LATINOAMÉRICA

May 2023 - May 2024
An open-ended adventure by Simon Read more
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  • Day 67

    Medellin

    July 6, 2023 in Colombia ⋅ ☁️ 24 °C

    Die Reise nach Medellin ist ein Abenteuer. Als wir die Karibikküste verlassen wird es gerade Nacht. Wir fahren an unzähligen Häusern, Siedlungen und Dörfern vorbei. Ich kann jeweils für Sekunden in fremde Leben hineinschauen. Die Kolumbianer verbringen viel Zeit sitzend vor ihren Häusern.

    20 Stunden später fahren wir von der grünen Hochebene runter ins Tal wo sich die Millionenstadt Medellin auftut.
    Mit dem Taxi fahre ich ins Quartier Laureles, wo ich erschöpft ins Hotelbett liege und einfach nur froh bin endlich angekommen zu sein. In den ersten Tagen erkunde ich die Stadt, ich besuche die berühmte Comuna 13, die Altstadt, Second Hand Märkte und die Seilbahn, die einen in die ärmeren Barrios oben in den Hängen führt.

    Um mein Spanisch aufzubessern, besuche ich einen zwei wöchigen Sprachkurs im trendigen Viertel El Poblado. Ich nehme jeden Morgen die (überfüllte) Metro durch die halbe Stadt und muss noch 20 Minuten zur Schule hochlaufen. Durch diesen regelmässigen „Arbeitsweg“ tauche ich nochmals tiefer in das Leben der „Paisas“ (so nennen sich die Menschen aus Medellin) ein und komme dem Puls der Stadt näher. Die Schule ist sympathisch und engagiert. In meiner Klasse sind andere Touristen aus: Israel, Amerika, Frankreich, Kanada, Holland und Südafrika. Am Nachmittag gibt es jeweils ein freiwilliges Programm wie Ausflüge, Museumsbesuche, Tanzkurs, Kochen oder Fussball.

    Ich gehe zwei Mal Fussball spielen. Wir fahren mit dem Taxi zu einem riesigen Einkaufszentrum. Im 3.Stock sind vier mittelgrosse Fussballfelder mit Kunstrasen, Tribünen und einer „Sportbar“.
    Es ist 15 Uhr und unglaublich heiss. Nach 10 Minuten spielen bin ich schon so erschöpft, dass ich in’s Tor wechsle. Ich bin mir Sport bei dieser Hitze nicht gewöhnt.
    Das zweite Fussball Angebot findet glücklicherweise am Abend, wo es schon dunkel ist, statt. Meine Manschaft spielt gut, wir haben ein schönes Zusammenspiel und ich schiesse einige Tore. Einmal stosse ich mit einem Gegenspieler zusammen und falle auf den Boden. Es schmerzt im linken Oberschenkel und die Knie bluten (Kunstrasen ist eine ziemlich grobe Angelegenheit, wenn man hinfällt). Ich stehe wieder auf und spiele ohne Sorgen weiter. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht weiss oder realisiere: ich habe mir gerade den linken Oberschenkelmuskel gezerrt. Diese Verletzung wird mir im Verlauf der Reise noch viele Schmerzen und Sorgen bereiten.

    Medellin ist eine laute, pulsierende und verrückte Stadt. Es gibt viele Menschen die um’s überleben Kämpfen, das Bild des Struggles ist allgegenwärtig. Ich habe mich trotzdem immer wohl und angenommen gefühlt. Die Menschen waren sehr freundlich und offen zu mir. Ich durfte unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Lebenssituationen kennenlernen. So verbringe ich einmal eine Stunde mit einem Jungen, der in der Strasse lebt und dort von Banditen angeschossen wurde. Sie mussten eine Notoperation machen und ihm am Hals eine Kanüle zum Atmen installieren. Er spricht mich an im Park, fragt für Münz. Ich bin müde und gerade etwas genervt vom vielen angebettelt zu werden. Ich sage ihm, dass ich kein Geld gebe. Frage ihn aber, ob er meinen Jugo fertig trinken wolle. Dankend nimmt er ihn und wir kommen ins Gespräch. Nachdem wir uns etwas ausgetauscht haben fragt er mich, ob ich für sein Business den Startkredit zur Verfügung stellen könne. Ich willige ein und wir laufen zu einem Laden wo er mit meinem Geld zwei Säcke mit Lollipops und anderen Süssigkeiten kauft. Diese verkauft er dann auf der Strasse weiter. Er führt mich durch die Stadt zum „Plaza de la Luz“ und erzählt mir von den Menschen in Medellin und seiner Familie. Dabei wird er sehr traurig. Er kam nach Medellin um Geld zu verdienen und landete in den Drogen. Er vermisst seine Familie sehr, wird aber von dieser nicht mehr akzeptiert, weil er ein „Drogato“ geworden ist.
    Sein T-Shirt ist dreckig (auch vom Schleim seiner Kanüle) und sein Gesicht tätowiert. Ich beschliesse ihm ein neues T-Shirt zu kaufen. Er liest eines aus. Bei einem der unzähligen Baseballcap-Stände zahle ich ihm noch ein Cap. Er entscheidet sich für ein schwarzes mit der Aufschrift BMW. Er strahlt und bedankt sich bei mir mit den Worten: „nun sehe ich wieder anständig aus und kann in meinem Business (Bonbon verkaufen) erfolgreicher sein“. Er begleitet mich noch zur Metrostation, macht für mich die richtige Metro ausfindig und verschwindet danach, so schnell wie er aufgetauch ist, wieder in der Menschenmasse.
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  • Day 78

