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  • Day 11

    Hội An

    March 20, 2017 in Vietnam ⋅ ⛅ 26 °C

    Unsere erste Fahrt im Nachtzug war etwas aufregend, aber auch recht ereignislos. Auf den längeren Strecken in Vietnam kann man sich Schlafabteile buchen, die über wahlweise 4 oder 6 Betten verfügen, die als Stockbetten verbaut sind.

    Wir teilten uns das Abteil mit einer jungen Mutter und ihrem Kind, das Nachts häufiger aufwachte und weinte, im Grunde aber sehr friedlich war. Die Betten stehen seitlich zur Fahrtrichtung, so dass man auf den unebenen Strecken immer wieder hin- und herschaukelt. Die Klimaanlage kühlte, wie es hier sehr häufig so gehandhabt wird, auf unter 20 Grad hinunter, so dass man eine Decke brauchte. Wir haben extra für diesen Reiseabschnitt Schlafsackinlays gekauft, die man als dünne Minischlafsäcke benutzen kann, wenn man den angebotenen Decken in Bezug auf die Sauberkeit nicht traut.

    Am nächsten Morgen dann, kamen wir ziemlich zerknittert in Đà Nẵng an. Damit waren wir in Zentralvietnam, in dem ein anderer Dialekt gesprochen wird, als im Süden oder im Norden, was das Vietnamesischlernen für mich nicht unbedingt einfacher gemacht hat.

    Vietnamesisch ist eine interessante Sprache für westliche Sprachinteressierte. Der Lehrer aus der Nähe von Saigon, bei dem ich Unterricht über Skype nehme, ist davon überzeugt, dass seine Landessprache der Brückenschlag zwischen östlicher und westlicher Kultur sei.

    Ob das so stimmt, bezweifliche ich in einigen Punkten, aber im Grunde hat er nicht Unrecht, denn obwohl Vietnamesisch keinerlei ähnlichkeit mit den indogermanischen Sprachen hat, zu denen unter anderem die germanischen und die romanischen Sprachen gezählt werden, verwendet es das lateinische Alphabet in einer etwas modifizierten Form und ist „phonetisch“, d.h. wenn man die Aussprache der Buchstaben kennt, kann man das Wort im Regelfall korrekt aussprechen.

    Dies geht vor allem auf Einflüsse von katholischen Missionaren und letztendlich die Kolonialisierung durch Frankreich zurück. Đà Nẵng übrigens ist ein, in Bezug auf den Kolonialismus, historisch wichtiger Ort. So wurde es in einer ersten Offensive zur Unterwerfung des Landes von französischen Kriegsschiffen bombardiert. Vorgeblich um auf die Verfolgung zuvor genannter Missionare zu reagieren.

    Die vietnamesische Grammatik ist ebenfalls unheimlich einfach und logisch aufgebaut. Der große Vorteil gegenüber europäischen Sprachen ist, dass weder konjugiert noch dekliniert werden muss, die Sprache wird dann auch als „isolierend“ bezeichnet.
    Aus „Ich esse Reis“ wird immer „Ich essen Reis“. Aus „Ich aß Reis“ wird „Ich Vergangenheit essen Reis“. Nach dem Spanischen mit seinen unzähligen Verbtabellen, bin ich ganz froh, dass ich mich hier nichtmehr darauf konzentrieren muss.

    Die große Schwierigkeit ist allerdings, dass Vietnamesisch „tonal“ ist. D.h. je nachdem in welcher Tonhöhe bzw. mit welcher Tonhöhenveränderung ein Wort ausgesprochen wird, verändert sich auch seine Bedeutung. Hier kann man das ganz schön sehen: https://www.youtube.com/watch?v=9YsyGTvkpZU

    Alleine das Wort „ma“, kann -je nach Ton- wahlweise „Gespenst, Mutter, aber, Reissetzling, Grab oder Pferd“ heißen. Ich als „Pharang“ kann das natürlich nicht wirklich und dementsprechend häufig ist der Anteil von Blödsinn, den ich von mir gebe, wenn ich versuche etwas auf Vietnamesisch zu sagen.

    Von Đà Nẵng aus fuhren wir mit einem Shuttle in das nahegelegene Hội An, das wohl die schönste Altstadt in ganz Vietnam zu bieten hat. Er gilt zudem als berühmteste Scheiderstadt des Landes, so dass wir nicht umhinkamen unser Reisebugdet durch Kleidungskäufe auf eine kleine Zerreisprobe zu stellen. Übernachten sollten wir etwas außerhalb des Zentrums in einem „Homestay“, das eher wie ein Hotel wirkte. Die Familie, die die Herberge betrieb, gab sich alle Mühe, uns den Aufenthalt so angenehm, wie möglich zu machen. Da wir so früh am Morgen ankamen, war unser Zimmer allerdings noch nicht zum Einzug bereit, so dass wir den Tag nutzten, um uns die Stadt anzuschauen.

    Zuallererst machten wir einen Stopp beim Silk-Village, wo wir Einblick in die Seidenherstellung bekamen und verschiedenen Webtechniken vorgeführt bekamen. Unter anderem wurde uns gezeigt, wie die Cham, ihre traditionellen Kleidungsstücke und Assesoirs anfertigen. Mir war auch bisher nicht so recht bewusst, dass man die Raupen auskocht, um an die unbeschädigten Kokons zu kommen. Ich habe daraufhin etwas gegoogelt und einen Artikel aus dem Wall Street Journal über ein Verfahren gefunden, bei dem die Raupen vor der Seidengewinnung schlüpfen dürfen:
    http://www.seidentraum.eu/pdf/taking_the_violen…
    Ob einem das wichtig ist oder nicht, muss man natürlich für sich selbst entscheiden. Ich fand es allerdings ganz schön zu lesen, dass sich jemand intensiv mit dem Thema beschäftigt hat und eine gute Alternative anbieten kann.

