France
Prémery

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Travelers at this place
    • Day 77

      71. Etappe: Premery

      September 17, 2018 in France ⋅ ☀️ 24 °C

      Eine kleine Etappe brachte mich schnell ans Ziel, begleitet wurde ich von Ellis und Hans.
      Da es in Premery leider keine Pilgerherberge gibt, wird heute gecampt! Für unschlagbare 2,60 Euro steht für Pilger ein kleiner Caravan mit Strom bereit, der heute unser Schlafgemach sein wird. Und da wir uns heute Mittag eine Plat du jour gegönnt haben, wird es abends ein gemütliches Abendessen mit Wein, Baguette, Käse und Melone. 😋Read more

    • Day 8

      Tour de Bourgogne

      September 1, 2023 in France ⋅ ⛅ 25 °C

      Wir verlassen Pontigny nicht ohne der berühmten Zisterzienserabtei mit ihrer wunderschönen Basilika einen Besuch abgestattet zu haben. Weiter geht es nach Auxerre, wo wir gemütlich durch die Altstadt schlendern und natürlich auch die Besichtigung der Kathedrale nicht vergessen. Unser Weg führt uns nach Vézelay. Auch dort wartet ein pittoreskes Städtchen auf uns, gekrönt von einer eindruckvollen Kathedrale, einem Anlaufpunkt für Pilger des Jakobsweges. Am Ende des Tages erreichen wir den gemütlichen Camping municipal von Prémery, Zeit auszuruhen.Read more

    • Day 3

      Das Monster

      April 23, 2019 in France ⋅ ☁️ 15 °C

      Trip 5, Tag 3, Wandertag 2: L'église de Talon - Prémery, 33 km, Steigung 520 Meter, Gehzeit 10:25

      Ganz vergessen hatten wir schon die nervige und allmorgendlichen Rucksack-Vorbereitung für die Wanderung des Tages. Der Rucksack, den wir jede Stunde abwechselnd tragen, verlangt beim Packen große Sorgfalt. Schließlich wollen wir ja auch für Notfälle in der Einsamkeit gerüstet sein. Nicht auszudenken was passieren würde, wenn wir beispielsweise zu wenig Ersatzakkus für Günters Smartphone dabeihätten. Es wäre fast aussichtslos ohne jemandem zu begegnen, das Etappenziel zu finden. Auch sind wir durch die extrem schlechte Netzabdeckung in der Einsamkeit von der morgens heruntergeladenen und damit offline verfügbaren Tagesnavigation abhängig. Oder eine Verletzung irgendwo im Nirgendwo, sie wäre ohne Erste Hilfe Equipment bestimmt nicht lustig. Auch muss man natürlich die richtigen Wechsel-Klamotten für den Tag im Rucksack bunkern. Sich morgens gut über das im Tagesverlauf zu erwartende Wetter informiert zu haben ist für einen sorgenfreien Wandertag unabdingbar. Eine mitgeführte, kurze Hose kann da genauso viel Freude bereiten, wie ein warmer Pullover oder eine Regengarnitur.

      Wenn man danach auch noch die Koffer packen muss, weil die Tageswanderung bei einer neuen Unterkunft endet, geht das Generve weiter.

      Hat sich die Routine aber erst einmal eingestellt, benötigen wir für beides ungefähr eine Stunde. Konkret bedeutet das für uns um Sieben aufstehen, eine Stunde Morgentoilette und Frühstücken, sowie eine Stunde packen. Wenn wir dann um neun bereits auf der Piste sind, waren wir gut. Ist die Etappe länger als dreissig Kilometer sollten wir spätestens um acht auf der Piste sein was wir leider noch nie geschafft haben.

      Heute werden wir uns endgültig von Vézelay abnabeln, wer weiß ob wir diesen ungewöhnlichen Ort jemals wiedersehen, ein bisschen Wehmut stellt sich ein als wir beim Hotel auschecken.
      Unser erster Wandertag war zur Eingewöhnung mit 25 Kilometern bewusst „kurz“ gewählt. Heute jedoch, mit rund 33 Kilometer Wegstrecke und 520 Höhenmetern, ist Schluss mit lustig.

      Unser marokkanischer Fahrer, bringt uns zurück zur „L'église de Talon“. Mit einem leichten Winken verabschiedet er sich von uns um danach auch noch unsere Koffer beim „Chambre d'hôtes La Chatelière“, unserem heutigen Ziel in der Nähe von “Prémery“, abzugeben. Mindestens elf Wanderstunden später werden wir unsere Koffer wiedersehen.
      Da standen wir nun, direkt vor dem vermoderten Kirchlein und mitten im weitläufigen- und menschenleeren Nichts, genau da, wo wir gestern aufgehört haben. Auf der vorbeiführenden „D 282“, der „Rue des Naudins“, deren Verkehrsaufkommen uns mehr an eine Sackgasse erinnert, starten wir unseren zweiten Wandertag.

      Gemächlich und irgendwie andächtig entfernen wir uns von dem Ort der eigentlich gar keiner ist und in dem es mehr Tote als lebende gibt.
      Die kleine Straße führt uns weiter durch die grandiose Landschaft der endlosen und leicht hügeligen Weite, die mindestens genauso grandios ist wie die Gestrige. Kein Zweifel, hier fühlt sich der Frühling eindeutig besser als im nur 25 Kilometer entfernten Vézelay das, auf dem 300 Meter hohen Hügel thronend, immer auch dem Wind ausgesetzt ist, Frühlinge mögen das nicht.
      Die hier blühenden Rapsfelder, eingebettet in strotzend grüne Wiesen, belegen das prägnant. Nur unsere kleine und unbefahrene Straße, die von einigen Bäumen auf ihrem hügeligen Weg ins nirgendwo begleitet wird, wacht über dieses grandiose Szenario.
      Wenn der Himmel jetzt nicht bedeckt- und die Luft nicht ganz so kalt wäre, würden wir es gar nicht mehr aushalten mit unserem Glück, unser „Klimaerwartungsindex“ lag immerhin schon bei 55%.