    Guatapé

    July 17, 2023 in Colombia ⋅ ☁️ 23 °C

    Guatapé ist ein grosses Dorf etwa 3 Stunden ausserhalb von Medellin. Es ist bekannt und beliebt, weil es in einer wunderschönen Landschaft aus Seen eingebettet ist. Ich komme also an mit meinen Rucksäcken (der grosse am Rücken, der kleine vor der Brust), spaziere dem Malecon (so heissen in Südamerika die (Strand)Promenaden) entlang und suche nach einem Hotel. Ich beginne zu realisieren, dass mein Oberschenkel beim gehen stark schmerzt und es wohl mehr sein muss als nur eine Prellung. Ich humple durch's Dorf und frage nach freien Zimmern. An den ersten 3 Orten wird mir mitgeteilt, dass das Hotel schon ausgebucht sei. Es ist gerade ein Blumenfest im Ort, desshalb sind sehr viele kolumbianische Besucher hier. Also lasse ich mich bei einem vegetarisch-veganem Restaurant nieder und stärke mich mit feinen Pitta-Tsaziki-Gemüse-Falafel Sandwiches.
    Im Zentrum, 20 Meter von der beliebtesten Disco (was ich erst realisiere, als ich mich für's Schlafen bereit mache) finde ich ein hübsches Hostel. Ich kann für umgerechnet ca. 5 Franken im Mehrbettzimmer übernachten, habe dieses aber ganz für mich alleine.
    Ich entscheide mich noch einen Abendspaziergang zu machen. Meine Stimmung ist etwas getrübt, ich spüre eine Trauer in mir und gebe dieser beim sitzen am Seeufer Raum. Als ich durch den Touristischen Teil (viele Souvenirläden, Bar's, Restaurants) von Guatapé laufe und einige Meter vor meinem Hotel bin, tippt mir ein schöner Kolumbianer auf die Schultern, lacht mich an und fragt mich in fehlerfreiem Hochdeutsch: "Magst du ein Bier mit uns trinken kommen". Ich bin etwas überrumpelt, bin in den ersten Sekunden misstrauisch. Ich kann die Situation nicht einordnen und denke kurz, das sei eine Masche, um westliche Touristen in die Bar's zu locken. Dann sagt er zu mir: "Wir haben dich nun schon 3 mal gesehen (anscheinend auch in Medellin), also dachten wir, jetzt ist es Zeit dich auf einen Drink einzuladen". Mittlerweile ist mein Misstrauen verflogen und hat einer Sympathie für Emmanuel (so heisst er) Platz gemacht.
    Auf dem Balkon einer Bar lerne ich bei einem kalten Bier auch noch Katharina (seine Freundin) kennen.
    Emmanuel lebt seit 8 Jahren in Deutschland und arbeitet in Berlin als Musiklehrer in einer Waldorfschule. Er erzählt mir, wie es zum Auswandern nach Deutschland kam, von einer schwierigen Kindheit in Armut in Kolumbien und von seiner Familie, die heute in Pereira eine Finca besitzt.
    Nach dieser schönen Begegnung gehe ich in's Hostel und schlafe mit Regenrauschen auf den Kopfhörern (um den lauten Reggaetonbeat aus der Disco nebenan zu übertönen) ein.
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  • Day 79

