Mauerradweg 2020

May - June 2020
Mit dem Rad entlang des ehemaligen DDR-Grenzverlaufes zu West-Berlin. Read more
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  • Day 1

    Start an der Oberbaumbrücke

    May 30, 2020 in Germany ⋅ ⛅ 14 °C

    1. Etappe: Berlin-Oberbaumbrücke bis Potsdam-Babelsberg; 64,4 km, 04:03 h reine Fahrzeit, 174 Höhenmeter

    Es ist Pfingsten und wir wollen die 3 Tage nutzen und in drei Etappen den Berliner Mauerweg mit dem Rad abfahren. Er führt mit einer Länge von etwas mehr als 170 Kilometer um das einstige West-Berlin herum. In den meisten Abschnitten verläuft die Radroute auf dem ehemaligen Zollweg (West-Berlin) oder auf dem so genannten Kolonnenweg, den die DDR-Grenztruppen für ihre Kontrollfahrten angelegt hatten. Es gibt historisch interessante Abschnitte, in denen wir noch Mauerreste oder Mauerspuren finden, abwechselnd mit landschaftlich reizvollen Strecken.
    Der Weg ist super ausgeschildert; allerdings muss dazu der Blick immer nach oben gehen, denn die Schilder befinden sich in 3,60 m Höhe und stellen so die Oberkante der Berliner Mauer nach.
    Wir hatten die Route schon länger auf unserem Plan, doch irgendwie wollte es bisher nicht klappen 😳. Nun haben wir zwar Zeit, aber Corona könnte uns dieses Mal einen Strich durch die Rechnung machen. Denn eigentlich wollen wir zwischen den Etappen einfach an der Strecke übernachten. Wenn das nicht klappen sollte, lassen wir die Räder eben stehen und fahren mit den Öffis nach Hause, den nächsten Tag wieder zurück und setzen die Tour fort.
    Zur Sicherheit schauen wir aber am Abend vorher kurz auf Booking.com und finden einige Übernachtungsangebote; wird schon klappen 🤓.
    Wir radeln nicht allein. Marcus, unser Ältester, hat mal keinen Dienst und will uns mit seinem Lastenrad begleiten. Das soll gleich die Probe für seine eigene Radreise entlang des Spreeradweges werden. Das Rad ist noch relativ neu und außer der Berliner Innenstadt kennt es noch keine Fernradwege 🤪.
    Wir treffen uns morgens an der Oberbaumbrücke. Hier startet und endet unser Rundkurs - hoffentlich. Von 1961 bis 1989 war die Brücke „Grenzübergangsstelle“ und durfte nur von Fußgängern benutzt werden. Heute ist sie ein Wahrzeichen der Stadt und eine wichtige Verbindung zwischen Kreuzberg und Friedrichshain. Auf den Türmen könnt ihr übrigens den Berliner Bär und den Brandenburger Adler sehen. 1972 war es dieser Ort, an dem ich die erste Begegnung mit der Mauer hatte. Hier kamen wir als DDR-Bürger tatsächlich in die Nähe der Mauer, denn die Stralauer Allee verläuft genau davor und und sie war Einfallstrasse der Staatsgäste vom Flughafen Schönefeld. Ich war damals 10 Jahre alt und hatte als Nicht-Berliner überhaupt nicht verstanden, warum man eine Stadt mit so einer Mauer verschandeln konnte. Hier wollte ich niemals wohnen 😉. Na ja, jetzt lebe ich seit mehr als 30 Jahren in der Stadt und will nicht mehr weg.
    Gleich nach Überquerung der Brücke finden wir den ersten Hinweis auf die Todesopfer an der Berliner Mauer. In der Nacht des 5. Oktober 1961 versuchte Udo Düllick durch die Spree von Ost- nach West-Berlin zu fliehen. Doch bevor er das West-Berliner Ufer erreichte, verließen ihn seine Kräfte und er ertrank. Die West-Berliner Feuerwehr konnte ihn nur noch tot aus dem Wasser bergen. West-Berliner griffen nicht ein, weil sie fürchten mussten, als „Grenzverletzer“ beschossen zu werden. Auch die DDR-Grenzposten leisteten keine Hilfe.
    An insgesamt 29 Standorten entlang des Weges werden wir an die Toten an der Berliner Mauer erinnert. Außerdem werden wir durch Infostelen über die Teilung Deutschlands, den Bau und den Fall der Berliner Mauer und mit Fotografien und Texten über Ereignisse informiert, die sich am jeweiligen Standort zugetragen haben und die die politische Situation sowie den Alltag in der geteilten Stadt in Erinnerung bringen. Vieles davon ist sehr spannend und bedrückend zugleich.
    Das brauchen wir so nie wieder!
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  • Day 1

