Argentinien/Chile 22/23 Teil 1

November - December 2022
A 32-day adventure by Martin & Regine Read more
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    Auf Schusters Rappen durch Rosario

    November 19, 2022 in Argentina ⋅ ☁️ 26 °C

    Rosario, Samstag, 19. November 2022

    Am frühen Morgen zieht ein Gewitter auf, nach dem gestrigen Tag mit knallblauem Himmel fast unvorstellbar, aber mit der schwülen Hitze in der Nacht verständlich.
    Die Menge an Regen hält sich aber in Grenzen, sodass wir uns nach dem „Frühstück“ (Wir trinken nur schwarzen Kaffee.) und diversen Abklärungen zum Busbahnhof von Rosario aufmachen, um die Tickets für die Busreise für kommenden Dienstag zu kaufen.
    Wir werden mit einem Nachtbus (mit Liegesitzen) insgesamt 15 Stunden bis Corrientes unterwegs sein, 800 km nördlich von Rosario.
    Jetzt wissen wir zwar, wie wir die Tickets online erstehen könnten, wollen den Kauf aber trotzdem „physisch“ vollziehen, weil wir durch den sehr guten Wechselkurs bei Western Union in bar nur die Hälfte dessen bezahlen, was uns über die Kreditkarte belastet würde.
    Anschliessend machen wir uns per Bus auf zur Fussgängerzone mit vielen Läden und Bars, die uns von den AirBnB-Gastgebern wärmstens empfohlen wurde. Sie entpuppt sich aber als langweilige Einkaufsmeile, wie es sie in jeder grösseren Stadt gibt. Etwas enttäuscht entscheiden wir uns spontan fürs nächstgelegene Café und tanken neue Energie bei leckerem (italienischem) Kaffee und Medialunas. Eingeweihte wissen schon: Das sind die leckeren Hörnchen, die es auch salzig und gefüllt gibt. Wir bevorzugen die süssen. :-)

    Weil es von hier bis zum Paraná-Fluss noch ziemlich weit ist, wandern wir zur Plaza de la Indipendencia, einem riesigen Park (über 1 km entfernt), der das virtuelle Zentrum der Stadt darstellt. Wir hatten eine Grünanlage mit vielen Sitzgelegenheiten erwartet, werden aber durch Klein-Gruppen von (meist) schwarzgekleideten Jugendlichen überrascht, die sich überall mit Transparenten und spontanen Verkaufsständen (auch auf dem Boden) sowie Kühlbehälter mit (vermutlich) Bier breit machen. Das Ganze wird von einem Aufgebot an Polizisten „bewacht“, macht aber insgesamt einen sehr friedlichen Eindruck…
    Unser erster Gedanke gilt einer eventuellen Demonstration, bis wir sehen, dass das Gelände zwar eingezäunt ist, es aber mehrere Eingänge gibt, die laut Beschriftung auf einen Grossanlass hindeuten. Nur: Welcher mag das sein?
    Auf vielen Transparenten und Verkaufsartikeln steht der Slogan (oder Name?) „La Renga“, was jedoch auch im Vokabular von Martin nicht vorkommt. Die Neugier lässt uns keine Ruhe und ein jüngeres Paar (Es hat durchaus auch einige wenige ältere Semester unter den Anwesenden.) klärt uns auf Nachfrage auf: „La Renga“ ist die bekannteste (und älteste; seit 1987) Rockband hier, sozusagen die Rolling Stones von Argentinien.
    Auch wenn wir das Open-Air-Konzert besuchen wollten: Die 40.000 Tickets sind restlos ausverkauft! Es stimmt also, was kürzlich in der Schweizer Neuen Zürcher Zeitung stand: Trotz (oder gerade wegen) der galoppierenden Inflation (mittlerweile bei 90 Prozent) sitzt den Argentiniern das Geld locker in der Tasche.
    So waren zum Beispiel auch die zehn Konzerte der Gruppe Coldplay in Buenos Aires in einem Stadion mit einem Fassungsvermögen von 60.000 Personen alle in wenigen Minuten ausverkauft; und das bei beträchtlich hohen Preisen von 50 Euro und mehr pro Ticket. Erst vergangene Woche seien die „Toten Hosen“ an gleicher Stelle hier in Rosario aufgetreten - ebenso im ausverkauften Fussballstadion.

    Jetzt geht es weiter zu Fuss nach Hause und vorher noch zum Supermercado; nochmals zwei Kilometer, nicht eingerechnet alle (un)freiwilligen Umwege aufgrund mangelhafter Orientierung. :-) Wir lernen erneut, dass eine daumengrosse Entfernung bei Google Maps (je nach Zoom) schnell mal ein paar Kilometer sein kann! Argentinische Städte sind alle in Quadraten angelegt; jedes Quadrat erstreckt sich über 100 Hausnummern, sodass auskunftsbereite Einwohner gerne auch die Distanz in Quadraten angeben. Wir müssen uns erst daran gewöhnen.
    Etwas Abwechslung auf dem langen Fussmarsch bieten prächtige Häuserfassaden; Regine entdeckt ständig neue! Die Häuser stammen aus der Gründerzeit (um 1900 herum), sind jedoch - zum grössten Bedauern von Regine - häufig dem Verfall überlassen, wenn sie nicht schon lange für ein Hochhaus abgerissen wurden; dies lernen wir aus historischen Tafeln entlang des Boulevard Oroño, die auch zeigen, dass früher zwischen den Villen der reichen Rosarinos viel leere Grünflächen waren. Heute sind diese durchgehend bebaut.

    Zu guter Letzt gehen wir zum Einkauf in den gigantischen Supermercado, der am nächsten bei unserem AirBnB liegt und decken uns für das Abendessen ein.
    Zu Hause eröffnet uns die Gastgeberin Susana, dass ihr Mann und offenbar auch ihre 30-jährige Tochter an Leukämie erkrankt sind; beide hätten sich in ihrer Persönlichkeit stark verändert und seien - früher so kommunikativ - ganz zurückhaltend geworden. Wir sind schockiert und können ihr leider nur unser tief empfundenes Mitleid ausdrücken. Martin sagt Susana, dass ihr Mann Juan Carlos trotz allem ein sehr sympathischer und freundlicher Mensch sei, den wir bereits ins Herz geschlossen hätten. Sie sagt nichts dazu, freut sich aber trotz Tränen darüber.
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  • Day 13