    Ritmo del Rio

    July 18, 2023 in Colombia ⋅ ☀️ 30 °C

    Mit dem Bus fahre ich von Guatapé etwas mehr als eine Stunde nach San Rafael. Diese Umgebung ist heute friedlich. Dies war jedoch vor kurzem noch gar nicht so. Mir wurde erzählt, dass hier vor wenigen Jahren noch blutige Auseinandersetzungen stattgefunden haben, ja zum Teil sogar Bürgerkrieg ähnliche Zustände. Es war zu einer Zeit, als es in Kolumbien noch keine Friedensverträge gab und die Drogenkartelle mancherorts am meisten Macht und Einfluss hatten. Die brutalen Konflikte waren hauptsächlich auf das Kokaingeschäft zurückzuführen.
    Beim durchqueren dieser Landschaften, glaube ich zu meinen, diese blutige Vergangenheit noch spühren zu können. Es liegt ein Schmerz und eine Trauer in der Luft.. Dazu läuft im Bus ununterbrochen sehr melancholische Musik aus Kolumbien, eine ziemlich emotionale Busfahrt.
    Ritmo del Rio ist eine Ecolodge mit grossem Permakulturgarten und einem Wunderbaren Bergfluss, der das Grundstück durchquert.
    Es liegt etwas ausserhalb von San Rafael und ist für die nächste Woche mein Zuhause.
    Wir sind insgesamt 14 (!) Volontär*innen aus Europa. Ein ziemliches durcheinander der Sprachen also ;) Ich drehe als Volontäreinsatz einen Kurzfilm über den Ort, begleite also die anderen Volontär*innen im Garten mit der Kamera und fange Stimmungsbilder ein und schneide sie zu einem Impressionen Video zusammen. Ich bin froh, dieser, eher ruhigen Arbeit , nachgehen zu können. Das Gelände hier ist sehr steil und meine Muskelzerrung schmerzt bei jedem Schritt.
    Die Mahlzeiten bekommen wir im Restaurant serviert, es gibt immer sehr leckeres und gesundes Essen. Es ist speziell und anstrengend für mich, nach dem vielen alleine unterwegs sein, plötzlich in einer grossen Gruppen von Menschen zu leben. Ich verstehe mich jedoch gut mit allen und spiele am Abend gerne Ping-Pong matches gegen Franzosen, Engländer, Italiener und Ungaren ;) Ansonsten suche ich in meiner Freizeit täglich den malerischen Fluss auf und verbringe viel Zeit alleine im Rauschen des Wassers. Sehr heilsam für meinen Geist, weniger heilsam für meinen linken Oberschenkel.. Denn ich kann es einfach nicht lassen, in den grossen Steinen des Flussbeetes herumzuklettern.
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  • Day 91

    vom Kayam zum Alegria ;)

    July 30, 2023 in Colombia ⋅ ⛅ 32 °C

    Ich reise zurück nach Guatapé. Die nächste Woche widme ich der Heilung und Schonung meiner Muskelzerrung. Das Tragen des schweren Rucksackes ist für die Genesung dieser Verletzung sehr kontraproduktiv, also verschreibe ich mir ein paar Tage Pause!
    Ich verbringe die Zeit in drei verschiedenen Orten:

    Casa Kayam: ein (Musiker) Backpacker Hostel wie man es sich vorstellt: billig vom Preis her (ein paar Franken), jeden Tag ein Kommen und Gehen von Tourist*innen, Schmuckverkäufer*innen (beherbergen ebenfalls das Hostel und bieten ihre Kunst an), laute Musik den ganzen Tag und bis tief in die Nacht hinein, Mehrbettzimmer mit acht Betten und wilde Wandmalereien überall. Nun kannst du dir wohl vorstellen wie gut ich mich dort erholen konnte: gar nicht! Im Gegenteil; nach 3 Nächten in diesem Tumult fühlte ich mich richtig unausgeglichen und "flüchtete" mich in ein Apartment mit eigener Küche, Balkon und viel Privatsphäre ;) Ich möchte das Casa Kayam nicht schlecht reden! Wenn du intensiven Austausch mit Reisenden Freaks, Künstler*innen und Partymenschen suchst ist dieses Hostel "the place to go"! Doch das war gerade überhaupt nicht was ich wollte. Trotzdem bin ich froh dort gewesen zu sein, ich durfte ein paar schöne Seelen kennenlernen und lernte von Nico (einem Lausanner Musiker) wie man den Reggae Off Beat auf der Gitarre spielt. Und: manchmal ist es beim Reisen auch gut, das zu erleben, was man in Zukunft nicht mehr erleben will.. so findet man immer mehr einen Reisestil, der für einen stimmt.
    Das Apartment war dagegen purer Luxus und ich wusste diesen zu schätzen! Als die Schmerzen nicht nachlassen, besuche ich das Spital von Guatapé. Ein alter, sehr netter Arzt untersucht mein Bein und gibt Entwarnung. Es sei eine Zerrung, kein Muskelfaserriss. Er verschreibt mir entzündungshemmende Tabletten und Voltaren forte. Als ich nach Krücken frage, winkt er ab: Das sei nicht nötig, ich solle einfach nur geradeaus gehen und schonen, sowieso gebe es in Guatapé keine Krücken, die nächsten seien in Medellin (3h entfernt) zu bekommen.
    Erleichtert entferne ich mich humpelnd vom Spital.
    Mein dritter Ort in Guatapé ist das Alegria Hostel. Auch ein Backpacker Hostel, dieses Mal aber ein ruhiges mit Anschluss an den wunderschönen See.
    Dort verbringe ich auch viel Zeit. Ich finde das Buch Lila Lila von Martin Suter im Hostel und verschlinge es in zwei Tagen. Ich spüre das mein Oberschenkel heilt. Als ich nach 2 Nächten auch diesen Ort wieder verlasse und mich auf den Rückweg nach Medellin mache, sind die Schmerzen schon fast verschwunden.
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  • Day 98