      Nach gut zwei Kilometern Landstraße- und ohne jede Begegnung mit Autos oder Menschen, kreuzen wir die nicht minder gelangweilte „Route départementale“ Nummer 34.
      Ihre Kollegin mit der Nummer 128, auf der anderen Seite der Kreuzung, konnte ihr Glück kaum fassen als sie feststellte, dass wir ausgerechnet auf ihr zum kleinen Ort „Asnan“ folgen wollen.
      Deutlich entschleunigt passieren wir das Ortschild seiner 127 „verschollenen“ Einwohner. Das unbedeutende Dorf vermittelte uns irgendwie das Gefühl als sei es vom Schicksal seiner längst vergessenen Seelen in einen „transzendentalen Zustand“ befördert worden. Nichts vermochte das zu ändern, dachten wir jedenfalls.

      Es fällt uns schwer die wenigen alten Gebäude in „bewohnt“ oder „unbewohnt“ zu kategorisieren, wozu auch? Eigentlich wollen wir auch gar nicht in die Verlegenheit kommen irgendeinen Menschen zu begegnen, weil auch uns ein allzu lautes „Bonjour“ sofort in die irdischen Welt zurückkatapultieren würde.

      Just in dem Moment, als wir selbst schon kurz davor waren den vermeintlichen „transzendentalen Zustand“ zu erreichen, sorgte eine große, widerlich-braune und grässlich kläffende Töle, die mit ihrem ungewöhnlichen Aggressionspotenzial in der Lage ist ein ganzes Dorf zu tyrannisieren, für besagte Bruchlandung in der irdischen Welt.
      Völlig unverhofft kam das Monster aus der offenstehenden Wohnung eines der letzten Dorfbewohner angeschossen. Noch nicht einmal die auffällige Aggression seines missratenen Köters ermutigen ihn seine Schreckensbehausung, die auch perfekt zum Monster passte, zu verlassen.
      Nur ein akribisch, aus einem bunten Mix von Gittern und Drähten zusammen gefrickelter kleiner Zaun, hinderte das Monster daran uns zu zerfleischen, wir waren geschockt. Es würde wohl Wochen dauern, um die Töle wieder zu vergessen und uns erneut dem nicht allzu ernst zu nehmenden „transzendentalen Zustand“ anzunähern.

      Die wunderschöne Kulturlandschaft gab ihr Bestes, um uns einmal mehr mit der „Bourgogne“ zu versöhnen, viel musste sie sich nicht anstrengen. Die weitläufige Hügellandschaft, die jetzt mehr und mehr durch die flachen Wildhecken-Begrenzungen für die strotzend grünen Weiden struktur bekommt, berauschte unsere Sinne ohne großes Superlativ.

      Weiter folgen wir der „Voie de Coux á Asnan“ der Straße ohne Nummer und Autos und „erwachten“ in „Mavé“ wo uns ein kleiner und neugieriger „Kampfhund“ deutlich spannender fand als seine olle Madame. Der kleine war renitent, wir wurden ihn gar nicht mehr los. Kein Wunder, schließlich war hier gefühlt seit 1.246 Jahren kein Fremder mehr.
      Seine Madame fand das gar nicht lustig als sie, gut beleibt und etwas außer Atem, nach ein paar hundert Metern Dauerlauf, den kleinen verbal vermutlich tausend Tode sterben ließ. Gut dass wir kein Französisch verstanden. Ihrem Blick nach war aber zu entnehmen, dass wir in ihren Ausführungen die Hauprolle spielten, welche Ungerechtigkeit, wir waren unschuldig, echt jetzt!

      Wir ertappten uns dabei wie wir, wegen der vielen Eindrücke die nur so auf uns einprasselten, wertvolle Zeit verdaddelten. Sieben Kilometer hatten wir erst auf den Füssen und fast sechsundzwanzig noch vor uns.
      Wir passierten „Michaugues“ und seine 60 Seelen und folgten weiter der „Route de Michaugues à Neuilly“ die mit dem elften Kilometer mehr zu einem Feldweg verkümmerte.

      Jede der bis dahin passierten alten Ortschaften beindruckte auf eine eigene Weise, immer aber war etwas Düsteres mit dabei. Der immer noch bedeckte Himmel und die moabit wirkenden verfallenen Häuser, hatten sicherlich einen Anteil daran.
      An der Stelle sei noch kurz erwähnt, dass wir bereits gestern die „Via Lemovicensis“ irgendwo verloren haben. Keine Ahnung wann sie wieder in unserer Navigation auftaucht.
      Der Feldweg verlor sich irgendwo inmitten einer unendlichen Wiese und war als solcher nur noch mit detektivischem Spürsinn zu erahnen. Schnell wurden wieder vergangene Navigationsirrtümer unserer Komoot-App, die uns in solchen Situationen oft viel Schweiß und Panik abverlangten, im Kopf präsent.

