Lissabon

April 2025
  • Guntrun Müller-Enßlin
  • Julian Müller-Enßlin
Über die Osterfeiertage verwirklichen Julian und ich einen langgehegten Traum und reisen für vier Nächte in Portugals Hauptstadt am Tejo. Baca selengkapnya
  • Guntrun Müller-Enßlin
  • Julian Müller-Enßlin

Daftar negara

  • Portugal Portugal
  • Jerman Jerman
Kategori
Tidak ada
  • 1,8rbkilometer yang ditempuh
Sarana transportasi
  • Penerbangan-kilometer
  • Sedang berjalan-kilometer
  • Pendakian-kilometer
  • Sepeda-kilometer
  • Sepeda motor-kilometer
  • Tuk tuk-kilometer
  • Mobil-kilometer
  • Kereta-kilometer
  • Bus-kilometer
  • Pekemah-kilometer
  • Kafilah-kilometer
  • 4x4-kilometer
  • Renang-kilometer
  • Mendayung-kilometer
  • Perahu motor-kilometer
  • Berlayar-kilometer
  • Rumah perahu-kilometer
  • Feri-kilometer
  • Kapal pesiar-kilometer
  • Kuda-kilometer
  • Berski-kilometer
  • Menumpang-kilometer
  • Cable car-kilometer
  • Helikopter-kilometer
  • Bertelanjang kaki-kilometer
  • 8footprint
  • 5hari
  • 161foto
  • 18suka
  • Tagflug nach Lissabon

    17 April, Jerman ⋅ ☁️ 10 °C

    Trip in die Siftskirche zum Verdirequiem am Freitag, Auszeit in der Osternachtsfeier am Samstag. An Ostern im Theaterhaus eine kleine musikalische Reise nach Kuba und am Montag ... mal sehen. Vielleicht irgendwas mit dem Rad. Das war der Plan für die Osterfeiertage.
    Dass es nun statt kleiner Fluchten eine größere Reise wird, hat eine längere Vorgeschichte. Seit 2014 steht Lissabon auf der Liste einer Reihe von Sehnsuchtsorten, die Guntrun und Julian zusammen besuchen woll(t)en. Bislang unverwirklicht. Ostern 2020 mitten in der Coronakrise, als weder kleine noch große Fluchten möglich waren, Sehnsuchtsreisen schon gar nicht, fand ich bei Real einen rosafarbenen Lissabon-Reiseführer und versteckte ihn für Julian im Pfarrgarten, verziert mit einem gelben Klebezettel und handschriftlichem Trost: Etwas zum Freuen - für die Zeit danach.
    Mittlerweile bin ich im Ruhestand und habe an kirchlichen Festen predigtfrei.
    Julian, dessen Camper, mit dem er in den Osterferien eigentlich unterwegs sein wollte, sich im Streikmodus befindet, schickt mir eines Abends im März ein Foto des Lissabon-Reiseführers samt Klebezettel und fragt: Ist jetzt diese Zeit? Darauf gibt es nur ein Ja.