    Hasta luego Colombia !

    August 6, 2023 in Colombia ⋅ ☁️ 29 °C

    Ich übernachte noch einmal in Medellin, in einem winzigen Zimmerchen direkt neben dem Terminal Sur. Noch am Abend gehe ich dort mein Busticket kaufen und unterhalte mich vor dem Terminal mit Ivan, einem Drogensüchtigen. Er lebt momentan auf den Strassen Medellin's, sagt er habe keine Freunde und kenne die Gegend hier wie kein anderer. Er erzählt mir Ausschnitte aus seiner Biografie und kommt ins Schwärmen als er mir erzählt, Busfahrer gewesen zu sein. Dann gesellt sich ein weiterer Obdachloser zu uns, Jeffry - er stammt aus einer Afro-Latino Familie und ist Musiker. Auch er wirkt ziemlich high und geprägt vom harten Alltag auf der Strasse. Als er mir sein neues Lied "Fragil" vorsingt kommt sein sensibles Herz zum Vorschein. Nach diesen Begegnungen gehe ich dankbar in mein Kämmerchen zurück und lasse die Zeit in Kolumbien noch einmal in meinen Gedanken hochkommen. Ein wunderschönes Land mit herzhaften Menschen, ich kann es nur weiterempfehlen.
    Am nächsten Mittag steige ich in den Bus der Gesellschaft "Bolivariano" und wir verlassen die Grossstadt bei Sonnenschein und kalter Luft der Klimaanlage.
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  • Day 100

    Vamos a Ecuador! problemas fronterizos..

