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- May 5, 2025
- ⛅ 16 °C
- Altitude: 15 m
FranceRoyan45°37’40” N 1°1’55” W
Bunker und Modellstadt

Auf der anderen Seite der breiten Mündung der Gironde liegt Rayon. Wir setzen mit der Fähre über und fielen fast vom Rad vor Staunen. Die gesamte Stadt besteht ausschließlich aus feinster 50ger Jahre Architektur. Der absolute Hammer aber ist die Kathedrale Notre Dame. Ein Kunstwerk komplett aus Sichtbeton. Der Turm 60 Meter hoch, das Kirchenschiff fast 40 Meter. Drinnen erinnerte es mich ein wenig an den galaktischen Senat aus Star Wars. Wir hätten uns gern einquartiert und mehr Zeit in dieser ikonischen Stadt verbracht. Hat schon mal jemand was von Rayon gehört? Auf meiner Liste der Weltsensationen, die niemand kennt, steht neben den Rio- Schluchten in Spanien nun auch Rayone.
Der Grund dieser homogenen 50ger Jahre Architektur ist allerdings eher traurig. Im Frühjahr 1945, als die Alliierten Frankreich schon fast ganz eingenommen hatten, wollte ein französischer General auch mal siegen und die an der Gironde-Mündung noch eingebunkerten Deutschen vertreiben. Dazu bat er um Unterstützung aus der Luft. Eine krasse Fehlentscheidung und völlig unnötig. Erst bombardierten die Engländer das mondäne Seebad in Grund und Boden. Später kamen dann nochmal die Amerikaner und probierten hier zum ersten Mal Napalm aus. Von der „Perle am Atlantik“ blieb nichts übrig. Weil ohnehin alles kaputt war beschloss der französische Staat in einer Art Wiedergutmachung den Wiederaufbau in Form einer Modellstadt. Alles kam zurück: Die Markthalle, das Casino am Strand und als Krönung obendrauf die Kathedrale als Mahnmal gegen den Krieg. Rayone wurde aber nie mehr das, was es mal war und so steht alles eben noch genauso so da, wie es in den 50gern gebaut wurde.
Die Spuren der Deutschen sind übrigens auch noch überall sichtbar. Links und rechts der Gironde Mündung war die Bunkerdichte des Westwalls besonders hoch, um den Hafen von Bordeaux zu schützen. Seltsam eigentlich, dass wir niemals dazu verdonnert wurden, die Betonmonster wieder abzutragen. So nach und nach geht der Sand drüber. Vor einem der Bunker im Wald stapelten sich noch Zementsäcke. Entweder lagen die bereit, um weiter verbaut zu werden. Oder sie waren aufgeschichtet, als Feuerschutz in einem letzten Kampf. So dachten wir uns die Szene jedenfalls. Der Regen ließ den Zement versteinern, dann kam das Moos. Wir hatten so einen kleinen Pompeii Moment.Read more