Satellite
  • Day 4

    Yangon - der ganz normale Wahnsinn Teil2

    September 16, 2019 in Myanmar ⋅ ⛅ 31 °C

    Yangon - von der wohl schönsten Pagode der Welt und religiösen Fauxpas, zufälligen Bekanntschaften bei Nacht, Massagen mit blauen Flecken bis hin zu crazy Streetfood in Chinatown und Waschpulvergeschmack im Mund.... Aber erstmal von vorn:

    Den Sonntag starteten wir ganz entspannt und verschliefen erstmal (das Frühstück) in unserem fensterlosen Zimmer, der Jetlag ließ also grüßen, obwohl ich dies bei 4,5h Zeitverschiebung nicht erwartet hätte aber was solls - "wir haben ja schließlich Urlaub".
    Bei strahlendem Sonnenschein und nach ausgiebigem Kaffeklatsch auf der Dachterrasse begaben wir uns zur berühmten Shwedagon Pagode - natürlich hoch motiviert zu Fuß, weil es ja "nur" 4km sein sollten. Dass sich diese Entfernung bei 37 Grad nur nicht annähernd so entspannt wie zu Hause anfühlt, spürten wir relativ schnell! Aber entschieden ist entschieden und obwohl man für 1€ per Taxi durch die halbe Stadt fahren kann, sieht man doch so einiges mehr beim Laufen: kleine Jungs, die auf den Gehweg pinkeln, Betel-spuckende Männer und Frauen wo man nur hinsieht (dazu später noch mehr), Frauen, die in ihren Garküchen auf der Straße regionale Gerichte zubereiten, Lastwagen, die ihre Arbeiter auf den Ladenflächen chauffieren und vieles, vieles mehr...es ist einfach nur der "ganz normale Wahnsinn von Yangon".

    Schweißgebadet aber gut gelaunt erreichten wir nach einiger Zeit schließlich unser Ziel - am Fuße der Pagode mussten wir wie immer unsere Schuhe ausziehen und erstmal die ca. 100 Stufen in einem der vier zentralen Eingänge vorbei an Händlern und blinkendem Allerlei erklimmen. Schon der Aufstieg verschlägt einem aber buchstäblich den Atem - die kunstvoll verzierten Dachkonstruktionen mit goldüberzogenen Schnitzereien geben eine erste Idee davon, was einen oben auf der Plattform erwarten wird. Dort angekommen, verschlug uns aber erstmal nur unsere leere Geldbörse und der (Touristen-) Eintritt von 2x 10.000 MMK (ca. 6€/pP) die Sprache aber wie sich das natürlich für berühmte Sehenswürdigkeiten gehört, war der nächste Geldautomat nur 5 Schritte entfernt.
    Nachdem wir mit einem bunten Sticker auf dem Arm als Tourist markiert wurden, durften wir losziehen und sollten für die nächsten 2-3 Stunden nicht mehr aus dem Staunen rauskommen. Sobald man die obere Plattform erreicht, wird einem erst das volle Ausmaß an "Bling-Bling" bewusst: Während die gesamte Fläche aus wertvollen Marmorplatten besteht, glänzt die goldene Hauptstupa in unglaublicher Schönheit und ragt dabei bis weit in den Himmel hinein. Es heißt, für die Shwedagon Pagode wurde mehr Gold verbraucht, als man in Fort Knox oder der Bank of England finden könne. Doch mit Gold ist es noch lange nicht getan. Die Spitze der Stupa ist mit 4. 531 Diamanten verziert - und der Größte von ihnen hat unglaubliche 72 Karat. Auf dem Gelände finden sich unzählige Gebetskammern, Buddha-Statuen (die teilweise mit blinkenden Leuchtketten  behangen sind, warum auch immer), kunstvolle Glasmosaike und Opferstätten für die Pilger. Traditionell muss man die Pagode im Uhrzeigersinn erkunden, was ca. eine knappe Stunde dauert, jedoch bin ich sicher, dass man hier selbst nach Stunden oder gar Tagen immer wieder Neues entdeckt!