      Unser Spürsinn belohnte uns nach dem dreizehnten Kilometer mit einem schönem Rastplatz, gleich hinter den 120 Seelen von „Neuilly“, Mittagspause! Schuhe aus, selbst designtes Baguette in den Mund geschoben und sofort geschlafen, nur wir Beide, inmitten einer schönen und ungemähten Wiese. Die Natur und ihre Insekten geben ihr Bestes, um sich in unseren Hirnen dauerhaft zu verewigen.
      Nur die Frühblüher fehlten der Wiese noch. Dafür war es aber selbst für Frühblüher noch zu früh.
      Aber auch die Sonne wollte sich nicht lumpen lassen und bemühte sich stetig und nach bestem Gewissen, unsere noch arg mehlfarbene Haut in eine begehrtere Farbe zu tranformieren. Unser Klimaerwartungsindex lag mittlerweile bei fast 100%, wow.
      Schön war es hier vor sich hinzudösen. Das ungewohnte und monotone Motorengeräusch eines Traktors, ganz weit weg in der Ferne, hatte zusätzlich die ermüdende Wirkung einer Schlaftablette, war aber zugleich auch ein Hinweis auf hier existierende Aliens, wir warten beruhigt.

      Auf der verwaisten Straße, die unsere Wiese vom Wald trennte und sanft, aber stetig zum Hügel hinauf ansteigt, weichten die letzten Fetzen des morgendlichen Hochnebels der erstarkenden Sonne. Ohne die Zeit im Nacken wären wir auf der Wiese sicherlich versackt. Wir wollten aber noch vor Einbruch der Dunkelheit unser Ziel, das „Chambre d'hôtes La Chatelière“ bei „Prémery“, erreichen. Eine menschenleere Gegend bei völliger Dunkelheit und ohne Streulicht wäre eine ganz neue Erfahrung, die wir nicht unbedingt erfahren wollen.

      Mit dem vierzehnten Kilometer passierten wir „Champallement“ und seine rund 50 „Champallementois“, indem wir ganz einfach immer weiter der „D 146“ folgten. Eigentlich war es gar kein Ort, sondern mehr ein schönes altes Chateau, Kloster, oder was auch immer, wir werden es nie erfahren.

      Mit dem zwanzigsten Kilometer beglückten wir die 120 Einwohner von „Montenoison“ die vermutlich ebenso im „Urlaub“ waren wie die Bewohner aller voran durchwanderten Orte. Dass auch diese letzten sechs Kilometer Landschaftlich tief beeindruckten, ist mittlerweile selbstredend. Nur der Anstieg des letzten Kilometers zum Ort raubte uns schon wieder einen ordentlichen Teil unseres kaum noch vorhandenen Energiedepots des Tages.
      Der schöne alte Ort, der augenscheinlich auch schon den „transzendentalen Zustand“ erreicht hat, liegt etwas unterhalb des gleichnamigen, 400 Meter hohen „Berges“. Dort oben thront die Ruine der Burg der Grafen von Nevers aus dem 13. Jahrhundert, die die sich vor langer Zeit dorthin gezimmert haben. Auch ein Kriegerdenkmal zum Gedenken der örtlichen, im ersten Weltkrieg gefallenen, und ein Kirchlein aus dem 15. Jahrhundert, kann der Ort auf sein Konto verbuchen. Mindestens jedes zweite Gebäude hier steht, oft auch herunter gekommen, seit vielen Jahren leer und wurde in unseren Köpfen gekauft und wieder aufwendig restauriert. Solche Häuser bekommt man für geschätzt zehntausend Euro, kaum zu glauben.

      Beim dreiundzwanzigsten Kilometer und wieder jeder Menge fantastischer Einsamkeit dazwischen, überraschte uns „Oulon“ mit seiner Anmut. Seine Einwohnerzahl schrumpfte von 156 Einwohner 1962 auf 66 Einwohner 2016. Und auch die waren vermutlich einmal mehr im „Urlaub“. Dieser Schwund ist exemplarisch für nahezu jedes Dorf hier, wie traurig.
      Fast alles an „Oulon“ war wunderschön, seine alten Häuser, eingebettet in eine hügelige Landschaft, sein kleiner See am Rande, seine uralte Kastanie in der Ortsmitte und sein Kirchlein „Saint-Andoche“ aus dem 16. Jahrhundert.
      Hinter dem Ort blickten wir uns noch einige Male um, weil wir uns an ihm nicht satt sehen konnten, so schön war er. Wir verstanden die Welt nicht mehr, warum will hier keiner wohnen?

      Nach bisher 28 gewanderten Kilometern kehren wir der „D129“ den Rücken, um einem vielversprechenden Feldweg die Ehre zu geben.
      Wir gingen in Frieden auseinander denn sie war gut zu uns. Sie hielt Autos von uns fern und zeigte uns ihr wunderschönes zu Hause. Aber gegen einen noch schöneren Feldweg hatte sie dennoch keine Chance.
      Zwischenzeitlich war der Tag schon weit fortgeschritten, was sich an den Temperaturen und der schon tief stehenden Sonne deutlich bemerkbar machte. Immer noch hatten wir fünf Kilometer vor uns. Wir mussten unsere Fantasie schon arg strapazieren, um uns das überhaupt noch vorstellen zu können. Unsere Batterien waren mittlerweile leer, was sich bei uns durch stolperige- und unkonzentrierte Schritte deutlich zeigte. Übrigens ist das besonders gefährlich bei viel befahrenen Straßen. Das Problem stellte sich für uns aber hier bestimmt nicht.

      Dennoch, der Weg war ein weiteres Superlativ was wir leider kaum noch würdigten. Wir überquerten eine uralte Brücke, die aussah als hätte sie noch Napoleon persönlich gebaut, passierten etwas das irgendwie auf ein menschenleeren Bauernhof im Nirgendwo hindeutete und standen plötzlich inmitten einer Wiese die nicht im Geringsten einen Weg erahnen ließ.
      Unsere fortgeschrittene Wandererfahrung hat uns aber gelehrt, dass so mancher Bauer geneigt ist, sich den Einen oder anderen Weg gerne mal „einzuverleiben“. Auf einmal sind sie futsch.

