Katalonien per pedes

March 2018 - April 2024
An open-ended adventure by Sören Read more
  • 12footprints
  • 1countries
  • -days
  • 33photos
  • 0videos
  • -kilometers
  • Es geht los!

    March 18, 2018 in Spain ⋅ 🌙 8 °C

    Endlich, ein wenig angespannt, mache ich mich auf die 12-Tagestour, die ursprünglich mal nur 9 Tage dauern sollte und mich hätte nach Andorra führen sollte. Auf dem GR11 wollte ich zumindest die ersten Etappen machen und mich dann in Andorra mit Claudia & Cara treffen. Alles Bullshit, in den Pyrenäen liegt so viel Schnee wie seit Jahren nicht mehr und die Temperaturen sind kontinuierlich unter 0 Grad in größeren Höhen. Ach ja, es geht dabei mehrmals bis kurz unter 3000 m... Der Hütenwart vom Refugio Ulldeter hat mir ein paar Bilder geschickt und meinte dann so sinngemäß, dass ich das mit Steigeisen und Schneeschuhen sicherlich schaffen würde. Also, dumme Idee, was nun?
    Der Plan ist jetzt also 4 Etappen GR11 von Cadaques aus und am 5 Tag nach Süden abbiegeg, evtl. bis Barcelona zurück. GR1, 83, 2 und schließlich etwas GR92 - erstaunlich wie dicht das katalonische Wanderwegnetz ist.
    Überhaupt, die katalanischen Wanderer...ich werde viel Zeit haben über alles nachzudenken: Die Tour mache ich alleine, sie wird zu großen Teilen durch ziemlich verlassene Gegenden führen, und dazu habe ich noch ein paar "wilde" Übernachtungen im Zelt vor. Genug Zeit mal über vieles nachzudenken, loszukommen und vor allem den extremen Stress der letzten 3 Wochen hinter mir zu lassen.
    Der Rucksack ist jedenfalls gepackt (hoffe ich), die aktuelle Form so bestens Mittelmaß, und der Rest naja, wird sich halt hoffentlich ergeben. Falls meine Knie mitspielen (hoffentlich), ich meine erste längere Solo-Tour richtig geplant habe (hoffentlich) und auch das Wetter in den Bergen mitspielt (sicherlich, wir sind ja in Spanien, haha), könnte das was werden. Also, auf gehts nach Llanca, 27 KM, die erste Etappe.
    Read more

  • Tag 1 - Von Cap de Creus nach Llanca

    March 18, 2018 in Spain ⋅ ⛅ 12 °C

    Also, da war nun der Plan: 10 oder 12 Etappen, a hängig vom Wetter, meinen Knien, ob am Ende eine Unterkunft bereit stehen würde usw. Aber ohne den ersten Schritt wird es nicht klappen. Also gehts los...
    Wir fahren gemeinsam zum Far del Cap de Creus, eine Mondlandschaft um den Leuchtturm herum, tolles Wetter aber auch sehr windig. Die Schaumkronen auf dem Wasser deuten auf mindestens Windstärke 7, zwischen 5 und 6 Windstärken werden mich dabei den ganzen Tag noch begleiten. Ziemlich alleine unterwegs werde ich 15 Minuten nach dem Start von so einer Truppe Mountainhiker überholt, die ich erst zwei Stunden später aus den Augen verlieren soll.

    Ja...die katalanischen Wanderer, das ist schon eine seltsame Mischung. Auf der einene Seite gibt es die einfachen Wanderer, die, sobald es steiler wird, umkehren und zum Auto zurücklaufen. Und dann gibt es da die Extremen, die in Neopren-Fußlingen den Berg raufrennen, wo ich mein Mountainbike nur noch runtertragen kann, weil es mir zum Runterfahren zu steil ist. Und dazwischen: Fehlanzeige. Der Genußwanderer, den wir aus Österreich kennen, der gerne mal einen halben oder ganzen Tag gemütlich unterwegs ist, zwischendurch in Almen auf eine Brotzeit und einen Selbstgebrannten einkehrt: Fehlanzeige. Wo auch immer wir waren in Spanien, den gibt es nicht. Und wahrscheinlich liegt das eben an jender Infrastruktur, die in Spanien so ganz anders funktioniert. Während in den Alpen im Sommer die bewirtschafteten Almen und auch Hütten das Rückgrat einer ganzen Freizeit-Industrie bilden, greift man in Spanien auf Bars zurück. Almen gibt es schlicht nicht, eine Bar dafür in fast jedem Kaff (spanisch auch "pueblo" ;-)) Das kleinste Dorf hat zudem mindestens auch noch drei Wasserbrunnen, zwei oder drei Plätze oder Miniparks zum Ausruhen und nicht selten wenigstens ein Restaurant. Man tut also gut daran, Wandertouren durch Dörfer zu planen und nicht einfach in die Landschaft hinein. Habe ich am Anfang auch gemacht, aber gelernt, dass das hier ein Fehler ist.

    Und so habe ich auch die Tour entlang des GR11 mit den Haltepunkten auf Dörfer gelegt und beziehe dort jeweils Nachquartier.
    Bevor ich heute nach rund 27 KM ankommen werden, werde ich aber noch viel Leiden müssen, dazu später mehr.
    Die Radaranlage auf dem Puig de'l infern bleibt fast den ganzen Tag mein sichtbarer Fixpunkt. Erst vor mir, dann links von mir, dann hinter mir, aber in jeder Kurve des Weges sichtbar begleitet sie mich bis hinter Port de la Selva. Hier meldet sich mein linker Fuß langsam, der Rucksack beginnt zudem zu drücken und der Wind pfeifft dermaßen scharf in die Bucht, dass ich meine Jacke bis zum Anschlag zuknöpfe. Nach grade mal 20 KM überlege ich kurz, ob ich angesichts des Pochens im Linken Fuß (Blasenalarm!) nicht lieber den einfachen GR92 nach Llanca wählen soll, immer am Wasser entlang. Der Schweinehund verliert jedoch und 550m Aufstieg zum Monestir Sant Pere de Rodes beginnen. Anfangs noch Wirtschaftsweg verwandelt sich der Weg dann nach ein paar KM in die Hölle für mich. Irgendein Vollhorst hat rund 300 Höhenmeter des letzten Anstiegs praktisch senkrecht in den Berg gelegt, es geht über eingefallene Trockenmauer, Geröllhalden und ausgesetzte Stellen alle paar Meter auf eine neue Serpentine. Ich fluche laut und mache 50 m vor dem Ende des Aufstiegs eine Pause. Nichts geht mehr, ich bin einfach nur noch außer Atem. Einen Energieriegel und 15 Minuten später geht es weiter, kurz darauf am Kloster, immer wieder beeindruckend. Wenn ich hier mit einer Top-Ausrüstung, alles irgendwie "ultra light", schon so fluche, wie hat man dann wohl diesen Riesentrum von Kloster mitten da oben in die Berge gebaut...? Und das ist das schöne am Wandern: Regelmäßig wird einem brutalstmöglich klar gemacht, dass die eigenen Probleme winzig im Vergleich zu anderen Dingen sind, egal wie groß sie einem erscheinen mögen.
    Der Abstieg nach Llanca hat es nochmal in sich, rund 2 Stunden für grade mal 7 KM bergab über Stock und Stein erfordern vollen Einsatz der Wanderstöcke. Die Zehen im Linken Fuß kreischen langsam, aber dann bin ich auch schon da.
    Der Abend wird nach dem ausführlichen Bad sehr unterhaltsam. Ich lerne Michael aus Oldenburg kennen, der zusammen mit mir die Hälfte der Gäste im kleinen Hostal del Sol ausmacht. Wir treffen uns per Zufall später nochmal vor der Pizzeria ein paar Straßen weiter und beschließen beide, dass das mangels Alternativen im näheren Umfeld sicherlich eine gute Wahl sei. Und nur der Vollständigkeit halber: Es war tatsächlich eine gute Wahl, ein Hoch auf die spanischen Restaurants!
    Read more