    Folgt man der Legende der Swedagon Pagode trafen "damals" zwei Händler-Brüder auf Buddha und schenkten ihm Honigkuchen, was er mit 8 seiner Kopfhaare belohnte. Die Händler kamen sofort zurück nach Yangon und überreichten die Haare König Okkalapa, der umgehend mit dem Bau einer zehn Meter hohen Pagode begann. 
    Diese Geschichte ist durch die Aufzeichnungen buddhistischer Mönche aus der Zeit überliefert - aber Archäologen glauben, dass die Pagode erst irgendwann zwischen dem 6. - 10. Jahrhundert durch Angehörige des Mon-Volkes erbaut wurde. Und Buddha lebte den Berichten nach bis 483 vor Christus. Wie auch immer nun die Erbauungslegende der Shwedagon Pagoda lauten mag, im weiteren Verlauf der Geschichte, so scheint es, versuchte jeder Herrscher den Vorherigen zu übertrumpfen. Die Pagode wurde ständig vergrößert, weiter geschmückt und ausgebaut, bis sie am Ende das Zehnfache ihrer ursprünglichen Größe erreichte.

    Also drehten wir zusammen mit zahlreichen anderen, stickertragenden Touristen aber auch vielen Einheimischen, Mönchen und Novizinnen unsere Runden und konnten für das Alles nicht wirklich Worte finden. So sprachlos wie wir von diesem Bauwerk waren, waren es einige kleine Kinder auch von uns! Obwohl wir den ein oder anderen europäisch aussehenden Besucher hier ausfindig machten, waren wir für Einheimische scheinbar optisch noch immer eine Attraktion! Da wir das Ganze aber schon nach einem Tag gelassen nehmen konnten, winkten wir so ziemlich jedem zurück und begrüßten gefühlt an diesem Nachmittag einige hundert Leute mit einem warmen Lächeln und einem freundlichen "Hallooo" oder "Mingalarbar" (burmesisch für Hallo) - wenn es nur die kleinen Dinge, wie deutsche Touristen, sind, an denen sich andere erfreuen, dann kann ich das ja nur für gut heißen :)

    Bei all den Menschenmassen, die täglich in der Swedagon Pagode durchlaufen, ist natürlich auch die Reinigung perfekt gelöst: Freiwillige übernehmen die Arbeit, denn das ist auch gut fürs Karma. Natürlich wuschen wir dieses Mal den richtigen Buddha und erfuhren so auch, welches Tier im Buddhismus uns zugeordnet ist: bei Saufi ist es der Löwe und bei mir die Schlange...man kann sich nun an dieser Stelle denken, was man möchte, wir haben es wertungsfrei hingenommen :)
    Da wir vorher gelesen hatten, dass die Pagode auch vor allem bei Sonnenuntergang besonders schön sein muss, setzten wir uns nach einiger Zeit mit auf den Boden und beobachteten die Menschen, die Männer, die anfingen, tausende von Kerzen um den inneren Bereich zu entzünden und das wechselnde Lichtspiel auf der Pagode, dass sich minűtlich mit untergender Sonne veränderte. Während ich im Schneidersitz mein Glück kaum fassen konnte, erzählte mir Saufi nebenbei, dass sie ihre Füße doch sehr schön findet und wir lachten darüber bis zwei junge Burmesinnen zu uns kamen und versuchten, uns zu erklären, dass wir offenbar etwas falsch taten... Da die Verständigung in Englisch in Myanmar nicht selbstverständlich ist, dachten wir zunächst, dass wir uns als Touristen nicht neben die Betenden sitzen dürfen, da sie uns mit viel Gestik erklärten, dass wir uns im inneren Ring, dem Bereich für die Betenden, befinden aber dies war offensichtlich nicht das Schlimme! Nach einigen Minuten verstanden wir, dass es an Saufis (schönen) Füßen lag, die sie in ihrer Sitzposition mit den Fußsohlen voraus den Buddhastatuen zeigte (scheinbar sollten auch diese sehen, wie schön sie sind) aber dies war - wie wir uns leider erst nachher belaßen - das mit "Schlimmste", was man im Buddhismus tun kann...

