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  • Day 168

    Sprechende Toiletten und träge Wale

    July 18, 2019 in Australia ⋅ ☀️ 18 °C

    Ja, es ist nicht immer nur spannend und abenteurlich auf Reisen. Es kommt nun sogar soweit, dass ich über öffentliche Sanitäranlagen schreibe, weil mir nicht viel anderes einfällt. Ich hänge immernoch in Byron Bay rum. Es ist ein netter Fleck zum rumhängen. Die Hipster, Surfer und Alternativen haben den Ort fest im Griff. Auch wenn ich mich selber keinem dieser sozialen Milieus so richtig zuordnen würde, prägen sie mit ihrer Lebensart die relaxte Stimmung hier. Batic ist im Kleidungsbereich wieder total angesagt, ebenso Tarotkarten oder Handlesen.
    Es sind außerdem noch Schulferien und viele Urlauber da, und die Backpackerszene ist sowieso immer und überall. Sprich, trubelige Sraßen, viel Verkehr, jeden Abend Party.

    Aus der Partyszene bin ich seit Kapstadt total raus. Bin hier zu einer dieser Personen geworden, die sich aus allem raushalten und den Abend lieber allein mit dem neuesten Tatort aus der ARD-Mediathek im Zimmer verbringen, als bei Wein&Käse Abenden Socialising zu betreiben. Ich habe für mich eben beschlossen, dass es sich für mich nicht lohnt. Ich habe nette Zimmernachbarinnen, mit denen quatsche ich oder wir machen auch ab und an was gemeinsam. Aber that‘s it. A propos Zimmernachbarin: eine junge Holländerin hat es neulich tatsächlich fertig gebracht, sich nachts in ihr Bett zu übergeben und dann darin weiter zu schlafen. Ich hab‘s glücklicherweise dank Ohrstöpsel nur so am Rande mitbekommen und komischerweise hat es auch nicht gestunken! 😂

    Tja, was ist sonst so passiert in den letzten zwei Wochen? Ich habe ein paar Surfstunden genommen und mache Fortschritte. Arbeite mich von „kann mich aufm Board halten ohne sofort einen spektakulären Abgang zu machen“ vor zu „kann mich aufm Board halten und dabei sogar ne Welle reiten“. Auch wenn ich auf dem Weg dorthin vielleicht den ein oder anderen Kollateralschaden verursacht habe. Gestern musste sich ein Surfer in letzter Sekunde unter sein Board retten und ich bin gradewegs über ihn hinweg gefegt.

    Ich weiß nicht, ob ich vielleicht beim Surfen mal blöd gestürzt bin oder es passiert ist, als ich das letzte Mal vom Pferd geflogen bin - jedenfalls könnte mein Steißbein gebrochen sein. Das erfuhr ich von Matthew, dem Arzt meiner Wahl (wie gesagt, hier sind alle so extrem lässig, dass man auch den Arzt mit Vornamen anspricht). Seit Wochen habe ich immer stärker werdende Schmerzen beim Sitzen und Aufstehen und wollte das dann doch mal abgeklärt haben. Kann man aber nix machen, außer abwarten und von allein heilen lassen. Wird nur blöd beim nächsten langen Flug. Denke bereits drüber nach, ob ich mir mit dieser“ Diagnose“ nicht irgendwelche Vorteile ergattern kann im Flieger...

    Neulich habe ich mal eine Kajaktour gebucht, bei der man raus aufs Meer paddelt und Delfine beobachten kann. Theoretisch. Praktisch sah es mal wieder so aus, dass ich meine Reisetabletten zu spät eingenommen hab und prompt dafür zahlen musste. Mir wurde nach einigen Minuten draußen auf dem Wasser schlecht. Ernsthaft. Man kann mich nicht mal ungedopt in ein Kayak setzen, wie ätzend ist das denn? Ich hab es noch mit schwimmen versucht, soll ja helfen. Konnte aber tempomäßig nicht mit den Kayaks mithalten! Auch hinterm Kayak am Seil durchs Wasser ziehen ging nicht lange... der arme Guide, hab ja schon einige Kilos zugenommen. In dem Moment ging mir irgendwie der Song von den Toten Hosen über den Wal durch den Kopf... Nur dass es für mich statt ins Meer zurück an den Strand ging, wo man mich liebevoll absetzte und mich meinem Schicksal überließ. Blöd gelaufen. Immerhin, ein paar Delfine habe ich trotzdem gesehen.

