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    Tag 15: Von Burg nach Magdeburg

    24 April 2022, Jerman ⋅ ⛅ 14 °C

    Da Claudi und Franz erst am frühen Nachmittag in Magdeburg ankommen, gehe ich ganz langsam in den Tag. Nach einem hochherrschaftlichen Frühstück mit Blick auf den Park erkunde ich zu Fuß die "Stadt der Türme", das 1000 Jahre alte Städtchen Burg. Kirch-, aber auch Burg- und Tortürme, die man bereits von weitem sehen kann, geben ihr wohl den Namen. Leider ist ansonsten kaum noch etwas von dem historischen Alter der Stadt zu bemerken. Dennoch schlendere ich durch die an einem Sonntag so ruhigen Altstadtgassen und genieße die Stille einer Stadt. Keine Autos, keine Menschen, nur ein paar Vögel die zwitzscheln und ein gelber Schmetterling, der einen Platz zum Ruhen sucht. Europas älteste Schuhfabrik "Conrad Tack & Cie.Act.-Ges." wurde hier 1883 gegründet. Ach ja, und noch etwas. Etwas, was auffallend knackt...Dr. Kraft erfand hier sein Knäckebrot und erschuf 1931 die erste deutsche Knäckebrotfabrik.
    Ich verlasse die Stadt entlang eines stillen Kanals mit Anglern, die wie auf einer Perlenschnur aufgreiht am Ufer sitzen, und einer Stille und Ruhe, die man fast hören kann. Ein Blick auf die Karte und - oh Überraschung - ich fahre am Mittellandkanal entlang, der mit 325 km Länge die längste künstliche Wasserstraße Deutschlands ist und Rhein und Havel verbindet.
    Eine Verbindung, mit einer ganz besonderen architektonischen Leistung. Kurz vor Magdeburg wird der Kanal am größten Wasserstraßenkreuz Europas mittels einer Brücke, der wohl weltgrößten "Trogbrücke", über die Elbe geführt. Es ist schon ein skurriler Ort. Auf der einen Seite die Stahlkonstrukion der Brücke und die gigantischen Hebewerks- und Schleusenkonstrukionen und auf der anderen Seite die naturbelassenen so stillen Auen-Urwälder. Und plötzlich fühle ich mich unwohl. Mir ist irgendwie fremd in der modernen Welt und sehne mich nach der Stille und Ruhe meiner Elbauen.
    Kurz habe ich sie noch einmal, wenn auch in einem ganz anderen Gewand. Ich fahre an undendlich vielem toten Holz, ehemals vermutlich ehrwürdigen Eichen, Pappeln und Weiden vorbei, ich befinde mich im Quarantänegebiet des "asiatischen Laubholzbockkäfers"...so eine Art Borkenkäfer für Laubhölzer. Um ihrer Herr zu werden, muss man tatsächlich die Bäume nach ihnen absuchen...
    Magdeburg (man sagt hier übrigens Machdeburch) ist auch am Sonntag eine pulsierende Stadt mit allem was dazu gehört....und heute gehört sie den Fußballfans des 1. FC Magdeburg. Es geht um den Aufstieg in die 2. Bundesliga, und schon am frühen Mittag liegt ein gewisses Prickeln in der Luft.
    Claudi und Franz sind im Gewimmel des Hauptbahnhofs nicht leicht zu entdecken, aber dann liegen wir uns doch glücklich in den Armen. Eine erste Orientierung und wir werden auf einen seltsamen Turm (sieht aus wie das Horn eines Nashorns mit Wendel-Außentreppe) aufmerksam. Neugierig geworden landen wir auf dem Gelände der ehemaligen Bundesgartenschau, dem Elbauenpark. Im "Jahrtausendturm" werden wir, was für eine Überraschung!, vom sachsen-anhaltinischem Polizeiorchester mit einem Marsch begrüßt. Hat das was zu bedeuten? Franz kann sich gar nicht mehr losreißen... Nach viel Spaß mit der interaktiven technischen Ausstellung wagen wir den Außenaufstieg und werden mit einem herrlichen Blick über die "alte" und "neue" Elbe belohnt. Aber auch auf die Stadt, deren Skyline eher von Hochhäusern und Wohnblocks und leider weniger von alten Gebäuden geprägt ist. Wie schön ist es da, später den Tangotänzern an der Elbpromenade zuzusehen.
    Nach einem ein Abstecher zum Hundertwasserhaus und zum Magdeburger Dom erreichen wir unsere Unterkunft, die - gefühlt - mitten im Magdeburger Fußballstadion liegt. Der Platz vor unserer Wohnung ist blau-weiß...von Fans...und Polizeifahrzeugen. Schnell ins Haus und dann geht's draußen auch schon los. Man ist aufgestiegen, supi!... also Bier, Schnaps...und dann die Klopperei mit der Polizei. Wir stehen in der ersten Reihe auf unsrem Balkon und sehen uns das Ganze mal von oben an.
    Mit einem fantastischen Mahl aus "Adams Gasthof" in Moritzburg (danke an Claudis nunmehr ein Jahr älteren Freund, der uns die Reste seines Geburtstagsschmauses spendiert hat... und an Claudi, die alles mitgebracht hat) beschließen wir den Abend.
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  • Hari 18