    Der Buddhismus ist eine Jahrtausende alte Lehrtradition und Religion, welche ihren Ursprung in Indien hat und von dort in die Welt hinausgetragen wurde. Nach dem Christentum, Islam und Hinduismus ist er die viertgrößte Religion weltweit. Myanmar ist geprägt durch seine stark buddhistische Bevölkerung mit mindestens 80 % praktizierender Buddhisten. Dabei folgen diese zumeist der orthodoxen und strengen Form des Theravada (Schule der Ältesten). An obererster Stelle steht im Theravada-Buddhismus das Individuum, welches für alle seine Taten selbst verantwortlich ist. Durch Fleiß, Opferbereitschaft und Disziplin warten die Erleuchtung und das Nirwana auf den Gläubigen.
    Mönche repräsentieren die strenge Befolgung der buddhistischen Praxis und Lehren. Den Mönchen in Myanmar wird mit Respekt und Ehrfurcht begegnet. Man verneigt sich vor ihnen und ehrt sie allmorgendlich mit Spenden wie Essen und Kleidung. Für die Mönche ist es, bei ihrem täglichen Bettelgang in den Morgenstunden, die einzige Mahlzeit am Tag. Die Spenden der Menschen ermöglichen den Mönchen dem strengen intellektuellen Leben mit seinen mehr als 200 Regeln, zu folgen. Das Lebensziel der Mönche ist es den Kreislauf der Wiedergeburt, das Samsara, zu durchbrechen und Nirwana zu erlangen.
    Eine Besonderheit ist in Myanmar, dass auch Frauen, die Novizinnen, zeitweilig ins Kloster gehen und zusammen mit den Novizen unterrichtet werden. Es spielt dabei keine Rolle ob arm oder reich, Junge oder Mädchen. In Myanmar gibt es bei einer Gesamtbevölkerung von knapp 53 Millionen Menschen ungefähr eine halbe Million Mönche, Nonnen und Novizen. In kaum einem anderen Land wird der Buddhismus im Alltag so streng gelebt wie in hier - angefangen bei den täglichen Opfergaben an die Mönche, bis hin zur Arbeit und tagtäglichen Pflege der Buddha Skulpturen und der Anlage rund um die Gebetsstätten, engagieren sich die Menschen sehr für ihren Glauben. Die Burmesen kaufen mit ihrem meist geringen Einkommen Blattgold, um im Tempel eine Buddha Figur zu bekleben. Damit erhofft man sich ein besseres nächstes Leben.
    In den Pagoden-Tempeln ist wie bereits angedeutet jedem Wochentag ein Tier zugeordnet: Garuda-Vogel, Löwe, Tiger, Elefant mit Stoßzähnen, Elefant ohne Stoßzähne, Ratte, Meerschweinchen und Naga-Schlange. In jeder der acht Ecken um die Pagoden steht eines dieser Tiere - gemäß dem Brauch übergießt man diese mit kleinen Metallbechern in der seinem Alter entsprechenden Anzahl, um seinen persönlichen Beschützer damit zu ehren. Zusätzlich werden meist auch die Buddha-Figuren 5 Mal mit Wasser übergossen. Dies soll einem selbst und der Familie Glück und Zufriedenheit bringen.
    Die Schuhe werden aus Resepekt vor Buddha in allen heiligen Stätten ausgezogen und Tempel, Klöster und Pagoden von Beginn an barfuß betreten, da es zu Zeiten von Buddha noch keine Schuhe gab und somit auch Buddha stets barfuß ging. Die Kleiderordnung sieht vor, dass Schultern und Knie stets bedeckt sind, was für uns aber zum Glück nichts Neues war - ist man nicht entsprechend gekleidet, bekommt man oftmals aber auch noch am Eingang Kleidung zum Bedecken.
    Wenn die Gläubigen zur Pagode kommen, beginnt der Tempelbesuch in der Regel mit einer Verneigung vor der Figur Buddhas, sie knien dann vor der Buddha-Figur nieder und beten meist still für sich. Manchmal erlebt man auch Gruppen, die gemeinsam ein Lied zum Gebet singen - wichtig ist dabei immer, dass die Füße stets von Buddha weg zeigen. Denn sie gelten als schmutzigster Teil des Körpers (...)!
    Häufig bringen die Gläubigen zudem Opfergaben in den Tempeln dar. Hierzu zählen vor allem Blumen, das Anzünden von Kerzen und Räucherstäbchen und das Bekleben ausgewählter Buddha-Figuren mit Blattgold. Auch Geldspenden werden innerhalb der Tempel häufig erbracht. Alle diese Opfergaben dienen dazu, ein gutes Karma aufzubauen...

