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  • Day 77

    Der Tanz auf dem Vulkan

    May 30, 2022 in Nicaragua ⋅ ☁️ 29 °C

    Hotel San Jorge, Antigua

    Kurzer Hinweis: diesen Eintrag schreibe ich am 21.6. mit einem Geschichten-Rückstau von drei Wochen aus dem Indio del Sur Cafe in San Juan del Sur an der Pazifikküste in Nicaragua mit einem starken Cafe Americano vor mir und der schon um 10:34 durch das T-Shirt brennenden Sonne im Rücken. Anders als in den USA ist es hier nicht der Reisestress sondern eher das Gegenteil, eine mit sinkendem Stresslevel einhergehende Grundmüdigkeit, die bereits kurz nach dem Aufstehen beginnt, was mit auch daran liegen mag, dass unser Hotel Victoriano zwar eindrucksvoll an der Strandpromenade liegt, der Kaffee am Morgen aber nicht dem selbsterkorenen ****-Standard entspricht. Dies nur zur Einordnung und Transparenz. Immerhin gibt es auch in Nicaragua ausreichend Vulkane (ausweislich der Tourismuswerbung „Land der tausend Vulkane“, wir haben allerdings mal nachgezählt und kommen auf eine Zahl zwischen 19 (Wikipedia) und 27 (Oscar, Tourguide), den Rest werden dann die Gerichte im Rahmen unserer Schadenersatzklage klären…).

    Doch zurück nach Guatemala und Antigua. Eigentlich war der Ausflug gleich für den ersten Tag nach unserer Ankunft geplant, nachdem sich die Anreise bis in die Nacht gezogen hatte, waren wir allerdings sehr froh um die Flexibilität unserer lokalen Reiseagentur und nahmen die angebotene Verlegung auf den heutigen Tag sehr gerne an. Zumal uns wegen des instabilen Wetters empfohlen würde eher früher am Morgen aufzubrechen.

    Nancy unsere Reiseführerin und Darwin der Fahrer standen dann auch pünktlich um 8:30 mit dem frisch geputzen Land Rover vor der Tür des Hotels. Die Fahrt ging in Richtung Volcano Pacaya. Mit 2.552 Metern ist das der deutlich kleinste neben dem Volcano Agua (3.766), Volcano Fuego (3.763) und Acatenango (3.976). Der Pacaya war erst im März 2021 zum letzten Mal mit starken Explosionen, einer kilometerhohen Aschesäule und fließendem Lava das nahe an das nächste Dorf heran kam. Verletzte oder gar Tote gab es wohl nicht, aber dass wir uns hier, ja nur für Euch und Eure gottverdammte Gier nach Sensationen, einmal wieder in Gefahr für Leib und Leben begaben, zeigt vor allem der Umstand, dass der Vulkan Fuego (ja der, an dem wir gerade noch vorbeigefahren sind) erst 2018 mit einem heftigen Ausbruch an einem Sonntagnachmittag mehrere 100 Menschen tötete und das Dorf San Miguel Los Lotes fast komplett zerstörte. So sieht es nämlich aus! Allerdings wirkte das Ganze im Vorbeifahren eher friedlich, das verlassene Dorf liegt am Wegesrand, etwas grüner und verwilderter als gewöhnlich, doch vermutlich wäre uns das ohne den Hinweis von Nancy nicht weiter aufgefallen.

    Heute kann man alle drei Vulkane besteigen, allerdings ist der Pacaya familienfreundlich, da unser Geländewagen relativ weit hoch fahren kann (und wir hatten nicht die Komfortvariante gebucht, wie die lokale Familie, die uns auf der Wanderung auf halber Strecke fröhlich winkend mit dem Wagen überholte). Insgeheim war ich etwas enttäuscht als ich mitbekam, dass uns lediglich ein Marsch von kanpp 1.5 Kilometern bevorstand, den Nancy aus mir zu Beginn nicht nachvollziehbaren Gründen auf einer Härteskala mit 5-6 einstufte. Nun ja, schnell noch ein Pinkelstop an der „Talstation“ und vorbei an den freundlichen Begleitern die uns ihre mähr oder minder abgerockten Pferde zur Erleichterung anboten. Manche davon waren allerdings so klapperig, dass ich persönlich ein schlechtes Gewissen gehabt hätte dessen Rückgrat eine weitere Prüfung aufzuerlegen. Ausserdem gibt es ja eine Familienehre zu verteidigen.

    Das Wetter war trocken im Sinne von kein Regen, allerdings mit hoher Luftfeuchtigkeit, so dass uns auf halbem Weg dann doch warm wurde und ich Nancy`s Fähigkeiten bei der Beurteilung von Wanderrouten gar nicht weiter in Frage stellen mochte. Am Ziel angekommen waren wir dann auch alle einerseits nassgeschwitzt, andererseits mitten in den Wolken und schnell ausgekühlt. Daher verschwitzt in die Jacken und auf in Richtung Lavafeld. Mondartige Landschaft mit scharfkantigem schwarz-rötlichbraunem Geröll, einzelne Bereich aber auch bunt schimmernd oder schwefelig dampfend. Kurzes Maschmallow-Intermezzo zur Freude von FF und Miss I. Die Pizza, die einige Meter weiter von geschäftstüchtigen Händlern frisch aufgewärmt wurde verkniffen wir uns und dann noch schnell zum Verkaufsstand, an dem uns zwei sehr nette junge Männer über die Herstellung des von ihnen feilgebotenen Schmucks mit Lavaintarsien informierten. Das ganze teils auf Japanisch und in eine Diskussion über die Spuren des Bauhauses in Zentral- und Südamerika mündend. Ein angenehmer Schwatz also, der neben dem immer hoch zu schätzenden Austausch mit anderen Kulturen den weiteren Vorteil hatte, dass sich während wir dann doch für FF ein Armband kauften der Wind ein kurzes Wolkenfenster freilegte und uns zur Belohnung für unsere Mühen einen freien Blick auf den Vulkankraterrand und die Lavafelder gewährte. Und schon war es wieder vorbei und der Abstieg begann. Völlig unspektakulär. Ebenso wie der Lunch an einer Tankstellenraststätte auf dem Weg, mit der wahrscheinlich global austauschbaren Tirade auf die lokalen Politiker, die Steuerlast und das Leben im Allgemeinen. Wobei das Gefälle zwischen Stadt und Land vermutlich sehr viel weiter von der Gleichheit der Lebensverhältnisse entfernt ist, als wir es selbst in Deutschland zwischen Berlin-Mitte und Finsterau empfinden.

    Am frühen Nachmittag wieder zurück in Antigua, die inzwischen schon traditionelle Kaffeepause im Basil&Coffee. Abends ein eher traditionelles Mahl im ehrwürdigen Restaurant des Hotel Posada de Don Rodrigo inklusive einem lokalen Hühnereintopf namens „Pepian de Pollo“.
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