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  • Day 111–118

    In der Stille angekommen

    January 20 in Thailand ⋅ ☀️ 29 °C

    Mit aufgeregter Erwartung und einer leichten Nervosität erreiche ich das Wat Pa Tam Aua Forest Monastery in Thailand.

    Der Tempel liegt abgeschieden inmitten üppiger grüner Wälder und die Atmosphäre ist bereits bei der Ankunft von tiefer Ruhe durchzogen. Ich werde von einer freundlichen und gleichzeitig bestimmenden Frau empfangen. Nach der formalen Begrüßung darf ich mir meine Kleidung, drei Decken, ein Kissen und eine hauchdünne Matratze abholen. Anschließend wird mir mein Zimmer gezeigt, wo ich die nächsten Tage verbringen werde. Das Zimmer ist einfach eingerichtet. Bis auf ein Bett aus Holz (die Ehre galt zunächst meiner Zimmergenossin) und einem kleinen Tisch gibt es nichts weiter. Ich hatte noch zwei Stunden bis zur Einführung und so hab ich mich mit der Umgebung vertraut gemacht. Die zauberhafte Landschaft ist von majestätischen Bergen umgeben, die den Horizont prägen. Saftig grüne Wiesen erstrecken sich weit und breit. Die Sonne scheint am blauen Himmel und ihre Strahlen wärmen mich nicht nur auf, sondern betonen auch die üppige Pracht der Natur in einer Art und Weise, die zum Verweilen einlädt. Zwischen den Wiesen ragen elegante Palmen empor, ihre schattenwerfenden Blätter verleihen diesem Ort eine tropische Note. Es fühlt sich richtig an, hier zu sein.

    Nach meinem Spaziergang hab ich mich auf dem Weg zur Einführung der Vipassana-Meditation gemacht. Neben mir, erhalten 30 weitere Interessierte eine Erklärung zur Bedeutung von Achtsamkeit und wie wir uns auf die kommende Tage der Stille vorbereiten können. Ich bin gespannt auf die Nacht mit einem Bett bestehend, aus einer Bambusmatte, einer 3cm dünnen Matratze, drei Baumwolldecken und einem Kissen.

    Und so begann mein Tag 5:00 Uhr morgens. Die erste Meditation stand an. Die Nacht war von einer unruhigen Atmosphäre durchzogen. Auf dem bodenständigen Schlafplatz fühlte ich die natürliche Verbindung zur Erde und gleichzeitig die Verspannungen in meinen Gesäßmuskeln. Ich setzte mich auf und versuchte so leise wie möglich zu sein, da ich meine Zimmernachbarin nicht stören wollte.. Bis auf unsere Körpersprache hatten wir keinerlei Möglichkeiten zu kommunizieren und so beschränkten wir uns auf das Nötigste. Es fühlte sich nicht seltsam an. Es unterstütze mich eher darin, mehr bei mir zu bleiben und mich achtsam(er) in der Umgebung zu bewegen und zu verhalten. Früher hatte ich Angst vor der Stille, heute betrachte ich sie als wertvolles Geschenk. Sie ermöglicht mir, eine tiefere Verbindung auf einer nicht-verbalen Ebene und erlaubt mir, mich auf meine Präsenz und meine Gefühle zu konzentrieren, was zu einem authentischeren und tieferen Selbst meinerseits führt. Sie unterstützt mich, bewusster zuzuhören, zu beobachten und im Hier und Jetzt zu sein. Und neben dem minimiert sie äußere Ablenkungen, was es für mich leichter macht, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren und wenn ich an meinen Alltag in Deutschland denke, hat die Stille mir schon oft einen Rückzugsort geboten.

    Doch nun zurück zum meiner Morgenmeditation.. zu Beginn erwischte ich mich dabei, wie ich über meinen Körper klagte, mich fragte, was heute alles noch passieren wird, wann die Sonne wohl aufgeht, wie ich die nächste Nacht besser überstehen könnte, was es zum Frühstück gibt, ob ich vor der Reiszeremonie noch eine Dusche nehmen sollte, und ob das alles so eine gute Idee war (😅). Mein Geist war bereits morgens um 5:00 Uhr sehr präsent. Interessant. Ich dachte weiter an zu Hause, meinen nächsten Yoga-Workshop, meine Lieblingsmenschen, meinen Job… ich konnte beobachten, wie meine Gedanken mehr und mehr meine Körperhaltung beeinflusste, konnte die Kreation verschiedener Gefühle wahrnehmen. Nichts, was mir unbekannt ist, doch in diesem Moment zunächst überwältigend. Ich richtete mich erneut auf und versuchte zu atmen. Meine Einatmung und Ausatmung zu zählen, wahrzunehmen, ob ich flach oder tief atme, schnell oder langsam, hart oder weich... Ich versuchte mein Gedankenkarussell anzuhalten. Doch meine Gedanken meinten es besser und haben sich freiwillig zum Tee trinken eingeladen, um mir ihre Version von mir zu erzählen. Irgendwann erinnerte ich mich an den Satz, den ich häufig in meinen Stunden bei einer angeleiteten Meditation verwende: „Wenn Gedanken kommen, lass sie für einen Moment da sein, gib ihnen eine Überschrift und dann stell sie dir wie Wolken am Himmel vor, die vorbeiziehen. Erlaube dir mit deiner Aufmerksamkeit zu deinem Atem zurückzukehren.“ Und so wechselten sich Gedanken und Atembeobachtung ab bis ich irgendwann ruhig(er) wurde…Und da war sie. Die Stille…Umgeben von der friedlichen Atmosphäre des Klosters, während der Duft von Räucherstäbchen die Luft erfüllte.

