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  • Day 97

    Dreiländereck - Kilpisjärvi

    September 4, 2023 in Finland ⋅ ⛅ 10 °C

    Die Nacht war in Sachen Regeneration mal wieder nicht besonders hilfreich. Ich bin spät eingeschlafen, habe schlecht geschlafen und bin dann früh wieder aufgewacht. Am Morgen hat es noch einmal kräftig geregnet. Dann hat der Regen aber zum Glück ganz aufgehört und ich kann mein Zelt nach dem Frühstück am Stück zusammenpacken. Um 7:30 Uhr mache ich mich auf den Weg. Genau genommen mache ich mich um 8:30 Uhr auf den Weg. Denn mein Handy hat am Morgen gleich die finnische Zeit übernommen. Da es von meinem Zeltplatz nur 50 m zu dem Punkt sind, wo die Grenzen von Norwegen, Finnland und Schweden sich treffen, schaue ich mir die große, gelbe Boje aus Beton, die über einen Steg zu erreichen ist, aus der Nähe an. Ich umrunde sie einmal und kann jetzt behaupten, in wenigen Sekunden drei Länder besucht zu haben. Toll. Mir ist es immer ein Rätsel, warum solche Punkte zu richtigen Ausflugszielen werden.

    Dann geht es nach wenigen Metern auf finnischer Seite weiter. Heute sind es nur 17 km, davon die letzten 7 km auf der Straße. Vorher muss ich durch den finnischen Nationalpark Mallan Luonnopuisto. Ich bin müde und bewege mich träge. Eigentlich müsste meine Motivation heute groß sein. Denn heute Nachmittag wartet eine heiße Dusche und was gutes zu essen auf mich. Aber die Tatsache, dass ich mehrere Nächte in Folge schlecht geschlafen habe, bestimmt meine Laune maßgeblich. Egal an was ich denke, alles hat irgendetwas negatives. Das ist mir schnell bewusst, trotzdem weiß ich nicht, wie ich einfach aufhören kann, negatives zu denken. Ich ärgere mich, dass ich so schlecht drauf bin. Dann ärgere ich mich, dass ich mich ärgere, das ist so schlecht drauf bin. Und so weiter. So gehe ich die ersten Kilometer lustlos dahin. Weiter vor mir glitzert der See in der Sonne, hinter mir ziehen Regenschauer durchs Tal. Ein paar Mal fängt es an zu regnen, zum Glück aber nie dauerhaft.

    Ich beschließe, das Tempo anzuziehen. Dass wird den Kreislauf hoffentlich mehr in Gang bringen. Ich glaube, Schlafmangel und Müdigkeit sind idealer Nährboden für negative Gedanken. Das schnelle Gehen sorgt schon mal dafür, dass ich mich mehr auf den Weg konzentrieren muss. Aber auch der Puls geht merklich nach oben und nach einer halben Stunde bin ich deutlich besser drauf. Kann aber auch daran liegen, dass es von nun an nur noch bergab geht geht und die Straße in Sicht ist. Die letzten 3 km bis zur Straße gehen sich deutlich entspannter und die negativen Gedanken sind verflogen. Immer mehr Wanderer kommen mir entgegen, einige von ihnen ziemlich offensichtlich Tagestouristen, die sonst mit dem Wandern nicht so viel zu tun haben. Ich gehe stark davon aus, dass ihr Ziel heute das Dreiländereck ist. Hoffentlich haben sie dort so viel Spaß wie ich.

    Dann erreiche ich endlich die Straße. Das Wetter ist besser geworden und es ist weiter aufgelockert. Das Gelb der Birken leuchtet in der Sonne. Schnell fängt mein linker Fuß wieder an zu schmerzen. Ich mache eine kurze Pause und setze mich an den Straßenrand. Zeit für einen Schuhwechsel. Ich befestige die schweren Wanderschuhe am Rucksack und ziehe die Laufschuhe an. Die ersten Schritte fühlen sich überhaupt nicht gut an, nach einigen hundert Metern aber habe ich mich halbwegs eingelaufen. Ich bin auch gespannt, wie ich das auf der letzten großen Etappe zum Nordkap mache. Aktuell gehe ich davon aus, dass ich vier Tage lang Straße laufen werde. Hier werden meine Füße ein letztes Mal auf die Probe gestellt. Die Straße hier ist relativ stark befahren und geht einfach nur gerade aus. Zum wandern stinklangweilig. Außerdem bin ich ständig damit beschäftigt, entgegenkommenden Autos auszuweichen.

