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  • Day 23

    Schuhe, Pizza, Bier

    June 22, 2023 in Norway ⋅ ☀️ 10 °C

    Für meine Verhältnisse wieder mal gut geschlafen, wache ich auf und alles im Zelt ist klamm und feucht. Insbesondere der Schlafsack. Sowas nervt und gerade Feuchtigkeit hab ich gerade einfach satt. Außer die der heissen Dusche, mit der ich in den Tag starte. Mein linker Fuß fühlt sich am Morgen genauso an wie an den vergangenen Tagen.

    Nach meinem Kaffee mache ich mich auf den 2 km langen Weg Richtung Geilo. Sportgeschäft Nummer 1 hat so ziemlich gar keine Schuhe in meiner Größe. Weder Wanderschuhe, noch Laufschuhe, die ich als zusätzliches Paar für Strassenabschnitte in Erwägung ziehe. Ich brauche grundsätzlich was mit mehr Dämpfung. Zuhause laufe ich auch mit meinen Salomon Speedcross auf den Berg. Hier bevorzuge ich hohe Schuhe vor allem wegen der Sumpf- und Schneeabschnitte.

    Dann geht’s zum Intersport. Der Mann ist super hilfsbereit und hat gleich ein paar Vorschläge. Leider stellt er schnell fest, dass meine Größe ausverkauft sei. Erst gestern wäre jemand mit ähnlichen Problemen bei ihm gewesen und hätte die letzten in meiner Größe gekauft. Pech gehabt. Als ich ihn nach den aktuellen Bedingungen frage, meint er, es könnte schon gehen. Es sei aber mit großer Sicherheit sehr viel Sumpf und allgemein viel Wasser. Die kommenden Tage sei es noch schön, dann wird es ein ziemlicher Wettermix mit 2-3 Grad und Regen dort oben. Das Wetter ist für mich das stärkste Argument gegen einen Jotunheimenversuch. Aber bevor ich mich hier entscheide, muss ich erstmal mein Schuhproblem lösen.

    Im dritten und vierten Sportgeschäft, was dann alle in Geilo wären, gibt es ebenfalls nichts in meiner Größe. Ich recherchiere nach dem Modell, was mir der Intersportmann empfohlen hat. Da es die gleiche Marke wie meine aktuellen Schuhe sind, sollte die Größe eigentlich nicht variieren. Auf intersport.no finde ich heraus, dass der nächste Laden, der den Schuh in meiner Größe auf Lager hat, in Gol ist. Das könnte ich heute mit dem Bus erreichen. Ich rufe dort an und die freundliche Dame am Telefon verspricht mir, dieses Paar und sogar noch eines in einer halben Nummer grösser zu reservieren.

    Ich gehe zurück zum Campingplatz. Mittlerweile knallt die Sonne auf das dunkle Zelt, nur selten unterbrochen von einer Wolke, die sich dazwischen schiebt. Es ist richtig dampfig im Zelt und ich freue mich, dass nun alles trocknet.

    Als ich an der Bushaltestelle unweit des Campingplatzes auf den Bus warte, kommt ein Wanderer mit schwerem Rucksack auf mich zu. Ich frage ihn, ob er auch Norge på langs läuft. Das tut er aber nicht. Er ist Deutscher, dem Dialekt nach Berliner und will sich auch zwei freie Tage auf dem Campingplatz gönnen. Wir quatschen etwas und dann kommt der Bus.

    Nicht weit von der Bushaltestelle in Gol finde ich den Intersport. Tatsächlich sind die Schuhe für mich zurückgelegt. Grundsätzlich fühlen sich die Schuhe gut an. Aber wie immer, wenn ich neue Schuhe kaufe, bin ich trotzdem skeptisch. Besonders hier ist es viel Geld, das ich investiere. Ich entscheide mich für das „kleinere“ Modell. Dazu frage ich nach Einlegesohlen. Er empfiehlt mir eine Sohle, die noch vor Ort direkt an meinen Fuß angepasst wird. Das Ganze kostet umgerechnet 60 EUR, ist aber vermutlich eine gute Investition. Das erste Testen im Schuh fühlt sich gleich gut an, ich bin aber nicht sicher, ob er von der rechten Sohle beim Zuschnitt nicht doch zu viel weggenommen hat. Wenn ich nicht über Jotunheimen laufe, komme ich hier in zwei Tagen eh wieder vorbei. Dann könnten wir nochmal nachbessern, sagt der Verkäufer. Das klingt gut und so kann ich die Sohle auch auf knapp 50km richtig testen.