    Tag 16: Von Magdeburg nach Aken

    25 April 2022, Jerman ⋅ ☁️ 12 °C

    Einen Tag durch das UNESCO Biosphärenreservat auf der Ostseite der Mittelelbe südlich von Magdeburg zu radeln, ist für mich ein ganz besonderer Tag. Denn ich habe Claudi dabei, die fast bei jedem Vogelpiepen, -klappern, -kreischen, -rufen....ganz kurz und knapp sagt: ein Storch, ein Rotschwänzchen, ein Falke, ein...., um dann kurz darauf begeistert auszurufen: guck mal, ein Grünspecht, ein Wasserhuhn, eine Schnepfe....Und nichts anderes geschieht beim Passieren einer blauen Blume (Immgergrün), einer gelben (Bocksbart)..., Franz und ich hören nur staunend zu und sind irgendwie stolz auf sie.
    Kurz nach Magedeburg kommen wir erstmal nicht weiter. Eine riesige Schafsherde versperrt uns den Weg über den Deich. Wir kommen uns vor, wie im Bilderbuch. Der Schäfer mit langem wetterfesten Mantel, seine zwei Hütehunde, die kurzen knappen Befehle an sie, alles wirkt so "wie früher".
    Franz ist dann derjenige, der uns mutig einen Weg durch die Herde bereitet. Und, oh Wunder, die Tiere lassen sich kaum stören.
    Weiter geht es an einem in unmittelbarer Ufernähe brütenden Schwan vorbei durch wunderbar blühende Obstbäume zum "salzigen Jungbrunnen" in Schönebeck. Dort entdeckte der Arzt Dr. Tolberg zum ersten Mal die Ähnlichkeit der Salzsode mit dem Seewasser, baute 1801 das erste Gradierwerk und gründete damit die Solebadkultur Deutschlands. Er sah darin eine Möglichkeit ,"für ungeduldige Kranke,...welche die modische, physische und moralisch schwächende Lebensart hervorbringt" Linderung zu schaffen.
    Wir radeln weiter dahin, quatschen, lachen und keiner achtet auf den Weg. Verfahren. Und so landen wir am Pretziener Wehr, einer ingenieurtechnischen Meisterleistung, die bei der Pariser Weltausstellung 1889 (neben dem Eiffelturm) die Welt verblüfft haben soll. Die Nieten waren es wohl, die faszinierten! Beide Stahlkonstruktionen werden bis heute durch unzählige Nieten zusammengehalten. Den goldenen Nieten, den die Pretziener als Anerkennung für ihr Bauwerk auf der Weltausstellung erhielten, haben wir allerdings nicht gefunden. Und dieses alte Wehr hat es tatsächlich geschafft, dass Magedeburg bei dem Elbhochwasser 2002 relativ verschont blieb.
    Die Überquerung der schmiedeeisernen Elbbrücke bei Barby ist dann nicht ganz so einfach. Mit fast letzter Kraft schiebe ich mein vollbeladenes Bike nach oben, werde dann aber mit dem Blick auf eine faszinierende alte Eisenbahnbrücke belohnt. Holprig und nicht ganz vertrauenserweckend erreichen wir die andere Seite (zumindest die alten Eisenbahnbohlen wirken schon sehr sehr alt und sehr brüchig...).
    Noch ein kurzer Stopp im Zerbster Land, der Heimat von Katharina der Großen, und wir erreichen Aken und damit das Gut Lorf, unsere heutige Herberge. Und wie es so sein soll, lernen wir den jetzigen Gutsherren kennen...einen schweizer Investor. Er berichtet von der abwechslungsreichen Geschichte des Grunds, auf dem das Herrenhaus steht (um 800 eine Burg) und deren Besitzern. So ließen sich Anfang des 20. Jahrhunderts die in Amerika lebenden Eigentümer mit einem Zeppelin hierher bringen....Ist schon spannend ihm zuzuhören. Und er kann stolz auf das sein, was er hier geschaffen hat. Aus einer zerfallenen Bruchbude hat er ein Kleinod der Geschichte wieder aufgebaut.
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  • Hari 19