    Und so sind wir am Gründonnerstag auf dem Weg nach Portugal. Passend zur Karwoche trägt der Himmel am Flughafen Echterdingen trübseliges Grau. Und wenn schon - das Wetter kann uns mal und ist von oben sowieso relativ. Der dichte Wolkenmantel plötzlich reinweiß wie ein gewendetes Kleidungsstück. Es dauert aber noch über eine Stunde, bis er sich öffnet und schneebedeckte Pyrenäengipfel freigibt. Bis dahin gibt es Vesper aus unseren Dosen und Tomatensaft, alle sonstigen Angebote an Bord über den Wolken, natürlich gegen Bares, wehren wir standhaft ab, frisch zubereitete Currywurst mit Pommes, Damendüfte, zwei Uhren zum Preis von drei, usw.
    Ob es in der Luft auch Straßen gibt? Die Germanwing-Maschine fliegt Zickzack über Spanien und braucht doch nur knapp drei Stunden bis ans Ziel. Als wir um 16 Uhr Ortszeit portugiesischen Boden betreten, können wir es kaum glauben. Vom Flughafen per Uber in den Feierabendstau und durch diesen zur Casinha das Flores im Stadtteil Chiado. Von da an ist alles an diesem Abend ein einziger Superlativ. Das Hotel ein ehemaliges herrschaftliches Haus, das sich seine Großzügigkeit bewahrt hat und neben den Gästezimmern Räumlichkeiten auf drei Stockwerken bereithält, in denen man sich verlaufen kann: Wohnzimmer mit hohen Decken, geblümten Tapeten, Polstersesseln und schweren Vorhängen, eine gemütliche Küche mit schweren Holzmöbeln und getrockneten Blumensträußen, alles vintage, stilvoll, gediegen. Fast das Beste aber ist der Blick vom Minibalkon unseres Zimmers, der uns zeigt: Am Puls von Lisboa sind wir gelandet. Die Praza Camoes bildet ein Terminal von Lissaboner Trambahnen. Die 12, 24 und die legendäre 28, mit der man zum Preis eines Tickets eine Runde durch die Altstadt drehen kann, fahren dort ab. In entgegengesetzter Richtung gewährt die abwärts führende Straße Sicht auf den Tejo. Nach dem ersten Weinchen, den man sich in der Küche for free aus einem Schrank mit imitierten Weinfässern herauslassen darf, zieht es uns ins Stadtgewühl. Ein erster Abend in Lissabon kann nirgendwo anders enden als im Bairro Alto, das Julian von einem früheren Lissabon-Besuch mit Thomas bereits kennt. In den engen gepflasterten Gässchen brummt der Bär. Lokal reiht sich an Lokal, oft locken Animateure mit Fado-Gesang. Wir halten uns an Bodenständiges, stillen unseren Hunger mit Black Sausage und Steak und genießen anschließend den Stadtblick vom Miradouro Pedro de Alcantara; dann sind unsere Akkus leer, und es wird Zeit für unsere Hotelbetten.