  • Ausrüstung: Ein Nerd unterwegs

    March 18, 2018 in Spain ⋅ ⛅ 11 °C

    Meine Wanderausrüstung ist eigentlich ganz einfach und vermutlich nichts besonderes: Wohnen, Kleidung, Essen und Tools. Ich werde im folgenden die "Tools" vorstellen, die rund 1.2 KG der insgesamt 15 KG, 4 Liter Wasser und Verpflegung eingerechnet, einnehmen. Natürlich, denn meine Tochter legt regelmäßig Wert drauf, dass ich ein Nerd bin also...
    Ein USB-Schnellader mit zwei Kabeln für Mikro- und Typ C-Anschluss. Alle Geräte, die ich dabei habe weisen genau einen der beiden Anschlüsse auf. Das Headlight "Actic" von Petzl hat einen Lion-Akku mit Mikro-USB Anschluss eingebaut. Das ist mir lieber als die Version mit 3x AAA-Batterien, denn die muss man entweder neu kaufen oder noch ein Ladegerät dabei haben. Die Powerbank mit 6500 mAh habe ich mir von Cara ausgeliehen. Aber Moment, es ist doch schon März, wofür Powerbank und Headlight? Ich plane mindestens zwei wilde Übernachtungen, eine im Wald, eine am See. D.h. Abends ab kurz nach sieben wird es im Moment dunkel und die Powerbank lädt eben das Handy wieder auf. Mein neues Armor 2 hat zwar am Ende eines Tages doch noch so um die 55% Akku, aber für zwei volle Tage mit Telefonieren, ein bischen Emal und WhatsApp am Abend wirds eben zu knapp.
    Der Tolino ist ein Luxusgegenstand, zugegeben. Gestern und heute habe ich ihn auch nicht gebraucht, aber vielleicht kommen nochmal ein paar Abende, wo es eher ruhig zugeht.
    Die Tastatur ist extrem cool, ich könnte Euch sonst von unterwegs gar nicht so zuschwafeln ;)) Rund 120g in eine 3-fach faltbare Tastatur mit gutem Druckpunkt, QWERTZ-Layout mit Umlauten und Bluetooth mit eigenem Akku für gerade 18 EUR sind schon ein echter Geheimtip.
    Last but not least mein Handy vom Typ "Ulefone Armor 2". Jaja, das sieht auch so aus, wie es heisst, aber es scheint auch wirklich "kaum-kaputtbar" zu sein und hat zudem einen Akku, der fest doppelt so groß ist, wie der der meisten anderen Handys. Das Gewicht von rund 240g ist auch nicht ohne, aber der Nerd-Faktor wiegt das wieder auf...dank GPS-Empfang mit dem Glonass, GPS und dem chinesischen Beidou ist zudem die Ortungsempfindlichkeit extrem gut - und genau dass kann ich als OutdoorHandy sehr gut gebrauchen.
    Bis auf das Handy, was ich immer am Mann trage, wird der Rest in einem leichten Säckchen vom schwedischen Möbelhaus verstaut, noch so ein Geheimtipp...
    Read more

  • Tag 2 - Durchs Wilde Katalonienstan...