    Um halb eins erreiche ich den Campingplatz. Der Mann, der mir zeigen will, wo ich mein Zelt aufstellen kann, spricht nur finnisch. Das aber sehr viel, was mir nicht wirklich weiterhilft. Er deutet auf eine Holzplattform, wo ich mein Zelt drauf stellen könne. Und er macht irgendwelche Gesten und Geräusche, die einen elektrischen Schraubendreher zu simulieren scheinen. Ich bin nicht sicher, ob ich hier anstatt Heringen Schrauben verwenden soll? Keine Ahnung. Ich habe hier jetzt sicher nicht vor, mein Zelt festzuschrauben. Neben der Plattform ist ausreichend Platz und ich frage, ob ich dort mein Zelt aufstellen kann. Das scheint kein Problem zu sein. Allerdings ist der Boden hier alles andere als eben. Aber eine bessere Idee habe ich gerade nicht. Nach dem Zeltaufbau geht es unter die heiße Dusche. Herrlich!

    Frisch geduscht geht es zum Supermarkt. Im Internet sah der Laden aus wie ein riesiger moderner Store, wo man alles bekommt. So ein „einmal hin, alles drin“-Geschäft. Im Prinzip gibt es hier auch alles mögliche. Aber in Sachen Technik sieht es hier mau aus. Die einzigen Kopfhörer, die es hier gibt, kosten 19,99 EUR. Nicht wieder so ein Billigschrott. Aber vielleicht besser als gar nichts? Vielleicht funktionieren die hier ja wenigstens. Die Kopfhörerentscheidung vertage ich auf morgen, da ich hier eh einen Ruhetag machen werde. Jetzt kaufe ich erstmal Lebensmittel für heute ein. Und eine Powerbank, damit ich auf der kommenden Etappe durchs weglose Nábár-Plateau auf jeden Fall ausreichend Saft habe. Mein Solarpanel ist mittlerweile so gut wie nutzlos, da die Sonne zu selten scheint oder einfach zu wenig Kraft hat, um zuverlässig zu laden.

    Nach dem Einkaufen lege ich mich erstmal hin und obwohl der Boden ziemlich uneben ist, gelingt es mir, ein wenig zu schlafen. Am späten Nachmittag setze ich mich mit Daniel und Daina in das Restaurant des Campingplatzes. Bevor wir essen, besprechen wir noch die vor uns liegende Etappe. Die weglose Passage durch das Nábár-Plateau beschäftigt uns alle. Der Aufstieg soll hier etwas tricky sein und bei schlechten Wetterbedingungen soll man das Plateau unbedingt meiden. Mir fällt es schwer, aus all dem Hörensagen von vermeintlichen Gefahren ein klares Bild zu bekommen. Mein Plan ist es, mich hier auf mein Bauchgefühl zu verlassen und nur bei wirklich schlechten Bedingungen auf den langen Umweg auszuweichen. Ich begegne der Etappe mit großem Respekt. Aber ich habe auch das starke Gefühl, dass hier deutlich mehr Wind um etwas gemacht wird, als erforderlich. Vielleicht lasse ich mich aber auch eines besseren belehren. Auf jeden Fall tut es gut, dass wir drei uns hier nochmal austauschen und jeder seine Bedenken laut ausspricht.

    Dann essen wir zu Abend. Es gibt Pizza und Bier. Das tut richtig gut. Für mich geht es danach direkt ins Zelt. Obwohl ich total müde bin, dauert es wieder, bis ich einschlafe. Vielleicht muss ich mein Zelt morgen doch noch einmal umstellen.
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