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  • Day 56

    Geier Sturzflug

    February 17 in Colombia ⋅ ⛅ 33 °C

    Bezahlbares Frühstück auf einem vernünftigen Niveau ist hier gar nicht so einfach zu bewerkstelligen. Tatsächlich finden sich Kneipen, in denen der halbe Liter San Pellegrino für 5 Euro und ein normales Mandelhörnchen für 4 Euro über den Tisch gehen, also quasi Wiesnpreise. Dort sind wir bekanntlich keine Gäste, sondern ziehen den Leuten als Bedienungen das Geld aus der Tasche und diese Position muss verteidigt werden. Das denken sich freilich auch andere Touris und so heißt es an der gewählten Location erstmal Schlange stehen, bevor der Gong zum place to be seated im 4,7 Google-Sterne Cafe lockt. Freilich meint auch hier eine Selfieotze für sie gelten andere Regeln, muss man halt mal freundlich auf die Begebenheiten hinweisen. Englische Kraftausdrücke und Schimpfwörter? Check!

    Frisch gestärkt geht es zum Castle, nur Lissy humpelt etwas unrund neben mir, weil sie sich gleich am frühen Morgen bei einer Stolperstelle am Bürgersteig gepflegt auf die Fresse legt. Wer schlürft wie ein Schlumpf der wird bestraft, glücklicherweise ohne nachhaltigen Schaden, aber mit einem deutlichen Aua.

    Steine schauen ist und bleibt Notlösung, aber das Ding ist imposant und bietet einen netten Ausblick über den gesamten Innenstadtbereich. Leider wird die Thematik Eintrittskarten auf ein neues negatives Level gehoben - Du kaufst Dir zwei Tickets am Kassencanyon, nennst deinen Namen, dieser wird digital an den Capo am Drehkreuz gesandt und dort wirst Du dann durchgewunken. Krass und ein Waterloo für Sammler schöner Eintrittskarten und Anhänger des "ich-finde-eine-Lücke" Systems. Führt mir sowas ja nicht bei Pink-Konzerten in Deutschland ein.

    Länger als der Besuch der Burg dauert der anschließende Trip ins nahe Einkaufszentrum, denn dort gibt es Havannas im Abverkauf. Lissy bekommt Chip und Chap, ich will eigentlich die Simpsons, die sind aber Blau. Geht also nicht, reicht ja schon wenn ich Freunde mit blauen Autos habe, also greife ich zur roten 100-Jahre Disney-Alternative. Hilft ja nix. Bei 7,50 Euro je Originalpaar sollte man allerdings über einen regen Exporthandel in die Bundesrepublik nachdenken.

    Nun kommt der eigentliche Deal des Tages. Der Kolumbien-Länderpunkt will beim Zweitliga-Spiel von Real Cartagena bestätigt werden. Blöd nur, dass jeder nach dem Spiel befragte Kolumbianer sofort die Augen verdreht und von einer Anreise in den rund sechs Kilometer entfernten Vorort-Stadtteil abrät. Muy peligrosa, also für Touris sehr gefährlich sei es da. Aber wie sagt schon eine plattdeutsche Weisheit: wat mutt, dat mutt - auch wenn meine Ehefrau das naturbedingt völlig anders sieht, mich am Ende aber keinesfalls alleine in die Schlacht ziehen lassen will.

    So geht es gut präpariert ins vermeintliche Gefahrengebiet, gar nicht so bequem, wenn Geld, Kreditkarte und Handy mit der eigenen Männlichkeit um Platz in der Unterhose streiten. Dort (also im Vorort, nicht in der Unterhose...) ist es jetzt nicht komplett easy, aber auch nicht annähernd so schlimm wie gedacht, sofern man das "don't give papaya" Prinzip strikt befolgt.

    Als Fremde identifiziert sind wir freilich sofort. Schon der Weg zum Ticketschalter wird vom örtlichen Ultra-Capo (also dem Fabi S. aus Cartagena) unterbunden, wir verstehen uns aber auch so mit einem Augenzwinkern. Schnell wechseln 20.000 Pesos den Besitzer und wir werden an der Security vorbei direkt in den Fanblock geschleust - nur das Schuhwerk wird nach eingesteckten Messern durchsucht. Eintritt damit gute 2 Euro pro Person, damit kann man arbeiten und es erinnert fast an die gute alte Kinderkarte aus Oly -Zeiten.

    Schätzungsweise 5.000 weitere Zuschauer brüten die folgenden 90 Minuten im 16.000'er Estadio Jaime Morón León mit uns um die Wette, die in zwei Fanblöcke aufgeteilte örtliche Barra trompetet und trommelt mit südamerikanischer Begeisterung, Gästefans gibt es wie üblich nicht und wir laufen nach dem leistungsgerechten Unentschieden vor der einbrechenden Dunkelheit weg und direkt ins erstbeste überteuerte Taxi zurück in die Innenstadt. Mein Leben lang werde ich mich vermutlich nicht an dieses fußballerische Highlight zurückerinnern.
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