    March 19, 2018 in Spain ⋅ ⛅ 11 °C

    Gestern Abend war mir ehrlich gesagt noch nicht zu 100% klar, ob es einen Tag 2 geben würde. Die Tragestellen vom Rucksack taten unglaublich weh und mein linker kleiner Zeh hatte sich in eine riesige rote Weintraube verwandelt, deren Inhalt bei Aufstechen den halben weiss gekachelten Boden besudelte. Hier sollte sich die wegen unserer Immoilienhektik etwas zu kurze Vorbereitungszeit deftig rächen...
    Der Rucksack: Hatte ich mir neu gekauft, Fassungsvermögen bis zu 60l bei einem Gewichtvon nur rund 1150g. Dumm nur, dass ich ihn noch nicht eingestellt hatte (zu wenig Zeit, vergessen) und ich dann abends eine schmerzende Quittung dafür bekam.
    Die Füße: Da hatte ich mir extra drei Paar Merino-Socken vom Globetrotter gegönnt. Dumm nur, dass die viel dicker als meine normalen Wanderstrümpfe sind und ich vergessen hatte, die Schnürung anzupassen. Trotz abtapen aller "üblichen" Stellen, hatte ich bereits am ersten Tag ein halbes Dutzend Blasen an beiden Füßen, wobei es den linken kleinen Zeh extrem böse erwischt hatte.
    Andere kleinere Dinge hatte ich auch noch verbaselt, aber das war vergleichsweise unkritisch. Mir fehlte bspw. meine 2. Minitube Duschgel, da ich durch tägliches Waschen einiger Klamotten mehr Duschgel als sost brauchen würde, aber egal, muss man sich halt bei den Hotels schadlos halten ,-)
    Nachdem ich mich von Michael verabschiedet hatte ging ich erstmal zu einer farmacia, ein Päcken Ibuprofen und Fettsalbe (für die Füße/Zehen abends zum Einreiben) kaufen. Es ging dann sehr schnell wieder auf den GR11 und der Weg, der dann folgen sollte, war Balsam für den Körper: Eher stetige, sanfte und lange Aufs und Abs wechselten sich den ganzen Tag lang ab. Wirtschaftswege, teilweise auch neben oder auf der Landstraße. Sonst hätte ich das eher langweilig gefunden, heute aber konnte ich das so richtig genießen. Bei lediglich 800 Höhenmeter und ein IBP von 91 konnte ich die ersten 20 KM gut durchlaufen und genoß die Stille: Der Wind hörte, einmal entfernt von der Küste, fast vollständig auf zu wehen, die Sonnne blinzelte ständig zwischen den Schönwetterwolken im blauen Himmel und nach kurzer Zeit war die Jacke verstaut im Rucksack und die Ärmel wurden hochgekrempelt. Herrlich, wie ein Frühsommertag im Mittelgebirge! Gleichzeitig die totale Einsamkeit. In hatte immer wieder Abschnitte von einer Stunde oder mehr, wo ich keiner Menschenseele begegnete. Die Landschaft war hügelig/bergig, karst bewachsen mit Büschen, wilden Korkeichen und ab und zu blitzte auch mal ein Eukalyptus durch. Bei KM 16 erreichte ich Sant Quirze der Colera. Ein wirklich dusteres Gebäude, ein ehemaliges Kloster, inmitten eines unwirtlich scheinenden Taleinschnitts. Mich erinnerte das sofort an den Film "Die purpurnen Flüsse", da die ganze Szenerie so unwirklich und bedrohlich wirkte, tauchten doch unvermutet mitten im Nichts so ein paar riesige, dunkel eingefärbte Steingebäude auf.
    Der Aufstieg auf den kleinen Pass hinter Sant Quirze war zwar malerisch durch die umgebende raue Landschaft, aber oben angekommen hatte ich wieder meine zwei Minuten. Fluchend setzte ich mich auf den ersten verfügbaren Steinhaufen, setzte meinen schwerzenden Rucksack ab und zog meinen linken Schuh aus. Mein linker kleiner Zeh war unter dem Tape erneut auf Weintraubengröße angeschwollen und ich lockerte erneut die Schnürung im vorderen Bereich. Die erste Ibuprofen war fällig, überfällig eigentlich, dazu eine Portion meiner "Notnahrung" (dazu in den nächsten Tagen mehr) und eine halbe Wurst, die mir Claudia noch schnell in den Rucksack gesteckt hatte. Eigentlich wollte ich die Wurst nicht mitnehmen, aber Claudia überhörte einfach meine Proteste und verstaute sie für mich. Hammer, mit Blick auf die ersten Ausläufer der Pyrenäen, Schnee auf nur 800 m praktisch in Gehweite und dieser Wurst in der Hand - viel mehr Glück geht nicht. Liebe Claudia, danke dass Du mich einfach überstimmt und einfach meine Meckerei überhört hast!
    Die letzten 10 KM nach Espolla waren dann reines Kilometerfressen, ständig in einem leichten Auf und Ab, mehr Ab als Auf allerdings, ging es überwiegend an einer Landstraße entlang. Wurst, Proteinriegel und Ibuprofen taten ihren Dienst und ich war relativ zügig in Espolla, wo ich in Can Salas dann der einzige Gast des Tages sein sollte.
    Zwar bin ich nach 29 KM erneute ein wenig fertig, konnte mich aber nach der Dusche nochmal auf die Suche nach einer Bar machen und bin zudem guter Dinge Morgen für den dritten Tag, den Weg nach Jonquera.
    Read more

  • Mein Tier-Totem

    March 20, 2018 in Spain ⋅ 🌬 4 °C

    Ich hatte ja schon von dem einschneidenden Tag heute erzählt. Was ich noch nicht erzählt habe ist, dass ich wohl mein Tiertotem gefunden habe...
    Mich hat die Spur eines Huftieres den Berg hoch durch Schnee und Sturm bis zu dem entscheidenden Wegweiser geführt. Natürlich hätte ich ohne mein kälte.gekilltes Handy jederzeit umkehren können, aber das Totemtier hat mir die Spur gewiesen und ich habe mich drauf eingelassen.
    Ich bin kein goßer Tierkenner, aber insgeheim hoffte ich beim Austieg natürlich, dass es ein edler Hirsch oder vielleicht eine Bergziege sein würde. Anhand der Hinterlassenschaften muss ich aber nun doch korrigieren, vermutlich ist es eine berggänige Kuh gewesen, die wir ja auch aus Österreich zu Genüge kennen: Mitten am Berg, die steilste Stelle überhaupt, steht eine Kuh und guckt interessiert, wer da um die Ecke biegt...
    Gesehen habe ich sie nicht, aber auch einer Kuh bin ich heute dankbar, mein neues Totem-Tier ,-)))
    Read more

  • Der Winter ist zurück - mit aller Gewalt

    March 20, 2018 in Spain ⋅ 🌬 7 °C

    Zur heutigen Etappe etwas zu schreiben fällt mir schwer - sie liegt auf der Skala meiner ganz persönlichen Erfahrungen in der Natur wohl auf Platz 1 - und ich kann mir nur schwer vorstellen, dass da mal was in der Platzierung davor kommen wird. Aber fangen wir mal früh morgens an...