      Öffentliche Wege, die über- oder entlang ihrer Wiesen führen, sind ihre Lieblingsopfer. Das Prozedere ist einfach: Man ackert einfach jedes Jahr ein paar Zentimeter mehr vom Weg mit um und lässt so das Feld jedes Jahr ein bisschen wachsen. Irgendwann ist das Weglein dann verschwunden, keiner erinnert sich mehr daran, einfaach vergessen, böser Bauer. Nur „Komoot“, unsere Navigations-App, führt der Bauer nicht hinters Licht.

      Wie auch immer, da standen wir nun, inmitten einer unendlichen Wiese, von bösen Stacheldrähten bewacht, und ohne jedes Lebenszeichen eines längst untergegangenen Weges und damit ohne jede Orientierung.
      Marions leicht panisches Gesicht, das angesichts von mittlerweile fast dreißig Kilometern durchaus gerechtfertigt war, machte es mir nicht leicht einen klaren Kopf zu behalten, immerhin war ich unser Navigator. Um es kurz zu fassen, nach eineinhalb Kilometern durch Wiese und Acker und immer wachsam gegenüber Stacheldraht und von Bullen beschützten Kuhherden, standen wir, nun völlig verdreckt, wieder auf einer Straße, gerettet.

      Nach einem kurzen stell dich ein auf dem Asphalt, beendeten wir unsere heutige Wanderung mit einem zwei Kilometer langen Waldweg, fast 12 Stunden waren wir nun auf den Beinen. Erst kurz vor dem Ende gab unser Weg einen ersten Blick, hinunter in ein liebliches Tal, nur zivilisiert durch ein paar Gebäude, frei. Eines davon hob sich durch seinen ungewöhnlich guten Zustand und seiner gelben Fassadenfarbe deutlich ab, es war unser Ziel, das „Chambre d'hôtes La Chatelière“, eine gute Wahl.

      Eigentlich waren wir viel zu fertig, um auch nur noch einen Schritt zu laufen. Da wir aber seit rund acht Stunden nichts mehr gegessen hatten, konnten wir gar nicht anders als nach einer kurzen, aber sehr heißen Dusche, irgendwo noch etwas futtern zu müssen.

      Unser netter Vermieter, der selbstverständlich kein Wort englisch sprach, brachte uns, aus besagtem Grund, schweigend mit dem Auto zum rund vier Kilometer entfernten Prémery. Der Ort mit seinen 1.868 Einwohnern, in den ländlichen Gegenden Frankreichs fast schon eine Großstadt, war bereits im Mittelalter ein wichtiger Pilger-Sammelpunkt für deren langen Weg nach „Saint Jean-Pied-de-Port“. Er liegt direkt an der „Via Lemovicensis“, hier haben wir sie also wieder gefunden.

      Prémery hätten wir normalerweise gar nicht zu Gesicht bekommen, weil es nicht direkt auf unserem „Strichlein“ lag. Mag sein, dass es an diesem Ort irgendwo vielleicht etwas Schönes gibt. Das, was wir hier gesehen haben war grausam. Völlig herunter gekommen wirkte er so, als würde er in Kürze den letzten Rest seines langen Lebens aushauchen. Selten haben wir so viel Trostlosigkeit auf einmal erlebt. Egal, wir hatten eh nur noch einen Gedanken im Kopf.

      Bei einem drittklassigen marokkanischen Restaurant, das einzige, dass bei der fortgeschrittenen Uhrzeit, so gegen halb zehn, noch geöffnet hatte, wurden wir fündig. Die Innenausstattung erinnerte eigentlich mehr eine „Nahkampfdiele“, egal, auch, dass wir wieder einmal die einzigen Gäste waren. Der nette und gesprächige Inhaber kochte zugleich ordentlich, sehr ordentlich, einen auf. Eine andere Aufgabe hatte er vermutlich auch nicht. Es gab Couscous mit allem was nach marokkanischer Meinung so dazu gehört, köstlich. Wir waren mehr als „vollgefressen“ als uns unser Vermieter netterweise auch wieder abholte.

      Nur drei Menschen begegneten wir heute über den ganzen langen Tag verteilt:
      Der fluchenden Madam des ausgebüxten kleinen Kampfhundes, unserem Vermieter, und dem Marokkaner im Restaurant.
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    • Day 4

      Pat und Patachon

      April 24, 2019 in France ⋅ 🌧 13 °C

      Trip 5, Tag 4, Wandertag 3: Prémery - Nevers, 30,5 km, Steigung 460 Meter, Gehzeit 8:00

      Die „Chello Suite No. 1 in G major“, die morgens um halb sieben zwar sanft- aber dennoch nervend aus Günters Handy erklang, verhieß nicht Gutes: Aufstehen war befohlen. Schade, so schöne Musik damit negativ zu behaften.
      Nach nur sechs Stunden Schlaf und mit einer Vielzahl schmerzender Muskeln hinkten wir zur Dusche und hatten die Hoffnung, dass Wasser sicherlich noch einiges richten würde.
      Unser netter Vermieter bemühte sich redlich uns den Tag mit einem vermeintlich guten Frühstück buchstäblich zu versüßen, sehr croissantlastig das Ganze. Damit kam er aber nicht durch, er musste mit einem Spiegelei nachbessern.