    Tag 17: Von Aken nach Wittenberg

    26 April 2022, Jerman ⋅ ⛅ 13 °C

    Was wäre ein Leben ohne Franz. Fürst Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, genannt Fürst Franz, und natürlich "meinem Franz", der mir heute meine Gepäckrolle abnimmt und dessen breites Kreuz immer wieder mein Windschatten ist. Genial.
    Wir starten nach einer Nacht mit Nachtigallengesang mit dem Blick auf das sich im Schlossteich spiegelnde Herrschaftshaus. Das seltsame Pfeifen, was wir an den Elbstränden hören, ist doch wohl klar: der Flussregenpfeifer (danke Claudi) und auch Döbel und Aland werden problemlos erkannt. Ich weiß jetzt auch, dass es Fische sind...
    Es ist wieder einmal herrlich durch die Flussauen zu radeln und wir genießen die klare Luft und das immer wärmer werdende Wetter. Und immer wieder begegnet uns der Franz. Als Skulptur, als Auftraggeber für nicht mehr exitstierende Schlösschen und als Bildnis..., mal allein, mal mit seiner Luise.
    Fast wären wir dann vorbeigefahren, an den Meisterhäusern von Walter Gropius in Dessau. Kaum zu glauben, dass diese in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts geschaffen wurden, so modern sind sie. In ihnen wohnten Haustür an Haustür Paul Klee, Wassily Kandinsky und Lyonel Feininger. Und auch das kastenförmige Bauhaus auf dem Campus Dessau könnte vor kurzem entstanden sein. Was für ein Visionär muss Gropius gewesen sein.
    Durch ein "Dornröschentor" fahren wir dann in eine wunderschöne Parklandschaft, die final in den Wörlizter Park mündet. Und wieder spielt Fürst Franz eine große Rolle, diesmal als Auftraggeber für diesen wunderschönen, oftmals verwunschenen Park. Er reiste gern, lernte Italien, England, Frankreich...kennen und kam mit den Gedanken der Aufklärung nach Hause. Sein Volk sollte von den antiken Bauweisen, modernen landwirtschaftlichen Anbautechniken, sowie Deich- und Brückenkonstruktionen anderer Länder erfahren. Deshalb enstanden in dem idyllischen Gelände auch viele beeindruckende Bauten (römische Villen, alte Burgen, große Stallungen...sogar ein Vulkan ist dabei), die bis heute ihren Charme nicht verloren haben.
    Mit viel Gesang, diesmal allerdings von Claudi und ihrer Version der Vogelhochzeit, erreichen wir unser heutiges Ziel Wittenberg. Und dort geht der Gesang noch weiter, allerdings nun von unserem Vermieter, einem Instrumentenbauer (er baut Drehleiern, Fideln, Lauten, Gamben und Zistern). Er lädt uns bei unserer Ankunft in seine Werkstatt ein und nach unseren vergeblichen Versuchen Didgeridoo zu spielen, greift er zur Gitarre und singt für uns den Wallerman-Song (wir unterstützen ihn mit Backgroundgegröle) und noch ein paar andere irische Weisen. Was für ein musikalisches Finale des heutigen Tages.
    Ach, eins hätte ich fast vergessen. So mitten in der Einsamkeit zwischen Wörlitz und Wittenberg ist es so weit. 1000 Kilometer sind geradelt. Wahnsinn! Den Sekt ausgepackt und prost!
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  • Hari 20