    Guntrun
    Baca selengkapnya

  • Alfama und Fado

    18–22 Apr, Portugal ⋅ ⛅ 18 °C

    Der Morgen beginnt wieder mit einem Superlativ. Was die Frauen vom Frühstücksservice in der Casinha das Flores zaubern, ist nicht Essen, sondern Kunst, und das im Plural. In mehreren Räumen verteilt warten Buffets mit Süßem und Salzigem auf uns, wie wir es noch nie erlebt haben. Frisches Obst, Wurst und Käse, Pizzastücke, Wraps, Kuchen, Pralinés, alles aufs Liebevollste zubereitet und arrangiert, dazu Säfte, Kaffee, Tee, es fehlt an nichts. Weil mit Musik alles noch besser schmeckt, gibt es obendrein Pianoklänge, und zwar nicht vom Band, sondern live am Flügel.
    In jeder Hinsicht gestärkt werfen wir uns in den Tag, Karfreitag, wovon allerdings nicht viel zu merken ist. Die Touristenschlangen am Tram-Terminal auf der Praza Camois sind schon wieder lang, aber wir haben sowieso vor, uns hier in Lissabon hauptsächlich auf unsere Beine zu verlassen. Unser erster Weg geht hinab zum Timeout-Market und von dort ans Wasser, das hier noch den Namen des Tejo trägt, aber schon vom Meer träumen lässt, samt Geruch und kreisenden Möwen. Stadt und Fluss wurden in Literatur und Liedern oft besungen als Liebespaar, so etwa von Erich Maria Remarque in „Die Nacht von Lissabon": „Nachts ist es das Märchen einer Stadt, die in Terrassen mit allen Lichtern zum Meer hinabsteigt wie eine festlich geschmückte Frau, die sich niederbeugt zu ihrem dunklen Geliebten.“
    Tatsächlich sind es die Gegensätze von Hoch und Tief, Auf und Ab, von Hügeln und Niederungen, von Terrassen und steil abfallenden Hängen, die Lissabon besonders attraktiv erscheinen lassen. Portugals Metropole ist eine Stadt voller Falten, im allerbesten Sinn. Allerdings auch anstrengend zu bewandern. Auf unserem Weg bergauf zum Castelo San Jorge streifen wir die Igreja do Se Patriarcal mit ihren zwei trutzigen Türmen, die an Notre Dame erinnern. Am Miradouro de Santa Luzia schnaufen die Trams vorbei, rot und gelb, manchmal bleiben sie im Stau der gewundenen Straße stecken, die sie sich mit Autos, Tuk Tuks, Minibussen und Oldtimern teilen. In Souvenirläden findet man hübsche Sächelchen, zum Beispiel Kacheln und gehäkelte Tischsets, auch von Hand gemalte Unikate. Leider ist für Julian, der auf der Suche nach einem Canvas mit Stadtansicht ist, nichts Erschwingliches dabei.
    Auf dem Kastellhügel fangen sich gleichermaßen Touristenmassen und kalter Wind, die einen so gewöhnungsbedürftig wie der andere, wenn auch wenig überraschend. An langen Schlangen vorbei finden wir einen Weg ins Innere der baumbestandenen Burganlage, die nacheinander von Römern, Westgoten, Arabern und schließlich von den Portugiesen bewohnt wurde. Zum Tejo hin bietet sich zwischen Pinien ein unglaublicher Blick auf die Kuppel des Pantheon, auf Plätze, Häuser und Innenhöfe, weiß, blau, hellgrün, gelb und rosafarben. Aus allen Nähten der Stadt platzt der Frühling. Zwischen den Kastellmauern kommunizieren Pfauen geräuschvoll miteinander und schlagen Rad, während wir vespern. Mittlerweile ist der Himmel sattblau, die Sonne scheint; wenn sie in windstille Ecken trifft, sticht sie.
    Auf dem Weg abwärts Richtung Alfama kreuzen wir noch den Largo das Portas do Sol mit fast unerträglichem Gewimmel. Danach wird es ruhiger, manchmal sind wir zwischen den alten Gemäuern ganz allein, und dann hören wir sie in der Stille Geschichten erzählen von der Zeit, als Mauren, Christen und Juden in Lissabons Altstadt lebten; von ihren Bewohnern im 16. Jahrhundert, Fischern, Handwerkern, Arbeitern, Seeleuten. Vor zweihundert Jahren galt die Alfama als Prostituiertenviertel, und mancher wünschte sich nach 1755 ein zweites Erdbeben, das sie dem Erdboden gleichmachen würde.
    Wir selber sind allerdings froh, dass sie noch da ist mit ihrem morbiden Charme, und finden im Licht des Spätnachmittags eine wunderschöne kleine Vinothek. Bei Whiskey Sour (Julian) und Portwein (Guntrun) haben wir nach mehr als zehn Kilometern Fußmarsch durch Lissabons Gassen das Gefühl, endlich angekommen zu sein.
    Für die Rückfahrt in den Chiado genehmigen wir uns Uber und werden von einem Tesla aufgelesen. Nach einem Schlenker in den Timeout-Market, wo wir landestypische Appetizer schnabulieren, landen wir wieder im Bairro Alto. An diesem Abend sind wir bereit für Fado. Ein älterer Mann lotst uns in gebrochenem Deutsch ("Hab gearbeitet Düsseldorf") in ein Lokal, in dem nicht nur portugiesische Volksmusik fürs Herz, sondern auch warmes Essen geboten sein soll. Als hätte man auf uns gewartet, gibt es sofort ein freies Zweiertischchen, ebenso eine Speisekarte samt prompter Lieferung von Getränken. Doch dann gerät der Service ins Stocken. Während des Gesangs der blonden Fadista steht alles still, was ihren Vortrag stören könnte, zu Recht, finden wir da noch, denn sie ist wirklich gut. Nach begeistertem Applaus könnte es mit dem Essen weitergehen, doch es passiert eine lange Zeit - nichts. Nicht für uns. Uns wird bald klar, dass wir in einem Familienbetrieb gelandet sind, in dem alle alles machen, aber nicht alle machen alles gut. Insbesondere der Sohn des Hauses, der sich zwischendurch auch am Fado versucht, scheint heillos überfordert. Nach einer knappen Stunde, als unsere Mägen vernehmlich knurrend bereits dem Gesang Konkurrenz machen, wird Julian mit der Nachricht überrascht, der bestellte Bacalhau sei leider, leider alle, die letzte Portion gerade an eine Zuhörerin am Nebentisch gegangen. Wir entscheiden uns zähneknirrschend für kalte Platte und werden für unser Warten mit einer weiteren Runde anrührenden Fados entschädigt, diesmal vorgetragen von einem jungen Mann. Danach passiert aufs Neue - nichts, und das für längere Zeit. Im gleichen Moment, als wir uns einig geworden sind, dass auch der beste Fado ohne Essen nicht zum Sattwerden reicht, kommt unsere kalte Platte angesegelt, ein eher dürftiges Ensemble von Chorizo und Käse zum stolzen Preis von 24 Euro, präsentiert mit einem Bouquet blumiger Entschuldigungen. Die um etliche nicht nachvollziehbare Posten angereicherte Rechnung ist danach keine Überraschung mehr. Da wir auf ein Gerangel um Dinge, die es nicht auf unseren Tisch geschafft haben, keine Lust haben, hinterlassen wir den aus unserer Sicht angemessenen Betrag und machen uns in einem unbeobachteten Moment vom Acker. Offenbar ist Fado im Bairro Alto nur gegen Abzocke zu haben.

