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- Jaa
- Päivä 33
- 20.10.2024 klo 10.16
- ☀️ 18 °C
- Korkeus: 73 m
Bosnia ja HertsegovinaMostar43°20’32” N 17°47’50” E
Mostar- die Hübsche

Der Park, ein Treffpunkt für die Jugendlichen der Stadt, war super für unsere Nacht. So dezent, mit ganz leiser Musik, viel Lachen und schnattern, feiern sie da gemeinsam bis in die frühen Morgenstunden. Taugt mir. Alles ist schön aufgeräumt am Morgen. Dann geht's aufs Radl. Ich suche mir eine Partisanennekropole. Diese Gedenkstätte bzw. Grabstätte wurde 1965 von Tito enthüllt. Über 800 im 2. WK gefallene Partisanen sind am diesem schönen Ort bestattet. Bis in die 2020er Jahre dauerte die Identifizierung. Im Bosnienkrieg 1992 wurde das Mahnmal schwer beschädigt. 2005 wurde er ein 2. Mal eröffnet und ist nun offizielle Gedenkstätte in Bosnien. Ein Belgrader Architekt hat ein unglaublich symbolbehaftes Werk geschaffen. Sich in ihm zu bewegen ist wie auf einer riesigen Bühne zu stehen. Ich kenne die Geschichte dahinter nicht, fur mich bedeuten sie Wasser, Flüsse, Berge, Höhlen, Anhöhen, Schluchten... die Gedenktafeln sind (jetzt wirr durcheinander) am Boden aufgelegt und teilweise mit Namen, Herkunft, Geburts- Sterbetag graviert. Es ist ganz still, kein Mensch da. Lange schau ich mir alles an, durchwandere die Landschaften. Wie großartig alles übersetzt ist! Mächtiges Glockenläuten zieht mich weiter zu einer Kirche. Es ist die Kathedrale. Ein wunderschöner neuer Sakralbau. Es ist gerade Messe. Und was ich hier erleben ist unglaublich! Die Gläubigen stehen zu Dutzenden auch auf dem Vorplatz. Kinder laufen herum. Die Messe wird über Lautsprecher übertragen. Alle sind superfein im Sonntagsstaat. Dann ist die Messe zu Ende. Die Besucher strömen weg, teilweise treffen sich Freunde, Familie. Ich schieße ein paar Fotos. Aber? Was ist jetzt los? Es kommen neue Besucher in die Kirche? Nächste Messe. 5x am Sonntag hintereinander und immer bummvoll, erfahre ich später. Wahnsinn! Der Muezzin hat in diesem Stadtteil nix zu rufen. Schnurstacks gondle ich durch Wohngebiete bis ich über ein Hintergasserl zur Neretva komme. Der Blick auf die Stari Most ist perfekt hier. Auf der Brücke lungern zwei junge Männer in Badehosen herum und warten drauf, dass ihnen jemand genug Geld gibt, damit sie von der Brücke springen. Seit 450 Jahren ist das Tradition, 27 m geht es hinunter. Gruselig. Während meiner Zeit springen sie leider nicht, diskutieren immer wieder, aber vollenden nichts. Wie die Schafe werden Herden von Touris auf und über die Brücke getrieben, durch die Gässchen. Sie werden animiert in bestimmten Lokalen "lokales" Essen zu genießen. Wie froh bin ich über meinen Individualismus.
