• Day 31

      Bunker und Modellstadt

      May 5 in France ⋅ ⛅ 16 °C

      Auf der anderen Seite der breiten Mündung der Gironde liegt Rayon. Wir setzen mit der Fähre über und fielen fast vom Rad vor Staunen. Die gesamte Stadt besteht ausschließlich aus feinster 50ger Jahre Architektur. Der absolute Hammer aber ist die Kathedrale Notre Dame. Ein Kunstwerk komplett aus Sichtbeton. Der Turm 60 Meter hoch, das Kirchenschiff fast 40 Meter. Drinnen erinnerte es mich ein wenig an den galaktischen Senat aus Star Wars. Wir hätten uns gern einquartiert und mehr Zeit in dieser ikonischen Stadt verbracht. Hat schon mal jemand was von Rayon gehört? Auf meiner Liste der Weltsensationen, die niemand kennt, steht neben den Rio- Schluchten in Spanien nun auch Rayone.
      Der Grund dieser homogenen 50ger Jahre Architektur ist allerdings eher traurig. Im Frühjahr 1945, als die Alliierten Frankreich schon fast ganz eingenommen hatten, wollte ein französischer General auch mal siegen und die an der Gironde-Mündung noch eingebunkerten Deutschen vertreiben. Dazu bat er um Unterstützung aus der Luft. Eine krasse Fehlentscheidung und völlig unnötig. Erst bombardierten die Engländer das mondäne Seebad in Grund und Boden. Später kamen dann nochmal die Amerikaner und probierten hier zum ersten Mal Napalm aus. Von der „Perle am Atlantik“ blieb nichts übrig. Weil ohnehin alles kaputt war beschloss der französische Staat in einer Art Wiedergutmachung den Wiederaufbau in Form einer Modellstadt. Alles kam zurück: Die Markthalle, das Casino am Strand und als Krönung obendrauf die Kathedrale als Mahnmal gegen den Krieg. Rayone wurde aber nie mehr das, was es mal war und so steht alles eben noch genauso so da, wie es in den 50gern gebaut wurde.
      Die Spuren der Deutschen sind übrigens auch noch überall sichtbar. Links und rechts der Gironde Mündung war die Bunkerdichte des Westwalls besonders hoch, um den Hafen von Bordeaux zu schützen. Seltsam eigentlich, dass wir niemals dazu verdonnert wurden, die Betonmonster wieder abzutragen. So nach und nach geht der Sand drüber. Vor einem der Bunker im Wald stapelten sich noch Zementsäcke. Entweder lagen die bereit, um weiter verbaut zu werden. Oder sie waren aufgeschichtet, als Feuerschutz in einem letzten Kampf. So dachten wir uns die Szene jedenfalls. Der Regen ließ den Zement versteinern, dann kam das Moos. Wir hatten so einen kleinen Pompeii Moment.
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    • Day 31

      Am Atlantik

      May 5 in France ⋅ 🌬 10 °C

      Eigentlich wollten wir noch etwas länger im Landesinneren fahren, bevor wir an die Küste stoßen. Doch ein Freund aus Reiners Studientagen in Bordeaux war gerade in Bayonne. Also bogen wir scharf links ab und trafen Stéphane.
      Die Atlantikküste von Bayonne bis Soulac-sur-mer ist eine einzige 280 km lange Düne. Gesäumt von riesigen Campingplätzen. Wir kürzten das mit dem Zug etwas ab, fanden Soulac aber doch sehr nett. Der Ort ist eine Ansammlung hunderter kleiner bis sehr kleiner Backsteinvillen aus der Belle Epoche. Wir fanden ein günstiges Zimmer in der örtlichen Brasserie La Dame de Coeur, wo es nicht nur eine große Auswahl guter Biere gab, sondern auch die Übertragung des Rugby-Championscup-Halbfinales, in dem Bordeaux den Favoriten Toulouse haushoch schlug. Der Wirt, selbst ein Rugby-Schrank, kam mit dem Zapfen garnicht mehr nach.
      Was ich bisher nicht wusste ist wie aktiv die Dünen wandern und wie stark die Küste erodiert. Etwas südlich von Soulac musste vor Kurzem bereits ein ganzer Wohnblock abgerissen werden und das Meer wandert unaufhaltsam weiter. Auch die Dünen sind ein Problem. Jahrhundertelang buddelten die Menschen gegen den Sand an. Die romanische Kirche Notre-Dame-de-la-fin-des-Terres war irgendwann mal ganz im Sand verschwunden. Nur noch die Kirchturmspitze schaute oben raus. 200 Jahre später war die Düne weiter gewandert und voilá, jetzt ist die schöne Kirche ist wieder da.
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    • Day 27