    Guntrun
    Baca selengkapnya

  • Feira da Ladra, Graca

    19 April, Portugal ⋅ ☀️ 14 °C

    Was für ein Morgen! Erster Espresso auf unserem Mikrobalkon, rechts das Meer, links die Praza Camois, mit zuweilen kreuzender Tram. Blauer Himmel, der das Beste für den Tag verspricht.
    Nach üppigem Frühstück nehmen wir die Metro, um Lissabons berühmtem Trödelmarkt einen Besuch abzustatten. Wie immer bei unseren gemeinsamen Reisen ist es Julian, der mit Lichtgeschwindigkeit die entsprechenden Strecken auskundschaftet und klar macht. Es gibt bei ihm kein Zögern und kein Vertun und kommt mir manchmal vor wie Zauberei. Wundern über Wunder!
    Die Ligna Azul ist es, mit der wir zum Campo de Santa Clara zwischen Panteao Nacional und der Igreja de Sao Vicente de Fora fahren. Die „Feira da Ladra“, der „Markt der Diebin“, findet seit fast 150 Jahren an dieser Stelle statt, ihre Ursprünge reichen viel weiter zurück. Mögen hier in der Vergangenheit Schätze gehoben worden sein, die es wert waren, zur Diebin zu werden, so sucht man heute Derartiges vergebens. Wer gehofft hat, Nostalgisches, gar Antiquarisches aufzustöbern, wird enttäuscht. Der Flohmarkt ist längst mutiert zur Beliebigkeit eines Krämermarkts, teuer auch das Billige, der Ramsch, die Massenware. Das Wetter, das es sich inzwischen anders überlegt hat, tut ein Übriges, um uns rasch zu vertreiben. Wir sind noch keine zehn Minuten vorort, da fahren erst Wind-, dann Sturmböen durch den am Boden ausgelegten Trödel, ehe kurz darauf ein Platzregen die Touristen von den Straßen fegt. Als der Spuk vorbei ist, sind wir schon auf dem Weg nach Graca, dem Lissaboner Stadtteil auf dem Hügel nördlich des Kastells. Hier begegnen wir zum ersten Mal einem Viertel, das mit seinen Menschen, den Wohnhäusern, der Einkaufsstraße samt französischer Lebensmittelmarktkette Auchan im normalen Leben der Gegenwart angekommen scheint und nicht von Touristen überläuft. Nicht dass Graca keine Geschichte hätte! Am Largo de Graca entstand 1890 die „Villa Sousa“, eine Modellsiedlung von Arbeiterwohnungen. Das Botequim-Café, in den 1980er Jahren Salon der Schriftstellerin und sozialdemokratischen Politikerin Natalja Correia, in dem Graham Greene, Ionesco und Henry Miller zu Gast waren, spüren wir nicht auf. Bestaunen dafür die mit weißem und rosafarbenem Marmor ausgekleidete Igreja de Graca, die ein kleiner Singkreis mit seiner Chorprobe in vorösterliche Stimmung taucht. Draußen auf dem Largo bietet sich wieder mal ein großartiger Blick auf die in Falten gelegte Stadt, und auch die Sonne ist wieder da.

    Guntrun
    Baca selengkapnya

  • Mouraria oder "Fado heißt Schicksal"

    19 April, Portugal ⋅ ⛅ 15 °C

    Der Stadtteil Mouraria verdient einen separaten Footprint. Denn nirgendwo ist Lissabon ursprünglicher, ist mehr das alte, das echte Lisboa hinter der Kopie der Kopie. Amalia Rodrigues, von der ich mir mit zwanzig eine Schallplatte gekauft habe, hat Mouraria ein Lied gewidmet, in dem geht es um Nachtigallen auf Dachtraufen, um rosafarbene Kleider, Prozessionen und eine schluchzende Gitarre. Mouraria liegt nicht einfach am Weg, man muss hinfinden. Zumal so ein Stadtteil, ebenso wie die Alfama, nicht auf einem Hügel thronen kann, sondern sich mit dem Schatten darunter begnügen muss. 