    Tag 18: Von Wittenberg nach Torgau

    27 April 2022, Jerman ⋅ ⛅ 13 °C

    Wir haben einen festen Termin zum Frühstück: 08:00 Uhr, dann frühstückt Jörg, der Hausherr. Wir sitzen mit ihm und seiner Frau in deren Küche am liebevoll gedeckten Tisch, als kurze später Abdul aus Ghana zu uns stößt. Es wird über dies und das gequatscht bis wir wieder bei der Musik landen. Da beginnt Abdul zu erzählen. Er sei Percussionspieler und es sei so schwer mit uns Europäern und unserer Musik. Immer müsse bei uns der Musiker im Mittelpunkt stehen und bewundert werden. In Afrika sei das Publikum das Zentrum, dorthin bewege sich die Musik. Begeistert beschreibt er solch ein Konzert mit sich nach Musik bewegenden Menschen. Eine tolle Bewegung, ein toller Tanz und die Musik gehe dorthin, zum Tänzer. Sie bliebe dort, bis eine Vereinigung zwischen dem Takt, dem Tanz und dem Klang stattfinde, dann wandere die Musik weiter....
    Wir werden schon von Abduls Erzählungen mitgerissen, wie mag es da sein, wenn er spielt.
    Mit einem beschwingten Gefühl verlassen wir Wittenberg mit der Schlosskirche und den 95 Thesen Luthers. Ich bin dabei immer noch von diesem mutigen Mönch fasziniert, der mit seiner Überzeugung und seinem Mut die religiöse Welt dauerhaft verändert hat. Es war für mich schon ein besonderer, irgendwie mystischer Moment vor der berühmten Tür der Schlosskirche zu stehen, auch wenn es sich dabei nicht mehr um die Originaltür handelt.
    Auch so manch anderes scheint in der Stadt original, ist es aber nicht. So wurde die Stadt 2017 anlässlich der 500 Jahre Luther-Feier regelrecht aufgepimpt. Wir sehen wunderschöne Fassaden ... und dahinter zerfallen die Gebäude... alles nur für den Schein. Und das ist so so schade...
    Tja, und wie entsorgt man heimlich eine leere Ginflasche? Endlich finden wir einen einsamen Papierkorb, kaum ist sie versenkt, passiert uns ein älterer Mann mit strafendem Blick..."und so was am frühen Morgen...."
    Vom Weg durch die Elblandschaft werden wir heute enttäuscht. Keine wunderschönen Auen, keine verwunschenen Wälder, nur weitreichende Felder, der Fahrradweg führt nur unterhalb des Deichs entlang, kaum etwas, an dem das Auge hängen bleibt. So faszinieren uns ein dicker unter Naturschutz stehender Käfer (Hydrophilus), der über die Straße krabbelt, ein paar Nutrias, die im Teich schwimmen, ein vom Biber abgenagter Baumstamm und eine Apfelbaumallee. Auch das Wetter spielt nur so halb mit, aber das aus frischer Milch gemachte "Leckeis" an der Fähre von Pretzsch schmeckt trotzdem genial.
    Und so genießen wir dann auch den Blick auf das Renaissance-Schloss Pretzsch (Pretzsch ist übrigens slawisch und heißt Sumpf), in dem ein Kinderheim untergebracht ist. 1531 hat wohl Luther hier seine Auslegung des Psalms 147 (kennt man ja) geschrieben. Auch soll hier Christiane Eberhardine, die Gemahlin von August dem Starken, gewohnt haben.
    Die Landschaft ändert sich nicht groß und so sind wir fast froh, Torgau zu erreichen. Und dann, tja dann erscheint Norbert Krause auf seinem E-Bike. Schließer sei er gewesen, genau gegenüber in dem roten Gebäude, dem ehemaligen Knast von Torgau, jetzt sei er Rentner. Jetzt habe er Zeit, was solle er Zuhause, da säße nur seine Frau und wolle beim Fernsehen nicht gestört werden....Norbert lässt sich überhaupt nicht stoppen, so erfahren wir viel über den Deichbruch 2002 und eben seine Stadt Torgau, die mal eine napoleonische Festung gewesen sei. Auch sei das Schloss Hartenfels, dem ehemals wichtigen Zentrum der Reformation ("Wittenberg ist die Mutter, Torgau die Amme der Reformation") dort. Die Nazis und die Russen hätten dort ein Gefangenenlager gehabt, in seinem Gefängnis......und morgen müssten wir zur Landesgartenschau....und...
    Er liefert uns abschließend in unserem Hotel (ehemals Hotel Sonne), in der "längsten Straße der Welt" ab (50 Meter von jeder Seite bis zur Sonne...).
    Ein kurzer Blick noch auf das Schloss und das darunterliegende Bärengehege (ist dort schon seit 1425) und die Glocken läuten...
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  • Hari 21

