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  • Day 5

    >> Fjällnäs

    August 16, 2022 in Sweden ⋅ 🌧 18 °C

    Mitten in der Nacht werde ich wach. Ein heller Schein, dann ein Donnerschlag. Starkregen dazu. Die arme Christina muss das Unwetter draußen abwettern, denke ich, während ich das Fenster schließe und mich dann wieder wohlig in den Schlafsack kuschle. Wie gut ist es doch, in Schweden in einer Stuga zu nächtigen! Am Morgen ist die Luft glasklar (noch klarer als sonst schon). Alles ist wieder gut, das prächtige Wetter zurück gekehrt. Pünktlich um sieben Uhr steht Christina vor der Stugan. Sie hätte nicht gut geschlafen und habe auch noch in einer Kuhle gelegen, meint sie auf meine Frage, wie ihre Nacht im Zelt war. Dann wäre ihr aber eingefallen, etwas Luft aus der Matratze zu lassen, damit das Schwimmen aufhört. Offenbar hielt ihr wuchtiges Hilleberg-Zelt die Nässe gut draußen.
    Heute steht mir ein 30km Marsch bevor, Christinas Route wird etwas kürzer sein, denn sie will nach Tänndalen, wo ihre Tour enden wird, während ich in Fjällnas eine kleine Hütte auf dem Campingplatz gebucht habe, um morgen einen Pausentag zu genießen.
    Es kann losgehen. Es geht an vielen größeren oder kleineren Seen vorbei, manchmal ganz dicht am Ufer, wo es heute nach dem vielen Regen sehr morastig ist. Dazu die vielen Steine - es ist wieder richtig anstrengend. Nach nur 8km legen wir an einer Brücke eine kurze Rast ein, denn wir können schon nicht mehr. Christina fragt mich, ob ich auch nasse Füße hätte. "Nein", antworte ich. Meine La Sportiva halten auch nach über 1.000km immer noch dicht. Ich bin sehr froh darüber. Christinas Lederstiefel dagegen sind durch, das doppelte Paar Strümpfe, die Schweden so gerne übereinander anziehen, ist feucht.
    Nach der Snackpause geht's weiter, der Weg ist noch weit. Keine zwei Kilometer, aber viele Steine später kommen wir zur Brotjarnskojan. Erst finden wir sie nicht, aber dann liegt sie wie eine Erscheinung erhöht vor uns. Brandneu ist sie und steht offenbar nicht mehr am vormaligen Platz, so dass wir an der falschen Stelle suchten. Während Christina ihr Zelt zum Trocknen stellt, damit ihr eh zu schwerer Rucksack leichter wird, ziehe ich mich zu einem Nickerchen in die Hütte zurück. Eine Viertelstunde später bin ich wieder wie neu. Christina hat ihr Zelt schon wieder eingepackt, es trocknete offenbar in Windeseile. Nun kommt der Abschied, unsere Wege trennen sich hier auf diesem Steinhaufen mit Schutzhütte. Eine kurze Umarmung, ein herzliches Hejdå, danach drehe ich mich um und gehe alleine weiter. "Ich schaue mich nicht um", meine ich noch zu ihr. Wieder ist eine zufällige Wanderbekanntschaft zu Ende. Aber so ist es. Immer wieder.
    Der Blick richtet sich stattdessen weiter nach vorne. Nein, vielmehr nach oben. Denn vor mir liegt das Rödfjället, da geht es jetzt ziemlich steil hinauf. Dabei liegen immer noch 19km vor mir. Wenn der Weg so steinig bleibt wie bisher - na, dann gute Nacht...
    Der Anstieg ins Rödfjället hat es in sich, doch viele Rentiere, die neugierig bis auf 50m heran kommen, lenken von den Anstrengungen ab. Der Weg durch das anschließende Vättefjället entpuppt sich dann als hervorragend zu gehen. Der Weg führt ganz oben über die wellige Gebirgslandschaft, die ganz den Rentieren gehört. Die Bedingungen zum Wandern sind hier und heute einmalig: ebener Weg, Wind und Sonnenschein von achtern. Es bleibt angenehm warm, der Pfad wird zum einmaligen Erlebnis. "Etwas Schöneres gibt es kaum", denke ich, kann mein Glück gar nicht fassen. Doch auch der schönste Pfad wird irgendwann lang und ich bin froh, als es schließlich an dem Abstieg Richtung Fjällnäs geht. Jetzt nur noch um einen letzten runden Hügel herum und ich bin da. Ein Blick zurück zum Vättefjället, auf dem ich eben noch ging, verheißt nichts Gutes. Eine grauschwarze, riesige Wolke schiebt sich langsam in meine Richtung. Es fängt an zu regnen, hört aber bald wieder auf. Ich nehme die Beine in die Hand und mache, dass ich ins Tal komme. Gewitter hier oben, das hätte mir noch gefehlt! Als ich im Tal die Brücke über den Fluss Tännän erreiche, ist die dunkle Wand über mir und auf der Straße nach Fjällnäs bricht das Unwetter los. Ich werfe noch schnell meine Regenjacke über und sehe zu, dass ich mein heutiges Ziel endlich erreiche. Tropfnass öffne ich die Tür zur Rezeption.
    "Hallo, wir haben Dich schon erwartet. Du bringst aber schlechtes Wetter mit.", höre ich jemanden mit warmer Stimme auf Deutsch sagen. Ich aber habe keine Worte mehr, die 30km haben mich geschafft. Doch für heute bin ich hier geborgen. Und morgen ist ein Pausentag.
    30km in 10 Std.
    Die Route:
    https://www.komoot.de/tour/890095331?ref=aso
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