    ...da wache ich nämlich um kurz vor sechs auf, aha der Wind rüttelt am Haus und allen beweglichen Teilen. Das ist ungewöhnlich, bedingt durch die Thermik des Tages ist es normalerweise um diese Zeit ruhig und steigert sich nach Sonnenaufgang bis zum Tagesmaximum gegen 14 Uhr. Ich döse wieder ein, wache aber ständig wieder von den Geräuschen auf. Der Padron des Hauses, selbst ein passionierter Wanderer meint etwas von "tonto" (verrückt) aber sagt auch, dass ein Deutscher heute die Etappe wohl hinbekommen würde, die seien den Umgang mit dieser Art des Wetter ja gewohnt.
    Ich lasse das mal so stehen, mir ist ja noch nicht klar, was mich erwartet. Kaum aus dem Haus der erste Schock, ich werde beinahe vom Wind in der Gasse zwischen den Häusern umgepustet, und kalt ist es noch dazu; maximal 5 Grad. Mein erster Abschnitt bis zum Puig del Mig in ca. 800 m Höhe hat ca. 10 KM Länge, 650 Höhenmeter Anstieg, die relativ gleichmäßig über Wirtschaftswege verlaufen sollen. Bei Els Vilars wird mir nach einer Stunde klar, dass ich falsch angezogen bin; egal wie, ich komme nicht auf Betriebstemperatur. Glücklicherweise ist kurz hinter Els Vilars ein winziger Unterstand aus Steinen und ich ziehe mich beherzt im Wind um: Mein langärmeliges Merino-Base kommt unters Hemd und ein Unterhemd funktioniere ich kurzerhand als Schal um. Eine lange Unterhose fehlt in meinem Kleidungsvorrat, naja, die Beine sollen sich halt warmlaufen. Inzwischen muss ich immer wieder unglaublich gegen den Wind ankämpfen. Mal reisst er mir die Kapuze vom Kopf, mal wirft er mich links oder rechts fast vom Weg runter. Bei nichtmal 300 Metern Höhe fängt eine leichte Schneedecke an, sich zu bilden und der Schnee haftet an den Stämmen der Korkeichen. 300 Meter - ich will heute noch auf über 800 rauf! Der Pass neben dem Gipfel auf den ich muss, liegt momentan in den Wolken, der Himmel ist Grau und der sturm fegt um mich herum ständig Schneeböen vor sich her. Mir wird ein wenig anders, aber da der Weg gut ist, geht es weiter bergan. Ab ca. 400 Meter stapfe ich den Spuren von...keine Ahnung. Irgendein Tier hat sich den Wanderweg nutzend langsam nach oben gearbeitet. Ich folge dem Weg und der Spur und komme schließlich kurz vor dem Puig an eine Weggabelung.
    Das größte Problem heute sollte der Schnee an den Stämmen und auf den Steinen werden: Die Wegmarkierungen sind oft kaum zu sehen und ich muß viel öfters als sonst mein Handy mt Karte konsultieren. Und da kommt der erste Schock des Tages: Ich habe es auf der Luv-Seite an einer Außentasche meiner Hose getragen und offenbar hat der Windchill Akku, Display oder was auch immer gekillt - auf jeden Fall stehe ich ohne Karte und ohne Wegmarkierungen mitten im Sturm im Schnee.
    Manchmal hilft einfach nur Gottvertrauen - oder Umkehren. Ich vertraue darauf, dass das Tier, dessen Spuren immer noch sichtbar sind, nach wie vor dem Wanderweg folgt und laufe dess Spuren hinterher. Der Schnee ist inzwischen zwischen 30 und 50 cm tief, darauf war ich nicht annähernd vorbereitet. Auf der Anhöhe vor dem Puig wirft mich der Wind dann in eine Schneewehe, einfach so. Ich stehe verdattert auf und werde mich den Rest der Anhöhe so eine Art kriechenden 4-Füßlergang mit Stöcken entlang hangeln. Da der Wind sicherlich mit 120 KMh von rechts kommt, torkele ich ziemlich im Kapf darum, das Gleichgewicht zu halten. Von Außen betrachtet würde ich mal sagen, wenigstens 1 Promille... Ab und zu ist rot-weiß zu sehen, die Markierung des GR11 - und die Tierspur immer schön entlang.Auf einmal bin ich in Lee, der Wind hört fast schlagartig auf und der Schnee wird in Verwehungen bis zu einem Meter tief. Die Tierspur biegt plötzlich in eine Richtung in den Wald ab, die definitiv nicht meine ist. Tja....ich laufe noch 100 Meter weiter und begrüße mit einem Jubelschrei den ersten Wegweise seit heute morgen in Espolla. Von hier an ist der Weg wieder halbwegs gut zu finden, es geht gemäßigt leicht bergab Richtung Requesens. Es wird wärmer, die Sonne lugt ab und zu zwischen den Wolken raus und das Castell Requensens erscheint plötzlich hinter einer Kurve. Ich bin völlig baff; gerade noch so eine existentielle Erfahrung, plötzlich eine riesige Burg, gefühlt mitten im Nichts. Kurz drauf, hinter der Fince del Requesens treffe ich eine deutsch-spanische Chica (welch Zufall!), die mir noch schnell das Highlight des kommenden Weges erklärt: Ein Flugzeugwrack fast direkt am Weg. Es soll allerdings noch über 1 1/2 Stunden dauern, bis ich dran vorbei laufen. 1986 ist es abgestürzt und offenbar als Attraktion hinreichend originell, um nicht weggeräumt zu werden. Man kann rein-, rum- oder draufklettern, aber das ist mir heute egal, ich mache ein Foto und will nur noch bis zum Ziel durchwandern.
    Der Aufstieg zum zweiten Berg, diesmal geht es wirklich zum Gipfel rauf, ist wieder eine einzige Torkelei. Jedesmal wenn nach einer Kurve am Berg der Wind von Lee nach Luv wechselt, ist eine regelrechte Ohrfeige fällig. Rund eine halbe Stunde vor dem Coll dˋl Auleda reisst der Himmel jedoch endgültig auf, knallblau, und mit einem unglaublichen Panorama sehe ich die Landschaft vor mir. Die Pyrenäen stürzen hier rund 30-40 KM vor dem Mittelmeer einfach zu Boden und die gesamte Tiefebene von Roses, die Halbinsel bei Cadaquesc und sogar das Montseny-Massif tauchen auf. Wow, das sind die Moment wofür sich ein solcher Tag schon lohnt!
    Oben auf dem Coll komme ich allerdings nochmal herzlich ins Fluchen. Auf dem Berggipfel muss ich mich teilweise an den den Steinen festhalten um nicht weggeweht zu werden. Entsprechend langsam komme ich voran und auch der dann folgende Abstieg ist sehr mühselig. Ginster links und rechts, Dornensträuche und anderes Gewüchs schlagen einem durch den Wind getrieben immer wieder ins Gesicht. Ich bin froh, keine meiner Kontaktlinsen zu verlieren, die wäre hier unweigerlich verloren. Der Weg befindet sich über die Hälfte des Abstiegs in einer steilen, ausgewaschenen Rinne, die mit Schnee, Matsch, Wasser, Steinen und losgerissenen Pflanzen gefüllt ist. Das ist einfach nur noch mühselig und nach weiteren 2 Stunden erreiche ich völlig ausgepowert La Jonquera. Der Ort dient leider nur der Autoahnverbindung zwischen Frankreich und Spanien und hat damit in etwa den gleichen Charme wie eine zu groß geratene Autobahnraststätte. Der Padron von Can Sala hatte mir die Pension Marfil empfohlen, die ich tatsächlich schnell finde. 30 EUR sind ein super Preis, die Unterkunft ist einfach und ich verbringe, inzwischen spüre ich die Kälte deutlich, die nächste Stunde in der Sitzbadewanne und heize meinen Körper wieder auf Normaltemperatur auf.

    Den heutigen Tag vernünftig in Worten zu verarbeiten fällt mir immer noch schwer. Es waren teils gefühlt recht existenzielle Momente, wo das gewöhnliche, rationale Denken irgendwie stoppt und man nur daran denken kann, die nächsten Sekunden über die Bühne zu bringen. Das wechselt dann plötzlich mit Glücksgefühlen ab, wenn man plötzlich in der Sonne durch knietiefen Pulverschnee stapft, wie ein Indianer eine Tierspur erfolgreich verfolgt oder hinter eine Kurve plötzlich eine Aussicht geboten bekommt, die schlichtweg einmalig ist. Im Nachgang war es auch nie richtig gefährlich, am Ende war die Zivilisation dafür doch zu nahe. Ich war zwar auf der ganzen Strecke der einzige Wanderer (el tonto Alemán...), aber mehrere Unterschlupfe, zwei Refugios und eben der eine oder andere Wagen der Forstverwaltung zwischendurch gaben einem das Gefühl, dass man nicht komplett den Elementen ausgesetzt war. Trotzdem vermittelte mir der Tag heute erneut, wie klein ein Mensch gegenüber der Natur sein kann, nämlich quasi nicht-existent. Dieses Gefühl zu bekommen ist jedoch wohl auch für viele Wanderer einer der Gründe, überhaupt zu wandern.
    Zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass mein Handy zwei Stunden später wieder funktionierte, eine gute Portion Körperwärme hatte es wieder beleben können ;-))
    Read more

  • Ausrüstung: Mein Haus

    March 21, 2018 in Spain ⋅ ⛅ 6 °C

    Es ist noch etwas Zeit, einen weiteren Teil meiner Ausrüstung vorzustellen. Ich nenne das mal "Mein Haus", damit ist alles gemeint, um ohne Unterkunft, vulgo "outdoor", zu übernachten.