    Ein angenehmer halber Ruhetag

    November 20, 2022 in Argentina ⋅ 🌧 21 °C

    Rosario, Sonntag, 20. November 2022

    Heute ist schlechtes Wetter mit niedrigeren Temperaturen vorausgesagt. Mit 25 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit ist es für uns aber eher schwül, jedoch wesentlich angenehmer als vorgestern bei der Anreise, als wir bei strahlend blauem Himmel und 35 Grad mächtig ins Schwitzen kamen und gerne Schatten gehabt hätten.
    Wir machen wie geplant eine Art Ruhetag, der aber trotzdem einige Aktivitäten beinhaltet. Zu Fuss gehen wir ins Museo de la Memoria (eine Art „Museum gegen das Vergessen“), das sich dem Andenken von Tausenden Ermordeter und Verschwundener in Rosario in der Zeit der Militärdiktatur von Jorge Rafael Videla (1976-1983) widmet. Insgesamt sind in jenen Jahren in Argentinien circa 60.000 Menschen verschleppt und/oder ermordet worden (unter anderem in Hunderten von Konzentrationslagern).
    Das 2010 renovierte Gebäude war sinnigerweise das ehemalige Hauptquartier der Polizei in Rosario, welche für die Morde und Entführungen verantwortlich war. Die permanente Ausstellung besteht aus Werken von lokalen Künstlern, die sich mit verschiedenen Aspekten der Militärdiktatur auseinandersetzen. So gibt es zum Beispiel einen ganzen Saal, wo die Bibliotheksausweise (mit Foto) von Opfern an Fäden von der Decke hängen. In personalisierten Büchern ist ihr Leben beschrieben, dazu die Umstände ihres „Verschwindens“ in Form von zusammengetragenen Informationen von Verwandten, Freunden, Bekannten und verschiedenen Behörden.
    In einem kleinen Innenhof, zu dem einige Stufen hinunterführen, sind zwei Wände von oben bis unten mit Tausenden von grossen Puzzle-Teilen bestückt, die alle ineinander passen. Jedes Teil zeigt zwei bis drei Menschen (siehe Foto). Rechts sind die Verschwundenen abgebildet (meist die Eltern). Auf dem grossen Foto links im Puzzle-Teil schaut uns entweder eine weisse Fläche entgegen oder das Bild eines mittlerweile erwachsenen Kindes, das man nach Jahren der Suche wiedergefunden hat. Unsere Gastgeber erzählen uns am Folgetag, dass man den schwangeren Frauen nach der Geburt die Babys weggenommen und sie den kinderlosen Militärs zur Adoption gegeben hat. Manche dieser Kinder kennen bis heute nicht ihre wahre Identität.
    Uns berühren diese Schicksale sehr.
    Wir sind die einzigen Besucher und werden vom freundlichen Personal im ganzen Gebäude herumgeführt. Martin lässt sich sogar alle Bücher des Museums zeigen, obwohl er schon von vornherein erklärt, dass er aus Platzgründen leider keines kaufen kann. Unsere Rucksäcke sind voll!
    Weiter geht es Richtung Rio Paraná, wo sich das Museo de Arte Contemporáneo (MACRO) für zeitgenössische Kunst aus der Region befindet. Doch zuerst setzen wir uns auf eine Bank am Ufer des Flusses (eine mit Rückenlehne (!!) und keine aus Beton wie in Buenos AIres), lesen in den mitgebrachten Büchern und machen - als wir endlich ein grosses Frachtschiff vorbeifahren sehen - ein kurzes Video für Martins Enkel. Für Regines Enkel reicht die Zeit nicht mehr; das Schiff ist schneller als wir.
    Das MACRO ist in einem ehemaligen Silohaus untergebracht und wie in vielen Museen in Argentinien ist der Eintritt gratis und das, obwohl immer viel Personal vorhanden ist, das mehr oder weniger untätig herumsitzt oder -steht. Im MACRO öffnet ein Mann jedem Besucher eigenhändig die Türe, indem er einen langen Nagel, der unten als Türsicherung dient, herauszieht. Er hat ja sonst nichts zu tun!
    Uns begeistert sofort, dass es einen Aufzug bis in den 8. Stock (dem letzten) gibt, obwohl im Museum nur die ersten vier Etagen mit Werken bestückt sind. Von ganz oben haben wir eine herrliche Aussicht über den Paraná und Teile der Stadt. Regine dreht jetzt ein Filmchen für ihre Enkel… Beim Abstieg über die Treppe hinunter zur Ausstellung entdecken wir, dass man eigentlich gar nicht hätte nach oben dürfen. Aber das war im Aufzug nicht angeschrieben…
    Die Ausstellung selbst mag uns nicht sonderlich zu begeistern, aber es gibt einige herausstechende Werke, die uns interessant erscheinen.
    Zu guter Letzt geht es wiederum zu Fuss und vorbei am sonntäglich stattfindenden Antiquitäten- und Kunsthandwerkermarkt nach Hause, auf Wunsch von Regine durch uns nicht bekannte Strassen, da sie auf der Suche nach einem Churro-Stand ist. Vergebens! Erst auf dem palmenbestückten Boulevard de Oroño (den wir schon kennen) treffen wir auf einen Strassenverkäufer. Seine Churros überzeugen uns aber nicht. Schade! Argentinien ist eben das Land des Eises und nicht das der Churros (wie Spanien).
    In der Heladeria gegenüber der Unterkunft gönnen wir uns nach den langen Fussmärschen deswegen noch ein leckeres Eis. Martin meint, so viel Eis wie hier in Argentinien habe er in seinem ganzen Leben nicht gegessen. Regine kann dies von sich nicht behaupten! :-)
    Zum Abendessen gibt es Käse, Salami, Oliven und Tomaten im Esszimmer der Gastfamilie. Glücklicherweise haben wir noch Brot im Kühlschrank, das wir aus Buenos Aires mitgebracht haben; das Baguette von gestern ist komplett ausgetrocknet und lässt sich nicht einmal mehr toasten!
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  • Day 14

    Dank Schlechtwetter noch ein 1/2 Ruhetag

    November 21, 2022 in Argentina ⋅ 🌙 19 °C

    Rosario, Montag, 21. November 2022

    Schon in der Nacht von Sonntag (Nationalfeiertag) auf Montag (auch ein freier Tag, weil der Nationalfeiertag auf einen Sonntag gefallen ist) setzt Regen ein und die Temperatur sinkt bis zum Morgen auf 15 Grad. Das sind ja schon beinahe nordische Zustände!
    Dieser Umstand - und da montags die Museen geschlossen sind - gibt uns die Möglichkeit, uns länger mit den Gastgebern zu unterhalten, die uns wie Familienmitglieder aufgenommen haben. Sie erzählen, dass auch sie - wie viele andere Argentinier - finanziell nur dann einigermassen bis ans Ende des Monats kommen, wenn sie vom Ersparten beziehungsweise vom Erbe zehren, bei jedem Artikel im Laden auf die billigste Marke zurückgreifen und die frischen Waren immer auf dem Markt kaufen.
    Regine hat zudem genügend Zeit, Martins Blogeintrag einer genauen Prüfung zu unterziehen und Martin, den Tag mittels Google Maps zu planen.
    Wir verlassen das Haus erst gegen 13.30 Uhr und haben uns gut eingepackt. Zum ersten Mal kommt bei Regine die Daunenjacke zum Einsatz! Und… erfreulicher Nebeneffekt: Die Kälte treibt Regine in die nächste Konditorei, wo sie sich eine mit Schokolade gefüllte Medialuna kauft: Sie sind einfach soooo lecker!
    Bald erscheint die Sonne und heizt alles schnell wieder auf. Zu Fuss (wie fast immer) spazieren wir zum Hafen von Rosario, weil wir mit einem Schiff auf die nahegelegene Ausflugsinsel „Paraiso“ fahren möchten.
    Aber da ist nichts zu machen: Es gibt einen regelmässigen Fährbetrieb erst ab der Hochsaison, wenn Ferien sind; das ist im Dezember und auch dann nur am Wochenende… Wir sind etwas enttäuscht und schauen zur Entschädigung den Leuten zu, die ein eigenes Boot zu Wasser lassen, um auf die Insel überzusetzen. Und wir bestaunen die riesigen (und rostigen) Frachter, die - meist ziemlich flott - den Paraná rauf- und runterfahren; die Rosarinos interessieren sich nicht die Bohne dafür. Was die Frachter geladen haben (ob überhaupt etwas?), entzieht sich unserer Kenntnis.
    Auch heute ist eine Lesestunde angesagt: Auf einer gemütlichen Holzbank mit bester Sicht auf den Fluss (5 Meter vom Ufer entfernt) lassen wir uns für eine gute Stunde nieder. Die Sonne entfaltet ihre ganze Kraft; wir merken es im Gesicht.
    Dann geht es - mit unserer zweiten Navigations-App „Magic Earth“ - (Vielen Dank an Heinz für den Tipp!) auf etwas verschlungenen Wegen (Rosario ist schachbrettmässig angelegt und jede diagonale Bewegung führt daher zu einem dauernden Zickzack) zum besten Empanada-Laden im Quartier, wo wir wohnen (natürlich auf Empfehlung unserer Gastgeber). Wir kaufen uns sechs Stück für das Abendessen, die - aus dem Tiefkühler geholt - im Ofen in 10 Minuten goldbraun gebacken werden.
    Jetzt geht es schnell nach Hause, denn Martin ist akut unterzuckert… :-)
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  • Day 15