    Nachdem wir uns also wieder von unserer besten Seite präsentierten, schlenderten wir ehrfürchtig noch einige Zeit durch die Pagodenanlage, um die einmalige Atmosphäre zu genießen und die zahlreichen, beeindruckenden Bilder im Kopf und auf der Kamera abzuspeichern bevor wir schließlich wieder den Rückweg antraten.

    Die unzähligen Details und die Präzision jedes nur noch so kleinen Teils dieses wunderschönen Ortes kann man nicht wirklich beschreiben aber es ist definitiv das atemberaubendste, was ich bisher auf Reisen gesehen hab!

    Da die Zeit wie im Flug verging und es bereits spät wurde, wollten wir noch etwas essen und landeten zum Glück eine halbe Stunde vor Ladenschluss in einem kleinen Crêpes Laden. Die Läden und Restaurants in Yangon schließen relativ zeitig, somit waren wir froh, hier noch verköstigt zu werden. Wie mittlerweile für uns normal, kamen wir mit einer Neuseeländerin und ihrer Freundin aus Südafrika ins Gespräch - Cecilia lebt seit 9 Monaten in Yangon und war die Chefin des Ladens und Nicole arbeitet seit 5Monaten als Fotografin für eine Werbeagentur in der Stadt. Beide waren super nett und witzig und gaben uns zahlreiche Tipps für unsere Reise, u.a dass wir die "Grab" App für jegliche Taxi-/Tuktukfahrten nutzen sollen, dies sei quasi das Uber von Asien, wir sollen drauf achten, nur Hühnchen zu essen, da bei Schweinegerichten auch mal nicht bestellte Organe mit im Essen landen (oder einfach gleich auf Vegetarisch umsteigen) und wir sollen uns schließlich einfach treiben lassen, da dies in Myanmar (aber meiner Meinung auch fast überall) wohl die schönste Art zu Reisen ist und die Einheimischen einem immer helfen, sobald man Hilfe freundlich ersucht.

    Zwei Stunden und einige Getränke später liefen wir glücklich und zufrieden ins Hotel zurück. Auf dem Weg dahin begegneten uns viele streunende Hunde, sich bewegende Müllsäcke mit zahlreiche Ratten und Kakerlaken sowie einige Obdachlose, die uns trotz ihrer Umstände mit einem freundlichen Mingalarbar zuwunken. Da auf unserer Straße kaum noch Licht brannte, die Hunde uns anbellten und wir unseren Eingang nicht mehr fanden, begleitete uns schließlich ein Security Mann der nächstgelegenen Bank nach Hause.. Ich will manchmal nicht wissen, was die Einheimischen eigentlich so über uns denken :D
    Read more