      Um kurz vor neun hatte uns die Natur wieder. Nur die Sonne, die war heute anderweitig beschäftigt und hat vertretungsweise Regenwolken angeheuert.
      Wir fingen an für die jeweils zurück liegenden Unterkünfte deutsche Schulnoten zu vergeben. Das „Chambre d'hôtes La Chatelière“ kam mit einer 2-3 davon. Auch deshalb, weil der Monsieur uns erschöpften Wanderern leider nichts zu essen angeboten hatte. Gerne hätten wir extra gezahlt nur um das Haus nicht mehr verlassen zu müssen. Aber nein, stattdessen mussten wir auch noch einige Fahrkilometer zum Marokkaner über uns ergehen lassen. Ansonsten aber ist das ein empfehlenswertes „Chambre d'hote“.

      Unser heutiges, rund dreißig Kilometer entferntes Ziel, war das klangvolle „Château du Four de Vaux“, ein kleines Schloss ganz in der Nähe von „Nevers“. Mit rund Dreissigtausend Einwohnern war der Ort für lokale Verhältnisse eine Großstadt. Ein Taxi war für unsere Koffer zuständig.

      Während wir in unseren Regenhosen so vor uns hinwetzten (Ein schreckliches Geräusch), und auf die Wirkung der Schmerztablette, die unsere Muskeln endlich mundtot machen sollte, warteten, überkam uns die Fantasie.
      In einem Schloss die nächsten zwei Nächte zu verbringen, wir hatten morgen unseren ersten freien Tag in „Nevers“, war abgefahren elitär. Da ging doch glatt der Gaul mit uns durch. Sein Gastspiel aber war nur kurz. Bereits nach einem halben Kilometer begann das harte, achtprozentige Leiden, dass den Gaul erst nach eineinhalb Kilometern wieder in unserem Hirn galoppieren lies. Nur gut, dass die Schmerztablette mittlerweile wirkte.

      Das Gehen wurde entspannter, der Himmel aber bleib tief grau. Die Wolken spielten mit den Baumwipfeln das gute alte „fang mich doch“ Spiel. Bei dem Spiel kann die Landschaft noch so schön sein, es nützt alles nichts.
      Nur der renitente „Gaul“ und seine Geschichte „Wir im Château“ brachte etwas Abhilfe.

      Irgendwann, nach fünf Kilometern Waldweg, entdeckten wir wieder das kleine „Via Lemovicensis“ Schildchen an einer kleinen Eiche, wir waren also wieder drauf. Ein solches Schildchen zu entdecken hat immer etwas Ehrfurchtsvolles, auch wenn der Weg nicht unbedingt zur Ehrfurcht passt.

      Wir passierten den rätselhaften Ort „Le grand rigny“. Rätselhaft deshalb, weil es nicht zu ergründen war, warum dem Kaff mit seinen vierzehn von uns selbst gezählten Häusern, das Präfix „Grand“ verliehen wurde. Wir würden es nie erfahren, darüber waren wir uns einig.

      Nach rund zwölf Kilometern ging es uns schon deutlich besser. Die Sonne hatte zwischendurch wieder Zeit für uns und die Schmerztablette machte ihren Job.
      Die Landschaft hatte sich in den vorangegangenen beiden Tagen ziemlich verausgabt und schaltete jetzt erst einmal einen Gang zurück, nicht hässlich, aber auch nix besonderes. Auch die totale Einsamkeit wich mehr und mehr dem deutschen Verständnis davon. Die Dörfer reihten sich gehäufter aneinander aber immer noch mit deutlich Strecke dazwischen, keines hatte mehr als einhundert Einwohner. Sogar Strommasten waren wieder zu sehen. Ein Anblick, auf den man gut und gerne verzichten kann.
      Orte wie „Les Cours“, „Les Verdillats“, „Chaillant“, „Fourneau de la Belouse“, Mauvron“, „Les Poirant“, „L’Échenot“, „La Fontaine du Bois“ oder „Marcy“ schaffen es wegen ihrer Belanglosigkeit gerade noch so hier genannt zu werden.
      Dazwischen gab es einige alte und leerstehende Häuser die wir gerne, traurig wie sie waren, adoptiert- und danach gesund gepflegt hätten.
      Als sich die heruntergekommenen Häuser häuften landeten wir auf einer kleinen und ebenso verkommenen Strasse die uns wiederum für einen Kilometer an einer alten und nicht minder heruntergekommenen Fabrik entlang führte.
      Was für eine Tristesse, der Anblick war für uns nach all den Highlights der letzten Tagen und Stunden kaum erträglich. Der Kontrast war ungefähr so, als würde man mit dem Boot, von der Fraueninsel, dem Kleinod im Chiemsee, zum Hades, dem Werksgelände der BASF in Leverkusen, übersetzen.
      Kein Zweifel, das musste „Guérigny“ sein.

      Während wir so am Hades vorbei marschierten suchten wir nach irgendwelchen Anzeichen von Leben auf der Innenseite der einstmals äußerst aufwendig gebauten- aber mittlerweile sehr herunter gekommenen Einzäunung. Erst spät erkannten wir, dass hier noch auf Sparflamme produziert wird.

      „Guérigny“ war ein einst ein bedeutender Ort für das Schmieden- und der Verarbeitung von Metall in der Region. Der Hades wurde bereits im achtzehnten Jahrhundert gegründet. Wir waren uns einig: „Macht nichts, das machte ihn keinen Deut schöner“.

      Nach allerhand visuellen Grausamkeiten landeten wir auf etwas, was hier vermutlich als „Zentrum“ des 2.498 Köpfe zählenden Ortes angesehen wird. Den Ort selbst zu beschreiben spare ich mit an der Stelle lieber, er war grausam und verrottet, konnte nichts bieten was unsere Auge hätte wieder versöhnen können.

      Oder doch?