    Zwischen Treptow und Neukölln

    May 30, 2020 in Germany ⋅ ☁️ 15 °C

    Weiter geht es durch Neukölln und dann entlang des Flutgrabens. Der frühere Grenzstreifen ist hier als Parkanlage gestaltet. Zwischen Treptow und Neukölln windet sich die ehemalige Grenze, die mit einer doppelten Pflastersteinreihe im Boden gekennzeichnet ist, durch ein dicht bebautes Wohngebiet. Auf verschiedenen Infotafeln werden wir an spektakuläre Tunnelfluchten erinnert. Über die Kiefholzstraße und den Grünzug Heidekampgraben, der auf dem ehemaligen Mauerstreifen angelegt wurde, gelangen wir an der Kleingartenanlage Fortuna zum Denkmal für die Maueropfer. Allein fünfzehn Menschen sind in diesem Grenzabschnitt bei Fluchtversuchen ums Leben gekommen, darunter zwei 10 und 13 jährige Kinder.
    Über eine Brücke, die erst nach der Deutschen Einheit wieder aufgebaut wurde, überqueren wir den Britzer Verbindungskanal und erreichen direkt dahinter den Gedenkort für Chris Gueffroy. Die Stele erinnert an den 20-Jährigen, der im Februar 1989 gehört hatte, an der Mauer werde nicht mehr geschossen. Mit einem Freund wagte er deshalb die Flucht und wurde acht Monate vor dem Mauerfall zum letzten Maueropfer.
    Wir folgen dem Britzer Verbindungskanal und weiter dem Teltower Kanal. Dieser mit 13 km längste ehemalige Grenzabschnitt im Bezirk Treptow ist super schön zu fahren, führt teilweise entlang der A 113 (gut abgeschirmt) bis zum Wissenschaftspark Adlershof.
    Wir halten uns dort nicht lange auf und überqueren den Teltowkanal. Jenseits des Kanals ist noch ein längerer Abschnitt der hinteren Sicherungsmauer (Hinterlandmauer) am Originalstandort erhalten. Große Teile des ehemaligen Grenzstreifens zwischen Teltowkanal und Waltersdorfer Chaussee wurden mit der Autobahn 113 überbaut, andere als Landschaftspark Rudow/Altglienicke angelegt.
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  • Day 1

    Von Schönefeld bis zur Kirschblütenallee

    May 30, 2020 in Germany ⋅ ☁️ 18 °C

    Durch den Landschaftspark fahren wir Richtung Schönefeld. Südlich der Rudower Höhe, die einmal eine Mülldeponie war, verlief von einer Radarstation der US-Streitkräfte ausgehend der Berliner Spionagetunnel zur Schönefelder Chaussee in Altglienicke im ehemaligen sowjetischen Sektor. Der Tunnel verschaffte dem amerikanischen und britischen Geheimdienst Zugang zu jenen Telefonkabeln, die von den sowjetischen Streitkräften in der DDR für ihre interne Kommunikation genutzt wurden. Bis zu seiner Entdeckung im April 1956 war der Tunnel 11 Monate in Betrieb und zeichnete rund 440.000 Gespräche auf ca. 50.000 Tonbandspulen auf. Die Bänder wurden täglich in die USA und nach England geflogen, wo die Informationen von etwa 600 Mitarbeitern ausgewertet wurden.
    Wir radeln durch unbebautes Gebiet und größtenteils auf dem noch erhaltenen Kolonnenweg der Grenztruppen, passieren Großziethen (mit Blick auf die Gropiusstadt) und lernen, dass der West-Berliner Abfall hier deponiert wurde. Es ist Zeit für die Mittagspause und in der „Märkischen Landfrau“ bekommen wir auch ein leckeres Essen im Außenbereich.
    Kurz darauf erreichen wir Lichtenrade.
    Die Strecke bis Lichterfelde ist eine der schönsten Abschnitte des gesamten Mauerwegs. Wir kommen am Areal der so genannten Geisterstadt "Parks Range" vorbei. Bis Anfang der 1990er Jahre wurde das 110 Hektar große militärische Sperrgebiet von der US Armee als Truppenübungsplatz genutzt. Von den Gebäuden und Straßen, in denen die Soldaten den bewaffneten Häuserkampf trainierten, ist nichts mehr zu sehen. Auf dem Areal sollen wohl Wohnungen gebaut werden.
    Hier macht der Mauerweg eine scharfe Rechtskurve (der sogenannte Mauerknick) und es beginnt eine der längsten Kirschbaumalleen zur Erinnerung an die Deutsche Einheit. Die 850 im Jahre 1995 gepflanzten Kirschbäume und die erklärende Hinweistafel wurden von japanischen Bürgern zur Freude über die Deutsche Einheit gestiftet. Insgesamt sind es heute 9.000 Kirschbäume, die verteilt am Grenzstreifen gepflanzt wurden.
    Alljährlich findet hier auch ein Kirschblütenfest statt.
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  • Day 1