    August 8, 2023 in Colombia ⋅ ☁️ 16 °C

    Die Reise zur Grenzstadt Ipiales (Kolumbien) geht mehr als 24 Stunden und wird mit der Zeit etwas anstrengend. Mitten in der Nacht halten wir in Cali, ich steige aus und gehe ein paar Schritte, um vom erhöhten Bussbahnhof den Geist Cali's einatmen zu können. Als wir in Ipiales ankommen fühle ich mich erschöpft, müde und etwas erkältet (von der kalten Klimaanlage). Dennoch entscheide ich mich, die Grenze noch zu passieren, um die Nacht schon im lange ersehnten Ecuador (ich wollte schon 2022 nach Ecuador, war jedoch damals für mich wegen der Impfpflicht nicht möglich, also ging ich nach Peru) zu verbringen. Ich bin mir jedoch bewusst, dass ich mein 3 monatiges Touristenvisum um einige Tage überzogen habe (darüber gebe ich privat oder auf Anfrage gerne genauere Auskunft) und desshalb beim Ausreisen aus Kolumbien Probleme bekommen könnte. Und so ist es natürlich: der Grenzbeamte merkt, dass ich überzogen habe, bittet mich draussen zu warten.. Eine Stunde später wird mir mitgeteilt, ich müsse morgen wieder kommen, heute sei das Büro, das für solche Fälle verantwortlich ist, schon zu.
    Also checke ich im Hostel (100 Meter von Ecuador entfernt) an der Grenze ein und beschliesse, mich nicht aufzuregen und mich erstmals von der anstrengenden Reise zu erholen.
    Am nächsten morgen gehe ich früh wieder zur kolumbianischen Migration und versuche es einfach nochmals.. verlieren kann ich ja nicht's mehr. Natürlich merken sie es erneut (der Pass wird jeweils gescannt und Computer sind aufmerksam) und ich muss hoch ins Büro um mir anzuhören, was meine Optionen sind: entweder 2 Milionen Pesos (400 Franken) Strafe bezahlen oder mich nach Ecuador deportieren zu lassen (was zur Folge hätte, das ich mein ganzes Leben lang, Probleme bei der Einreise nach Kolumbien haben könnte). Was mir am meisten Probleme und Ärger bereitet, ist der Satz, den der Zollbeamte noch so nebensächlich anhängt: con ambas opciones hay que esperar hasta el próximo martes, tiempo de procesamiento.. (bei beiden Optionen müssen sie bis nächsten Dienstag warten, Bearbeitungszeit) Zu diesem Zeitpunkt ist es Donnerstag morgen!
    Genervt und etwas hilflos verlasse ich das Büro und sage dem Mann in meinem Hotel: "Otra Noche por favor". Der Grenzübergang ist ein lauter, geschäftiger Ort mit 3 Fastfood Restaurants, kein Ort an dem man sechs Tage verbringen will.
    Dann geht es plötzlich schnell und korrupt: als ich in einem Taxi sitze um in Ipiales (die Grenzstadt ist nicht direkt an der Grenze) Geld rauslassen zu gehen frage ich den Txifahrer ob er Kontakte zu Grenzbeamten habe, die mir zur schnelleren Einreise nach Ecuador verhelfen könnten. Er bejaht und fängt zu telefonieren an. Nun geht es wie im Film: wir warten irgendwo an der Strasse auf ein anderes Taxi, zwei weitere Männer steigen in unser Taxi und mir wird grob das Vorgehen erklährt: Sie haben Kontakte zu einem Grenzbeatmten, dieser könne mir noch heute den Ausreise -und Einreisestempel besorgen. Kostenpunkt 500 Dollar! Die ganze Aktion kommt mir merkwürdig und unangenehm vor, dennoch bejahe ich das "Geschäft, übergebe das Geld und wir fahren in mein Hotel um mein Pass zu holen. Nun fahren der Taxifahrer und ich wieder nach ipiales wo er mich bei einem Restaurant rauslässt um mich eine Stunde später wieder dort abzuholen. Wir fahren zum zweiten Taxi und mir wird mein Pass mit den beiden benötigten Stempeln übergeben: Ausreisestempel der Kolumbianer und Einreisestempel der Grenzbehörde Ecuador. Natürlich verlangt noch jeder Beteiligte sein Propina (Tinkgeld) für den Aufwand..
    Als ich zurück an der Grenze aus dem Taxi steige, habe ich noch 5 Dollar im Portemonnaie. Ich gehe in's Hotel, erleichtert, dass es geklappt hat und ich nicht ganz verarscht wurde und stelle fest: Da ich nun alle nötigen Stempel habe, um nach Ecuador einzureisen, will ich dies auch gleich tun (den ein Restzweifel nagt an mir, dass es bei der Einreise Probleme geben könnte).
    Also packe ich euphorisch und nervös meine Rucksäcke und verlasse das bezahlte Hotel Richtung Grenzbrücke.
    Am Ende der Brücke fragt mich eine Grenzbeamtin, ob ich Waffen oder Samen im Rucksack habe. Ich verneine und sie winkt mich mit einem lächeln durch. Da ich den Einreisestempel schon habe, muss ich dem ecuadorianischen Zoll kein Besuch mehr abstatten und kann mit einem innerlichen Lächeln ein neues Land, das lang ersehnte Ecuador betreten!
    Con Plata todo es posible.. Ich habe also Gebrauch gemacht von der Bestechlichkeit von Beamten und unterstütze damit ein systematisches Problem, das an so vielen Orten zu Ungleichheit und Armut führt: die Korruption! Ich bin nicht stolz darauf, ich habe aus meinen Fehlern gelernt und nehme Visa-Geschichten in Zukunft ernster.
    Auf ecuadorianischer Seite steige ich in ein Sammeltaxi und fahre mit meinen letzten Dollars in die ecuadorianische Grenzstadt Tulcan.
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  • Day 103