Über dem Fluß würde mich eine herrliche Kirche reizen, leider wird mir die Zeit zu kurz, die ich mit Franzi ausgemacht habe. Da ich noch nichts gegessen habe, hole ich mir etwas aus einer Bäckerei. Am meisten faszinieren mich die Ruinen. Immer noch gibt es viele beschädigte Gebäude und auch wunderschön renovierte. Kopf an Kopf stehen sie, Mahnmale an die Sinnloses des Kriegs. Zum Beispiel ein Einkaufszentrum 1970 erbaut- Razvitak- das mit Betonplatten mit sog. "Stećci" verziert wurde- das sind antike geschnitzte Figuren auf mittelalterlichen Grabplatten, intensiv als Kulturgut mit dieser Gegen verwoben, sollte die Integration der Darstellung eine lokale Identität und Unverwechselbarkeit in dem, im jugoslawischen modernistischen Stil, errichteten Gebäude schaffen. Zusammen mit einem 7 Stockwerke hohen 64 Wohnungen Gebäudes im selben Stil bildete es eine harmonische Einheit. In den 1990ern wurden beide Gebäude schwerst verletzt, das Hochhaus abgerissen. Um Razvitak und die weiter Nutzung gibt es Streitereien. Schade darum. Ein weiteres monumentales, kantiges, 10 stöckiges Gebäude fällt einem sofort ins Auge, weil es so speziell ist. 1990 fertig gestellt, sollte es die Handelsbank werden. Als Heckenschützenburg der bosnisch-kroatischen Scharfschützen war es Angriffsziel Nr. 1 der Verteidigung von Ost Mostar. Der Spitzname ist Glasbank, denn alle Glasfronten wurden zerstört. 2017 hat Mostar es gekauft. Was wird damit geschehen?
Jedenfalls ist die Glasbank sehr kunstvoll mit Grafitti am Leben erhalten. Und welche Symbolik, Botschaften da in die Mauern tätowiert werden! Phänomenal! Elegante Parks bilden die Nachbarschaft, Kräne und Bagger erschaffen Neues und betonen damit die Dramatik der Kriegsruinen. Spannend wären auch die Geschichten der privaten Ruinen bzw. die Motive die Granat- und Schußverletzungen der Wohnhäuser nicht zu beseitigen. Ist die Trauer oder Wut noch so groß?
Was auffällt, die Stadt ist unglaublich gepflegt, mülllos, europäisch, sauber. Das Verruchte der, bereits am Morgen gut gefüllten Cafés, fehlt. Brav und ordentlich scheint eher das Motto zu sein. Vorbei die "Wildheit", die Unordnung, das herrlich bunte Chaos wo man immer sicher sein konnte das zu bekommen was man gerade benötigte.
Als ich in Albanien war, fehlte mir das Verständnis für die Begeisterung anderer Reisender. Nun, da all das was "(ver)störend", fremd, schwer zu verstehen war, weg ist, ersetzt durch ähnliche Bedingungen, wird der Verlust erst spürbar und schon setzt Sehnsucht ein.
Wie entspannt Chaos und Unordnung auch sein kann, wenn Regeln einfach informell gelebt werden dauert es bis man sie durchblicken, aber dann ist es supereasy.
Lange dauert es nicht mehr und anstatt der kleinen Läden die das ganze gefälschte Zeug verkaufen, kommen die "Echten", die Zaras und Spars. Die Minimärkte, Wahrzeichen einer chaotischen Wirtschaft, werden verschwinden, Klamotten nicht mehr in quasi Einheitsgrößen auf der Straße am Stand verkauft werden. Der einzige Unterschied wird das osmanische Viertel sein, das alles seit dem 15 Jhd überdauert und es weiter überdauern wird.
Es ist ein arges Dilemma. "Dabei" sein wollen und profitieren und trotzdem die Identität nicht einbüßen. Während ich am Parkbankerl sitze, mein Frühstück esse und die Sonntagsleute betrachte, frage ich mich all die Dinge, die einem hier in den Sinn kommen. Ausgelöffelt ist der Joghurtbecher lange nicht. Die Strukturen im Angesicht der Teilung der Welt, die gerade wieder erfolgt, sind sehr volatil. Ich drücke den Tapferen, die mit höchster Zuversicht in die Ferne blicken die Daumen. Möge das Experiment "Befriedung des Balkans" gelingen!
Immer wieder habe ich Sehnsucht nach mehr Hintergrundwissen, möchte mich mit Kennern der Situation unterhalten, das Schicksal einer Soziologin. Eine Leseliste habe ich schon zusammengesucht.
Aber, Gedanken hin oder her. Mein Franzi erwartet mich. Wir steuern unser nächstes Ziel an.Lue lisää