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  • Day 8

    Pizza nach Mitternacht

    February 20, 2020 in South Africa ⋅ ⛅ 24 °C

    Plett ist ein durch und durch weisses Villenstädtchen in welchem die in den umliegenden Townships wohnende schwarze Bevölkerung bei braunen Mitteleuropäern zur Arbeit geht. Das meine ich nicht als Kritik. So ist es eben. Man begegnet sich respektvoll, aber die südafrikanische Politik rund um den ANC hat es nach anfänglichen Fortschritten die letzten Jahrzehnte nicht geschafft, dieses für das gesamte Land nach wie vor typische Ungleichgewicht signifikant zu reduzieren. Das gilt auch für die Autos. Weit über neunzig Prozent der Karren hier sind weiss. Gutmütig, aber weiss. Als Kurzaufenthalter werden wir daran kaum etwas ändern können und so geben wir uns einfach gutmütig und grosszügig. Happy bin ich ja sowieso, denn das überaus beliebte Rindsfilet kostet uns hier unverschämte neun Franken. Das Kilo. Auf der anderen Seite sorgen regelmässige Stromausfälle für gelegentlichen Unmut. Zu lange wurde nicht an geeigneter Stelle investiert und nun muss man sich fast täglich “Wartungsfenster” schaffen, um an der maroden Infrastruktur zu basteln. Kochen wir eben mit Feuer. Wie Männer. Ok, sagen wir wie Jungs mit Bärten.

    Nach dem ganzen Gegrille gibt es zur Abwechslung selbstbelegte Pizza aus dem Holzofen. Definitiv unschlagbar und bei allen Altersklassen beliebt. Auch bei der anwesenden Jungmannschaft, die von den mitgereisten Eltern liebevoll Gremlins genannt wird. Ich schliesse die Jungs sofort ins Herz. Da die unentwegt aktiven Kleinkinder - ich glaube die sind so sechs bis zehn Jahre alt - definitiv schon mehr als ein Mal nach Mitternacht gefüttert wurden, gibt es heute definitiv keine Pizza nach Zwölf. Wollen ja keine Eskalation wie im Film und auch ein wenig Zeit für Gespräche unter Erwachsenen. Der kleine Pizza-Plausch endet trotzdem in einem Debakel. Und daran sind erstaunlicherweise nicht die liebenswerten Gremlins schuld. Nein, wahrscheinlich bin ich es. Oder Sue. Wahrscheinlich ich. Oder die Pizza nach Mitternacht. Egal, irgendwie geraten sich der gute und bei allen beliebte Robin und ich während der Erwachsenendiskussion in die auf meiner Seite wieder üppig wachsenden Haare. Ich könnte jetzt behaupten, dass ich mit allem, was ich gesagt habe, recht habe und sowieso immer richtig liege. Was auch so ist. Aber darum geht es nicht. Ausnahmsweise. Ich lag falsch. Irgendwie. Eine Entschuldigung und ein Kaffee später ist die Krise tags darauf bei nüchterner Betrachtung in nüchternem Zustand auch schon wieder vorbei. Wie soll man denn auch wütend sein auf mich? Auf einen so netten Jungen mit Bart? Unmöglich! Zumindest mittel- und langfristig.

    Der lang ersehnte SchmuDo startet wie gewohnt mit Nana Mouskouri und ihrem “Guten Morgen Sonnenschein”. Und Bier. Klingt nach Fasnacht die sich gewaschen hat - wie es der Stettler Remi ausdrücken würde. Sarmi-Style eben. Doch schnell wird klar, ein Maskenball wird das heute nicht. Es finden sich einfach nicht genügend Sujets für das Bodypainting und alleine mache ich den Elefanten dann doch nicht. Also Rüssel wieder ein- und Chinos angezogen. Schliesslich geht es hier nicht um mich oder meinen Rüssel, sondern um Steffi und Willy. Die heiraten heute. Dieser einmalige, unvergessliche Tag im Leben. Und wir dürfen dabei sein. Herrlich. Nach den mir bekannten Statistiken kommt man(n und Frau) im Schnitt zwar auf zwei einmalige, unvergessliche Tage im Leben, aber diesen statistischen Umstand spreche ich heute natürlich nicht an. Bin ja nicht doof. Schliesslich will ich ja auch beim zweiten Mal wieder dabei sein.

    Doch kaum steckt mein Rüssel in der Chino und die schöne Sue in ihrem schönen Kleid, herrscht angespannte Kampfstimmung. Erneut liegt das nicht an den kleinen Gremlins, sondern an der offensichtlich arg unfotogenen Sue. Ich versuche in diesem spontan entstehenden Bilderkampf den Überblick zu behalten, was angesichts Sue’s auf schmalem Grat wandelnder Contenance gar nicht so einfach ist. Erst nach mehrmaligem Versuch mit diversen Fotografen erklärt sich das eitle Ding mit dem Ergebnis einverstanden. Ausser mit meinem Bier, das darf aus mir unerfindlichen Gründen nicht mit aufs Bild. Komische Sue. Der Rest der Feierlichkeiten verläuft entspannt. Wie es sich gehört. Wunderschöne Location. Wunderschöne Braut. Der Empfang ist herzlich und Willy sieht auch ganz anständig aus. Ein schönes Paar! Was will man mehr? Hm, Strom wäre sicherlich auf der Liste. Aber davon gibt es hier aktuell leider nicht im Überfluss und schlagartig machen auch die ganzen Kerzenständer auf den Tischen doppelt Sinn. Uns gefällt die spontan verstärkte Romantik und für den DJ hat man sicherheitshalber einen Generator angeschmissen. Sind ja nicht doof hier. Die Afterparty findet anschliessend in unserer bescheidenen Pool-Mansion statt und auf vielseitigen Wunsch hin wird weit nach Mitternacht nochmals Pizza gereicht. Den putzigen Gremlins natürlich nicht. Die sind ja schon im Bett. Hoffentlich ...
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