    Mit etwas Verspätung nach Corrientes

    November 22, 2022 in Argentina ⋅ 🌙 17 °C

    Rosario, Dienstag, 22. November 2022

    Den letzten und ausserordentlich sonnigen Tag in Rosario wollen wir mit einem Ausflug zum Flussschwimmbad „La Florida“ abschliessen. Es liegt circa acht Kilometer flussaufwärts und soll über einen perfekten Sandstrand verfügen.
    Beim Aufstehen sehen wir anhand der Nachrichten auf dem Handy sofort, dass Argentinien das erste Gruppenspiel der WM verloren hat - und das ausgerechnet gegen einen Fussballzwerg wie Saudi-Arabien! Juan Carlos ist für die Übertragung extra früh aufgestanden und seine Laune ist dementsprechend ziemlich im Keller.

    Mit der Buslinie 143 Negra fahren wir in 45 Minuten hinaus an den Stadtrand und stellen überrascht fest, dass wir die beeindruckende Autobrücke (mit Drahtseilkonstruktion), die das Festland mit den Inseln des Feuchtgebiets verbindet, direkt vor unseren Augen haben. Das Balneario (Schwimmbad) kostet 400 Pesos Eintritt (etwa 2,50 Euro), verfügt jedoch über null Schatten,
    So setzen wir uns im daneben liegenden und praktisch leeren Parkplatz auf eine Sitzbank, die im Schatten und direkt am Ufer liegt. Dazu haben wir das Glück, dass genau von hier die Taxi-Boote (Lanchas) zur Isla Verde am gegenüberliegenden Ufer des Paraná fahren; ein buntes Treiben mit ausschliesslich jungen Leuten, die sich mit viel oder auch ohne Gepäck übersetzen lassen, ist zu beobachten.
    Wir verstehen aber das Transportsystem auch nach längerer Betrachtung nicht: Mal warten die Leute unendlich lange, obwohl Taxis dastehen, mal steigen ein paar ein und fahren sofort ab, mal müssen die Gäste im Boot ewig warten, bis weitere Gäste zugestiegen sind.
    Und was eine Fahrt kostet, wissen wir auch nicht; das ist aber egal, weil wir sowieso keine Zeit haben, die Insel zu besuchen. Susana, unsere Gastgeberin, bestätigt uns später, dass dies auch keine gute Idee gewesen wäre: Es soll dort von Mücken nur so wimmeln…
    Wieder schieben wir ein Lesestündchen ein, aber auf der Betonbank ohne Rückenlehne ist das leider nicht bequem genug. Wir brechen darum bald ab und beschliessen, dem Ufer entlang Richtung Stadtzentrum zu wandern, solange es geht (das heisst, solange es einen akzeptablen Gehweg gibt).
    Obwohl dies weder gemäss „Google Maps“ noch der zweiten App „Magic Earth“ zu vermuten wäre, gibt es einen geplättelten breiten Geh- und streckenweise sogar zusätzlichen Radweg. Wir kommen an vielen privaten Clubs (Rudern, Tennis, Fussball, Basketball etc.) der Oberschicht von Rosario vorbei und gelangen zuerst zum öffentlichen Schwimmbad Cataluña, das mit Gras (von einem Rasen kann man wegen der Trockenheit nicht sprechen) nicht nur schöner ist als „La Florida“, sondern dazu gratis ist mit einem schattenspendenden Baumbestand.
    Regine ringt kurzzeitig mit sich, ob sie die sich einmalig bietende Gelegenheit zum Schwimmen nutzen soll; einen Badeanzug hat sie dabei. Doch angesichts der wenig einladenden Farbe des Flusses und des noch weniger einladenden Geruchs begnügt sie sich mit einem kurzen Fussbad. Die Wassertemperatur liegt bei geschätzten 22 Grad - eigentlich ideal.
    Weiter geht es bis zum grossen Parque Alem, wo wir schon etwas müde den Bus Nummer 126 nehmen wollen, der aber interessanterweise an der von „Google Maps“ angegebenen Haltestelle gar nicht fährt. Eine junge Frau erläutert uns, dass diese Nummer hier noch nie gehalten habe und empfiehlt uns die Linie 110 bis zur Ecke San Lorenzo und Corrientes. Auf diese Weise werden die jeweiligen Ecken eines Strassenvierecks beschrieben, was eigentlich einleuchtend, für uns als an Adressen mit Strasse und Hausnummer gewohnte Menschen aber zuerst verwirrend war.
    Von Buenos Aires her haben wir uns angewöhnt, dem Fahrer beim Einsteigen immer das Ziel zu nennen (was sie dort für den zu lösenden Tarif brauchen). Der Fahrer der Linie 110 erklärt uns aber, dass er dort wegen Baustellen nicht durchfahren und uns daher bei San Lorenzo und Tucumán rauslassen werde. Die Frage ist nun nur, ob das eine gute Idee ist, weil wir mit „Google Maps“ beim besten Willen diese Kreuzung nicht finden können! Also navigiert Martin mit dem „blauen Punkt“ (Standort gemäss GPS-Signal) und beschliesst auszusteigen, als sich der Bus (vermeintlich) von unserem angestrebten Ziel (unserem Zuhause) zu entfernen scheint. Aber der Busfahrer winkt ab und lässt uns erst 500 Meter weiter raus… und siehe da: Wir sind jetzt tatsächlich nur noch ein paar Häuserblocks von unserem AirBnb entfernt. Wir entdecken noch eine Heladería und verspeisen noch mit Genuss ein letztes Eis in Rosario. Zum Glück gibt es genügend leckere Eissorten, so dass uns nicht so schnell langweilig werden wird :-)
    Zu Hause packen wir unsere Rucksäcke und machen eine grosse Tüte mit Reiseverpflegung bereit; sogar heissen Kaffee in der SIGG-Thermoskanne und leckere Schokokekse haben wir dabei…
    Der Abschied von unseren sehr sympathischen Gastgebern Susana und Juan Carlos fällt uns schwer, aber es zieht uns weiter in den Norden nach dem 875 Kilometer entfernten Corrientes.
    Die gebuchte Busreise sollte um 21:00 Uhr in Rosario beginnen, um 21:05 ist aber immer noch kein Bus da und wir werden etwas nervös. Regine spricht eine Frau an, die auch dahin will und die als erfahrene Reisende weiss, dass dieser Bus von Buenos Aires kommt und immer Verspätung hat.
    Es gibt dann noch ein bisschen Gerangel, weil der Mann beim Gepäck unsere Rucksäcke in Hüllen nicht ohne weiteres Entgelt einladen will, weil das keine „Taschen“ seien. Martin hat keine Nerven, um mit ihm zu diskutieren und händigt ihm unwillig 500 Pesos aus (circa 3 Euro) . Als wir das anderen Fahrgästen erzählen, sind sie entsetzt über die Unverschämtheit, uns Ausländer auszunehmen. Aber wir haben wieder etwas gelernt: Es gibt halt auch unfreundliche Argentinier :-)
    Das zweite Problem sind unsere Tickets und die Passnummern, die das Informatiksystem nicht erkennt; die Einheimischen reisen mit ihrem Personalausweis. Erst nach langem Hin und Her werden wir doch noch eingelassen und die 15-stündige Busreise kann beginnen.
    Wie sie ausgegangen ist, werden wir im nächsten Footprint schreiben; jetzt müssen wir uns in unseren Liegesitzen erst einmal zum Schlafen legen…
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  • Day 16

