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  • Day 42

    La Paz

    December 13, 2016 in Bolivia ⋅ ⛅ 12 °C

    Wir haben im Vorfeld viel über Korruption, Ressourcenknappheit und Kriminalität gelesen und waren entsprechend vorsichtig in La Paz.

    Die Busfahrt begann in Copacabana und wurde bereits nach etwa einer Dreiviertelstunde unterbrochen. Wir mussten einen Ausläufer des Titicacasees überqueren, über den es allerdings keine Brücke mehr gab. Alle Bussen wurden also geleert und setzten mit Fähren über, während wir mit kleinen Booten an das andere Ufer gebracht wurden. Dort trafen wir auch auf den Kanadier, der im Sturm auf einem Berg der Isla del Sol gewesen war. Viel Zeit zum Unterhalten bliebt uns allerdings nicht, dafür waren die Abläufe bei der Überquerung viel zu routiniert. Das ist zumindest von außen betrachtet für Südamerika schon auffällig. Viele Menschen gehen es hier unglaublich locker an. Öffnungszeiten sind Richtzeiten und organisiert wird das Meiste im Vorbeigehen. Ich lese aktuell die Biografie von Che Guevara, da ja mehrfach mit Teilen seiner Einheiten in Moskau zu Gast war. Dort empfand man ihn im Kontrast zu seinen Begleitern als ungemein penibel und ordnungsliebend. Man nannte ihn schon „fast einen Deutschen“. Er ist vor seiner Zeit als Revolutionär durch ganz Lateinamerika gereist und es ist schön, die selben Orte sowohl im Buch als auch in der Realität zu besuchen. Grade zu Bolivien hatte Che Guevara eine tiefe Liebe. Er war begeistert von La Paz und plante von den Anden ausgehend die Revolution auf den gesamten Kontinent zu tragen. Allerdings fand er in Bolivien auch sein Ende. Heute wird er hier bewundert. In der Oberstadt von La Paz, El Alto, steht eine gigantische Statue von ihm, die mit ihrem Stiefel einen Adler auf den Boden drückt. Sie besteht größtenteils aus Altmetall und wird von den Bolivianern als Zeichen gegen den US-Amerikanischen Einfluss in Südamerika bewundert:
    https://laurencecoulton.wordpress.com/2013/07/2…

    Bevor man allerdings in El Alto ankommt beginnt die Stadt ganz unscheinbar. Die wüstenartige Einöde weicht zunehmend leer stehenden oder zumindest leerstehend wirkenden Gebäuden, die aus roten Steinen aufgebaut sind. An vielen Straßenlaternen hängen lebensgroße Puppen, von denen wir ersten dachten, dass sie ein politisches Zeichen gegen den aktuellen Präsidenten seien. Im Nachhinein erfuhren wir aber von Ernesto, einem aus La Paz stammenden Ingeneur, der in Mannheim studiert hatte und mit dem wir eine Tour in die Salzwüste unternahmen, dass das eine Warnung an Verbrecher sei. Man könne sich in Bolivien nicht auf die Polizei verlassen, also würden inbesondere in den Vororten viele Menschen auf Selbstjustiz setzen. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Fall aus dem Jahr 2013, bei dem Dorfbewohner einen mutmaßlichen Vergewaltiger und Mörder, bei der Beerdigung des Opfers mit begraben haben:
    http://www.dailymail.co.uk/news/article-2337264…

    Als wir am Hostel ankamen fand grade eine gigantische Weihnachtsparade statt, die einen (im Kontrast zu der erwähnten Statue) sehr an die Weihnachts- oder Thanksgiviungumzüge in den Vereinigten Staaten erinnert hat. Wir kämpften uns durch die Mengen, bis wir in unserem Hostel ankamen. Wegen der Parade, die die gesamte Straße verstopfte, entschieden wir uns, die Stadt erst am nächsten Tag zu besichtigen.