    Wir sind durch einen kleinen Park geschlendert, vorbei an Häuserfassaden und narbigen Wänden, geschmückt mit Streetart, die vor Vitalität und praller Farbigkeit nur so strotzt. Dann sind wir über viele, viele Stufen hinab auf den Grund Lissabons gestiegen. Hier sind die Gassen eng, die Gebäude verschachtelt, die Plätze überraschend und verschwiegen, als legte jemand einen Zeigefinger auf die Lippen und flüsterte „Pst!" In warmem Hellgrün, Gelb, Blau oder Rosa getünchte Häuser sind Mangelware. Sogar der Frühling zögert. In Mouraria dominieren Weiß-, Braun- und Grautöne, aber in unendlichen Variationen. Vor gefliestem Mauerwerk bläht sich Wäsche, Tauben flattern auf. Gesichter erscheinen an Fenstern, nur um wieder zu verschwinden.

    Mouraria. An diesem Flecken, an dem sich einst freigelassene Sklaven niedergelassen haben, ist vor zweihundert Jahren der Fado geboren worden. Die Fotokünstlerin Camilla Watson hat den Wegbereiterinnen und Protagonistinnen eines ehemals anrüchigen Musikstils Denkmäler gesetzt. Überall im Viertel stößt man auf Schwarzweißaufnahmen von ihnen an Hauswänden. In ihren Augen brennt Lebensfreude gepaart mit Schwermut.

    Hier mal zwei Wochen wohnen, denke ich. Abends in der Kneipe Os Amigos da Severa sitzen. Eintauchen in ein Lebensgefühl, das uns Gegenwartsmenschen verloren gegangen ist, hier aber noch seine Nistplätze hat, die Ideen sprießen lassen könnten - für Geschichten, einen Roman … Vielleicht über Maria Severa Onofriana, das Freudenmädchen, das in diesem Viertel groß geworden ist mitsamt dem Fado, den sie groß gemacht hat. Ich stelle sie mir vor, sehe und höre sie in Mourarias verrauchten Kaschemmen singen von dem, wovon Fischer und Seeleute träumen, während sie Vinho verde trinken und Sardinhas oder Pasteis de Bacalhau essen. Ich stelle mir Maria Severas Mama, die Roma-Schankwirtin Ana vor, wie sie Gewürze in den Schatten ihres Vorgartens am Largo da Severa pflanzt, damit hier irgend etwas wächst. Und wie sie sich eine Zukunft für ihre Tochter wünscht, eine bessere oder überhaupt eine. Ob die Geschichte stimmt, dass Maria eine Liebschaft mit einem Grafen mit unendlich langem Vornamen hatte, oder ob es doch nur eine Mär à la Aschenputtel ist? Amalias Liedtext zu 'Ai Mouraria' erzählt auch von schelmischen Blicken, von Täuschung und Verrat. Sicher ist, dass Maria Severa ein sehr kurzes Leben hatte. Sie starb 1846 mit nur 26 Jahren an Tuberkulose. Oder vielleicht doch an gebrochenem Herzen, das sie in den Selbstmord trieb? Ihre letzte Ruhe(?) fand sie laut Wikipedia in einem Massengrab auf dem Lissaboner Friedhof Alto de Sao Joao.
    Übrigens: Fado heißt Schicksal.

    Guntrun
    Baca selengkapnya

  • Eine Kirche oben ohne

    19 April, Portugal ⋅ ☀️ 15 °C

    Wir sind zurückgekehrt in Gefilde, in denen sich Lissabon ein bisschen so gebärdet wie jede andere Metropole auch. Lissabon light empfängt uns auf der Praza de Figueiras mit Sonne und einem Markt für Gefräßige, den man so ähnlich auch in München, Nürnberg oder Stuttgart finden könnte, und auf dem es alles gibt außer Toiletten. Für die entsprechenden Geschäfte werden die Touristen in die umliegenden Restaurants geschickt, die sich natürlich bedanken. Boykottieren!, finden wir, und dann kommen wir an den Bratwurstdüften doch nicht vorbei und organisieren uns ein Pappschälchen mit nicht vegetarischen Köstlichkeiten zu einem astronomischen Preis. Dazu Sangria. Mit zufriedenen Mägen trotten wir über den Rossio, ohne ihm mehr als einen Blick zu gönnen, denn wir wollen noch zu einer besonderen Sehenswürdigkeit, der Igreja do Carmo. Die berühmte Kirche ohne Dach schließt um 18.40 Uhr und dabei bleibt es dann: Sie öffnet erst wieder am Montag.