      Komoot, unsere Navi-App, versprach eine Bar in unmittelbarer Nähe. Für uns, deutlich desillusioniert durch die Einsamkeit, war das kaum zu glauben. Wir scannten jedes Haus und jeden Eingang und tatsächlich, da war Eine, das „La Belle Etoile“, zu Deutsch „Die schöne Toilette“ oder so ähnlich.
      Aber nicht nur, dass es hier eine schöne "Toilette" gab, sie war sogar geöffnet.

      Sehr skeptisch, da es so etwas eigentlich in den ländlichen Gegenden Frankreichs gar nicht geben darf, suchten wir immer noch nach dem vermeintlichen Haken als uns der Wirt mit seiner leicht abweisenden Coolness, die kleine- und mit braunem Kunstleder gepolsterte Speisekarte überreichte, wow.
      Nach achtzehn Kilometer die heutige Mittagspause in einer geöffneten, französischen Bar genießen zu können, war für uns unvorstellbares Glück, für Außenstehende jedoch kaum nachvollziehbar.
      Im letzten Jahr, während unserer vierwöchigen Wanderung, wurden wir nur zwei bis dreimal derart verwöhnt.
      Entsprechend gewaltig viel unsere Bestellung in dem stark nach Zigaretten müffelnden Etablissement aus. Dem Geruch nach zu urteilen lag die letzte Frischluft-Zirkulation bestimmt schon Jahre zurück.
      Dennoch war es selbst in dieser Kaschemme "state of the art" ein 3-Gänge Menü, vermutlich gedacht für die Arbeitnehmer des Hades, feilzubieten. In der kunstledernen Tageskarte war das heute so etwas wie ein Kotelette mit einem „Fromage Frais“ als Dessert. Die Vorspeise habe ich wegen Bedeutungslosigkeit vergessen.

      Aber unser Glück hatte eben doch einen Haken, "ausgeworfen" von zwei „Schnapsnasen“ am Tresen, wir waren ihre Opfer. Unser Schicksal nahm seinen Lauf. Wir waren der Fisch am Haken, dessen verzweifelte Befreiungsversuche letztlich doch chancenlos bleiben würden.
      Außer dem Wirt gab es vermutlich seit Wochen kein Opfer das sie hätten zutexten können, nur uns, jetzt und hier, Scheiße!

      Der intellektuelle Unterschied der Schnapsnasen, in der Summe ohnehin nur rudimentär ausgeprägt, war dennoch gravierend. Der eine, groß und gerissen, machte den Eindruck als hätte er mit Frauen nur Eines im Sinn, er war der Sprecher und Chef der Beiden.
      Sein vormals vermutlich schönes und männliches Gesicht mit ebenfalls vermuteten dunklem Teng, war von der Bar über die Jahre deutlich gezeichnet. Eine graue Gesichtsfarbe mit Besenreiser und weißen Haaren war der Tribut, den er ihr zollte. Nein, gesund sah der nicht mehr aus.

      Die andere Schnapsnase, war ein Knilch, nicht ganz so breit wie hoch, Typ Mitläufer im Schatten des Chefs, eigentlich mehr sein Echo, für mehr reichte es nicht.
      Irgendwie erinnerten die beiden tragisch-komischen Figuren an „Pat und Patachon“, Hauptakteure der gleichnamigen, dänischen Komödie, die zwischen 1920 und 1940 entstand und ab 1969 im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde.

      Hackedicht hatten sie schon am frühen Nachmittag um zwei deutliche Schwierigkeiten die komplizierten französischen Akzentuierungen in ihrem sicherlich nicht gerade üppigen Wortschatz richtig zu treffen.
      Ihr Schweigen und ihre zu uns gerichteten Blicke wirkten wie eine regungslose, aber aufgerichtete Cobra die ihr Opfer fixierte und jede Sekunde zum Angriff übergehen konnte.
      Am liebsten hätten wir uns unter dem Tisch verkrochen nur um keine Kostprobe ihres Wortschatzes ertragen zu müssen. Aber es half alles nichts und es kam wie es kommen musste, wir hingen bereits am Haken. Zwei Fremde und eine davon auch noch eine Frau die genau in das Beuteschema des Chefs passte konnte nur ungut enden.

      Verkrampf starrten Marion und ich uns gegenseitig in die Augen während wir gierig unser Kotelett verdrückten. Wir wollten verhindern, dass die uns fixierenden Röntgenblicke „Pat und Patachons“, von uns zufällig eingefangen werden.
      Es nützte alles nichts und es passierte was passieren musste. Der Chef blies mit einem „Iisch spreekke Doisch“ lallend, von Einem zum Anderen Ende der Bar, zum Angriff, auch das noch!

      Für meine strunzsdumme Frage, wieso er denn Deutsch spricht, ich wäre am liebsten sofort in den Boden versunken, ging es dann erst so richtig los, für die Cobra gab es kein Halten mehr.
      Stolz lallte der Chef quer durch die Bar seine Geschichte über sein früheres Soldatenleben im Saarland, was für ein Schwachkopf.
      Wir erahnten seine Ausführungen mehr als wir sie verstehen konnten.
      Sein deutscher Wortschatz beschränkte sich dabei auf geschätzt 13 Wörter. Den Rest seiner Ausführungen lallte er in einem wilden Mix aus Französisch und zwei bis drei Prozent Englisch.
      Mein vermeintliches Interesse, in das er reichlich Nährboden für seine heutige "Barfreundschaft“ hineininterpretierte, gab ihm die Kraft sein schützendes Terrain zu verlassen. Schwankend verließ er seinen schützenden Barhocker und den stützenden Tresen um einen Meter vor unserem Tisch zum letzten Gefecht zu blasen.

