitt zu Ende, und der nächste Abschnitt, der nächste Camiño, beginnt. Es wird anders weitergehen aber es geht weiter und es wird bestimmt gut weiter gehen. So wie das im Leben, im Alltag, auch immer irgendwie ist.

    Der heilige Jakobus
    “Er hat viele Namen und ist als Patron der Kathedrale seit Jahrhunderten für viele Menschen ein wichtiger Gefährte des Glaubens. Er war einer der ersten Jünger, die Jesus berufen hatte. Er hat das Evangelium in Wort und Tat weitergetragen, hat dafür sein Leben eingesetzt und ist auf wunderbare Weise nach Galizien gekommen, wo man dann sein Grab entdeckt hat. In der Krypta sehen wir den silbernen Schrein, in dem die leiblichen Überreste des Apostels aufbewahrt werden, und über dem Hochaltar strahlt er, umgeben vom Glanz der himmlischen Herrlichkeit. Ein Zeuge des Glaubens, der ganz aus der unmittelbaren Nähe und Erfahrung Jesu kommt und dessen Leben für immer in der Treue Gottes gerettet und aufgehoben ist. Es berührt, wenn die Menschen zum Apostel hochsteigen und sich ihm von hinten her nähern, um ihn zu umarmen. Wie viele, die dabei spüren, dass man mit der ganzen Last seines Weges vom Apostel getragen wird. Und wenn sie dann hinabsteigen in die Krypta, zum Grab des Apostels, dann mögen alle eigenen Abstiege und Todeserfahrungen einem bewusst werden, aber auch, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Gerade unten am Grab bezeugen viele ihren Glauben an die Auferstehung und spüren dabei, dass dieses Bekenntnis das eigentliche Ziel ihrer Pilgerschaft ist.”
    (Deutsche Pilgerseelsorge)

    Zum Tag:

    Heute Nacht schlief ich auf einer bereits sehr durchgelegenen Matratze richtig gut und vor allem schlief ich aus. Um kurz vor zehn machte ich mich gemeinsam mit Mandy auf den 2 km langen Weg von unserer Pilgerherberge (es ist die selbe, in der ich beim letzten Mal in Santiago auch war) auf zur Kathedrale, um in der Nähe in einem Café zu frühstücken. Wir kamen mit Malte aus Basel und mit einem Kölner vom Nachbartisch ins Gespräch, das tat gut, da wir den ganzen Morgen schon wieder nur am Weinen waren. Und dann standen nochmal Kerstin und Joachim neben uns. So ein Weg, das Ankommen und das Realisieren aller Eindrücke ist einfach zu viel auf einmal, zumal schon wieder Abschiede anstehen. Gestern und heute morgen dachte ich noch an Antoinette von meinem ersten Wandertag, daran, wo sie wohl gerade ist und daran, dass ich sie so gerne noch einmal sehen würde. Prompt läuft sie an unserem Café vorbei und wir fallen uns vor Freude in die Arme. Sie ist gerade angekommen und holt, weil gerade nicht so viel los ist, ihre Pilgerurkunde im Pilgerbüro ab. Nach dem Frühstück saßen Mandy und ich noch eine Weile auf dem Vorplatz der Kathedrale bis auch wir uns tränenreich verabschiedeten. Auf diesem riesigen Platz sind alle schmerzenden Füße und schlechten Nächte fast vergessen. Ich buchte noch schnell meine Mitfahrgelegenheit bei BlaBlaCar für kommenden Dienstag von Finisterre zurück nach Santiago und machte mich dann irgendwann auf zu einem Stadtspaziergang. Dabei schaue ich mir auch die Kathedrale von innen an, da war sie nämlich nicht überfüllt. Am Nachmittag sitze ich dann wieder in der Mittagssonne auf dem Kathedralenvorplatz und beobachte unter anderem eine spanische Jugendgruppe, die feierlich ihr Ziel erreicht - allen voran ein Junge, der ein riesiges bunt geschmücktes Kreuz trägt. Singend und jubelnd lassen sie sich dann auch erstmal nieder. Später kamen vier Deutsche auf dem Platz an. Joseph, 87 Jahre ist über 100 km nach Santiago gelaufen. Mit Tränen in den Augen erzählte er mir, dass er gerade eben seinen Lebenstraum erfüllt hat. Ich war natürlich neugierig und fragte, warum gerade Santiago sein letztes Lebensziel ist, wie er es nennt und er erzählt, dass er schon die Alpen auf dem E5 überquert und Österreich, Norwegen usw. zu Fuß durchquert hat und Santiago als Wunsch auf seiner Liste übrig blieb. Am Abend besuchte ich endlich die Pilgermesse - Beginn 19:30 Uhr, wer einen Sitzplatz haben will, der sollte mindesten 60 bis 90 Minuten früher da sein. Ich erwische einen richtig guten Platz, fast ganz vorne. Die Pilgermesse war wie immer sehr voll und auf spanisch, ich verstand also mal wieder kein Wort. Naja, vielleicht doch die wichtigsten während der Lesung und dem Evangelium. Herz, Frieden, Liebe, Jesus, Heiliger Geist - es braucht ja auch fast nicht mehr. Am Ende des Gottesdienstes dann einer der spannendsten Momente. Das 53 kg schwere, 1,50 Meter große Weihrauchfass (Botafumeiro) wird quer durch die gesamte Kathedrale geschwungen. Acht Männer, die Tiraboleiros, schwingen das Weihrauchfass, das im Schwung eine Geschwindigkeit von 68 km/h erreicht.

