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- 24 Haz 2024 18:59
- ⛅ 20 °C
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RomanyaSuceavaPutna47°51’43” N 25°35’31” E
Klassenkampf
![](http://d2k8htqlk8yn1a.cloudfront.net/img/flags-png/ro.png)
Im Bus nach München, sitzt neben mir auf dem Sitz am Fenster, ein Junger Mann. Die ersten 15 Minuten ist er leidenschaftlich wortkarg, dann zieht er den Vorhang vor das Fenster und schläft ein. Könnte schlimmer sein, denke ich mir, denn immerhin sitze ich am Gang und kann so wenigstens mein linkes Bein immer mal ausstrecken. Dass es Zeit dafür ist, signalisiert mir ein immer heftiger werdender, stechender Schmerz im Kniegelenk. Strecke ich mein Bein dann aus, ist je nach Stärke des Schmerzes ein vornehm leises, oder erstaunlich kräftiges Knacken zu hören. Danach ist für die nächsten 20 Minuten erstmal alles wieder gut. Im Laufe der Jahre als 194 cm großer Mensch, habe ich mir die Fähigkeit erworben, exakt berechnen zu können, wie lange eine Reise in engen Buss- und Flugzeugsitzreihen dauert. Ich schätze mit erstaunlicher Genauigkeit den Abstand zum Sitz vor mir in Millimeter. Dann verorte ich die Stärke meiner Schmerzen im Knie auf einer Skala von 0 bis 17,4 und kombiniere alles geschickt mit der Anzahl der Knackgeräusche. Fertig ist der Salat. Ist alles keine Zauberei
Jetzt schläft auch der Junge Mann auf dem Sitz auf der anderen Seite des Ganges. (Nicht der Fluß in Indien, sondern der Laufweg im Bus). Er schafft es. dass sowohl sein Kopf mit dem daran befindlichem Oberkörper, als auch beide seiner Beine weit in den Gang hineinragen. Dadurch nimmt er mir jegliche Möglichkeit der exakten Zeiterfassung, denn nun kann ich mein Bein nicht mehr ausstrecken. Ich beschließe Gegenmaßnahmen zu ergreifen und huste laut. Keine Reaktion. Hätte ich mir auch denken können. Er hat sich seinen Pullover um den Kopf geschlungen. Vermutlich hatte er es einfach satt, von seinen Mitreisenden ständig energisch angehustet zu werden. Vorsichtig schiebe ich seinen Fuß zu Seite und erobere mir meinen Platz im Gang zurück. Er schreckt auf, fuchtelt wild mit seinen Armen um sich, murmelt unverständliche Worte und schläft wieder ein. Dem habe ich es gezeigt. Der Mann rechts neben mir schläft noch immer. Jetzt aber mit weit geöffneten Mund und nach hinten gelehntem Kopf. Vor meinem Inneren Auge erscheint eine Aufzählung von putzigen Dingen, die ich ihm jetzt in den Rachen schnipsen möchte. Nicht aus Boshaftigkeit, nur aus Gründen der Zerstreuung. Boshaft wäre, wenn ich jetzt zur Anwendung bringen würde, was ich neulich beim Kürzen meiner Fingernägel mit einem Nagelknipser über die Flugweite von Horn gelernt habe. Mit der, von meiner Mutter vererbten Treffsicherheit, sie war mal DDR Bezirksmeisterin im Luftgewehrschießen, ergäbe ….. ach lassen wir das lieber.
An Schlaf ist unter diese Umständen nicht zu denken. Ich überbrücke die Zeit bis zur Ankunft in München mit Filmen, in denen geschossen wird, es viele dumme Logikfehler gibt und die Helden selbst nach der ärgsten Prügelei noch aussehen, als wären sie gerade von der Kosmetik gekommen.
Der Anschlussbus in München hat 45 Minuten Verspätung. Ich bleibe entspannt, denn ich habe noch genug Zeitpuffer. Ich schaue nochmal auf die Auslastung meines Fluges und entschließe mich spontan für den Schnäppchenpreis von 16,95€ noch einen Platz mit mehr Beinfreiheit zu buchen. Am Fenster, weil ich bei Flügen noch immer staunend aus dem Fenster schaue. Laut Übersicht ist die komplette Sitzreihe frei. Na wenn ich mir das nicht verdient habe.