    Zelt (links): 2 Personen-Zelt "Hornet" von Nemo mit einem sog. "Foot" aus Kevlar, (geklaut vom Mitbewerber Agnus) den man unters Zelt legt und der dafür sorgt, dass kleine Steine und Ästchen nicht die LuMa nächtens perforieren...
    Warum 2-Personen-Zelt? Es ist ein Ultralight-Zelt, mit Heringen und Foot wiegt es gerade 1200 Gramm. Es reicht um alleine zusätzlich Schuhe und Rucksacke mit reinzustellen, aber die 1-Personenvariante ist dann so klein, dass man sich nicht mal richtig aufsetzen kann. Die 150 g spare ich mir dann doch für den Komfort, deshalb habe ich mir gleich das 2P-Zelt gekauft. Da kann man bei Regen alles ins Zelt reinholen und hat trotzdem noch etwas Platz.

    LuMa inkl. Pumpe: Eine Ultralight-Matratze, aber sehr bequem, von Neo. Leider trotzdem so schmal, dass man Nachts möglicherweise runterrollt, wenn man sich umdreht. Mit Elektropumpe unter 500 g. Moment mal, Pumpe? Ja richtig, wegen der Feuchtigkeit beim Atmen empfiehlt sich eine Pumpe, entweder Pumpsack oder eben akkubetrieben. Ich entschied mich für letzteres, wiegt aber auch nur 60 g.

    Schlafsack: Ein 5-Gradmodell von Mountain Hardwear. Wiegt um die 800 g, und hält mit einer Kliederschicht bis unter 0 Grad warm. Ich habe mich trotz des geringeren Gewichts gegen Daune entschieden, weil ich im Schlafen zu viel schwitze und mir die Pflegeleichtigkeit wichtig ist.

    Kocher + Gas: Jetboil Minimo mit einer genialen Technik, eine Art eingebautem Wärmetauscher. Mit 100 g Gas kann ich ca. 12-13 mal den TopfInhalt zum Kochen bringen, mehr als genug für geplante 3 Nächte + Frühstücke. Mit 3x Trockenessen und 3x Instant-Cappu fürs Frühstück knapp 1100 g.

    Die genauen Gewichte reiche ich nach der Tour nochmal nach, aber inkl. Abendessen kommt mein Haus auf deutlich unter 4 KG ;-) Moderne Technik machts möglich, bin mal gespannt, wann das Zum Einsatz kommt.
    Read more

  • Tag 4: Planänderung & Genußwandern

    March 21, 2018 in Spain ⋅ 🌬 7 °C

    Vorsicht Spoiler: Genußwandern in Katalonien gibt es doch, man muss nur manchmal den richtigen Anlass finden...
    Da mich mein linker kleiner Zeh gestern Abend noch ziemlich fies geplagt hat, hatte ich mir vorgenommen, die heutige Etappe evtl. zu verkürzen. Wie sehr, wollte ich mal sehen. Es ging also etwas später raus und ich lernte gleich mal, warum das "petit dejeuner" im Französischen so heißt - es ist vor allen Dingen eines, petit. Konkret hatte ich nur ein Croissant und einen Kaffee im Bauch als ich ins Zimmer packen ging und daher wanderten so viele Energieriegel wie möglich in die Gürteltaschen des Rucksacks, aus denen ich mir tagsüber im Laufen die Verpflegung holen kann.
    Nur schnell weg, dachte ich, eine Unterführung unter der Autobahn, noch eine unter der Schnellbahnlinie und nach 30 Minuten geht es dann über eine Forststraße leicht und kontinuierlich bergauf. Wind: etwas weniger, Temperatur: mehr, Sonne: viel mehr ;-) Ich lege einen kurzen Stop ein und lege direkt mal eine Schicht Merino-Klamotten ab und justiere meine Schuhe nach.
    Da probiere ich was neues aus: Gestern und heute bin ich jeweils locker gebunden losgelaufen und habe dann ein- oder nach Bedarf zweimal fester nachgebunden. So finde ich ein gutes Gleichgewicht zwischen sicherem Gehen und schmerzhaftem Zeh.
    Wind ist eigentlich immer noch zu viel, aber ansonsten sind Wetter und Strecke ein Traum: Azurblauer Himmel, Hügel und Berge mit Korkeichen so weit der Blick reicht und gut angelegte Forststraßen machen das Wandern recht leicht heute. Dazu wird es der einsamste Wandertag bisher überhaupt werden, weder Wanderer noch Mountainbiker kreuzen meinen Weg und so lasse ich die Gedanken schweifen.
    Ich mache Sorgen wegen der übernächsten Etappe und versuche einen Plan B auszuknobeln. Heute hätte ich eigentlich rund 32 KM mit 1500 HM laufen müssen, bis 6 KM vor Albanya und dann wild campen sollen, 128 IBP-Punkte, das hätte ich irgendwie noch hinbekommen. Der Tag danach ist aber mit Abstand der schwerste Tag im Plan, 34 KM mit 2300 HM - oder eben 197 IBP-Punkte.

    IB-was? Auf https://www.ibpindex.com/index.php/en/ findet sich die Möglichkeit, alle Arten von Tracks einer Art quantitativen Schwierigkeitsanalyse zu unterziehen. Entfernungen, Steigungen im Auf und Ab und in Grenzen das Terrain gehen in die Wertung ein und ergeben einen nach oben offenen Index für einen bestimmten Weg. Gerechnet wird das für Laufen, Wandern und Radfahren jeweils leicht unterschiedlich. Für ein Streckenprofil kommt also ein bestimmter Wert raus, und den muss man nun seinem Fitnesslevel gegenüber halten. Eine 100 fürs Wandern ist für den Sofa-Surfer schon anstrengend, für den Normalwanderer aber nur Mittelmaß. Schwieriges Gelände erkennt der Rechner leider nicht (wie bspw. gestern der Abstieg nach L Jonquera) ebenso muss man persönliche Faktoren selbst berücksichtigen, wie bspw. ein demolierter Zeh oder 15 Kilo zusätzlich auf dem Rücken.

    Ich habe schon die eine oder andere Tour alleine bis 200 gewandert, das war aber nur mit Tagesgepäck (3 bis 4 Liter Wasser und ein wenig zu Essen) und in Normalform. Zusätzlich zu Distanz und Höhenmetern kann ich am IBP ablesen, dass ich mein Ziel, Oix, am übernächsten Tag vermutlich nicht erreichen werde. Klar, wenn das eigene Leben, das Wohl der Familie oder viel Geld auf dem Spiel stünde, würde das natürlich trotzdem gehen, aber die Wanderung ist ja ohne äußere Zwänge und soll am Ende nach Möglichkeit ein weng Freude bereiten...