    Teltow, Kleinmachnow bis Babelsberg

    May 30, 2020 in Germany ⋅ ⛅ 17 °C

    Wir verlassen Lichterfelde und radeln entlang des Teltowkanal am Stadteingang Teltow vorbei nach Kleinmachnow. Im Waldcafe leisten wir uns Kuchen und Kaffee bei tollem Wetter auf der Terrasse. Teltow haben wir ausgelassen und uns vorgenommen, bei nächster Gelegenheit die 1994 rekonstruierte Altstadt und die Stadtkirche (von Friedrich Schinkel 1810 bis 1812 umgestaltet) zu besuchen.
    Wir überqueren den Teltowkanal über die Knesebeckbrücke, fahren entlang der ehemaligen Stammbahn nach Zehlendorf. Bis zum Kriegsende verband die Stammbahn den Potsdamer Personenbahnhof in Berlin mit der Stadt Potsdam. Mit der 1838 als erste Eisenbahn Preußens errichteten Bahn fuhr das Großbürgertum aus den Villenkolonien Wannsee und Zehlendorf in die Innenstadt.
    Wir lassen den ehemaligen Kontrollpunkt Dreilinden, den Waldfriedhof Stahnsdorf und den alten Grenzübergang Drewitz links bzw. rechts liegen und treffen an der A 115 auf das ehemalige sowjetische Panzerdenkmal, das nach dem Mauerfall 1992 von Eckhard Haisch in ein Kunstwerk verwandelt wurde. Statt des Panzers steht nun eine rosa Schneefräse sowjetischer Bauart auf dem Sockel.
    Entlang des Königswegs gelangen wir am Bahnhof Griebnitzsee vorbei nach Babelsberg. Vom Bahnhof führt ein Stichweg zur West-Berliner Exklave Steinstücken. Sie gehörte mit ca. 200 Bewohnern zum amerikanischen Sektor Berlins, lag aber im Gebiet der DDR. Symbolisch wurden dort drei Militärpolizisten der US-Army stationiert und die US Air Force hielt für die Luftverbindung mit der Exklave einen Hubschrauber bereit.
    Als wir das Potsdamer Ortseingangsschild passieren, suchen wir zunächst über die üblichen Buchungsportale nach einem Nachtquartier. Es gibt keine freien Betten in der Nähe, also ruft Heike die nächstgelgene Unterkunft aus dem Radführer an. Die kleine Pension hat eigentlich auch nichts für 3 Personen frei, bietet uns dann aber ein kleines Ferienhaus im Garten für die Nacht an, und das zu überaus moderaten Bedingungen eines Doppelzimmers mit Frühstück. Herzlichen Dank an die Betreiber der Apart-Pension Babelsberg :-)
    Ein letzter Aufbruch mit dem Rad zum nächstgelegenen Supermarkt und unser Abendessen auf der Terrasse ist gesichert. Den Abend lassen wir bei Spiel, Fernsehen und Wein ausklingen, dann fallen wir todmüde in die sehr bequemen Betten.
    Gute Nacht.
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  • Day 2