    Nach der Morgenmeditation folgte die Reiszeremonie in Vorbereitung auf die erste Mahlzeit. Die Reiszeremonie ist eine rituelle Handlung, bei der die Zubereitung und Überreichung von Reis eine spirituelle Geste an die Mönche darstellt. Sie symbolisiert die Großzügigkeit der Gemeinschaft und die Verbindung zwischen den Gebenden (in dem Fall ich) und den Mönchen, die durch die Annahme des Reises ihre spirituelle Praxis fortsetzen können. Anschließend gab es ein einfaches, vegetarisches und nährreiches Frühstück. Während des Essens wurde ebenfalls Stille praktizierte, um jede Geste und jeden Bissen bewusst wahrzunehmen.

    Um 8:00 Uhr folgte die nächste Praxis. 45 Minuten Gehmeditation, 45 Minuten Sitzmeditation und 30 Minuten Meditation im Liegen. Die Kunst bestand darin, nicht einzuschlafen, was mir nur selten gelungen ist 😅 11:00 Uhr gab es die zweiten und letzte Mahlzeit für den Tag und im Anschluss daran war Zeit für persönliche Kontemplation reserviert. Ich genoss die Freiheit, die Zeit nach eigenem Ermessen zu nutzen – sei es für stillen Rückzug, Lesen spiritueller Schriften, Journaling oder einen Spaziergang durch die Idylle des Klosters. Die Zeit wurde gefühlt zu einem wertvollen Gut, da es 13:00 Uhr mit einer Lehrstunde über buddhistische Philosophie und Lebensprinzipien schon weiter ging. Die Mönche teilten ihre Weisheiten und beantworteten geduldig unsere Fragen. Es war inspirierend zu erfahren, wie die einfachen Prinzipien des Mitgefühls und der Achtsamkeit einen tieferen Sinn in das tägliche Leben einbringen können. Nach dieser Lehrstunde schloss sich die nächste Geh-, Sitz- und liegende Meditation an.

    Der Nachmittag brachte einen Arbeitseinsatz von einer Stunde täglich. Von Raum säubern über einfache Gartenarbeit war ich recht frei in der Wahl meiner Tätigkeit. Der Arbeitseinsatz im Kloster, oft als “Samu” bezeichnet, dient mehreren Zwecken in der monastischen Gemeinschaft. Zum einen fördert es die Idee des selbstlosen Dienstes und der Hingabe, indem die täglichen Pflichten und Aufgaben gemeinsam erfüllt werden. Zum anderen bietet der Arbeitseinsatz eine weitere Gelegenheit zur Achtsamkeitspraxis, bei der die Aufgaben mit voller Konzentration und bewusster Präsenz verrichtet werden.

    Mein erster Tag endete schließlich mit dem Abendgebet und einer Abschlussmeditation. Der Sonnenuntergang über dem Klostergelände verlieh dem Ort eine magische Atmosphäre. Ich hörte den Bach rauschen, die Grillen zirpen, den Wind durch die Bäume fegen, meinen Atem. Ich fühlte den Rhythmus meines Herzens, die Kleidung auf meiner Haut, meine Fussaußenkanten auf dem harten Fliesenboden, Geborgenheit. Ich schmeckte den leckeren Bananenship, den ich mir kurz zuvor noch gegönnt habe. Ich roch einen leicht säuerlichen Körpergeruch vermischt mit dem Duft von Räucherstäbchen. Und ich sah vor meinem inneren Auge - mich da sitzen. Mich, mit all meinen Stärken und all meinen Lernfeldern. Mich, zuweilen mit all meinen Fragen und Gedanken. Mich, zuweilen in der Verbindung zu meinem Herzen. Mich, zuweilen in der Stille angekommen!

    Der Besuch in diesem buddhistischen Kloster war eine weitere Erfahrung der Stille, Reflexion und spirituellen Erkenntnis, die noch lange nachwirken wird. Am Tag meiner Abreise verspüre ich neue Energie, habe Antworten auf einige meiner Fragen, kenne meinen Weg und bin dankbar für diese wertvolle und gleichzeitig heilsame Erfahrung. #followyourheart
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