      Sein Adjutant, weiterhin auf dem Barhocker klebend weil sitzen deutlich sicherer war als stehen, begleitete die Attacke seines Chefs lallend mit wirren, französischen Parolen aus dem Hintergrund. Den kompletten Monolog wieder zu geben ist wegen reichlich fehlender Puzzlestücke kaum möglich. Selbst wenn wir französisch sprechen würden hätten wir es nicht verstanden.
      Irgendwann verkrümelte sich der Adjutant heftig schwankend aus der Bar. Vermutlich konnte er den undeutlichen Ergüssen seines Chefs auch nicht mehr so ganz folgen.

      Der Chef aber kannte keine Gnade und nervte immer mehr. Der Idiot lies mit seinem unverständlichen Geschwätz unseren Traum von der gemütlichen Mittagspause in der warmen Bar, platzen wie eine Seifenblase. Er war absolut distanzlos und wurde zusehends frecher, obwohl ein kleiner Finger gereicht hätte ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen und außer Gefecht zu setzten.

      Der Inhaber der Bar verkroch sich sicherheitshalber die meiste Zeit in seiner Küche, vermutlich kannte er das dumme Gelaber schon. War er dann doch einmal im Gastraum hagelte es aus seinem Mund unwohl klingende, französische Worte, von denen sich der „Chef“ wenig bis gar nicht beeindrucken ließ, er war einfach renitent.

      Mehr und mehr kam sein wahres Interesse aus seinem verkommenen Inneren. Auf Marion hatte er es abgesehen, fast schon bedrängt hat er sie und stand unmittelbar neben ihr. Die Situation drohte zu eskalieren und ließ eigentlich nur zwei Lösungen zu. Entweder ich hau ihm jetzt eine rein, ich hasse Gewalt, oder wir gehen. Wir entschieden uns für letzteres.

      Einen der seltenen Augenblicke, bei denen sich der Wirt im Gastraum blicken ließ nutzen wir, um schnell zu zahlen und diesen schrecklichen Ort zu verlassen. Noch mit dem leckeren „Fromage Frais“ im Mund waren wir vom Haken gesprungen und endlich wieder in Freiheit, was für ein schrecklicher Ort.

      Zwei neue Erkenntnisse konnten wir nun unserer bereits mächtigen Lebenserfahrung hinzufügen, insofern war diese negative Erfahrung nicht ganz umsonst.
      Erkenntnis Nummer eins: Das Kottelet schmeckte gar nicht so schlecht.
      Erkenntnis Nummer zwei: Wir würden niemals Barbesitzer werden.

      „Guérigny“ war an Trostlosigkeit auch im weiteren Verlauf kaum zu überbieten. Der ärmlich- und herunter gekommen wirkende Ort war geprägt von Lethargie und alten, grauen Reihenhäusern. Ein bisschen erinnerte das einheitliche Grau der Fassaden an die DDR.
      Die Hauptstraße, die uns aus der Stadt führte (In Deutschland wäre es mit 2.500 Einwohnern ein Dorf), zog sich lang wie ein Kaugummi, fast zwei Kilometer Augenkrebs. Erst mit den einundzwanzigsten Kilometer konnten wir den Zustand unserer Augen mit neuer Natur und neuem Terrain wieder deutlich verbessern, welche Wohltat. Unser Bedarf an Menschen war fürs Erste erst einmal gedeckt.

      Nach rund zwei Kilometern Trail durch Wald, dessen Typus nicht unbedingt zu Günters Lieblingswald gehörte, wurden wir nach dem vierundzwanzigsten Wanderkilometer des Tages mit dem kleine See, „Plan d'eau de Niffonds“, belohnt.
      Der See war künstlich angelegt und offensichtlich einer der wenigen Gewässer in Frankreich die öffentlich- und somit, jedenfalls im Sommer, zum Baden freigegeben sind. Meist sind Seen hier in Privatbesitz und mit bösen Zäunen und noch böseren Schildern, vor noch viel böseren Menschen, geschützt.

      Um den See erstreckten sich ausgedehnte Wiesenflächen und dahinter erneut strotzend grüner Wald. Der Himmel beeindruckte mit einem Kampf, den sich gewaltig düsteren Wolken und eine scheinbar aussichtslose Sonne lieferten. Hier war es wunderschön, welcher Kontrast zu „Guérigny“ und seiner verkommenen Bar. Die „Heilung“ unserer Augen machte weitere Fortschritte.

      Die Szenerie verlangte unseren Respekt in Form einer „Meditationspause“. Am Ufer, in der Wiese liegend, verfolgten wir den Kampf der Giganten am Himmel und genossen die Ruhe und die Schönheit des Ortes. Die Handvoll Wanderer, deren Weg ebenfalls am See vorbeiführte, störte unsere Zweisamkeit nicht. Nur die kühle Luft und der noch ziemlich kalte Boden disziplinierten uns zum Weitergehen.

      Nach weiteren eineinhalb Kilometern Wald, diesmal durch seinen Typus in Günters Gunst deutlich bessergestellt, versprach Komoot uns für heute mit weiteren dunklen Waldwegen zu verschonen und belohnte uns statt dessen mit Licht, viel Licht.
      Es war herrlich unsere Augen wieder über endlose und strotzend grüne Kulturlandschaften schweifen zu lassen.
      Die Sonne, die den „Kampf der Giganten“ unerwartet für sich entscheiden konnte, zeigte Ihre Siegesfreude in dem sie die Landschaft zusätzlich in ein farbenfrohes und kontrastreiches Kostüm kleidete.