    Ich bin inzwischen n Santa Eugenia angekommen, eine Art Landschulheim mit über 200 Plätzen. Es ist weiterhin sehr einsamen, ab und zu ein verlassenes und ab un zu ein belebtes Gehöft. Relativ schnell erreiche ich schließlich die Landstraße 501, die mich eine Stunde bergauf bis nach La Vajo führen soll. Langweilig schon die Straße, praktisch aber kein Verkehr, dafür sehr meditativ. Die Wanderstöcke machen klack-klack im Zweiertakt der Füße und so schweifen die Gedanken wieder ab.
    Mir ist nicht klar, warum ich die Mörder-Etappe übermorgen überhaupt so geplant habe, die ist ja schon im Normalzustand eine abolute Herausforderung. Selbst wenn ich morgen bis zum Campingplatz hinter Albanya laufen würde, wäre es übermorgen immer noch mörderisch, die vollen Höhenmeter und nur 2 KM weniger. Und heute bis Albanya und die andere Etappe aufteilen...kann ich ebenfalls vergessen.
    Ich habe aber eine Idee und checke beim Gehen nochmal die Beschreibung der 41. Etappe (i.d.R. fängt man den GR11 am Atlantik an, und nicht wie ich, am Mittelmeer). Aha, 10 KM hinter Albanya gibt es eine Art Hütte, Can Nou, und die bewirtschaften ein Refugio. D.h. 28 KM bis Can Nou, 1500 HM, beides okay, und die Etappe am Tag drauf wäre so entschärft, dass ich ebenfalls bis Oix käme.
    Aber das beste: Ich kann heute beruhigt in Macanet de Cabrenys Feierabend machen und den Wandertag so als richtige Genußwanderung ausklingen lassen. Die letzten Kilometer des Tages haben die Wegwarte des GR11 nochmal alles gegeben, um die paar KM Landstraße zu kompensieren: Über Stock und Stein geht es ähnlich wie gestern abwärts nach La Jonquera diesmal bergauf. An Kreuzungspunkten ist wie üblich wenig ausgeschildert und ich erwische mich ein paarmal fluchend wie ein Rohrspatz über die übele Wegauszeichnung - ich will für heute nur noch ankommen. Nach rund 90 Minuten ist aber auch dieser McGuyver-Abschnitt genommen und um kurz nach Drei bin ich im Ort (ca. 300 Einwohner) und checke ein im "Els Cacadors de Macanet". Ein wundervolles Berghotel, tolles Zimmer, Aussicht auf die Berge, mit Frühstück 40 EUR - ich freue mich wie ein kleines Kind über die erfreuliche Wendung und verbringe die nächste Stunde in der Badewanne bis sich alle Tapes an den Füßen abgelöst haben und ich mir zum ersten Mal seit zwei Tagen die Bescherung anschauen kann. Alles gut, keine Entzündung, die Schmerzen kommen rein von den Blasen. Ich bringe einen offene Kreuzpflasterverband am, damit Haut und Blase atmen können und um die Haut vor der Ablösung zu bewahren. Über Nacht wird das sicherlich nochmal helfen, weiter auszuheilen. Ich nutze den frühen Tag, funktioniere das Waschbecken in eine Waschmaschine um, drapiere alle Klamotten auf meinem Balkon (!), kriege noch einen phantastischen Sonnenuntergang zu sehen - und eine Geräuschkulisse als ob ständig ein Güterzug um das Hotel fährt. Der Wind jagt mir einen Schauer über den Rücken und ich hoffe, dass Morgen Richtung Can Nou alles gut gehen wird. Nach dem heutigen Tag bin ich jedenfalls ganz gut gestimmt und bin inzwischen der Ansicht, dass Planen zwar toll, aber Überraschungen eben noch toller sind - gute Nacht!
    Read more

