Satellite
Show on map
  • Day 77

    Lønsstua - Skaitielva (Fluss)

    August 15, 2023 in Norway ⋅ ☁️ 14 °C

    Wie so oft bin ich zwischen zwei und vier Uhr wieder wach, kann dafür aber in den Morgenstunden noch etwas dösen. Um 7:00 Uhr stehe ich auf und mache mir im Wasserkocher Wasser heiß. Diese Hütte hier hat aufgrund ihrer Nähe zur E6 sogar einen richtigen Stromanschluss. Arvid schläft noch. Ich genieße die Ruhe beim Frühstück und schreibe meinen Footprint zu Ende. Dann packe ich alle meine Sachen und mache mich fertig. Währenddessen steht Arvid auf und wir unterhalten uns noch kurz. Er bietet mir noch einen richtigen Kaffee an, ich möchte aber jetzt los. Arvid ist so nett und entsorgt meinen Müll für mich. Draußen hängen dunkle Wolken, obwohl für heute eigentlich gutes Wetter vorhergesagt ist. Die Temperatur ist auf jeden Fall angenehmen. Ich mache mich auf den Weg, quere die Schnellstraße E6 und bin dann wieder mitten in der Natur. Die ersten Meter gehe ich etwas lustlos vor mich hin. Viel Energie habe ich heute nicht. Ich nutze die Gelegenheit, dass ich noch Empfang habe und melde mich bei Nicole und meiner Schwester. Nach einer Dreiviertelstunde habe ich immer noch Empfang und ich setze mich an den Wegrand, um Nicole anzurufen. Live miteinander zu sprechen ist deutlich schöner als der Austausch von Sprachnachrichten.

    Dann geht es weiter. Das Gelände ist ein ganz anderes als gestern. Es geht über viele runde Felsplatten an Bächen und Seen vorbei. Viele kleine Birken wachsen hier, verteilen sich aber gut, dass das Gelände weitgehend offen ist. Das Gehen fällt mir heute schwer. Ich weiß nicht, ob es wieder der Schlafmangel ist oder einfach der Alltag. Vielleicht ist es aber auch das seltsame Wetter. Es gibt vereinzelte blaue Stellen am Himmel, und ganz selten lässt sich die Sonne blicken, in Summe ist es aber grau und trist. Einige Berge wirken fast schwarz, ein wenig bedrohlich. Vermutlich ist es eine Mischung aus allen Faktoren. Allmählich komme ich höher. Auch heute teste ich noch einmal meine Kopfhörer, aber das Problem besteht weiterhin. Sobald ich am Lightning-Anschluss leicht wackle, spielt Spotify verrückt. Dann eben auch heute ohne Musik. Ich gehe weiter und habe irgendwann die 10 km Marke geknackt. Eigentlich bin ich gut in der Zeit. Mein Ziel heute ist die Trygvebu-Hütte, die ich nach etwas mehr als 23 km erreichen würde. Alternativ gibt es 8 km weiter noch eine Hütte, dazu müsste ich aber sehr motiviert sein. Dennoch spiele ich mit dem Gedanken, die zweite Hütte heute noch zu erreichen, da es morgen den gesamten Tag regnen soll.

    Auf dem Pfad finde ich eine Sonnenbrille. Sie ist sichtlich gebraucht, scheint aber noch nicht lange hier zu liegen. Als ich mit Nicole telefoniert habe, ist ein Mountainbiker hinter mir den Weg entlang. Ich vermute, er hat die Brille verloren. Ich nehme sie mit und werde, falls mir der Radfahrer nicht entgegenkommt, die Brille irgendwo nahe der nächsten Straße ablegen. Als ich fast den höchsten Punkt dieses Wegabschnittes erreicht habe, mittlerweile bewege ich mich fast nur noch auf Felsen und auch Birken wachsen hier nicht mehr, kommt mir der Radfahrer entgegen. Er freut sich, dass ich die Brille gefunden habe. Er sagt, sie sei eh stark gebraucht, aber sie müsse auch nicht als Müll hier in der Landschaft liegen. Er ist Norweger und wohnt in Bodø. Wir unterhalten uns sicher 20 Minuten. Ich berichte von meiner Reise und er fragt, ob ich das irgendwie dokumentiere. Ich erzähle ihm, dass ich vorhatte, einen Film zu machen, nun aber nur schreibe. Dann reden wir über Lars Monssen, einen norwegischen Abenteurer, der seine Reisen filmisch dokumentiert, und darüber, was es für ein Aufwand ist, sich selbst zu filmen. Dann nimmt der Wind zu und es wird frisch. Wir verabschieden uns und ich folge meinem Pfad, der bald wieder bergab Richtung Tal geht. Weiter unten, nach zwölf Kilometern, mache ich eine Pause. Eigentlich wollte ich eine Trekking Mahlzeit kochen, aber es kam lange Zeit kein Bach. Also esse ich Kekse, Nüsse und eine ganze Packung kleiner Zimtbrötchen. Danach geht es mir gar nicht mal so gut. Der Weg führt immer weiter runter, bis aus dem Felsengelände irgendwann Birkenwald wird. Dann komme ich an eine Schotterstraße. Eigentlich müsste ich hier rechts gehen. Aber ein auffälliges Schild sagt irgendetwas von Alternativroute. Mit Google Translate übersetze ich das Schild. Scheinbar ist eine Brücke seit wenigen Tagen aufgrund von Hochwasser beschädigt. 1,1 km Umweg bedeutet das für mich. Ich folge dem Schotterweg bis zu einer großen Straße. Dieser folge ich etwas mehr als einen Kilometer und dann geht am Straßenrand ein Pfad ab. Ab jetzt bin ich wieder auf geplanter Route.