    Erste längere Busreise nach Corrientes

    November 23, 2022 in Argentina ⋅ ☀️ 29 °C

    Rosario, Mittwoch, 23. November 2022

    Die Busreise dauert laut Fahrplan 15 Stunden und 20 Minuten. Wir machen uns also auf einiges gefasst, sind jedoch in punkto Kleidung und Verpflegung gut vorbereitet. Das ist aber auch absolut notwendig, denn kaum sind wir eingestiegen, wird der Bus auf grönländische Temperaturen heruntergekühlt, sodass wir Halstuch, Merino-Shirt, Daunen- und Regenjacke (diese über die Beine) anziehen. Die meisten Mitreisenden scheint die Klimatisierung nicht zu stören: Viele bleiben unbeeindruckt die ganze Nacht über im T-Shirt!
    Wir essen ein paar Empanadas (gefüllte Teigtaschen), Melone, Tomate und Oliven, die Regine sorgsam vorgeschnitten und verpackt hat. Wir haben in unseren Thermoskannen sogar heissen Kaffee (fürs „Frühstück“) dabei sowie leckere Schoko-Kekse. Am Schluss der Reise bleibt nur eine Dose Bier übrig; Regine hat wieder einmal perfekt geplant! Sie schläft mit Ohrstöpseln und Schlafmaske schnell ein, während Martin noch Musik hört und an einem Blog-Eintrag bastelt.
    Wir wachen manchmal auf, wenn der Bus irgendwo in einem Nest hält und ein paar Leute aus- oder zusteigen, haben aber keine Ahnung, wo wir sind. Erst am Morgen realisieren wir, dass der Bus einen Riesenumweg über die Provinz Chaco gemacht hat (Details siehe Karte) und erst kurz vor der Provinz Formosa nach Corrientes einbiegt. Links und rechts erblicken wir endlose Felder mit Getreide und Sonnenblumen, aber auch viele Brachflächen. Im Abstand von jeweils 100 Kilometer kommt dann ein grösseres Dorf, das jedes sogar über ein Omnibus-Terminal verfügt. :-) Die Dörfer machen alle einen äusserst verschlafenen Eindruck und wir fragen uns, wie es wohl sein muss, hier zu leben.
    Nach viel Wartezeit an unvorhergesehenen Orten (einmal eine Werkstatt, ein anderes Mal eine Tankstelle, wo aber nicht getankt wird) erreichen wir Corrientes mit zwei Stunden Verspätung. (Die Busgesellschaft scheint der Deutschen Bahn Konkurrenz machen zu wollen. :-) )
    Dafür lösen wir im Handumdrehen die Tickets hin und zurück nach Mburucayá, unserem nächsten Ziel nahe der Esteros del Iberá (dem zweitgrössten Feuchtgebiet der Erde) und finden mit Hilfe der netten Dame am Busticket-Schalter heraus, wie wir mit dem Colectivo (Stadtbus) zu unserer Unterkunft gelangen. (Google Maps kennt hier den öffentlichen Verkehr nicht und eine Stunde zu Fuss mit allem Gepäck und bei Temperaturen von 30 Grad, das wollen wir uns nicht antun!)
    Bei der Unterkunft, die Check-In von 14:00 - 18:00 Uhr anbietet (es ist 16:30 Uhr), ist niemand, und als Martin anruft, ertönt nur der Anrufbeantworter. Wir sind etwas ratlos und beschliessen, vorerst einmal mit argentinischer Geduld abzuwarten, was passiert…
    Es vergehen keine vier Minuten und Martin wird zurückgerufen. Was nun folgt, ist ein kleines Hickhack mit Termin für Schlüsselübergabe und Bezahlung. Ersteres gelingt gut, weil die Frau des Besitzers (ganz im Gegensatz zu ihrem Mann) überaus pünktlich ist. Die Bezahlung erweist sich dann als schwieriger, weil Martin am vereinbarten Preis zweifelt. Er hat jedoch nicht bedacht, dass man noch Steuern und Gebühren dazurechnen muss. Martin besteht auf einer Quittung, denn vorher fliesst kein Geld! Da muss jetzt der Mann her, der ist aber unabkömmlich und verspricht per WhatsApp, um 22:30 Uhr zu uns zu kommen, um die Angelegenheit zu regeln und das Geld in Empfang zu nehmen.
    Zwischenzeitlich spazieren wir ans Ufer des Rio Paraná, der hier nicht so stark mit Sedimenten versetzt ist wie weiter unten in Rosario und bestaunen einen Sonnenuntergang, der schon beinahe kitschig wirkt. Dann besuchen wir eine nahe gelegene Pizzeria, wo nicht nur die Bedienung, sondern auch das Essen grässlich ist! :-( Enttäuscht gehen wir nach Hause und warten und warten… auf den Besitzer. Martin reisst (ganz schweizerisch :-) der Geduldfaden „schon“ nach 30 Minuten Wartezeit und er schlägt ihm vor, die Bezahlung auf den folgenden Tag zu verlegen; was dieser umgehend akzeptiert. Mit der Pünktlichkeit nimmt dieser es offensichtlich nicht so genau.
    Nach einer kleinen Diskussion um die Frage, ob Klimaanlage oder geöffnetes Fenster (die Regine zu ihren Gunsten entscheidet: offenes Fenster) gehen wir zu Bett und schlafen schnell ein.
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  • Day 17