      Der Frankreich-Schock

      May 1 in France ⋅ ⛅ 25 °C

      Nach einer erholsamen Nacht radelten wir munter los, den Eurovelo 3 entlang Richtung Dax. Ein wunderschönes kleines Weglein durch das Vorland der Pyrenäen. Kühe und Schafe auf der Weide, Duft von Heu, Landschaft wie im Allgäu, nur mit Palmen. Nach 20 Kilometern noch immer keine Bar. Auch kein Restaurant. Bis auf eine Tafel Schokolade und etwas Baguette, das vom Frühstück übrig geblieben war, waren die Satteltaschen leer. Es war der 1. Mai, da wird doch wohl irgendwo was los sein! Überall Häuser, aber Straßen und Dörfer wie ausgestorben. Was machen die Leute? Nach 40 km eine größere Stadt. Ein Café, leider zu. In Spanien würde da das Leben toben. Nach 65 Kilometern endlich was zu essen: Eine vollautomatische Pizzamaschine vor einer Kirche. Kreditkarte rein, Pizza raus. Wir übernachteten auf einem Camping à la Ferme wo man uns auch nichts zu essen spendieren wollte und kauten das letzte Stück Schokolade.Read more

    • Day 27

      Pilger und Pyrenäen

      May 1 in France ⋅ ⛅ 14 °C

      „Und ist der Fuß auch noch so klein, so kann er doch ein Pilger sein“ (Reiner)
      Ab Puerta de la Reina kreuzten wir immer mal wieder den Pilgerweg. Den Plan, mal selbst nach Santiago zu laufen, habe ich verworfen. Pilger überall und in allen Zuständen. Es ist schön, dass Santiago so viele Leute auf die Füße bringt, die ohne diesen Mythos wahrscheinlich niemals eine längere Wanderung unternehmen würden. Aber es geht zu wie auf einer Ameisenstrasse. Das ist nichts für mich. Die Aussicht, am Ausgangspunkt des Camino Frances zu übernachten, in Saint-Jean-Pied-de-Port, hat mich dennoch gereizt.
      Es war schon nach 11.00 Uhr, als wir nach einem ausgiebigen Frühstück mit Huevos Fritos aus der Stadt rollten. Um unnötige Strecke und Höhenmeter zu vermeiden nahmen wir einfach die Straße. Verkehr OK, viele Rennradfahrer und natürlich Pilger. Die Dörfer sind alle rausgeputzt, hohe Steinhäuser, ein ganz eigener Charakter. Nach gut 1000 Höhenmetern waren wir schon durch, passierten wehmütig die spanisch- französische Grenze und rollten abends in Saint-Jean-Pied-de-Port ein. Ich hatte mir das romantisch vorgestellt. So quasi am Lagerfeuer mit lauter aufgeregten Menschen, kurz vor Beginn ihres Caminos. Als Reiner vor 30 Jahren mal da war, war er fast allein. Jetzt wälzen sich nicht nur Pilger, sondern auch sonstige Touristen durch die Gassen. An jeder Herberge hing ein Schild: Complet. Es gab in der ganzen Stadt tatsächlich kein einziges freies Zimmer. Eine nette Herbergsmutter hängte sich ans Telefon und organisierte ein Hotel 5 km entfernt in einem kleinen Dorf hinter sieben Bergen bei den sieben Zwergen. Dort saßen wir dann auf der Terrasse, gegenüber warteten die Schafe in den Stall gelassen zu werden, die Sonne verschwand hinter den Bergen, wir genossen ein vorzügliches Menü und der ganze Trubel war weit, weit weg.
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    • Day 26