    Otavalo - im Herzen der Indigenen

    August 11, 2023 in Ecuador ⋅ ☁️ 19 °C

    Schon die Einreise in die Stadt Otavalo hat mich berührt: überall sind wehende Regenbogenfahnen zu sehen, sie stehen für die politische Partei der Indigenen. Otavalo ist die Stadt Ecuador's mit der grössten indigenen Bevölkerung.
    Ich erlebe einen Frieden in dieser Stadt, wie ich ihn noch nie in einer Stadt erlebt habe. Die Frauen tragen wunderschöne traditionelle Kleider und goldenen Schmuck um den Hals. Die Männer haben lange Haare, die sie zum Rossschwanz zusammenbinden und tragen Hüte oder Baseball-Caps.
    Ich verbringe eine Woche hier im wunderschönen Hostel Chasqui (hat viele Terassen, die ich alle brauchen darf) wo mich Manuel, ein sehr liebevoller Mann, respektvoll und angenehm beherbergt.
    Ich erkunde die Stadt, mit ihrem berühmten "Mercado Artesanal", wandere in den "Parque Condor", mache einen Ausflug zu den Wasserfällen "Peguche", besuche den mystischen "Laguna de Cuicocha" (ein See mit zwei Inseln in einem Vulkankrater) und schlendere durch das Dorf "Cotacachi" (das für seine Handwerkskunst aus Leder bekannte ist).
    Im Hostel freunde ich mich mit den anderen Besuchern an: ein paar aus Italien, die in der Garage ihren Dodge zum Camping-Van umbauen, einem jungen Spanier und Steve - ein älterer Amerikaner, der in Ecuador leben möchte und sich desshalb mit den Ämtern hier herumquält. Vor allem mit Steve verbringe ich einige Stunden in der Küche - er erzählt gerne aus seinem "american life" und ich höre gerne seinen Abenteuergeschichten zu ;). Er hat auch Vorfahren aus der Schweiz und ist darauf sehr stolz. Er sagt mir immer wieder, wie privilegiert ich sei und wie dankbar ich für meinen Schweizerpass sein solle.

    Eines Nachmittags nimmt uns Manuel mit in ein Nachbardorf, wo ein Erntedankfest stattfindet. Wir werden Zeugen und Teilnehmer von einem wunderschönen indigenen Tanzfest mit Kostümen, lauter traditioneller Musik, Suppe und Bier. Es ist ein Dorffest, wie ich es noch nie gesehen habe. Alle sind stolz und glücklich. Alle sind da - von den Jüngsten bis zu den Ältesten. Auch der starke Regen, der plötzlich aufkommt, hindert die ausgelassenen Tänzer*innen nicht, mit riesiger Ausdauer in Bewegung zu bleiben.
    Es wird bis tief in die Nacht getanzt und gefeiert. Glücklich und dankbar machen wir uns auf den Heimweg. Da gerade kein Bus fährt, hält Manuel einen Geländewagen an und sie quetschen sich rein. Ich passe nicht mehr rein und steige unaufgefordert hinten auf die Pritsche. Zum Abschluss dieses einmaligen Erlebnisses, darf ich also eine Fahrt mit Blick auf den Sternenhimmel von Otavalo geniessen. Ich fühle mich lebendig.
    Zurück im Hostel kocht der Italiener noch für alle Pasta (muy al dente) und wir lassen das Erlebte bei einem Bier ausklingen.

    Die Menschen aus Otavalo gelten als sehr fleissig und ehrgeizig. Es sind auch viele von ihnen in die ganze Welt ausgewandert. Wenn du also in der Schweiz einen Südamerikaner Panflöte spielen siehst, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass er aus Otavalo stammt :)
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  • Day 108

    Quito

    August 16, 2023 in Ecuador ⋅ ☁️ 19 °C

    Quito ist eine laute Stadt mit viel Verkehr und wildem Treiben - wie jede Grossstadt, die ich in Südamerika kennengelernt habe. Grosse Teile der Altstadt sind jedoch autofrei und dadurch sehr angenehm und schön zum Erkunden. Ich verbringe einige Tage hier, übernachte im "Latino Brothers", ein Hostel mit einer grossen Dachterasse (mein Zimmer ist sogar auf der Dachterasse) mit Aussicht über grosse Teile der Stadt.

    Gerade in meiner Zeit hier sind in Ecuador die Präsidentschaftswahlen.
    Die Stadt ist im Ausnahmezustand. Für drei Tage gilt ein Alkoholverbot und die erhöhte Polizeipräsenz ist sichtbar. Auf der Hauptstrasse, unter meinem Hostel, fahren am Tag der Wahl auch mehrere Konvois mit lauter Polizeibegleitung vorbei. Vielleicht sitzt da unten, im Jeep mit getönter Scheibe, der neue Präsident / die neue Präsidentin (eine Frau ist auch im Rennen) von Ecuador. Ich habe mit vielen Menschen (vor allem Taxifahrern) über das Thema gesprochen. Es gibt einen gemeinsamen Nenner bei allen: Enttäuschung! Der aktuelle Präsident schaue nur für sich, sei tief in die Korruption mit den Mächtigen (Drogenbaronen und Konzernchefs) verwickelt und führe das Land damit in Armut und Gewalt. Ecuador hat sich in den letzen Jahren von einem sicheren und friedlichen Land in ein unsicheres und gewaltvolles Land gewandelt. Dafür gibt es neben dem Versagen des Staates auch eine andere Tatsache: Weil andere Länder (Mexiko, Kolumbien, Venezuela) härter gegen den Drogenanbau -und Handel vorgehen, verschiebt sich das Geschehen nach Ecuador. Es gibt immer mehr Kartelle und Gangs aus diesen Ländern, die sich hier Territorium erkämpfen und dieses danach mit tödlicher Gewalt verteidigen.
    Dies führt zu internationalen Schlagzeilen, welche wiederum dazu führen, dass immer weniger Touristen nach Ecuador reisen. So sehe ich in Quito sehr wenig Menschen aus Europa. Ich war mir diesen Tatsachen von Anfang an bewusst und berücksichtige sie beim Planen meiner Reiserouten.
    Ich fühle mich trotz all den Geschichten, die ich gehört habe, sicher und wohl hier in Ecuador.