    An der Playa de las Malvinas/Corrientes

    November 24, 2022 in Argentina ⋅ 🌙 23 °C

    Corrientes, Donnerstag, 24. November 2022

    Von der Busreise ausgeschlafen, planen wir den ersten Tag in Corrientes. Martin zieht es in die Museen, Regine eher ins Wasser. Wir machen natürlich beides: Wie immer suchen wir einen guten Kompromiss. Martin versucht noch verzweifelt, sich in das Labyrinth des örtlichen Bus-Systems einzuarbeiten, doch er ist chancenlos. Aber wir können ja das machen, was hier immer geholfen hat: die Leute fragen. Die Argentinier*innen sind meistens sehr freundlich und hilfsbereit. Und überhaupt ist der Teil von Corrientes, wo wir wohnen und wo der Fluss und die Museen sind, gut zu Fuss machbar.
    Also spazieren wir zuerst zur Casa de Cultura Adolfo Mors. Wir sind - wie meist üblich (Es hat sehr wenig Touristen; auch nicht in Buenos Aires) - die einzigen Besucher und die Ausstellung ist nicht nur mengenmässig bescheiden. Interessanter sind die Murales, übergrosse dreidimensionale Wandbilder, welche eine Spezialität von Corrientes sind und die die Aussenfassade des Museums schmücken.
    Nach dem Museumsbesuch setzen wir uns auf eine Bank im Park nebenan und Regine entdeckt per Zufall gleich gegenüber die Casa Iberá mit Informationen zum Sumpfgebiet „Esteros del Iberá“, etwas, das wir schon lange gesucht haben.
    Nichts wie hin, in 5 Minuten gibt es sogar eine Führung! Wir bekommen eine Privatführung von der netten und kompetenten Lucía, die uns eine halbe Stunde lang viele Details erläutert und Hintergrundinformationen zu Fauna und Flora gibt.
    Auf den Hinweis hin, dass wir mit Mburucuyá ja nicht direkt im Nationalpark seien, sondern nebenan in einem kleineren, beruhigt sie uns: Dieser Park (ebenfalls ein nationaler) liege zwar ausserhalb der Esteros und sei weniger bekannt, habe aber alles auch, was die Esteros bieten würden….. auch Krokodile! Zudem schickt sie uns per WhatsApp (Diese Art der Kommunikation ist hier - bezüglich der Geschäftskontakte - weit mehr üblich als in Europa) noch Informationen zu beiden Parks sowie weitere Informationen zu möglichen Aktivitäten in Corrientes. Ein gelungener Besuch!
    Jetzt spazieren wir der Costanera (Uferpromenade) entlang zu einem der öffentlichen Sandstrände, der Playa de las Malvinas (weiss der Teufel, wieso der so heisst: Die Islas Malvinas (Falkland-Inseln) liegen Tausende von Kilometern entfernt im Süden Argentiniens und haben klimatisch soviel mit Corrientes zu tun wie Grönland mit der Karibik!).
    Regine ist nicht davon abzubringen, ins Wasser des Parana- Flusses zu steigen und zieht sich auf der Damentoilette um; eine Umkleidekabine ist nicht in Sicht. Martin hütet derweil die Wertsachen; Regine geht freudig ins Wasser. Nur die ersten 5 Meter sind zugänglich, der Rest ist abgesperrt und wird von eifrigen und mit Trillerpfeife bewaffneten Angestellten eifersüchtig überwacht. Regine schwimmt im hüfttiefen Wasser zuerst einige Meter an der Leine entlang stromaufwärts und kommt danach aber so gut wie nicht mehr voran (siehe Video). Sie kämpft regelrecht um jeden Schwimm-Meter (eine Gegenstromanlage ist nichts dagegen) und uns wird schnell klar, dass Corrientes (Ort der neun Strömungen) seinen Namen zu Recht hat und dass das Schwimmen weiter draussen wohl sehr riskant ist.
    Nach dem Bade ist wieder etwas Kultur angesagt, es muss infolge Überhitzung (33 Grad im Schatten) und Unterzuckerung bei Martin leichte Kost sein. Deshalb entscheiden wir uns für das Museo Chamamé y del Carnaval.
    Chamamé ist ein Musikstil, der eine Mischung aus indigener (Guaraní) und eingewanderter (Spanien, Italien, Deutschland) Bevölkerung ist. Viele der Lieder werden deswegen auch hier als „Polka“ bezeichnet. Auch hier sowie im angrenzenden Raum zum Thema „Karneval in Corrientes“ (der bedeutendste in Argentinien und vom Stil her - mit Samba - offenbar ähnlich wie in Brasilien) sind wir die einzigen Besucher. Der nette Museumsaufseher, der gerade einem Jungen im Innenhof Chamamé-Unterricht an der Gitarre erteilt, schliesst beide Räume extra für uns auf und macht am Schluss für sich ein Selfie mit uns. Wirklich sehr freundlich, die Argentinier! :-)
    Jetzt sind wir aber hungrig und kaufen in einem kleinen Tante-Emma-Laden nahe unserer Unterkunft eine Mangold-Tortilla und ein paar Empanadas, die uns der Verkäufer auch gerne erhitzt. Diese essen wir dann mit unserem Camping-Geschirr auf unserem Zimmer. Zum Abschluss gibt es im nahen Kaffeehaus noch Kaffee und Kuchen.
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  • Day 18

    Erstes Hitze-Training

    November 25, 2022 in Argentina ⋅ 🌙 25 °C

    Corrientes, Freitag, 25. November 2022

    Heute ist unser letzter Tag in Corrientes, bevor wir morgen mit dem „omnibus“ (so heissen hier die Fernbusse im Unterschied zu den „colectivos“, den Stadtbussen) nach Mburucuyá fahren werden.
    Der Tag gilt zwei kleineren Museen, dazwischen aber muss Regine unbedingt nochmals im Rio Paraná baden gehen. Die Hitze schreit geradezu nach einer Abkühlung - zumindest findet dies Regine!
    Gesagt, getan: Das Archäologische und Anthropologische Museum finden wir schnell, denn es liegt ganz in der Nähe unserer Unterkunft.
    Auch hier sind wir die einzigen Besucher, aber eine lärmende Schulklasse verlässt gerade das Gebäude, als wir ankommen; es gibt also doch noch ein lokales Interesse an vergangenen Kulturen.
    Am Eingang werden wir empfangen vom Sohn der Direktorin des Museums, der - wie viele Argentinier, denen wir begegnen - sehr freundlich fragt, woher wir kommen und was wir in Argentinien so machen. Auch von ihm fährt Martin ein dickes Lob für sein Spanisch ein…und Regine kann mittlerweile Martins Antwort auf die Frage, woher er so gut Spanisch spricht, auswendig zitieren. Das Interesse an uns ist aber wirklich echt; wir stellen immer wieder fest, dass die Einheimischen uns Fremden gegenüber sehr offen und äussert kommunikativ sind.