    Für den Eintritt nach Hội An selbst, muss man eine Gebühr bezahlen, da die Altstadt unter besonderem Schutz steht. Sie ist sogar UNESCO-Weltkulturerbe und hat diesen Status weit mehr als verdient. Ein altes Holzhaus reiht sich an das nächste. Fast alle beherbergen Geschäfte, was den Zauber zwar ein wenig stört, aber dennoch ganz der Tradition der Stadt folgt, die einst ein großes Wirtschaftszentrum von japanischen und chinesischen Händlern gewesen ist. Demenstprechend vielfältig sind auch die Einflüsse, die auf die Architektur der Stadt gewirkt haben:
    http://whc.unesco.org/en/list/948/gallery/

    Wir verbrachten den Tag in einem Geschäft nach dem anderen und deckten uns mit Kleidung ein, die wir definitv nicht in Indochina tragen würden. Ich zum Beispiel habe mir einen tollen Wintermantel gekauft, von dem ich gleich begeistert war, den ich jetzt wohl aber für ein paar Wochen mit mir herumtragen muss. Am Abend besuchten wir den bunt beleuchteten Nachtmarkt und die vielen Stände und Buden. Dabei probierten wir allerlei regionale Gerichte, wie etwa die knusprigen, gefüllten Reispfannkuchen (Bánh xèo) oder das nur hier erhältliche Nudelgericht Cao lầu, das eine wirklich spannende Herstellungsgeschichte hat: https://asiastreetfood.com/esskultur/cao-lau-nu…

    Ich werde hier meistens etwas irritiert angeschaut, wenn ich mich als „chay“ als Vegetarier oute. Man hat hier, wie in vielen asiatischen Ländern, einen sehr pragmatischen Umgang mit Essen. Fast alles, was weich genug ist, um gekaut zu werden, wird hier auch irgendwo gegessen. Ganz gleich ob es sich dabei um Schlangen, Hunde, bestimmte Baumrinden, scheinbar ungenießbare Wurzeln, Schnecken oder Seidenraupen, von der mir im Silk Village versichert wurde, dass das enthaltene Protein „very nice“ für den Muskelaufbau wäre, handelt.
    Die vietnamesiche Gastfreundschaft ist allerdings so groß, dass sie so einiges daran setzen, besondere Kundenwünsche zu erfüllen. Mit den Glutenunverträglichkeit habe ich sogar Glück, denn fast alle Speisen basieren auf Reis oder Reismehl. Eine Ausnahme bilden hier die berühmten Sandwiches, die mit Bánh mì, also Weizenbrot angefertigt werden.
    Genauso wie die Kaffeeverehrung hier, gehen die überall erhältlichen Baguettes wohl auf den französichen Einfluss zurück. Ähnlich wie bei der vietnamesichen Sprache, gibt es hier einen interessanten Brückenschlag zur europäischen Kultur.

    Am nächsten Tag machten wir einen Ausflug nach Mỹ Sơn, das ganz in der Nähe liegt. Hier sind mehr als 70 Tempel der Cham-Kultur erhalten geblieben. Einige allerdings in recht rudimentärem Zustand, was nicht zuletzt an den Flächenbombardements im Vietnamkrieg liegt. Der Wideraufbau ist ungemein schwierig, weil die Cham eine spezielle fugenlose Bauweise nutzten, die bisher nicht nachempfunden worden ist. Es wird vermutet, dass sie hierzu große Hitze einsetzten.

    Wir hatten, wie bisher immer, einen besonders „witzigen“ Führer, was auf die Dauer etwas anstrengend ist. Man muss sich das in etwa so vorstellen, dass jeder Information ein Witz folgte, über den man dann meist nur aus Verlegenheit gelacht hat. Das Lieblingsthema dieses Führers war der Sexualitätsbezug der Cham-Reliquien. Wir hielten mehrfach vor kleinen Altären, die wahlweise zylinder- oder rautenförmig waren. Eine kleine Japanerin hatte es besonders schwer mit ihm, denn sie verstand sein gebrochenes Englisch nicht, was dazu führte, dass er die Symbolik pantomimisch vedeutlicht hat. Nachdem wir wieder in der Innenstadt abgesetzt wurden – der zweite Teil unserer Tour war eine Bootsfahrt, bei der wir auch einige Wasserbüffel sehen konnten – besuchten wir noch ein paar Museen, antike Stätten und eine traditionelle Musikshow, bevor wir zum Abend nach Hause gingen, um zu entspannen.

    Leider hatten wir nur zwei volle Tage in Hội An eingeplant. Eine Fehleinschätzung, denn man kann hier ohne Probleme eine gute Woche verbringen, wenn man noch ein paar Strandtage und Ausflüge einrechnet.

    Dafür freuen wir uns aber umso mehr auf die Zugfahrt nach Hue, der alten Kaiserstadt Vietnams, die uns über die Wetterscheide zwischen Nord- und Südvietnam führen wird, die auch als Wolkenpass bezeichnet wird.
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