  • Tag 5 - Der GR11 gibt alles

    March 22, 2018 in Spain ⋅ ☀️ 7 °C

    Der Tag fängt mit einem wirklich guten Frühstück an, Sonne, blauer Himmel - und viel Wind sowie 4 Grad laut Hotel-Thermostat. Ich mache mich auf den Weg und erlaube mir am Anfang vom GR11 abzuweichen. Da ich heute rund 30 KM mit reichlich Höhenmeter vor mir habe möchte ich nicht wieder so eine abwegige Wegerfindung ausprobieren und laufe die erste Stunde eine verlassene Landstraße entlang, die durch einen tiefen, malerischen Taleinschnitt führt. Der Campingplatz, Alternativpogramm für das ausgebuchte Hotel gestern Abend, ist geschlossen - Glück gehabt. Kurz hinter dem Campingplatz geht es in den Wald, ein Wirtschaftsweg, der zwar toll zu laufen, aber miserabel ausgeschildert ist. Und prompt verpasse ich später einen relativ versteckten Abzweig und darf hin und zurück für heute knapp zwei Kilometer verbuchen. Ich nehme im zweiten Anlauf den Abzweig und muß wieder den McGuyver-Modus aktivieren. Wenn es nur ein bischen naß wäre, könnte man den Weg eigentlich nicht mehr laufen. Aber egal, nach ein paar Minuten ist man unten im Tal angekommen und dann geht es wieder über Stock und Stein Richtung Collada de la Tria, das erste Zwischenziel heute. Der Weg ist sehr wild und naturbelassen, es geht steil rauf und runter schließlich komme ich bei Mas Rimalo vorbei. Wahnsinn, eine alte Masia, tolle Aussicht, Süd-West-Terasse, ein wenig Wasser in der Nähe - aber komplett verfallen. Auf dem GR11 ist es zum Wildcampen wohl ganz beliebt, kein Wunder, wobei....wenn man da ein richtiges B&B draus machen würde...hmmmm ;-) Naja, ich erreiche kurz drauf den Collada und bin kurz darauf schon wieder im Abstieg. Bei KM 13 - für heute - komme ich am Refugi de Seglar vorbei, was mein Ziel für gestern gewesen wäre. Angesichts des Weges bis hierhin bin ich doppelt froh, dass ich mich für das Hotel entschieden haben. Der Weg nach Albanya zieht sich extrem in die Länge, es geht immer wieder um den Berg herum, rauf und runter, doch an einer fast magischen Stelle geben die Bäume den Blick nach Osten frei. Unglaublich, ich kann alle Teile der letzten Tage überblicken. Cap de Creus jetzt nicht, das liegt quasi hinter dem Berg. Aber selbst der Fixpunkt des ersten Tages, die Radarstation ist zu sehen. Die immer noch schneebedeckten Tage von Tag 3 ebenso wie das Tal, dass ich heute aufgestiegen bin. Mit dem Navi messe ich allerdings grade mal 50 KM Luftlinie zum Startpunkt und bin ein wenig enttäuscht. Aber da der GR11 am Anfang sehr verschlungen ist, ist das kein Wunder. Weiter gehts und Ihr wundert Euch vermutlich nicht, ich begegne absolut niemandem. Zumindest die Suche nach Einsamkeit auf der Wanderung ist ein durchschlagender Erfolg gewesen. in Albanya soll sich ja dann entscheiden, wie es weitergeht, Aufstieg oder direkt auf den Campingplatz. Zu meiner Freude nimmt unter der Telefonnummer des Wartes zu dem Refugio Bassegoda jemand ab, ja das Refugio sei offen, ich könne den Schlüssel in Can Nou abholen, 700 Meter davor. Yeah! Die Wasserblase wird am örtlichen Brunnen nochmal ordentlich gefüllt und dann geht es zur zweiten Etappe des Tages, 12 KM lang und rund 700m Aufstieg. Zu meiner Überraschung stelle ich fest, dass der Weg bis Can Nou offenbar eine befestigte Betonpiste sein wird, also relativ bequem zu laufen.
    Natürlich ist Wandern auf Waldwegen "irgendwie netter", aber manchmal ist auch die Betonpiste das Mittel der Wahl. Möchte man 30 KM am Ende laufen, mit 1500 Höhenmetern und Gepäck auf dem Rücken, wirklich, freut man sich darüber, wenn die letzten Kilometer eine einfach Betonpiste statt eines tollen Waldbodens, der einen Stock über Stein durch die Gegend schickt. Immer noch, oder wieder mal, bin ich völlig alleine unterwegs und erhasche im Aufstieg zwischen den Bäumen immer wieder eine Aussicht auf die wie gefaltet wirkenden Berge, deren Geologie der Landschaft hier ein besonderes Aussehen geben. Ab KM 23 beginnt es dann aber mühselig zu werden, und ich versuche irgendwie die letzten Kilometer abzureißen. Bei 500 Höhenmeter beginne ich die Fugen im Asphalt zu zählen und stelle fest, dass auf je 4 gesägte eine gegossene Fuge kommt. Bei 600 Höhenmetern esse ich meinen letzten Energieriegel. Bei 700 schaltet sich mein innerer Monolog ab und bei 800 sehe ich endlich den Lieblingswegweiser des heutigen Tages: Noch 1.4 KM bis zum Refugi (katalan, spanisch gehört noch ein "o" mit drann).
    Angekommen bei Can Nou bestelle ich erstmal ein Bier und frage nach dem Schlüssel. 30 KM und 500 HM wecken eben doch das Bedürfnis nach kühlen Getränken, sobald sie in Reichweite sind. Während ich mich frage, ob es im Refugio auch so was wie einen Ofen gibt, erlebe ich eine Überraschung. Das Refugi ist ausgebucht, alle 42 Plätze von einer Gruppe Fahrradfahrer belegt, Was ist passiert: Auf einer Infowebsite über den GR11 steht die Nummer vom Vorbesitzer von Can Nou. Der hat aber am Telefon gar nichts gesagt, außer dass ich den Schlüssel bei Can Nou abholen kann. Nicht ganz falsch, aber das entscheidende Detail fehlt eben.
    Die beiden neuen Besitzer, Julia und Mariano haben mir kurzerhand angeboten, neben dem kleinen Parkplatz mein Zelt aufzubauen und mir ein kleines Abendessen zu machen. Bis auf das Zelt bieten sie das mit dem Essen wohl ohnehin in Verbindung mit dem Refugio an, und so haben wir am Ende alle was von der Geschichte mit der falschen Telefonnummer.

    Beim Essen konnte ich mich wieder soweit aufwärmen, dass ich die Nacht wohl überstehen werde. Es ist absolut windstill, wird aber wohl unter 0 Grad werden. Mein Schlafsack ist bis +5 Grad okay, aber ich werde wohl mit etwas Kleidern schlafen müssen. Mir werden auch grade die Finger etwas klamm, deswegen muss ich auch mit dem Schreiben langsam aufhören. Abschicken kann ich das Ganze übrigens erst Morgen, denn hier gibt es natürlich auch kein Netz...
    Read more