    Im Museum schauen wir uns die relativ wenigen Artefakte an. Es sind ausschliesslich Töpferwaren der Guaraní ausgestellt, des „lokalen“ indigenen Volkes, die bis zur Ausrottung durch die spanischen Eroberer das ganze Gebiet vom Orinoco bis zum Rio de la Plata und von den Anden bis zum Atlantik bevölkerten.
    Die Guaraní waren Halbnomaden, die teils sesshaft waren und nur bei Bedarf weiterzogen. Die gefundenen und aus vielen Bruchstücken zusammengesetzten Töpfe sind mehrheitlich riesige Grab-Urnen, in denen die Knochen der Verstorbenen in Fötalposition hineingelegt wurden. Erstaunlich ist, dass die Guaraní schon im 8. Jahrhundert über Techniken verfügten, Lehm zu riesigen Töpfen zu brennen, ohne dass diese Risse bekamen oder in sich zusammenbrachen.
    Martin sieht eine Karte vom südlichen Südamerika mit einem Verzeichnis der fast 30 bekannten indigenen Völker, die hier lebten bis die spanischen Eroberer sie vertrieben oder sie durch eingeschleppte Krankheiten starben; Allerdings hielten sich Reste von ihnen in verschiedenen Gebieten bis Mitte des 19. Jahrhunderts.
    Nachdem die Direktorin die Schulklasse verabschiedet hat, stellt sie sich uns vor, erklärt einiges und zeigt uns auch für das Publikum nicht zugängliche Bereiche wie die „Werkstatt“ (eher eine bessere Rumpelkammer), wo staubüberzogen in Gemüsekisten Tausende von Bruchstücken zum Teil seit Jahrzehnten auf ihre Säuberung, Katalogisierung und Montage zu Artefakten warten! Der Grund dafür ist, dass die Behörden nur ungern und dann nur wenig Geld für das Museum freigeben und dieses deswegen niemanden für diese Spezialarbeit anstellen kann.

    Die Direktorin ist von Beruf Architektin und hat massgeblich an der Renovation des Hauses mitgearbeitet. Es war eine Villa mit grossem Patio (Innenhof) aus dem 18. Jahrhundert, welche vor 30 Jahren von Privat aufgekauft und zum grossen Teil abgerissen wurde. Der Eigentümer ging pleite, sodass die Provinzregierung das ursprünglich schöne Gebäude kaufen konnte. Es wurde mit den noch vorhandenen Materialien und nach den 20 Jahre alten Original-Plänen wieder aufgebaut.
    Martin fragt nach Literatur über die indigenen Völker. Es gibt jedoch nur eine dünne Broschüre über die jesuitischen Niederlassungen in der Region und ein Buch über die Restauration der Villa. Aber die Direktorin bietet Martin sogar an, ein dickes Buch über die Geschichte der Guaraní für den Nachmittag auszuleihen, wenn er es bis 18 Uhr zurückbringe. Aus Gründen der Planung verzichten wir allerdings auf das freundliche Angebot.

    Jetzt gehen wir bei brütender Hitze und mit Temperaturen bis 35 Grad zurück zur Unterkunft und machen - wie alle Menschen hier - eine Siesta. In der gesamten Stadt schliessen ab 12 Uhr, spätestens 13 Uhr, sämtliche Geschäfte und Restaurants, um dann von 17 bis 21 Uhr wieder für die Kundschaft gerüstet zu sein.
    Wenige Minuten vor Ladenschluss um 13 Uhr kauft Martin kurz entschlossen in einem Billigladen ein weisses langärmliges Hemd aus (hoffentlich!!) Baumwolle. Er muss für den Aufenthalt im Feuchtgebiet Vorsorge treffen!
    Nach der Mittagsruhe geht es zu Fuss und immer möglichst dem Schatten nach an den Strand der Islas Malvinas, damit Regine sich erneut im die Fluten stürzen kann (wobei der Schwimmbereich nur 3 Meter breit ist!). Die Strömung ist nach wie vor beachtlich, sodass ausser Regine niemand schwimmt; hingegen stehen viele Menschen bis zu den Knien im Wasser, schwatzen und trinken nebenher ihren mitgebrachten Mate-Tee aus ihren Thermos-Kannen. Martin liest derweil am Schatten und beobachtet die Szenerie.

    Nach dem Bade und einer Merienda (Vesper) marschieren wir ins lokale Kunstmuseum. Martin rät zur Tiefstapelei :-), weil wir mit dem Begriff „Kunstmuseum“ immer viele teure Werke an einem Ort verbinden. Und er hat recht: Hier sind wir in der argentinischen Provinz und das Museum zeigt ausschliesslich (wenige) klassische und moderne Werke von Künstlern der Region. Es gibt darunter aber auch einige interessante Objekte, Martin begeistert sich vor allem für die strukturale Malerei einer jungen Künstlerin.
    Wir sind ein bisschen müde, überhitzt, durstig (Regine) und unterzuckert (Martin), was beträchtlich auf die Stimmung drückt, als wir den weiteren Abend planen wollen. Regine möchte nichts essen (ihre Trekkinghose spannt schon vom vielen leckeren Eis!!), dafür einen italienischen Film schauen und Martin möchte dringend etwas essen und pfeift auf jede Art von Film. Am Schluss siegen Hunger und Durst: Wir kaufen schnell was ein und begeben uns in unsere Unterkunft, wo Regine duscht und Martin isst. Jeder hat halt seine Prioritäten. :-)
    Der italienische Film („Die Insel der Rosen“ oder so ähnlich) läuft übrigens auf Netflix (wie Martin herausfindet) und dort sogar mit deutschen Untertiteln… Vielleicht schauen wir ihn uns auf Martins iPad im Bett zur Hälfte an :-). Mehr schaffen wir nicht; uns fallen die Augen zu. Die Hitze fordert ihren Tribut.
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  • Day 20

    Corrientes tiene payé (ist magisch)