    Von Griebnitzssee nach Sacrow

    May 31, 2020 in Germany ⋅ ☁️ 17 °C

    2. Etappe: Potsdam-Babelsberg bis Hennigsdorf; 60,5 km, 03:57 h reine Fahrzeit, 332 Höhenmeter

    Ausgeruht und nach einem üppigen und tollen Frühstück schwingen wir uns wieder auf unsere Drahtesel und folgen heute der Westroute der ehemaligen Grenze - entlang der Havelseen nach Norden bis nach Hennigsdorf.
    Als Ersatz für den durch Anwohner gesperrten Postenweg am Griebnitzsee verläuft der Mauerweg durch die Karl-Marx-Straße. Am sogenannten "hohen Ufer" reihen sich historische und architektonisch bedeutsame Villen aneinander. Vor dem 2. Weltkrieg mussten
    viele wegen ihrer jüdischen Herkunft die Villen verlassen und emigrieren. Teilweise übernahmen Nazigrößen die zurückgelassenen Anwesen. Während der Potsdamer Konferenz 1945 wohnten hier Staatsmänner wie Truman, Churchill und Stalin.
    Über die Parkbrücke überqueren wir den Teltowkanal und erreichen Klein Glienicke, eine Exklave der DDR (Sondersicherheitszone) auf West-Berliner Gebiet und war vollständig von der Berliner Mauer umgeben. An der engsten Stelle war Klein Glienicke von Grenze zu Grenze nur 15 Meter breit. Die Parkbrücke war zu DDR-Zeiten der einzige Zugang, denn die angrenzenden Schlösser und Gärten sowie der Böttcherberg waren West-Berliner Gebiet. Es gab immer wieder Überlegungen für einen Gebietsaustausch, der aber nicht zustande kam.
    Im Jahr 1973 fand durch einen 19 Meter langen, nur mit Kinderschaufel und Spatenblatt vom Keller ihres Hauses gegrabenen Tunnels, die letzte erfolgreiche Tunnelflucht aus der DDR statt. Wegen des hohen Grundwasserspiegels galt das Grundstück laut „Grenzsicherungsplan“ als „nicht tunnelgefährdetes Gebiet“ und wurde nur sporadisch kontrolliert. Dass der Grundwasserspiegel in Hitzeperioden erheblich sinkt, hatten die Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit allerdings nicht bedacht.
    Auf der Königstraße fahren wir zur berühmten Glienicker Brücke. Als „Grenzübergangsstelle Potsdam“ durfte sie nach dem Mauerbau nur von Mitarbeitern der west-alliierten Militärverbindungsmissionen, Privatpersonen mit Sondererlaubnis und später auch von in der DDR akkreditierten Diplomaten genutzt werden. Den Ruf als „Agentenbrücke“ hat die Glienicker Brücke 1962 durch den Austausch des KGB-Agenten Rudolf Abel gegen den amerikanischen Pilot Francis Powers erhalten, der während eines Spionageflugs über der Sowjetunion abgeschossen worden war. Nach dem Tausch kam es nur noch 1985 und 1986 zu vergleichbaren Aktionen. 1989 war die Glienicker Brücke eine der beiden ersten zusätzlichen Übergangsstellen, die schon am Tag nach dem Mauerfall geöffnet wurden.
    Wir überqueren die Brücke und folgen der Potsdam-Route, eine der beiden Umfahrungen der ehemaligen Grenze, die hier in der Mitte der Havelseen verlief. Mit einem kurzen Blick auf das Schloss Babelsberg und vorbei an der Villa Schöningen, zieht es uns weiter zum und durch den Neuen Garten. Die Schwanenbrücke dorthin ist wegen Bauarbeiten gesperrt und wir müssen einen kleinen Umweg fahren. Die Eremitage, Muschelgrotte und Schloss Cecilienhof (dem Tagungsort der Potsdamer Konferenz) passierend, kommen wir zur Meierei. Leider noch nicht geöffnet und damit wohl noch zu früh für eine Radlerpause. Unvorstellbar, dass das alles Niemandsland war und die Grünflächen Beton und Sand weichen mussten. Wir radeln immer am Ufer des Jungfernsees entlang, umrunden Lehnitzsee und Krampnitzsee, um auf der anderen Seite des Jungfernsees auf die Heilandskirche Sacrow zu treffen. Die aufgrund ihrer Lage und ihres Stils außergewöhnliche Kirche wurde 1844 errichtet. Friedrich Wilhelm IV. wünschte sich eine Kirche in italienischem Stil mit freistehendem Glockenturm. Nach Skizzen des Königs wurde sie von seinem Architekten Ludwig Persius gebaut. Seit 1961 lag sie im Bereich der Berliner Mauer im Niemandsland und erlitt in dieser Zeit erhebliche Schäden. Nach der Wende wurde sie in den 1990er Jahren restauriert. Die Heilandskirche ist Teil der Weltkulturerbestätte Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin und steht seit 1992 unter dem Schutz der UNESCO. Heute ein wunderschöner Komplex, in dem auch wieder Gottesdienste abgehalten werden.
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