    La Paz liegt in einer Höhe von 3.200 bis 4.100 Metern und ist somit der höchstgelegene Regierungssitz der Welt. Die Hauptstadt Boliviens hingegen ist Sucre, das auch als „weiße Stadt“ bezeichnet wird. Leider haben wir es nicht mehr bis dorthin gechafft. La Paz verfügt über eine Unterstadt, sozusagen das eigentliche „La Paz“ und eine Hochebene, die „El Alto“ genannt wird. Durch die große Höhe ist es oben kälter als unten, was dafür gesorgt hat, dass in El Alto die ämere Bevölkerung der Stadt lebt. Dort haben wir am Nachmittag unseres ersten Tages in La Paz auch eine Show der „Wrestling Cholitas“ besucht. Cholitas sind die traditionellen Frauen der Anden mit ihrer typischen Bekleidung. Ursprünglich war das Wrestling, ein Showkampf, der in den vereignigten Staaten aus dem klassischen Ringkampf entstanden ist, nur Männern vorbehalten. Vor etwa 20 Jahren aber, kam der Präsident eines Wrestlingclubs auf die PR-Idee auch Frauen zuzulassen. Das Ganze entwickelte sich dann zu einem Selbstläufer. Heute sind die Frauen der Hauptteil der Show, die Männer fungieren nur noch als schmückendes Beiwerk. Gewalt gegen Frauen ist in Bolivien, bzw. in ganz Südamerika, häufig und in meinen Augen sind die kämpfenden Cholitas ein dahingehend sehr emanzipiertes Projekt. Bereits Kinder schauen bei den Kämpfen zu, bei denen nicht selten der männliche Schiedsrichter Partei für eine Seite ergreift und manchmal sogar gegenüber einer Kämpferin selbst handgreiflich wird. Das wird aber im Verlauf des Kampfes von der „betrogenen Cholita“ gerächt, indem sie es mit ihrer Rivalin und dem kurrupten Schiedsrichter aufnimmt. Dies ist eine schöne Erzählung über Ungerechtigkeit und den Mut dagegen vorzugehen, die dankbar von den jubelnden Publikum aufgenommen wird.
    Zudem ist das ganze natürlich herrlich albern und schafft es so, auch die kleinsten für ein bis zwei Stunden zu fesseln.

    Am nächsten Tag liefen wir noch etwas durch La Paz und schauten uns die Stadt an. Wir fuhren zum Beispiel mit den relativ neuen Telefericos, Seilbahnen, die die Bergviertel mit der Unterstadt verbinden. Die rote Linie führt direkt über den gigantischen Stadtfriedhof, der über zahlreiche Grabkammern in langezogenen Mauern verfügt. La Paz schließt sich also hier der spanischen Tradition der „Ägyptischen Initiation“ an, bei der der Leichnahm einbalsamiert und oberirdisch verwahrt wird, damit er bei den entsprechenden klimatischen Bedingungen nicht in der Erde verwest und das Grundwasser vergiftet.

    Ein anderer spannender Ort in La Paz ist das Gefängnis „San Pedro“, das unter Selbstverwaltung der Gefangenen steht. Dies geht soweit, dass es in San Pedro Arztpraxen, Geschäfte und sogar ein Kokainlabor geben soll. Die Familien der Inhaftierten sind in Bolvien sozial nicht abgesichert und wohnen so mit ihnen im Gefängnisgebäude. Die Frauen und Kinder können im Gegensatz zu ihren inhaftierten Vätern bzw. Ehemännern ein- und ausgehen, wie es ihnen passt. Die Männer selbst gehen im Gefängnis einer Arbeit nach, die ihnen ermöglicht zu überleben. Gegen Bestechungsgelder können Touristen das Gefägnis besichtigen. Sie erhalten sogar einen Leibwächter zu ihrem Schutz. Wir haben uns allerdings dagegen entschieden. Genauso, wie wir die Minen in Potosí nicht besichtigen werden, nur um unseren Voyerismus zu befriedigen. Immerhin sind wir nicht als Menschenrechtler oder Autoren, wie der Autor Rusty Young hier, der ganze 3 Monate in San Pedro gelebt hat, um ein Buch darüber zu schreiben.
    http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/sonntag/…

    Den Rest des Tages verbrachten wir mit Organisationen für unseren Trip in die Salzwüste nach Uyuni. Wir sollten das erstemal in Südamerika einen Zug nehmen und eine Menge netter Menschen kennenlernen. Und wir mussten unsere Meinung über Bolvien revidieren. Wir hatten zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass es besonders bedrohlich oder problematisch ist hier zu sein.

    Oh, einen Nachtrag habe ich noch...
    Eine großartige Idee aus La Paz sind die Zebras, die an den "Zebrastreifen" den manchmal etwas ruppigen Verkehr vereinfachen sollen:
    http://www.abendblatt.de/reise/article107985987…
    http://www.magicalandes.com/-/galleries/bolivia…
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