    Das Gotteshaus, in dem man auch drinnen draußen ist, katapultiert uns noch einmal an diesem Tag in eine andere Zeit. Als in Lissabon am 1. November 1755 gegen 10 Uhr morgens die Erde bebte, befanden sich die meisten Einwohner gerade im Gottesdienst zu Allerheiligen. Drei gewaltige Erdstößen innerhalb von zehn Minuten zerstörten Lissabons größte Kirche; es folgten ein Tsunami und Feuerstürme, die 85% aller Gebäude der Hauptstadt in Schutt und Asche legten. Am Ende des Tages waren weit über 50000 Tote zu beklagen. Ein Armageddon mit einem Ausmaß an Chaos und Leid, das man sich lieber nicht so genau vorstellt. Allerdings haben die Jahrhunderte das übrig gebliebene Ensemble alter Steine, zwischen denen man umherlaufen kann, längst gereinigt von allem damaligen Grauen. Reinweiß ragen die Gewölbebögen in den Himmel und umrahmen Sonne und Wolken. Ein sinnfälliges Zeichen, finde ich, gerade zu Ostern. Eigentlich gefällt mir diese Kirche oben ohne, selbst wenn Regen in sie hineinfällt, denn der bringt ja bekanntlich Segen.
    Nicht ganz zu diesen versöhnlichen Gedanken passt, dass am 25. April 1974, dem Tag der Nelkenrevolution, der damalige Diktator und Nachfolger Salazars, Marcelo Caetano in der Kirche ohne Dach Schutz vor den Revolutionstruppen suchte. Erwähnung verdient es trotzdem. Am Ende nützte Caetano das "Kirchenasyl" nichts; er wurde gestellt und aus dem Land gejagt, und Portugal atmete nach über vierzig Jahren "Estado novo" wieder den Duft der Freiheit.

    Der Abend führt uns zurück in „unsere“ Vinothek in der Alfama, und dann in ein Restaurant, wo man dem Sohn des Hauses beim Grillen zusehen kann. Die Mutter, alt und verbraucht, bedient uns; das Essen mit einem Stück Fleisch, einer in Scheiben geschnittenen Kartoffel und kleinem Salatbouquet kann man mit gutem Willen als Hausmannskost durchgehen lassen. Vielleicht hätten wir doch die Wurstkäseplatte in der Vinothek wählen sollen, in die wir nach dem Essen zu einem Glas Wein nochmals zurückkehren.

    Die Nacht im Hotelbett, die eigentlich still und friedlich hätte sein sollen, hält eine Überraschung für mich bereit, die so gar nicht nach meinem Geschmack ist. Sie beginnt mit Sodbrennen und Übelkeit und entfaltet in der Folge das komplette zugehörige Programm, das Julian als Kind immer treffend als "Gewitter im Bauch“ umschrieben hat. Naja, Osternacht mal ganz anders, wieso auch nicht. Nachdem es irgendwie Morgen geworden ist, lässt mich der vorerst letzte Akt des Kammerspiels in abgrundtiefer Mattigkeit zurück. An Frühstück ist nicht zu denken. Man schwört sich in solchen Stunden immer, jeglichem Essbarem für alle Zeiten zu entsagen. Vorerst bleibe ich, wo ich bin. Im Bett.