    In Quito gefällt mir die riesige Kathedrale sehr gut. Ich besuche sie zwei Mal. Das Bauwerk sieht dem Berner Münster sehr ähnlich, nur alles noch grösser und protziger.

    Ich besuche auch die Mitte der Welt, "Midad del Mundo", (Breitengrad 0`- 0`- 0``) der sich tatsächlich hier, etwas ausserhalb der Stadt befindet.
    Ein indigener Schüler der Universität, den ich in der Strasse kennenlerne (ich gebe immer wieder Interviews an Studenten, die sie für ihr Englisch Diplom machen müssen), begleitet mich spontan dorthin. Er ist eine riesige Unterstützung, denn er kennt den Weg und die Busse.
    Wir führen spannende Gespräche über das Leben in Quito. Er meint, er wolle nicht nach Europa reisen gehen, er möge Europa nicht - die Menschen dort seien rassistisch. Ob da was dran ist?!

    Die Mitte der Welt ist, wer hätte es gedacht, touristisch! Um das Monument (ein begehbares Steinmonument mit integriertem Museum) ist ein Dorf aus Restaurants und Touristenshops entstanden.
    Ich laufe auf dem Equator, besuche den Steinturm , esse in einem Restaurant und schiesse ein paar Fotos. Wie ein Tourist halt!

    Insider Information: die exakte "Mitte der Welt" ist gar nicht dort wo das Monument steht und alle ihr Beweisfoto schiessen. Die exakte "Mitte der Welt" ist ausserhalb dieses Rummels, irgendwo in der staubigen Steinwüste. Wieso das Monument den nicht dort stehe, will ich von der liebenswürdigen Kaffeeverkäuferin wissen. Sie zeigt sich überrascht und etwas ertappt und fragt mich woher ich dies wisse..
    Woher ich dies weiss? Eben, Insider Information.
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  • Day 113

    KURUKSETRA

    August 21, 2023 in Ecuador ⋅ ☁️ 16 °C

    Ich verlasse Quito mit dem Bus mit einem wohligen Gefühl an einem grauen Tag. Ich fahre nach Santo Domingo, wo ich ins Taxi wechsle und bis an die Pforten von Kuruksetra (), meinem neuen Wohn -und Arbeitsort gefahren werde.
    Unterwegs habe ich zwei angenehme Bekanntschaften gemacht. Felix, der in Santa Marta, Kolumbien lebt und mit seinen Brüdern in Santo Domingo ein öffentliches WC betreibt. Er zeigt er mir mit vollem Stolz die Videoüberwachungsbilder der Toilettenanlage auf seinem Handy - so eine saubere Toilette gebe es weit und breit keine Zweite!
    Er erzählt mir auch von seinen Erfahrungen mit Ayahuasca hier bei den indigenen Menschen (los Colores oder los Tsáchilas).
    Und Ugo, der Taxifahrer, ein Mensch mit einem strahlenden Herz. Er lebt mit seiner Tochter auf seiner Finca und verdient sein Lebensunterhalt mit Taxifahren und dem Anbau von den hier üblichen Kulturen (Mais, Kakao, Kaffee, Maniok, Fruchtbäumen).