      Noch ein Wort zu den Bars

      April 30 in Spain ⋅ ☀️ 17 °C

      Was in Norwegen die Fjorde sind, sind in Spanien die Bars. Sie lohnen alle Mühen. Und retten einen in jeder Situation. Egal ob wir verbrutzelt, pitschnass und durchgefroren oder einfach nur total platt waren. Immer tat sich irgendwo eine Bar auf. Es gibt dort excellenten Café und Tapas zu Spottpreisen. Und es gibt dort die lokale Bevölkerung. Ich würde gern verstehen, was die Spanier die ganze Zeit reden. Selbst ein Tisch mit drei Opas und dem Tresenpersonal erfüllt den ganzen Raum mit lebhaftem Gespräch. Die besten Bars gab es in den einsamen Gegenden. Manchmal kamen wir uns vor, als wären wir gerade mitten in Dreharbeiten eines Films gestolpert. Stets bekamen ruckzuck einen tipptopp Café con Leche, Bier und Tapas serviert. Wir wunderten uns, dass sich die anderen über uns nicht wundern und fuhren beschwingt von dannen. Ich finde die spanischen Bars sollten zum UNESCO Kulturerbe ernannt werden.Read more

    • Day 25

      Stromausfall, Pamplona und Fazit Spanien

      April 29 in Spain ⋅ ☀️ 21 °C

      Von dem Stromausfall haben wir kaum etwas bemerkt . Wir haben uns nur etwas gewundert: warum das Eis aus der Kühltruhe so weich ist, warum es kein Netz gibt, warum ein Auto einfach durch die geschlossenen Bahnschranken über die Gleise fuhr und warum der Mann im Supermercado unser Gemüse ohne zu wiegen abrechnete, mit einem kleinen Solartaschenrechner. Wir zelteten irgendwo in der Pampa und lasen erst am nächsten Morgen in den deutschen Nachrichten, dass das ganze Land ohne Power war.
      Am Nachmittag sind wir dann in Pamplona eingerollt. Dort traf ich meine alte Freundin Mariluz, mit der ich vor über 30 Jahren in Grenoble studiert habe. Ein sehr schönes Wiedersehen 🥰
      Wenn man auf Komoot Karte schaut sind wir schon ganz oben, quasi durch. Wir hatten drei tolle Wochen! Von gelben Wüsten zu grünen Hügeln, endlose Ebenen, hohe Berge, zerklüftete Täler. Temperaturen von Null bis 30 Grad. Regen und Sonnenschein. Fantastischen Zeltspots und interessante Unterkünfte. Wir hatten unvergessliche Begegnungen mit Spaniern. Wir haben kaum andere Touristen getroffen. Alles fühlte sich einzigartig an. Was vor allem daran liegt, dass diese Tour komplett individuell geplant war. Und zwar von Cajus, dem wir schon am Nordkap hinterher gefahren sind. Niemals im Leben wären wir ohne ihn auf die Idee gekommen durch diese Gegenden zu fahren. Wer seinen schönen Reisebericht lesen will findet ihn hier im Radforum.
      https://rad-forum.de/topics/1550674/Indalo#Post…
      Vielen Dank Cajus, dass Du Deine tollen Reisen teilst . Und mit Rat und Tat virtuell mitfährst 💕
      Von Spanien hatten wir vorher keine Ahnung. Es fühlte sich manchmal seltsam an, Tage irgendwo in einer Sierra ohne Menschen und Mobilfunkverbindung zu sein. Man wusste auch nie so genau, welche Art von Straße einen erwartet. Ich danke den Speichen, dass sie durchgehalten haben. Wir kamen ab und an an unsere Grenzen. Aber nichts wäre langweiliger als eine Reise ohne Überraschungen.
      Nun wollen wir die Pyrenäen überqueren und dann geht’s weiter in Frankreich 🇫🇷
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    • Day 22