    Guntrun
    Baca selengkapnya

  • Kurztrip ans Meer

    20 April, Portugal ⋅ ⛅ 15 °C

    Einfach mal ein bisschen am Tejo entlang spazieren. Das ist mein Plan, um mir die Zeit zu vertreiben, bis es Mama hoffentlich bald besser geht und wir gemeinsam die Erkundung der Stadt wieder aufnehmen können.
    Die Idee, doch noch mit dem Zug nach Cascais ans offene Meer zu fahren, geht mir nicht aus dem Kopf. Die eineinhalb Stunden, die ich zunächst mit Mama vereinbart habe, bis wir uns wieder im Hotel treffen, reichen dafür bei Weitem nicht. Schade.
    Also erstmal zu Fuß am Tejo entlang, unter grauem Himmel, vorbei an Lastkrähnen und Strandbars, die irgendwie nicht so recht in die triste, graue Hafenlandschaft passen wollen, und die angesichts des hin und wieder einsetzenden Nieselregens meist geschlossen sind. Zumindest mal bis hinter die Golden Gate Bridge Lissabons, die Ponte 25 de Abril, die mit ihren roten Pfeilern die schmalste Stelle kurz vor der Mündung des Tejo überspannt. Vielleicht sieht man ja von dort das Meer? Zur Fuß wird das zeitlich knapp ...
    Meine erste Schnellreise-Lösung in Form eines E-Scooters tausche ich schon bald gegen ein Leih-E-Bike ein. Was für ein geiles Konzept! Man könnte mit so einem Bike fast bis nach Cascais fahren, so weit reicht das Leihgebiet von Lime. Dass uns die Vorzüge dieser Leihräder bisher noch auf keiner anderen Städtereise aufgefallen sind!
    Am Torre de Belém angekommen, bringt ein kurzes Telefonat mit Mama die Nachricht, dass mit einer schnellen Genesung nicht zu rechnen ist. Also weiter mit dem Fahrrad Richtung Meer. Bis zum ersten Sandstrand an der Tejo-Mündung schaffe ich es allemal. Sagt zumindest Google Maps. Ich fliege an der Küste entlang, wie schön wieder Fahrrad zu fahren! Dass einem ein kürzlich wiederentdecktes Hobby nach nur ein paar Tagen so fehlen kann!
    Und siehe da: Kaum eine halbe Stunde später stehe ich unter Aufsicht meines grün-weißen-Stadtrads, das sich nicht ins Wasser traut, bis zu den Waden in der eiskalten Brandung. Von hier sieht man das offene Meer, mehr wollte ich ja gar nicht.
    Noch ein wenig weiter stelle ich mein treues Leih-Bike an einem Bahnhof ab und setze mich an den nahen Strand. Jetzt blinzelt sogar die Sonne durch die Wolken. Buch raus, lesen.
    Zurück am Bahnhof muss ich feststellen, dass mein E-Bike ohne mich weitergezogen ist. Treuloses Teil. Immerhin haben wir zusammen unsere Füße im Meer gebadet! In Ermangelung eines anderen Lime-Fahrrads, muss ich auf ein Fahrrad von Bolt ausweichen. Ärgerlich: Das komplette Fahrzeug klappert, wackelt und quietscht. So laut, dass sich Passanten nach mir umdrehen. Zum Glück steht nur wenige Kilometer weiter wieder ein Premiumbike von Lime bereit. Ich steige um und bin bald zurück in der Innenstadt.
    Kurztrip ans Meer, völlig ungeplant und ganz zauberhaft.