    Es ist außerdem die Jahreszeit, in der die Buckelwale auf ihrer Reise in wärmere Gewässer nah an der Küste vorbeiziehen und mit etwas Glück kann man sie schon von Land aus beobachten. Aber da Glück mir hier ja eher weniger vergönnt ist, habe ich sie auf keinem meiner extra unternommenen Spaziergänge zu Gesicht bekommen. Kommen die Viecher nicht zu mir, muss ich eben zu ihnen. Also habe ich eine Bootstour gebucht und dieses Mal rechtzeitig meine Pillen eingeworfen. Aber auch hier muss ich wohl einen Ruhetag der Wale erwischt haben. Vielleicht sind die mittlerweile auch von der Walgewerkschaft dazu angehalten, ihre Pausenzeiten einzuhalten auf der tausende Kilometer langen Wanderroute. Ich mein, wir haben schon Wale zu Gesicht bekommen, einer ist sogar ziemlich nah am Boot vorbei geschwommen. Es gab nur leider keinen dieser spektakulären Sprünge und Flossenplatscher.

    So, und jetzt noch zu den freakigsten Toiletten, die ich je besucht habe. Oberhalb des Strandes, mitten im Zentrum von Byron. Ich fühlte mich wie auf dem Klo von Raumschiff Enterprise. Eine geschlossene Stahltür verhindert das spontane Betreten, erst muss der rote Knopf zum Öffnen gedrückt werden. Besagte Stahltür öffnet sich dann mit geräuschvollem Zischen und eine männliche Lautsprecherstimme heißt den Klobesucher willkommen. Man betritt eine Kabine komplett aus Stahl. Waschbecken, Seifenspender, Händetrockner - alles mit eingebaut. Man fühlt sich wie in einer Aluminiumzelle. Sehr unangenehm.

    Sobald sich die Tür hinter einem geschlossen hat, informiert selbige Stimme darüber, dass man ab jetzt maximal 10 Minuten Zeit hat, um zu erledigen, was es zu erledigen gilt. Gleichzeitig wird das Geschäft musikalisch begleitet und untermalt von entspannter Jazzmusik. Sofort stellte sich eine Erinnerung an eine Folge des „Tatortreinigers“ ein, in der ebenfalls die auf der Toilette verbrachte Zeit kontrolliert und aufaddiert wird.

    Ich hatte gar nicht vor, 10 Minuten aufm Klo zu bleiben, aber allein die Tatsache, dass es diesen Klo-Countdown gibt, versetzte mich in Stress und größte Eile. Während ich also meine Oberschenkelmuskeln bemühte (Frauen wissen an dieser Stelle, was ich meine), stellte ich mir die Frage, was wohl passieren würde, wenn ich die 10 Minuten überschreite? Wird ein Countdown angesagt? Die Tür automatisch entriegelt und geöffnet, sodass man den Blicken der ungeduldig Wartenden ausgesetzt wird? Gibt es einen Rausschmeißersong à la „Wer hat an der Uhr gedreht“? Und vor allem habe ich darüber nachgedacht, wie sich solch eine Entwicklung wohl fortsetzen wird? Gibt es demnächst eine integrierte Stuhlanalyse mit Auswertung der Darmflora und individuellen Ernährungstipps? DNA-Analysen? Abputzhilfen? Was, wenn man sich nicht ordentlich die Hände wäscht, hält die Kabine einen so lange gefangen, bis man klein bei gibt? Schon irgendwie spoky, oder?
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