    November 27, 2022 in Argentina ⋅ ⛅ 23 °C

    Corrientes, Samstag, 26. November 2022

    Wieder einmal ist Abreisetag!
    Das eher Unangenehme am Reisen ist (aber vielleicht auch gerade das Spannende), dass man wieder abreisen muss, sobald man sich ein wenig an die Umgebung gewöhnt hat.
    Aber so ist es halt und wir wollen ja weiter: Die nächste Station ist das Sumpfgebiet rund um die Esteros del Iberá. Richtig in die Esteros selber werden wir nicht kommen, weil dies ab Corrientes etwas zu weit ist (Man muss über Mercedes das ganze Gebiet bis zum Haupteingang in Colonia Carlos Pellegrini umfahren.) und zudem sind dort die Preise der Unterkünfte für unsere Verhältnisse geradezu astronomisch hoch…
    Wir sind mittlerweile geübte ÖV-Fahrer (Martin ja schon seit ewigen Zeiten in der Schweiz) und so hält er das Taxi (das hier Remis heisst) höchstens für die Ultima Ratio der Fortbewegung.
    In der Tat erlebt man in den „colectivos“ (Stadtbussen) viel mehr und kommt den Einheimischen im wahrsten Sinne des Wortes näher.
    Das Problem ist nur, dass wir nicht wissen, mit welcher der vielen Buslinien wir von der Unterkunft wieder zum Busbahnhof kommen; Der Linienplan ist nichtssagend und alle Leute, die wir fragen, wissen es eigentlich auch nicht (haben aber freundliche Ratschläge bereit).
    Martin lässt nicht locker und findet am Schluss sogar eine Gratisnummer der Stadt für telefonische Auskünfte aller Art. Es ist kaum zu glauben: Dort meldet sich ein freundlicher Herr, der Martin mit viel Geduld erklärt, wie wir vorgehen müssen.
    Am Morgen der Abfahrt zeigt sich, dass die Auskunft perfekt war: Der Bus der Linie 103 C fährt genau an dem angegebenen Punkt ab und hält beim Busbahnhof (für Fernbusse), der weit ausserhalb der Stadt liegt.
    Weil lange kein 103 C kommen will, versuchen wir es mit einem Bus der 103 B und junge Leute bestätigen, dass auch dieser dorthin fährt. Der überall zu sehende Spruch „Corrientes tiene payé“ (Corrientes hat etwas Magisches) trifft also ganz sicher auf die Bevölkerung zu, die nicht nur auf Anrede gerne weiterhilft, sondern uns auch spontan anspricht, wenn wir an einer Strassenkreuzung etwas ratlos ins Smartphone starren und nicht wissen, ob links oder rechts... oder geradeaus!
    Wir sind über zwei Stunden zu früh am Busbahnhof, setzen uns bei 35 Grad in den Schatten und haben bei einem lauen Lüftchen Zeit für die jeweiligen Hausaufgaben: Regine widmet sich der Überarbeitung unseres Blogs und Martin organisiert die weitere Reise (Mburucuyá-Corrientes, Corrientes-Posadas, Posadas-Iguazú, Iguazú-Corrientes und Corrientes-Salta).
    Zum besseren Verständnis: Hier gibt es keinen integrierten DB- oder SBB-Fahrplan, wo man bequem online recherchieren und dann buchen kann. Gewisse Verbindungen (z.B. Corrientes-Salta) erscheinen nirgendwo im Internet (oder wir haben es wenigstens nicht gefunden :-), und so macht Martin, was hier immer hilft: fleissig herumfragen.
    Der Bus nach Mburucuyá fährt pünktlich um 16 Uhr los - genau zum Beginn des WM-Fussballspiels Argentinien gegen Mexiko (20 Uhr in Deutschland) und schnell sind wir aus Corrientes raus und fahren wiederum an endlosen unbebauten und brach liegenden Flächen vorbei.
    Kurzzeitig gibt es im spärlich besetzten Bus einen Aufschrei: goooooool (Toooooor)! Es sollte auch der einzige bleiben! Argentinien schiesst das erste Tor und bleibt mit einem Ergebnis von 1: 0 „drin“ in den Ausscheidungsspielen der Fussballwelt-meisterschaft.
    Wir erfahren, dass viele Argentinier nach Katar gereist sind und sich dort für die gesamte WM einquartiert haben (zu horrenden Preisen!!!), darauf hoffend, dass Argentinien Fussballweltmeister wird.
    Ab der Mitte der Reise steigen die Leute irgendwo im Nirgendwo aus (und manchmal auch ein) und der freundliche Fahrer scheint genau zu wissen, wo wer wohnt. Auch uns verspricht er, uns am Busbahnhof von Mburucuyá rauszulassen, damit wir uns den Fussmarsch von 1,5 Kilometer bis zur Unterkunft ersparen können.
    Doch plötzlich sind wir an der Endhaltestelle und fragen, ob er uns vergessen hat… Aber nein: Es geht nochmals einen Kilometer weiter, bis er uns direkt vor dem Eingang unserer Unterkunft absetzt, der Cabaña Eterno Vergel (frei übersetzt die „Hütte zum Ewigen Obstgarten"), wo wir für vier Tage einen Bungalow mit eigenem Bad und eigener Küche und einem Swimming Poolchen :-) im Garten bewohnen werden.
    Uns wird durch Luján, der jungen Verwalterin, ein zuerst höflich reservierter, dann aber immer freundlicherer Empfang bereitet. Als sie erfährt, dass wir aus Alemania und Suiza kommen und bis nach Ushuaia (ganz im Süden Argentiniens) fahren wollen, ist das Eis definitiv gebrochen und sie telefoniert herum, um herauszufinden, wie wir in den 20 Kilometer entfernten Nationalpark Mburucuyá gelangen könnten; Am Schluss bittet sie sogar noch um ein Selfie mit uns zusammen…
    Nach einem etwas spartanischen Abendessen (jeder drei kleine Empanadas, eine Mandarine und ein trockenes Brötchen zu Wasser und etwas Bier) drehen wir noch eine Runde durch die nähere Umgebung. Wir kaufen im Tante-Emma-Laden, gleich vis-à-vis, zwei Dosen Bier und zwei Vanille-Eis am Stiel. Dann spazieren wir zum Balneario (Schwimmbad), das hier aus einer Lagune und einem Pool in Form einer Gitarre besteht. Der Pegel der Lagune ist jedoch bedenklich tief und im Gespräch mit Einheimischen erfahren wir, dass der Grund dafür die seit zwei Jahren anhaltende Dürre ist. Die Gemeinde versucht, die Lagune mit einem Gartenschlauch von fünf Zentimetern Durchmesser neu zu füllen. Das dürfte aber noch Jahrzehnte dauern…
    Zurück in der Cabaña nimmt Regine eine Dusche und Martin schreibt diesen Blog. Es ist mittlerweile nach Mitternacht, aber die Dorfbewohner feiern mit viel Fleisch vom Grill und lauter Musik freudig weiter :-). Dann mal Buenas Noches!
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  • Day 20

