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  • Day 118

    Auf nach Zion!

    November 28, 2021 in the United States ⋅ ☀️ 20 °C

    Es wartet ein fantastischer Roadtrip Richtung Osten mit dem Oldsmobile meines Bruders auf mich – ich werde Richtung des Mormonenstaates Utah aufbrechen, zum „Wohnsitz Gottes“. Zion, dieses hebräische Wort ist wahrhaftig ein Begriff, der mich meine ganze Jugend begleitet hat, und nun musste ich doch nachschauen, was die Bedeutung davon ist. Es kann demnach nicht nur als „Wohnsitz Gottes“, sondern auch als „Zufluchtsort“ oder „Heiligtum“ übersetzt werden. Ob dieser Nationalpark seinen Namen auch zu Recht trägt, wie das „Valley of Fire“? Obwohl wir als Familie bereits einige Male in den USA in dieser Gegend gewesen waren, haben wir doch nie die zahlreichen bekannten und beeindruckenden Nationalparks dort besucht – und ich erinnere mich, wie sauer ich schon damals auf meine Eltern deswegen war. Ich muss 12 gewesen sein und wollte unbedingt nach Yellowstone, zu den Arches, usw. Nun bin ich meine eigene Herrin, kann die Ziele wählen, die ich will, und muss mich auch nicht mehr mit den unzähligen Vetos meines ehemaligen Reisepartners herumschlagen. Also: Auf nach Zion!

    Mit reichlich Proviant beladen rolle ich mit dem Oldsmobile relativ gemütlich über die breite Interstate Richtung Norden, es gibt kaum Autos oder Trucks (!), die mich nicht überholen, aber ich habe es nicht eilig und der Oldtimer fährt sich am gemütlichsten bei 65 m/pH. Später soll das Auto noch mit den anerkennenden Worten „Oh wow. It's a classic!“ bewundert werden. Nach einer Straßensperrung und einer aufwändigen Umfahrung erreiche ich im Dunkeln Hurricane – geplant war eigentlich, den Sonnenuntergang noch im Nationalpark zu bewundern.

    Mein AirBnb ist zwar sauber und geschmackvoll eingerichtet, aber irgendwie befremdlich. Alles ist düster in Grau- und Schwarztönen gehalten, das Fenster öffnet sich zu einem anderen baufälligen Raum hin, es ist recht kalt und riecht unangenehm. Nun gut, das Zimmer heißt „Cattle Call“ - was soll man da auch erwarten? Womit ich jedoch nicht gerechnet hatte: Ich werde leider viel länger Zeit in diesem Raum verbringen als geplant – nun fordert doch meine Booster-Impfung vor zwei Tagen noch ihren Tribut, ich finde kaum Schlaf und quäle mich mit Übelkeit und Kreislaufproblemen am nächsten Tag kraftlos und matt aus dem Bett. Aber ich bin hier kurz vor dem Zion Nationalpark, fest entschlossen zumindest eine kleine Wanderung dort zu unternehmen und versuche mich frei von jeglichen „Optimierungsgedanken“ zu machen. Jetzt geht es wirklich endlich nach Zion (Eintritt: 35 USD/Auto)!

    Das Wetter ist fantastisch: blauer Himmel, Sonne, 20 Grad. Innerhalb dieses Naturschutzgebiets befindet sich eine Landschaft voller Schluchten, von denen der Zion und der Kolob Canyon die bekanntesten sind. Beide sind aus altem orangerotem bis braunen Sandstein der Navajo-Formation entstanden und rund 170 Millionen Jahre alt. Die bekanntesten und nahezu legendären Touren – the „Narrows“ (Flusswanderung) und „Angels Landing“ (bereits 10 Todesopfer durch Absturz) fallen in meinem Zustand ohnehin flach, Frieren und Schindel in extremen Höhen sind heute nichts für mich. So schaffe ich es zumindest an einigen Fotospots zu halten, die Patriarchen zu bewundern und alle Emerald Pools zu bewandern (Lower, Middle, Upper Emerald Pool). Die ca. zweistündige Tour fordert mich dennoch heraus, obwohl sie recht einfach zu begehen ist und normalerweise ein Kinderspiel für mich wäre: Schweißausbrüche, Abgeschlagenheit, leichte Übelkeit... Irgendwie bin ich einfach nicht fit! Dennoch sind die Bergmassive, die sich um mich herum türmen, imposant und es eröffnen sich so viele schöne Ansichten der Landschaft, dass ich dennoch beginne, den Tag zu genießen. Auch treffe ich eine Mutter mit ihrer Tochter, die doch tatsächlich in Hilo /Hawaii Big Island studiert hat, und mir einige Anekdoten vom Leben dort erzählt: falscher Raketenalarm, Vulkanusbruch, lieferengpässe, etc. Wie einfach doch mein Studium verlaufen ist, denke ich– jedoch auch ohne den schönen Carlsmith Beach, über den wir beide ins Schwärmen kommen.

    Diesmal schaffe ich es auch zum Sonnenuntergang, der besonders schön von der Brücke bei der Abzweigung zum Scenic Drive und vom Pa'rus Trail aus zu sehen ist, und die Landschaft in ein goldenes Licht taucht. Als noch ein paar Rehe über die Straße huschen, kommt mir der Tag dann doch wirklich gelungen vor. Ich treffe noch meinen Bruder und seine Frau in Washington/Utah zum Essen bei Taco-Bell (love it!), nachdem sie sich nach einer Thanksgiving-Einladung auf dem Rückweg nach Vegas befinden. (Übrigens: keine Mundschutz-Pflicht in Utah!) So klein kann die Welt um den Zufluchtsort Zion dann doch sein!
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