Am Flughafen gebe ich als erstes meine Rucksack auf. Ich frage die nette Dame am Schalte, ob der gut 1m lange Regenschirm, den ich professionell an der Seite meines Wanderkoffers festgezurrt habe, eine Chance hat zu überleben, oder ob es aus selbigem Grund ratsamer wäre, ihn als Handgepäck mit ins Flugzeug zu nehmen. Ich werde zum Schalter für Sperrgut geschickt, wo mein Rucksack samt Schirm, zusammen mit einem großen Karton eines Mitreisenden auf einem kleinen Karren verladen wird. Nun gut, hoffen wir das beste.
Weiter geht es zur Sicherheitskontrolle. Ich bin ein wenig aufgeregt, denn in meinem Handgepäck befinden sich eine beachtliche Menge Medikamente. Der Quartalsvorrat eines depressiven, Schilddrüsenkranken mit verkleinertem Magen. Weil ich clever bin, habe ich alle Tabletten und Pillen schon zu Hause ausgepackt und wenn ich auspacke, dann gründlich. Selbstverständlich habe ich alles ordentlich aus den Blistern gedrückt und in einem großen Beutel zu einem Potpourri der guten Laune vermischt. Erst als es zu spät war, ist mir eingefallen, dass mich diese 2 Pfund pharmazeutisches Konfetti beim Zoll in Erklärungsnot bringen könnten. Um mich zu beruhigen habe ich noch einen zweiten Beutel gepackt. Voll mit den leeren Vepackungen, Beipackzetteln, einer Bestätigung meiner Ärztin, der Rechnung der Versandapotheke und eines wichtig aussehenden Medikamentenpasses.
Vor lauter Angst, gleich als Pablo Escobar der Antidepressiva verhaftet zu werden, hatte ich mich schon bei der Gepäckaufgabe in der falschen Schlange angestellt, aber dann doch noch rechtzeitig bemerkt, dass ich ja Priority Kunde bin. Nicht dass ich darauf großen Wert lege, aber bei der Buchung von Aufgabegepäck habe ich diesen Adelstitel des Flugreiseproletariats unvermeidbar mit erwerben müssen.
Und schon stehe ich wieder in der Schlange, die dem Prekariat zugedacht wurde. Das geht ja garnicht. Wenn schon Unterschiede, dann auch nicht halbherzig. Also wieder zurück und in die nicht viel kürzere Schlange.
Angriff ist die beste Verteidigung. Ich präsentiere der Flughafenicherheitsfachkraft eine beeindruckende Geschichte von 4 Monaten Rumänien, Wildnis, Bärenforschung, einer seltenen Erkrankung und Medikamenten, die nicht im Ausland erhältlich sind. Erst dann hole ich wieder Luft. Scheinbar reisen von Memmingen tagtäglich verwegenen Bärenforscher für längere Aufenthalte nach Rumänien, denn sie scheint keineswegs beeindruckt zu sein. Alles in die Kiste legen, sagt sie und ruft ihrem Kollegen am Durchläuchtungsgerät, Achtung jetzt kommen Tabletten, zu. 5 Sekunden später kann ich alles wieder in meinem Tagesausflugsrucksack verstauen. Es ist enttäuschend, so uninteressant zu sein.
Ich quetsche mich durch den Duty Free Bereich und nehme noch eine Dose Bayrisches Bier für meinen freundlich Taxifahrer mit, der mich in Suceava in Empfang nehmen will und mich nach Putna fahren wird. Auf zu Boarding.