    Urlaub im Urlaub

    November 27, 2022 in Argentina ⋅ ☀️ 36 °C

    Mburucuya, Sonntag, 27. November 2022

    Irgendwie ist das Reisen doch anstrengend…. zumindest auf diese Art, die wir gewählt haben.
    Heute schlafen wir aus, Martin bis beinahe 10 Uhr!! Für Regine ist dies kaum nachvollziehbar. - wäre sie doch schon mehr als zufrieden, wenn sie einmal bis 7 oder gar 8 Uhr schlafen könnte. Aber wir hatten uns ja auf einen Ruhetag geeinigt und überhaupt ist Sonntag und um 16 Uhr spielt Deutschland gegen Spanien… All das ist Grund genug, einmal auf die faule Haut zu liegen und den Tag ohne grosse Aktivitäten vorbeigehen zu lassen.
    Es ist zwar Sonntag, aber das heisst nicht, dass die Läden geschlossen sind. Gefühlt ist hier jedes zweite Haus ein kleiner Lebensmittelladen auf 5 Quadratmetern; „Kiosco“ steht aussen dran…wenn überhaupt was angeschrieben ist!
    Wir kaufen in zwei Geschäften gleich gegenüber Brot, (argentinische) Salami, Schinken, Käse, Oliven, Tomaten und Orangen ein. Diese Auswahl hat sich ein wenig zu unserem Picknick-Standard-Menü entwickelt, aber wir haben hier auf dem Land auch nicht wirklich eine Auswahl. Es gibt auch noch Kekse und für Martin einen Aguardiente (Schnaps): Weil der Laden nur Wodka und Fernet Branca im Angebot hat, entscheidet sich Martin für Letzteres.
    Wir sind jetzt allein im „Ewigen Obstgarten“ (Eterno Vergel), weil heute die anderen beiden Gäste abgereist sind. Damit gehört auch der Swimmingpool ganz uns, das heisst vor allem Regine, die endlich nach Herzenslust schwimmen kann: 3 Züge hin und dann 3 Züge zurück. Aber immerhin! Das Wasser ist halt ihr Element! :-)
    Martin ist eher die Landratte und liest in seinem Buch weiter - einer fiktionalen Autobiographie - über Domingo Faustino Sarmiento, der zwischen 1861 und 1867 Präsident von Argentinien war und das Land zu „europäsisieren“ versuchte. Und manchmal zieht es Martin auch ins Wasser, dies aber bloss, damit er eine kleine Abkühlung erfährt.
    Nach dem 1:0 für Spanien schaltet Martin mal den Fernseher ein und sieht per Zufall den deutschen Ausgleich. Dann wird wieder abgeschaltet, denn wir sind ja keine „echten“ Fussballfans und Stimmung kommt hier nur auf, wenn Argentinien spielt (und gewinnt :-)
    Aber der grosse Garten mit dem Schwimmbad ganz allein für uns gefällt uns sehr gut und wir geniessen unseren Urlaubstag in vollen Zügen.
    Etwas getrübt wird das Ganze durch überlaute argentinische Musikfetzen, die aus der näheren und weiteren Nachbarschaft zu uns dringen sowie durch streunende Hunde, die uns aus unersichtlichen Gründen offenbar ins Herz geschlossen haben. Später versichert man uns, dass alle Hunde durchaus einen Besitzer hätten, aber beide Seiten beschlossen hätten, dass jeder seiner eigenen Wege geht. Ehrlicherweise muss man hier anmerken, dass die Hunde weder aufdringlich, geschweige denn aggressiv sind.
    Das Abendessen-Picknick nehmen wir - comme il faut - am Rand des Swimmingpools ein und begiessen den gelungenen Tag mit Kaffee und Fernet Branca.
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  • Day 21

    Im Nationalpark Mburucuyá

    November 28, 2022 in Argentina ⋅ ☀️ 34 °C

    Mburucuya, Montag, 28. November 2022

    Wir sind die ganze Strecke hierher gereist, weil wir den Nationalpark Mburucuyá besuchen wollen. Er wurde 2001 gegründet und beruht auf einer Schenkung von 7500 ha Land durch den dänisch-stämmigen Besitzer Pedersen an den argentinischen Staat.
    Mburucuyá gehört zwar geografisch zum „Einzugsgebiet“ der viel bekannteren Esteros del Iberá, ist aber sozusagen der „kleine (und arme) Bruder“. Das bedeutet: Man muss Hin- und Rückfahrt selber organisieren, es gibt keine geführten Touren und sämtliche Erkundungen finden auf Schusters Rappen statt.
    Martin hat schon am Sonntag per Telefon ein Remis organisiert (so heissen hier die - vielfach privaten - Taxis), das uns pünktlich um 7:30 Uhr (Der Fahrer ist sogar schon etwas früher da :-) im „Ewigen Obstgarten“ abholt und die gut 25 Kilometer zur Estancia Santa Teresa bringt, wo sich das Zentrum und Büro des Nationalparks befindet.
    Was für schöne und riesig grosse Anwesen sich die Grossgrundbesitzer geleistet haben! Aber mit den vielen schattenspendenden Bäumen, der Villa, den verschiedenen Dienstgebäuden und den (trotz anhaltender Dürre) erstaunlich grünen Wiesen ist es trotz allem ein wunderbarer Anblick.
    Mit unserem Fahrer machen wir aus, dass er uns um 14 Uhr wieder abholt. Der Parkwächter nimmt uns freundlich in Empfang und erläutert uns die Geschichte und die Anlage des Parks. Es gibt drei Wege von unterschiedlicher Länge: 6.5, 4.5 und 1.5 Kilometer.
    Wir beginnen mit dem längsten, dem Sendero Yatay (nach der hier häufigsten Palmenart benannt). Es ist ein befahrbarer Pfad, der wohl früher dem Transport der Erzeugnisse der Estancia diente und führt an unendlich vielen Palmen und anderen Bäumen vorbei, an weiten Feldern von Schilfgras bis zu einem Mirador (erhöhter Aussichtspunkt) bis zu einer „Laguna“, einem kleinen See. Die Sicht ist zwar schön, aber das Ufer der liegt fast 1 km weit weg!
    Was da geschehen ist, erfahren wir vom Parkwächter:
    Seit einiger Zeit, aber insbesondere seit jetzt schon zwei Jahre dauernder Dürre, senkt sich der Wasserspiegel aller Lagunen immer weiter ab; viele sind bereits vollkommen ausgetrocknet. Wir schätzen den Verlust auf circa 4 Meter Höhe. Das scheint nicht allzu viel zu sein, ist aber in einem so flachen Gebiet entscheidend. Das einzig Positive für uns: Es hat nicht allzu viele Mücken! Aber wir wären gut präpariert gewesen: Mückenspray und langärmliges Hemd bzw. Bluse.
    Aufgrund des starken Rückganges des Wassers ist es für uns sehr schwierig, die vielen hier vorkommenden Tiere aus der Nähe oder überhaupt zu sehen (vor allem Vögel, Capibaras, Gürteltiere und Guazunchos (eine Art Zwerghirsch).
    Es reicht dann doch noch für ein paar Nandus (sie sehen aus wie ein Strausse), einige grössere Wasservögel und einen Guazuncho (den Regine gesehen haben will).
    Carpinchos (sie heissen auf Guarani „Capibara“), grosse Nagetiere, ähnlich wie Biber, sehen wir erst aus dem Auto auf der Rückfahrt und ausserhalb des Nationalparks! Die Viecher machen einfach das, was sie wollen: sehr kundenunfreundlich :-)
    Martin löst das Problem philosophisch auf: Wir sind gekommen, um die zauberhafte Landschaft zu bewundern. Die Tiere sind auch alle da - inklusive Yacarés, einer Alligatorenart. Auch wenn wir sie nicht gesehen haben, dann eventuell sie uns…
    Regine bedauert es! Hatte sie doch auf die Begegnung mit einem Krokodil gehofft!
    Den dritten und kleinsten Rundgang absolvieren wir nicht mehr: Die Sonne sticht um 13:30 Uhr zu stark und nach 11 Kilometern Wanderung bei über 30 Grad mittlerweile sind wir auch etwas ermüdet. Zudem steht der Fahrer des Remis zur Abholung schon da…
    Den Nachmittag verbringen wir mit Haushaltsarbeiten (Wäsche waschen), Zeit am Pool (der immer noch uns allein gehört) und mit dem Schreiben dieses Blogs.
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