    Julian
    Baca selengkapnya

  • Schdroßeboh auf Portugiesisch

    20 April, Portugal ⋅ ☁️ 16 °C

    Als Julian am Nachmittag von seinem Ausflug zurückkehrt, bringt er frische Luft, den Geruch von Meerwasser, Zwieback, Bananen und Mineralwasser mit. Dazu eine Brise Unternehmungslust, die ansteckend ist. Ich habe nicht vor, die letzten zwanzig Stunden unseres Lissabon-Trips waidwund in einem Hotelbett zu versauern. Wo doch schon mal Ostern ist, bin ich zur Auferstehung fest entschlossen. Auferstehen beginnt mit Aufstehen, also überwinde ich die Schwerkraft, die mich in die Horizontale gezwungen hat und kehre in Zeitlupe unter die Lebenden zurück. Es geht hinaus in den Nachmittag und im Schneckentempo über die Rua Garrett zum Rossio, wo wir den ehemaligen Künstlertreff, das Café Nicola, noch nicht gesehen haben. Mit ihm verbindet sich der Name des Dichters Barbosa de Bocage, der an jener Stelle Sonette und satirische Gedichte zum Besten gab.
    Mein Rucksack hängt an mir wie ein Zentnergewicht, dabei ist er heute auch nicht schwerer als sonst. Das geile E-Bike-Konzept von LIME, das Julian am Morgen bis ans Meer getragen hat, ist jetzt auch meine Rettung. Elektrisch schnurren wir die Avenida da Liberdade hinauf durch den Parque Eduardo VII. bis zum gleichnamigen Miradouro mit Ausblick aufs Meer bzw. den Tejo.
    Die Praza de Campilide weit außerhalb des Stadtzentrums ist mit ihrem Straßenbahnterminal  das - menschenleere - Pendant zur Praza Camoes und hält zur Feier des Tages noch ein Ostergeschenk für uns bereit. Die letzte an diesem Abend hier abfahrende Tram Nummer 24 gehört uns allein. Was heißt Straßenbahn eigentlich auf Portugiesisch? Electrico?
    Von Westen her rumpeln wir wieder Richting Zentrum. Dann zu Fuß durch beschauliche Wohnviertel mit schönen alten Häusern um baumbestandene Campos. 
    Einkehr in einer kleinen Kneipe mit Katzenlady im eleganten weißen Pelz. In meiner Vorstellung der Genesenden einen Tag später habe ich dort Wein getrunken wie Julian, in Wirklichkeit war es nur Wasser. Auch von der Pastete mit Bacalhau und Kartoffeln, die Julian in einem kleinen Esslokal an der Plaza das Flores zu sich nimmt, appetitlich anzusehen, hätte ich im Nachhinein gerne gekostet. Immerhin wage ich mich mit einem Stück Schokoladen-Bananenkuchen schon wieder an Süßes, vielleicht, um die Schüttelfröste in Schach zu halten, die mich in Abständen überfallen. Von tiefschürfenden Gesprächen haben sie uns nicht abgehalten, ebenso wenig wie vom anschließenden Abschiedsbesuch auf dem Miradouro Pedro da Alcantara. Dort, wo wir vor drei Tagen zum ersten Mal auf die Stadt geblickt haben, sagen wir ihr jetzt Tschüss, und der Kreis schließt sich.

    Guntrun
    Baca selengkapnya

  • Lissabon ist kein Vorort von Bonn

    21 April, Portugal ⋅ 🌧 15 °C

    Letzte Tage sind selten schön, letzte Urlaubstage sowieso.
    Früh aufstehen, früh packen und hoffen, dass alle Utensilien irgendwie wieder in die Reisetasche finden (den Überblick habe ich während meiner Maladie verloren). Früh stücken (allmählich geht auch wieder Salziges), früh mit Uber zum Flughafen fahren, Check-in, letzte Mitbringsel finden, im Sprühregen zum Flieger spurten, im Flieger sitzen, Adeus Lisboa. Die Welt von oben sehen, weiße Pyrenäengipfel, braun geschecktes Frankreich, azurblauen Genfer See, hellgrün-weiß getüpfelte Alb. Wie rasch etwas hinter und nicht mehr vor einem liegt! Am Echterdinger Flughafen in den Stuttgarter Ostermontag steigen, Abschied von Julian, ehe jeder in seine Richtung davon fährt. Mit der Straßenbahn. Durch Donnerwetter nach Hause laufen, die Reisetasche im Schlepptau wie ein folgsames, bei Bodenunebenheiten manchmal störrisches Hündchen.

    Und dann sitzt du wieder in deiner Kate und kommst dir ein bisschen vor wie der Fischer und siene Fruu. War das was? Beim Auspacken riecht die Wäsche noch nach dem Blumenduft der Casinha das Flores. Andenken tippen Erinnerungen an. Die Gelb- und Rottupfer der rumpelnden Straßenbahnen. Die Miradouros mit ihren immer neuen Ausblicken. Der Fado. Die schönsten Momente (in Mouraria). Und die lustigsten (in unserer Vinothek). Wie viel in drei Tage reinpasst. Und wie Vieles nicht. Das meiste haben wir nur von ferne gesehen oder von außen. Kein einziges Museum von innen, weder das Museum do Fado noch das Museum Nacional do Azulejo, noch irgendein Kunstmuseum. Von Sintra oder Cascais ganz zu schweigen.

    Verpasstes, Aufgeschobenes ist ein Grund wiederzukommen. Lissabon ist kein Vorort von Bonn, wie der Komiker Emil Steinberger in einem Sketch einst vermutete. Nicht nur deshalb hoffe ich auf die Neuauflage einer Sehnsuchtsreise in nicht allzu weiter Ferne. Vejo voce em breve, Lisboa!

    Guntrun
    Baca selengkapnya