Am Boardingschalter stehen 2 Boardingschalterbedienstete. Der Rechte ist fürs Prekariat und der linke für die Blaublüter der Billigflieger. Hätte ich doch nur wie andere Passagiere meinen Boardingpass vorsichtshalber auch ausgedruckt. Am besten in DIN A2. Dann könnte ich ihn jetzt stolz vor mich halten und immer wieder mit dem ausgestreckten Zeigefinger und abgespreizten kleinem Finger auf das Wort PRIORITY zeigen. Naja, scheiß Digitalisierung. Der Schalter befindet sich mittig vor einer gut 20m langen Glasfront. Jeder Schaltermitarbeiter hat hinter sich eine Tür, durch der die Passagiere der entsprechenden Kaste ins Freie gelangen. Die feinen Leute links, das grobe Pack rechts. Und wo für? Damit sich alle auf der anderen Seite der Glasfront wieder wild durcheinander mischen. Zwar stehen da Absperrzäune, aber irgend ein Amateur hat diese nur dazu benutz, die Passagiere vom Rollfeld fernzuhalten. Nix ist mit Apartheid. Kopfschüttelnd zünde ich mir eine Zigarette an. Jawohl, mitten in der Rauchverbotszone. Die Maschine rollt vor. Die Gangways werden hinten und vorne an das Flugzeug geschoben. Die Türen öffnen sich und der Flieger spuckt sofort eine bemerkenswerte Anzahl an Urlaubern und Geschäftsreisenden aus. Dann passiert eine ganze Weile nix. Das Menschenkongklomerat wird unruhig, fängt in der Sonne langsam an zu schwitzen und drängt sich immer dichter zusammen. Gleich ist die kritische Masse erreicht und es wird zu ersten Verschmelzungen kommen. Als ein unscheinbarer Vorfeldmitarbeiter das Tor in Richtung Flugzeug öffnet, gleicht dies einer Initialzündung. Hat diese Tölpel doch tatsächlich der Arbeiterklasse zuerst den Durchlass gewährt. Ach was sage ich, nicht zuerst, sondern ausschließlich. Durch diesen anarchistischen und zugleich diabolischen Schachzug hat er mirnichts dirnichts die Upperclass in die Underdogs verwandelt. Nicht mit uns, du Martin Luther King für Arme. Wild fliegt Schaum in weißen Fetzen von den Mündern, als die ersten Absperrgitter auseinandergerissen werden. Die Prioritys rennen in Richtung Gangway und versuchen sich wenigstens einen kleinen Rest ihrer Überlegenheit zurückzuerobern. Ich bin vor gut 10 Jahren mal zu einem Seminar nach Italien geflogen. Damals hatte ich auch den Status eines Prioritykunden, weil ich einen Sitz mit mehr Beinfreiheit gebucht hatte. Die Passagiere wurden mit kleinen Bussen über das Rollfeld zur Maschine gefahren. An der Bustür kontrollierte der Fahrer mein Ticket und schickte mich dann zur hinteren Bustür. Ich betrat den Bus und stellte feste, dass dort einfach mit rot-weißen Flatterband der Bus innen mittig geteilt wurde. Scheinbar war ich der einzige Prioritypassagier, denn ich hatte die komplette Hälfte des Busses für mich. Während sich in der anderen Hälfte des Busses Szenen wie in der Tokioter U-Bahn abspielten und mich verächtliche blicke tragen, überlegte ich, ob ich es mir nicht demonstrativ, liegend auf mehreren Sitzen bequem machen sollte. Ach was waren das noch für Zeiten.
Ich aber stehe noch immer rauchend in Memmingen und frage mich, wie oft es schon vorgekommen ist, dass ein Flugzeug abgeflogen ist, obwohl noch die Hälfte der Passagiere davor gestanden haben. Ach egal, ich wurde nicht verhaftet und habe gleich einen Sitzplatz am Fenster mit extra viel Beinfreiheit.
Als ich mich in die Schlange auf der hinteren Treppe einreihe, fährt ein kleiner Wagen mit 2 Anhänger vor. Das Gepäck wird gebracht. Da Aufgabegepäck den Preis der Flugtickets gleich mal verdoppelt, ist die Menge der zu verladenden Koffer sehr überschaubar. So überschaubar, dass sich auf dem zweiten
Anhänger lediglich mein Rucksack und das große Paket des Mitreisenden befindet. Und jetzt wird es unschön. Ich benötige nur den Bruchteil einer Sekunde um mir ganz kräftig mit der flachen Hand vor die Stirn schlagen zu wollen. Die Wagen, in denen das Gepäck transportiert werden sind ungefähr 2m lang und 1,5m breit. Damit nix runterfallen kann, umgibt die Ladefläche eine gut 50cm hohe Umrandung. Auf dieser ruht verfickt noch mal die Spitze meines Regenschirmes, während der Rucksack auf selbigen liegt. Ich schwöre, während ich auf der Treppe zum Flugzeug gestanden habe, konnte ich beobachten, wie mein Rucksack Stück für Stück zu Boden sank und sich in der Mitte meines neuen, unbenutzten, ultraleichte, Kohlenstoff-Glasfasergestell-Regenschirmes ein 45° Knick bildete. Bitte geben sie ihren Rucksack als Sperrgepäck auf, dann passiert ihrem Regenschirm nix. 10 Wochen stationäre Musiktherapie verpufften in diesem Augenblick. Wäre mein Kreislauf nicht noch von der unschönen Magen/Darm Erkrankung der letzten Tage am Boden gewesen, währe mir just in diesem Moment vor lauter Verzückung Blut aus den Augen geschossen.