    Im Kuruksetra begrüssen mich Christian (der Gastgeber/aus Ecuador) und Ekanard (ein etwas älterer Volontär aus Kolumbien/Ecuador). Oben in der Finca, inmitten der Jngel ähnlichen Natur, treffe ich noch auf Andro (Veganer Aktivist, ewig Reisender und wohl ein echter Hippie aus den 68ern aus Zürich), und Francois und Violette (junges Paar aus Nantes, Frankreich).
    Ich werde sehr liebevoll und offen in die Gruppe aufgenommen- wir essen, bei Kerzenschein und Feuer, Reis mit Gemüse und scharfem Papkrikaöl (Pimienta) und tauschen uns über das Reisen, die Sprachen, den Veganismus, Hare Krishna, und Musik aus.
    Ich verbringe hier an diesem magischen Ort mehr als eine Woche. Wir arbeiten intensiv am Morgen und ruhen uns dementsprechend aus am Nachmittag. Die Tage vergehen schnell, ich lerne viel über Kaffee, über Hare Krishna, über das Leben in Ecuador und über mich selbst.
    Spanisch ist hier die Hauptsprache, was mich auch in dieser Hinsicht weiterbringt.
    Die Höhepunkte sind für mich die beiden Zeremonien, die wir hier erleben dürfen: Schwitzhütte und Ayahuasca. Die Schwitzhütte am Samstag und Ayahuasca am Sonntag - ein Wochenende voller Reinigung und Selbsterkenntnis.
    Die Ayahuasca Zeremonie findet etwa 20 Autominuten in einem Dorf der Tsáchilas statt. Der Curandero ist ein kleiner Mann mit knallrot gefärbten und nach vorne gegelten Haaren. Dies irritiert mich zuerst etwas.. erst später dämmert es mir: diese spezifische Frisur ist die traditionelle Haarpracht der indigenen Tsáchilas Männer..
    Über meine Erfahrung mit der Liane der Geister (Aya Huasca) spreche ich gerne persönlich mit dir.
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  • Day 122

    Pedernales

    August 30, 2023 in Ecuador ⋅ ☁️ 28 °C

    Ich reise weiter durch's Land Richtung Westen an die Pazifikküste Ecuadors. Die Bussfahrt ist sehr kraftvoll und erfüllend für mich. Zum einen fühle ich mich nach der Ayahuasca Zeremonie körperlich und mental sehr gereinigt, was zu einem erhöhten Bewusstseinszustand führt und mich die Freude des Seins intensiver erleben lässt, zum anderen ist die hügelige, sehr grüne Landschaft einfach wunderschön zu Betrachten und an sich vorbeiziehen zu lassen.

    Auch die Ankunft in Pedernales ist magisch - ich steige auf ein Mototaxi um und sage dem Fahrer nur: a la playa por favor! Er fährt mich bei Sonnenuntergang durch die lebendige Kleinstadt und plötzlich: am Ende der Strasse kommt das Meer in seiner Weite und Tiefe zum Vorschein. Er lässt mich am Strand raus und dann stehe ich da, mit all meinem Gepäck, (grosser Rucksack, kleiner Rucksack, Ukulele) mitten im Meereswind, über mir Möwen und neben mir die grossen Wellen und ein riesiger Sandstrand. Ich bin glücklich! Solche Momente sind für mich die Essenz des Reisens.

    Zeffira, eine ehemalige Schulfreundin von mir, wohnt seit knappen 3 Wochen hier ganz in der Nähe mit ihrer Tochter Nina.
    Ich treffe sie im Nationalpark Lalo Loo.
    Dann zeigen sie mir ihr neues Zuhause und wir springen ins wilde Meer, das ganz in der Nähe ist. Es ist immer sspeziell und wohltuend Menschen, die man kennt, am anderen Ende der Welt zu treffen!

    Der Weg zurück nach Peternales wird noch zum kleinen Abenteuer. Als ich mich von Zeffira und Nina verabschiede ist es schon am dunkel werden. Ich laufe der Haupstrasse entlang und hoffe, den nächsten Bus anhalten zu können. Mittlerweile ist es dunkel und ein Bus ist noch keiner gekommen. Ich laufe weiter, die Autos rauschen an mir vorbei, mit dem Handylicht mache ich auf meine Anwesenheit in der dunklen Nacht aufmerksam. Plötzlich kommt ein Bus - bumm - fährt vorbei, hat mein Winkzeichen wohl zu spät oder gar nicht erkannt.
    Ich laufe eine gute Stunde weiter in die einsame Nacht, nur die lauten Lastwagen und schnellen Autos unterbrechen die Stille jeweils für ein paar Sekunden. Irgendwann erreiche ich einen Ort mit einer Bushaltestelle, einem kleinen Laden und wartenden Menschen. Dankbar und hungrig kaufe ich Kuchen, Chips und eine Cola und setze mich am Strassenrand hin.
    Wieder warte ich lange.. es will einfach kein Bus kommen. In der Bushaltestelle chillen drei junge Männer mit Bier. Sie rufen mich zu sich und bieten mir ein Bier an. Junge Bauarbeiter, die an der Bushaltestelle ihren Feierabend geniessen. "Suave" ist die Hauptantwort auf meine Fragen ;). Sie wollen wissen, was ich hier mache, woher ich komme und wie die Frauen denn in der Schweiz seien (das werde ich auch sonst gerne gefragt) - noch bevor ich eine ausführliche Antwort geben kann rast mein Bus an, die Jungs geben ihm Zeichen zu halten und ich springe auf!

    Hasta luego!
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