    Dann warte ich noch über eine Stunde auf den Bus zurück. Das Ticket für die rund 50 Km lange Strecke kostet übrigens 5 Euro. Fairer Preis! Eine junge Frau fragt mich irgendwas auf Norwegisch. Optisch scheine ich hier als Norweger durchzugehen. Sie wechselt auf englisch und wollte wissen, welcher Bus der richtige sei. Sie sei ebenfalls nicht von hier. Dann fragt sie mich, wo ich herkomme und was ich hier mache. Ich erzähle von Norge på langs, dass ich Norwegen der Länge nach zu Fuß durchqueren wolle. Sie schaut etwas irritiert und fragt mich dann, ob es eine Art Job sei oder warum ich das tue. Herrlich! Das wäre ein geiler Job! Dann kommt der Bus.

    Während ich im Bus sitze arbeitet das Routenthema wieder in mir. Wenn ich Jotunheimen umgehe, bin ich in zwei Tagen schon wieder in Gol. Was ein Schwachsinn. Ich müsste zwar nicht auf der Hauptstraße laufen aber es wären mindestens vier langweilige Tage. Peter, von dem ich gestern geschrieben habe, ist heute sogar auf den 2469m hohen Galdhøppigen gestiegen. Der verrückte Hund!! Natürlich kann ich auf der Route Pech haben und muss an einem unüberwindbaren Fluss umdrehen. Aber ich habe die Worte des Norwegers mit dem Hund im Ohr. „Walking through that wonderful nature. That‘s why we are here!“ Ich habe gestern und heute viel darüber nachgedacht, was mir eigentlich wichtiger ist. Das Nordkap erreichen oder den Weg als eigentliches Ziel betrachten. Ich mag diese Oder-Fragen nicht. Ich will beides! Aber ich habe noch Peters Nachricht präsent. Wenn man irgendwann doch abbrechen muss, aus welchen Gründen sich immer, welchen Wert haben dann die vielen Strassenkilometer und welchen die Aufenthalte in einzigartiger Natur?

    Am Zeltplatz angekommen, lege ich mich gleich ins Zelt und schlafe etwas. Danach telefoniere ich mit Simon. Flo, Freund aus Aschau und Nachbar, hatte den Kontakt hergestellt als er hier gelesen hat, dass ich mein Equipment in Oslo „deponiere“. Simon ist gerade mit seiner Frau Natalie auf Hochzeitsreise mit dem Camper in Norwegen unterwegs. Die beiden fahren auch über Oslo und würden meine Kameraausrüstung von Christian mitnehmen. Ich freue mich riesig, dass das klappt, da egal wieweit ich komme, ich das Thema noch irgendwie organisiert bekommen müsste. Schließlich verdiene ich mit der Ausrüstung mein Geld und brauche sie, sobald ich wieder zurück bin. Die beiden fahren morgen sogar vielleicht über Geilo. Vielleicht geht sich noch ein gemeinsamer Kaffee aus.

    Dann mache ich mich wieder auf den 2 km langen Weg nach Geilo zum Einkaufen und Pizza essen. Vorher wandern die alten Schuhe noch in den Müll. Es tut mir schon ein wenig weh, etwas wegzuschmeißen, was irgendwie ja noch funktioniert. Aber die Finger sind einfach durch. Und übrigens trotz des ganzen Tages in der Sonne immer noch nicht richtig trocken!

    Während ich Richtung Geilo laufe, wird mir klar: Ich gehe morgen über Jotunheimen. Ich bin nicht sicher, ob es eine endgültige Entscheidung ist. Aber es ist doch eine Entscheidung! Und mit dieser freue ich mich besonders auf Stanleys Pizza.

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    Die Pizza ist nicht so groß wie die letzte. Aber sie ist so gut belegt, dass ich am Ende wirklich satt bin. Dazu gibt es ein großes Bier. Der Laden ist recht voll. Aber ich habe einen schönen Tisch direkt am Fenster für mich alleine. Im Moment fühlt sich meine Entscheidung richtig gut an und ich kann Pizza und Bier richtig genießen. Gleichzeitig denke ich schon ein paar Tage voraus und stelle mir vor, wie ich mich zu diesem Moment zurück sehne, weil es vielleicht gerade richtig kalt, regnerisch und ungemütlich ist. Die nächsten 11-14 Tage werden ein richtiges Abenteuer. Nach fünf Tagen erreiche ich (hoffentlich) noch einmal einen kleinen Ort, wo es einen Intersport und einen Supermarkt gibt. So muss ich nicht jetzt schon für so viele Tage einkaufen. Jotunheimen heißt übersetzt übrigens „Heim der Riesen“. Vielleicht bin ich da mit meinen 1,96m gar nicht so falsch aufgehoben.

    Nach dem Pizzaessen geht’s zurück zum Campingplatz, wo ich mir noch ein Dosenbier genehmige. Die Hütte neben mir ist mittlerweile von drei Bikern besetzt. Drei „ältere Herren“ aus Wolfsburg, wie sich beim Gespräch mit einem der drei herausstellt. Nach dem Bier geht’s ins Bett. Ich bin gespannt auf morgen!
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