Sitz 29A Fensterplatz mit Beinfreiheit. Beinfreiheit ja, Fensterblick naja. Wenn ich mir den Hals verrenke, kann ich mit einem zugekniffenen Auge durch einen 2cm breiten Spalt an meiner Kopfstütze vorbei ins Freihe sehen. Ich sitze am Notausgang. Immerhin werde ich von einer Flugbegleiterin, die Meghan Duchess of Sussex Markle zum verwechseln ähnlich sieht, gebeten, im Ernstfall den Notausgang zu öffnen und die aufblasbare Rutsche auszulösen. Es erfolgt eine kurze Unterweisung und das erhabene Gefühl, jetzt zur Crew zu gehören.
Noch immer habe ich die ganze Sitzreihe für mich. Fresst Staub ihr sterblichen.
Aber auch innerhalb von Passagiermaschinen kommt Hochmut vor dem Fall. Kaum hat die Maschine den weiß blauen Himmel Bayerns erklommen ertönt auch schon das Signal, welches verkündet, dass man sich nun anschnallen darf. Nach all dem, was ich heute schon erdulden musste, ist es beinahe unnötig zu erwähnen, dass sich sogleich wildfremde Menschen auf die freien Plätze neben mir zwängen. Ist denen denn garnichts mehr heilig. Immerhin musste ich mir diesen Luxus durch opulente 16,90€ erkaufen. Danke WizzAir! Als ich wenig später von der Toilette zurück komme, ist auch mein Platz besetzt. Mir gelingt es den blassen Jüngling durch einen betont ausdruckslosen Blick zum verlassen meines Sitzes zu bewegen. Ich setze mich, wild entschlossen erst wieder aufzustehen, wenn alle Passagiere das Flugzeug in Suceava verlassen haben. Nach der Landung wird applaudiert. Ich mache da nicht mit. Ist es denn nicht das mindeste, was ich von einem Piloten verlangen kann, dass er das Flugzeug wieder sicher zu Boden bring? An der Gepäckausgabe nehme ich meinen Rucksack nebst imposant gekrümmten Regenschirm in Empfang. Mich empfängt wie abgesprochen ein äußerst netter Marius. Er begleitet mich zum Einkaufen und dolmetscht nicht nur beim Erwerb eines neuen Regenschirms und Gaskartuschen, sondern auch beim Fleischer, bei dem ich mir diverse, verführerisch duftende Köstlichkeiten für meinen Rucksack aussuche. Eine gute Stunde später Bringe ich meine Sachen in die Pension. Ein Foto von Marius und mir macht den Anfang in meinem Album der Begegnungen. Michael der Vermieter, der mir auf dem Rückweg aus der Stadt Bier mitgebracht hat, wird gemeinsam mit den 3 anderen Wanderern, die mittlerweile eingetroffen sind, folgen. Ich werde drei Nächte hier bleiben, mich auskurieren und meine Akkus aufladen. Es fühlt sich sooo gut an, wieder unterwegs zu sein.Okumaya devam et
Gezgin Freue mich, wieder von dir zu lesen. Du hast so einen herzlich zynischen Schreibstil, den muss man einfach mögen. Deine Zeitmessung erinnert mich an "poronkusema", und alles andere ist der Grund, warum ich nicht mehr fliegen möchten. Wünsche dir eine tolle Reise und erlebnisreiche Wanderung.
Gezgin Hab vielen lieben Dank .
Gezgin Ich freue mich, auf neue Berichte von dir. Habe schon sehr über deine ersten Reiseerfahrungen gelacht. Die Beschreibungen waren so bildlich, als wäre ich mit dabei. Ich wünsche Dir, eine wunderbare Reise.
Gezgin Hab vielen lieben Dank und fühl dich ganz doll gedrückt.