    “Wie ein Rauchopfer steige mein Gebet vor dir auf.“ (Ps 141, 2)
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  • Day 17

    Santiago - Negreira (ca. 24 km)

    September 22, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 24 °C

    - recovered -

    Zur Route:
    Santiago - Carballo - Barca - Chancela - Negreira

    Nach einem Tag Pause fliege ich meine 24 km heute in circa 5 Stunden und dazwischen war ich sogar noch Café trinken. Erst war es ungewohnt in Santiago ohne Rucksack unterwegs zu sein, auf meinem dritten und vierten Kilometer komme ich mir dann aber doch wieder wie mein eigener Packesel vor. So wie in Santiago die schmerzenden Füße schnell vergessen waren, waren es heute fast die Abschiede und das Gefühlschaos der letzten zwei Tage. Ich bin zurück auf dem Pilgerweg und es fühlt sich richtig gut an, ich bin wieder glücklich - der Weg ist mein Zuhause. Ich brach wieder im Dunkeln auf, dieses Mal nicht als erste und einzige. Im Wald begegneten mir schnell weitere Pilger, die ich entweder hinter mir zurück lies oder sie sind so schnell, dass ich sie dann auch ganz schnell nicht mehr sehen kann. Wie bereits ein paar Mal hörte ich auch heute Morgen wieder einen Uhu rufen. Ich beobachtete bisher einige Sonnenaufgänge auf meinem Weg aber der heute war wirklich unbeschreiblich und unvergleichlich. Ich stand quasi gegenüber der Kathedrale auf einem Berg, ca. 45 Minuten Fußweg von ihr entfernt und hinter ihr waren alle erdenklichen Farben von Morgenrot zu sehen. Das Bild konnte ich nicht annähernd mit der Kamera einfangen. Wie es in Wirklichkeit ausgesehen hat, konnte ich nur vor meinem inneren Auge abspeichern. Beim Frühstücken (O Kilometro 79 Bar & Café - das muss ich mir für das nächste Mal merken) lernte ich heute Max, Mathestudent, aus Israel kennen. Er läuft regelmäßig ca. 30 bis 40 km am Tag, da er nicht so viel Zeit hat aber möglichst viele Ziele erreichen möchte. Ich musste heute 250 Höhenmeter gestreckt über 2 km überwinden. Und da ich so gut gelaunt war und die Luft ja nicht zum Bergauflaufen gebrauchen konnte (wirklich überhaupt gar nicht…), lief ich mal wieder singend durch die Gegend - also singend den Berg hoch. Töne habe ich dann zwar nicht mehr so unbedingt getroffen aber außer den Bäumen war da ja niemand anderes, der mir zuhörte. Etwas später lernte ich Simon, Anfang 30, Elektriker aus Kanada, Québec, kennen. Sein Tagespensum heute sind 42 km. Ich laufe bzw. eile ein paar wenige Kilometer mit ihm, dann bin ich schon an meiner Unterkunft angekommen. Bzw. ich laufe erst ein Mal an ihr vorbei, da ich so in das Gespräch mit Simon vertieft bin. Also heißt es dann kurze Zeit später verabschieden und wieder 200 Meter zurück laufen. Meine Herberge heute übertrifft von der Ausstattung dann auch alles. Ich entspanne erst einmal zwei Stunden am Pool und in der Hollywoodschaukel. Dann habe ich erst einmal genug Sonne für heute, gehe irgendwann essen und laufe durch Negreira. Zeigte mein Wegweiser heute morgen 90 km nach Finisterre an, sind es heute Mittag nur noch ungefähr 70 km.

    - See with your own eyes. -
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