  • Tag 6 - Abschied vom GR11

    March 23, 2018 in Spain ⋅ ☀️ 13 °C

    Mit einem Tag Verspätung hinter dem Plan ist mein Ziel heute Oix - und damit die letzte Etappe auf dem GR11. Die Wettervorhersage für die nächsten Tage, zwei weitere Etappen mit Campingplatz und Zelt sind gruselig: In den Pyrenäen bis runter auf 600 Meter Schnee, den ganze Samstag Regen, Temperatursturz um mindestens 8 Grad. Als ich mit Claudia gestern kurz telefoniert habe und sie mich wie üblich "Soll ich Dich abholen?" gefragt hat, habe ich diesmal kurzhand bejaht, d.h. heute wird es die letzte Etappe sein! Ja, leider ist diese Wanderung damit vorzeitig beendet, sorry lieber Leser, aber ich möchte mit etwas Spaß an der Sache vorangehen und die "Schnee-Etappe" nach Espolla hat mir recht deutlich gezeigt, was um die Jahreszeit noch möglich ist. Und ich bin jetzt nochmal deutlich tiefer in den Bergen, es geht halt nicht, Punkt.
    Ich habe etwas unruhig geschlafen, ein Kauz oder Uhu hat mich mehrmals in der Nach geweckt bis ich mir ein paar Ohrstöpsel ins Ohr gestopft habe. Es war auch ziemlich kühl, eine kleine Pfütze dicht am Zelt war am nächsten Morgen leicht angefroren, also etwas kühler als meine Ausrüstung zulässt. Ich habe daher in Klamotten geschlafen und stehe kurz nach 7 auf, als die Sonne aufgeht. Uff, ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer sein kann, sich aus dem warmen Schlafsack in die Kälte zu quälen, aber als die ersten Strahlen der Sonne rauskommen, wird es schlagartig erträglich. Mein Mini-Brenner funktioniert erstaunlich gut, und während der Fertig-Cappucino abkühlt nehme ich mein Frühstück zu mir: 6 Schokokekse und ein Energieriegel - zumindest ebenso nahrhaft wie manches Hotelfrühstück ,-) Alles abgebaut, eingepackt und um um kurz nacht acht starte ich meine letzte Etappe. Auch die Füße sind wieder gut, ich kann heute mit meinem linken Fuß zum ersten Mal wieder ohne Schmerzen in den Schuh. Beim Refugio komme ich nach 2 Minuten vorbei und frage, weil die Schulklasse noch da ist, ob ich kurz das Bad benutzten könnte. "Hay no lavabo" ist die Antwort - kein Bad. Während ich mich frage, wie die 42 Schüler und Lehrer das zwei Tage lang ausgehalten habe, sehe ich das Ergebnis direkt auf dem Wanderweg, grade mal 10 Meter hinter dem Haus. Pfui deibel, leider ist auch das Spanien, die Refugios nicht viel mehr als ein Steinhaus mit Schlafplätzen und die Spanier, tut mir leid, oftmals lauter kleine Ferkel. Egal, Waschen wird eh' überschätzt, kann ich Abends immer noch nachholen denke ich und mache mich auf den Weg. Da ich heute keine Rücksicht auf die nächsten Tage nehmen muß, beschließe ich den neben dem GR11 liegenden "Puig de Bassegoda" noch raufzuklettern. Das sind knapp 90 Minuten Umweg mit Päuschen oben drauf, und nicht mal 300 Höhenmeter extra. Der Puig ist mit knapp 1400 m der höchste Berg in der Garrotxa, wie die Gegen hier heißt. Der Weg geht anfangs noch quer durch den Wald aber lichtet sich dann bald. Kleinere Schneefelder links und rechts im Schatten der Bäume säumen den Weg, kurz vor dem Gipfel ein phantastischer Platz, der offenbar im Sommer auch zum Campen genutzt wird. Die Aussicht auf die Pyrenäen Richtung Frankreicht haut mich hier schon um und so geht es weiter bergauf. die letzten 30 Meter müssen gekraxelt werden, davon ungefähr die Hälfter fast senkrecht. Allerdings ist diese Stelle mit Ketten und Hand/Fußgriffen gesichert, die in sehr gutem Zustand sind, so daß man sicher den recht langgezogenen Gipfel erreicht.
    Eine schöne Überraschung, oben treffe ich den ersten Wanderer seit Tagen, Jorgi aus Figueres. Ich kratze alle meine Spanischkenntnisse zusammen und wir tauschen uns über das Woher und Wohin aus, wie toll und ruhig ("tranquillo") es hier ist usw. Jorgi zeigt mir alle umliegenden Berge, wo man Skifahren kann usw. - ein echter Bergfex eben! Selbst Montseny und Matagalls sind von hier aus klar zu erkennen, knapp 60 KM Luftlinie entfernt sieht man deutlich eine Decke aus Neuschnee auf beiden Bergen. Ich mache noch ein paar Fotos - Jorgi fotografiert mich wiederum vor der prächtigen Kulisse - esse in Ruhe noch eine Wurst, die ich in La Jonquera zur Verstärkuing des Proviants gekauft hatte als 2. Frühstück. Mir fällt zudem auf, dass keinerlei Wind geht, selbst oben auf dem Gipfel ist es nahezu windstill. der Himmer ist blau und die Sonne kommt so langsam richtig in Fahrt. Angesichts der tollen Kulisse um mich herum mache ich mich schweren Herzens, aber glücklich, auf den Rückweg den Berg runter und dann weiter auf dem GR11.
    Es geht nun überwiegend bergab, immer tiefer um Berghänge herum in die tiefen Täler. Auch der Wald hat sich inzwischen sichtbar geändert: Auf der Südeseite der Hänge (Sonne!) überwiegen Nadelhölzer und bedingt durch den Kalkstein der Berge sieht die Landschaft sehr ähnlich aus wie im Pinzgau beispielsweise. Auf der Norseite dagegen dominieren immer noch Laubbäume und entsprechend ist auch der Boden feuchter und dunkler. Mit am tiefsten Punkt des Abstiegs führt der GR11 an der Ermita de Sant Aniol d'Aguja vorbei. Hier stünde theoretisch auch ein Refugio zur Verfügung, das aber gerade umgebaut wird. So wie der Umbau aussieht, sollte man allerdings nicht vor 2021 damit rechnen, hier unterzukommen... Es führt jedoch ein wunderbar klarer und recht großer Bach direkt an der Ermita vorbei, selbst eine kleine Hängebrücke über ihn gibt es. Ich fülle nochmal meine Wasserblase auf und ziehe dann weiter.
    Kurz vorher hatte ich auf einem Wegweise gelesen, dass es bis Oix noch fast 5 Stunden seien. Kann nicht sein, ich hatte von das aus nur rund 3 Stunden ausrechnet! Ein Blick auf den Wandercomputer zeigt das Problem: Durchschnittsgeschwindigkeit von grade mal 2,7 KM/h bis dahin, normal für mich sind 4 bis 4,5 KM/h. Der Weg bis dahin war jedoch so geröllig und allgemein schwierig, dass ich die notwendige Zeit völlig unterschätzt hatte. D.h. ich würde mich auch mit Claudia ungefähr zwei Stunden zu spät treffen....au weia. Ich gebe daher richig Gas und mache mich jetzt auf ein weiteres Teilstück auf:
    Es geht nochmal über 300 HM bis zum Coll d' Talaixa rauf, was sich jedoch durch den wellenförmigen Weg auf über 500 gelaufene Höhenmeter summieren wird. Der Weg ist jedoch spektakulär und gehört mit zu den schönsten Kilometern auf meiner ganzen Wanderung. Während auf der rechten Seite der Berg teilweise fast senkrecht mehrere hundert Meter ansteigt, fällt das Tal nach links neben dem Weg immer mehr nach unten zurück. Die Ausblicke entlang des Tals, auch auf die umliegenden Berge sind einfach atemberaubend schön. Ein bischen Schwindelfrei muss man allerdings sein, da sich der Weg teilweise an einzelnen Stellen bis auf rund einen Meter verengt (wieder vorbildlich mit Ketten abgesichert) und links davon sich inzwischen bis zu 200 Luft bis zum Boden befinden, ist ein sicherer Tritt gefragt. Das sind aber immer nur sehr kurze Stellen, so daß man relativ sicher unterwegs ist. Angekommen am Coll findet sich eine kleine Kapelle, kurz dahinter wieder ein Refugio und nun kommt der Abstieg durch den Wald bis auf 300 Meter runter. Meine Knie knacken, die Fußsohlen brennen und ich sprinte weiter Richtung Oix. An einer weiteren Kapelle, Sant Miquel d'Ortmoier befindet sich erneut ein größerer Bach. Hier ist auch mein Abschied vom GR11, ein schnöder Wegweise nach rechts - ich aber werde noch knapp 5 KM bis nach Oix laufen.
    Am Ende habe ich die spanische Wegzeit um über eine Stunde unterboten. Ich komme mit qualmenden Sohlen an und sehe - nichts. Claudia hat in einem anderen Teil von Oix, rund 15 Autominuten auf mich gewartet. Während ich auf sie warte erhole ich mich im Hostal d' Rovira bei einem kühlen und sehr großen Radler. Sehr nettes Hostal, das wäre heute eigentlich meine Übernachtungsmöglichkeit gewesen, aber nur mit Radler lässt es sich dort auch hervorragend genießen. Die TÜr geht auf, Claudia kommt herein und wir freuen uns beide einander zu sehen.

    Mein GR11 findet hier erstmal ein Ende. Mit 155 KM in 6 Tagen habe ich etwas mehr als 1/6 des GR11 zurückgelegt. Der Tag heute, wenn auch nochmal sehr anstrengend, hat jedoch Lust auf den Rest gemacht, sehr viel Lust. Daher entscheide ich mich, dass das Ende heute nur eine Pause ist, mal schauen, wie lange sie dauern wird.
    Read more