    Der schmale Pfad führt steil den dicht bewachsen Berg hinauf bis ich nach einiger Zeit eine weitere Schotterstraße erreiche. Hier mache ich eine Pause. Ich bin ganz schön fertig. Noch 6 km sind es von hier bis zur ersten Hütte. Weitere 8 km wären es zur übernächsten Hütte. Ich überquere die Straße und der Weg geht wieder durchs Gelände. Obwohl es hier nur noch wenig auf und ab geht, fühlt sich alles richtig anstrengend an. Und mein linker Fuß meckert seit langem mal wieder lauter. 3 km vor der Hütte mache ich noch einmal eine Pause. Von hier aus habe ich Aussicht in das Tal, wo sich die Hütten befinden. Auf meinem Weg sehe ich von hier sogar einen Campingplatz. Ich habe Empfang und schaue mir die Webseite des Campingplatzes an. Für rund 13 € könnte ich hier mein Zelt aufstellen und heiß duschen. Aber das hätte zur Folge, dass ich morgen rund 27 km laufen muss. Und das voraussichtlich bei starkem Regen. Weil der linke Fuß so schmerzt, entscheide ich mich, in meinen Laufschuhen weiter zu gehen. Gleich bei den ersten Schritten merke ich den sehr angenehmen Unterschied und nach wenigen Minuten bin ich wieder an der Schotterstraße.

    Ich gehe die Straße entlang, an dem Campingplatz vorbei, und folge den Schildern zur ersten Hütte. Mittlerweile ist die Sonne draußen und ich sehe viel blauen Himmel mit wenigen Schäfchenwolken. Auch wenn ich total müde bin, nehme ich mir vor auch die erste Hütte nicht anzusteuern. Morgen werde ich um jeden Kilometer dankbar sein, den ich nicht bei starkem Regen gehen muss. Ein schmaler Pfad führt runter zum Fluss über eine Hängebrücke. Dann geht es dauerhaft am Fluss entlang durch dichten Birkenwald. Der Pfad ist überraschend fest und viele sumpfige Stellen sind mit Holzstegen ausgestattet. Das Tal hätte ich mir deutlich schlimmer vorgestellt. Mit Sumpf und Mücken. Nach weiteren drei Kilometern mache ich die nächste Pause und trinke aus dem Fluss. Ich merke einfach, dass heute nicht mehr viel drin ist. Bis zur Hütte sollte ich es aber noch schaffen. Da ich noch Netz habe, schaue ich während meiner Pause in die App, mit der man Schlafplätze in Hütten reservieren kann und Infos zu den Hütten findet. Hier sehe ich, dass vier von acht Betten bereits reserviert sind. Ich hatte gehofft, dass ich diese kleine Hütte mitten im Nichts für mich haben werde. Es gibt noch vier weitere Betten, diese kann man aber nicht reservieren. So oder so. Ich wäre heute Abend gerne alleine. Ich gehe weiter und sage mir, dass es vor Ort auch anders aussehen kann. Vielleicht wurden die Reservierungen gar nicht wahrgenommen. Die restlichen Kilometer ziehen sich immer mehr. Als ich noch 3 km von der Hütte entfernt bin, sehe ich rechts am Weg einen Platz, an dem man ein Zelt aufstellen könnte. Ich überlege kurz, schaue mir den Platz genauer an und mache eine Pause. Es dauert nicht lange, dann habe ich eine Entscheidung gefällt. Ich bleibe hier. Der Nachteil am Zelten heute ist, dass ich morgen voraussichtlich bei viel Regen das Zelt zusammenbauen muss. Aber das ist mir lieber, als dass ich heute mit mehreren Leuten in einer Hütte übernachte. Ein weiter Nachteil hier ist, dass der Platz recht laut ist. Zum einen rauscht der Fluss, zum anderen habe ich direkt gegenüber vom Zelt einen mehrstufigen, lauten Wasserfall, der unten in ein großes Becken mündet.

    Ich baue das Zelt auf, verstaue alles und gehe dann mit meinen Wasserbehältern und meiner Wechselkleidung runter zum Fluss. Eine natürliche Staustufe hat sich hier gebildet, wo das Wasser nicht so schnell fließt. Das Wasser ist grünlich-türkis. Ein kleiner Sandstrand bietet mir Platz, um meine Sachen auszubreiten. Das Ufer fällt steil ab, dass ich anderthalb Meter vom Rand entfernt bis zum Hals im Wasser stehe. Das Wasser ist eisig, dennoch tut es gerade unfassbar gut. Draußen ist es warm, nicht windig und es fliegen keine Mücken umher. Dazu habe ich diese traumhafte, überdimensionale, natürliche Badewanne. Das ist mit Abstand der beste Badespot, den ich bisher hatte. Ich wasche mich, fülle meine Wasservorräte und gehe wieder hoch zum Zelt. Nach einigen Minuten verschwindet die Sonne, die gerade noch das Tal erleuchtet hat, hinter dem Berg. Dann gibt es eine warme Trekkingmahlzeit und eine Tafel Schokolade. Das Leben ist gut. Anstrengend, aber gut!
    Read more