      Die nächsten zwei Kilometer waren eine regelrechte Sinnesorgie. Die Kulturlandschaft, die Farben, die Klarheit der Luft und die Sonne, waren Ihre Gäste.

      Unsere gewohnte Einsamkeit wich langsam einer dünnen Besiedelung, nicht unangenehm und immer noch weitläufig. Mit dem achtundzwanzigsten Kilometer querten wir die „Autoroute A 77“, von „Rosiers“ nach „Nevers“, ein klares Indiz für die letzten beiden Kilometer zu unserem heutigen Etappenziel. Unsere zwischenzeitlich gefährlich torkelnden Schritte waren ein deutliches Zeichen für die bereits zurückgelegte Strecke, des anstrengenden gestrigen Tages, und des Schlafmangels der letzten Nacht.

      Einen Kilometer vor unserem Ziel lief der eingangs erwähnte Gaul in unseren Köpfen, „Wir im Château“, wieder zur Höchstform auf. In allen Fassetten stellten wir uns das Leben im Schloss als elitäre Hotelgäste vor. Auch einen Pool im Schlosspark, wo wir morgen einen Teil unseres freien Tag unter der gleißenden Sonne verbringen würden, illusionierte uns der „Gaul“.

      Während wir einen noblen- und mit schönen Villen garnierten Vorort von „Nevers“, durchschritten, öffnete sich der Blick auf eine unendliche- und tiefer gelegene Ebene bis zum Horizont. Unser Augen scannten sie nach unserem „Château du Four de Vaux“, vergebens, es ließ sich einfach nicht blicken.

      Die letzten paar hundert Meter führten uns der nervenaufreibenden „D 267“-, der „Route de Vernuche“, entlang. Sie war eng und gefährlich, denn einen Fußgängerweg gab es, wie fast immer in Frankreich, auch hier nicht.
      Auch die Gebäude entlang der Straße, passten nicht zu dem Gespinst, dass uns der „Gaul“ ins Hirn gepflanzt hat. Immer noch gab es keine Spur von Château.

      Und dann endlich, ein kleines unscheinbares Schild zum „Château du Four de Vaux“. Durch das offene und altherrschaftliche Tor betraten wir das Anwesen. Die alte Allee, wie man das eben bei Châteaus so hat, führte uns zum Schlösschen, wow, was für ein schönes, altehrwürdiges Gebäude.
      Komisch nur, weit und breit gab es kein parkendes Auto, keinen Gast und auch keinen Gastgeber.
      Die Haustür war offen und damit das ganze Château mit all seinen noch zu entdeckenden Schätzen und Antiquitäten jedem hilflos ausgeliefert.
      Wir waren beeindruckt von der historischen Ausstattung die, ebenso wie das Gebäude selbst, eindrucksvoll den Wohlstand vergangener Generationen belegte.

      Das „Château du Four de Vaux“ wurde als „Chambre d'hôtes“ vermarktet, kein First-class-Hotel, aber dennoch war es etwas ganz Besonderes. Man spürte, dass das Geld hier nicht mehr ausreichte, um es im Sinne vergangener und wohlhabender Generationen zu erhalten. Vor allen der Schlosspark war zwar in seiner Größe noch vorhanden, seine Strukturen aber waren durch einen ungepflegten Rasen ersetzt.

      Wir waren müde und hungrig und wollten, leicht genervt weil hier niemand war, nur noch unser Zimmer beziehen. Unsere Rufe im Haus verhallten aber genauso wie unsere verzweifelten Anrufe auf der Nummer die Booking uns mitteilte.
      Zufällig entdeckten wir hinter einem Tresen in der Diele, der vermutlich als Rezeption gedacht war, einen Schlüssel. Den schnappten wir uns, suchten dazu das passende Zimmer im Gebäude und nahmen es unter Beschlag. Viel falsch machen konnten wir nicht, wir waren ja die einzige Gäste.
      Alles hätte man hier raustragen und mitnehmen können. Die unsichtbare Gastgeberin hatte Glück, wir waren viel zu müde zum tragen.

      Das Zimmer war genauso ehrwürdig wie das Château und ebenso vollgestopft mit Antiquitäten, herrlich. Und da standen auch schon unsere Koffer, wir waren gerettet.
      Die Krönung des Zimmers war eine Badewanne in einem Erker mit Blick auf den Schlosspark, Günter adoptierte sie umgehend.
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      Eigentlich hatten wir für heute in Nevers ein Leihauto reserviert. Mit ihm wollten wir morgen, an unserem freien Tag, die Stadt und die Umgebung entdecken. Leider war es aber bereits zu spät, um es abzuholen, die Station war schon geschlossen und morgen würde sich der Aufwand nicht mehr lohnen, 120 Euro adieu.

      Wie neu geboren, bestiegen wir das gerufene Taxi zum Restaurant „Comptoir Saint Sébastien“ in „Nevers“, dass, wie fast jedes französischen Restaurant, eine obligatorische Auswahl von 3- oder 5 Sterne-Menü bereit hielt. Das gemütliche Restaurant war eine gute Wahl, das Essen war köstlich. Als Weintrinker wären wir hier sicherlich, wegen der gigantischen Auswahl, versackt.

      Ein Taxi brachte uns wieder zurück zum immer noch offenstehenden Château wo weiterhin jede Spur von der Gastgeberin fehlte. Etwas verloren im einsamen und dunklem Schloss, fielen wir müde ins Bett freuten wir uns mit verwöhntem Magen auf unseren freien Tag morgen.
      Klar, dass wir die Zimmertür zuvor ganz fest von innen verschlossen haben.
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    You might also know this place by the following names:

    Prémery, Premery, Премри, Премрі, 普雷默里

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