      Geisterdörfer

      April 26 in Spain ⋅ ⛅ 16 °C

      Viele der Dörfer, durch die wir radeln, wirken verlassen. Die Rolläden unten, überall Schilder mit „Zu verkaufen“. Besonders krass war es in den letzten Tagen auf den Hochebenen. Früher scheinen die Menschen hier von Schafen gelebt zu haben. Es gibt immer ein verschachteltes Dorf für Menschen und daneben das Dorf für Schafe, eine größere Ansammlung pultartiger Ställe aus Feldsteinen. Wahrscheinlich hatte jeder Dorfbewohner mal einen Stall. Jetzt ist alles leer. Die Ställe zerfallen und in den Dörfern sieht man kaum einen Menschen. Keine Investitionen, kein Neubauviertel, nichts. Es ist, als ob die Zeit stehen geblieben ist. Die Menschen zogen vor langer Zeit weg und alles blieb wie es ist. So viel ich weiß, ist in keinem anderen Land die Landflucht so verheerend wie in Spanien. Einzig ein paar Traktoren fahren herum. Und ein paar Alte bis sehr Alte sitzen auf einer Bank. An einer Bushaltestelle studieren wir den Fahrplan: der Bus fährt einmal im Monat, wenn wir es richtig verstanden haben. Im wöchentlichen Wechsel kommt eine Krankenschwester und ein Arzt. Die Alten, denen wir einen guten Tag wünschen, wirken trotzdem nicht deprimiert, sondern stahlen richtig. Wir fragen uns, wie es hier wohl früher war, mit all den Menschen in den Dörfern. Und wie es in fünf bis 10 Jahren wohl aussehen wird, wenn die letzten Alten verstorben sind.Read more

    • Day 20

      Unter Geiern

      April 24 in Spain ⋅ ☀️ 21 °C

      Die Hälfte der europäischen Geier lebt in Spanien. Und ich würde mal sagen, ein guter Teil ist in den letzten Tagen über unseren Köpfen gekreist. Nachdem am Morgen in Trabacete noch Frost auf den Dächern war, fuhren wir am Nachmittag bei Hitze und Sonnenschein ins Tal des Rio Tajo. 50 km Gravelroad durch eine phantastische Landschaft. Falls wir Euch mal auf einen Diaabend einladen, lehnt ab!! Reiner vor Felsen, Kerstin vor Felsen, Reiner vor Felsen, Kerstin vor Felsen… Es gibt Hunderte von Fotos. Wir kamen überhaupt nicht voran. Ständig riss es uns vom Rad, so toll waren die Ausblicke. Unten fließt der türkisfarbener Rio, drumrum türmen sich mächtige Felslandschaften, drüber segeln die Geier. An einer Stelle zählten wir über 40 dieser Riesenvögel. Außer uns ist niemand da. Bei der ersten Badegelegenheit flogen die Klamotten vom Leib und wir nehmen ein eiskaltes Bad. Nach zwei Tagen Einsamkeit am Rio Tajo folgte das bezaubernde Tal des Rio Gallo. Gefolgt vom spektakulären Tal des Rio Mesa. Leute, das ist alles unglaublich hier. Auf Felsen kleben ein paar Dörfer, zwischen steil aufragenden Wänden schlängelt sich ein kleines Sträßchen, nur an einem Felsenkloster fanden wir ein paar Leute aus Saragossa, die sich zum Wandern trafen. Warum kennt das hier niemand? Ab und an kommt eine dieser pittoresken etwas größeren Orte, in denen wir Opfer der Bars und Pananderias werden. Aus der letzten gingen wir mit einem ganzen Apfelkuchen und einer 400 Gramm Tüte frischer Madelaines.Read more

    • Day 17

      Cuenca

      April 21 in Spain ⋅ ☁️ 14 °C

      Nach Tagen im Zelt bei 3 Grad und Regen war mal ein Hotel fällig. Das mittelalterliche Cuenca klebt an weißen Felsen und ist für seine hängenden Häuser bekannt. Alles sehr malerisch. Es soll hier auch tolle Museen für moderne Kunst geben. Wegen Montag leider alle zu. Highlight für mich waren die heiße Badewanne und die Mandelkekse der örtlichen Bäckerei. Einfach köstlich.Read more

    • Day 15

      Semana Sancta

      April 19 in Spain ⋅ 🌬 12 °C

      Die Semana Sancta vor Ostern scheint vor allem eine riesen Sause zu sein. Auf den Marktplätzen fanden viele Feste statt, bei denen reichlich gebechert wird. Am dollsten war es an Ostern selbst. Die Bars rammelvoll. An Karfreitag gibt es diese Prozessionen mit den großen Blaskapellen. Für uns etwas ungewöhnlich, aber tolle Musik!Read more

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