    Tag 19: Von Torgau nach Riesa

    28 April 2022, Jerman ⋅ ⛅ 13 °C

    Die Landesgartenschau in Torgau...na ja... wir sind vielleicht ein bisschen zu früh im Jahr da, das wird bestimmt noch....
    Zumindest gefallen uns die Elbauen, die uns nun endlich wieder haben, viel viel besser. So gelangen wir nach Mühlberg, wo 1547 eine Schlacht Geschichte geschrieben haben soll, die finale Schlacht des Schmalkaldischen Krieges....man kann das ja noch mal genauer nachlesen...
    Und wir gelangen nach Schildau, wo angeblich die Schildbürgerstreiche ihren Ursprung haben (weder das dreieckige Rathaus noch die Steckenpferde haben wir allerdings gefunden). Und wir suchen auch noch immer nach dem magischen Ring (der Ring des Sauron?) aus dem 11. Jhd., der in dem 900 Jahre alten Paußnitz gefunden worden sein soll.
    Noch während wir die magischen Kräfte suchen (ich könnte sie heute gebrauchen), gelangen wir zur Elbfähre nach Strehla. Was für ein bedeutender Ort. Im April 1945 sammeln sich an dieser Stelle Flüchtlinge, KZ-Häftlinge auf ihrem Todesmarsch, deutsche Soldaten. Alle wollen über die Strehlener Pontonbrücke über die Elbe. Zehntausende Menschen liegen auf den Elbwiesen und warten auf ihre Chance der Überquerung. Gleichzeitig rückt vom rechten Elbufer die russische und vom linken die amerikanische Armee heran. Dann die Tragödie. Am 22.04.1945 wird die Brücke versehentlich durch einen Elbkahn teilweise zerstört und die vielen Menschen müssen auf die kleinen Fähren ausweichen, die die Elbe überqueren. Dem Ansturm der vielen vielen Menschen sind diese aber überhaupt nicht gewachsen, immer mehr Menschen stauen sich auf den Elbwiesen. Das Schreckliche ist nun unvermeidbar. Zwischen der Wehrmacht und den mittlerweile eingetroffenen alliierten Armeen kommt es zu einem sinnlosen Kampf. Auf ihrer Flucht sprengen die Deutschen die Brücke und die vielen Menschen in den Elbwiesen befinden sich nun ohne Chance auf Entkommen unmittelbar in den Kampfhandlungen. Als die Russen nach Vetreibung der Deutschen Armee als erste die Elbwiesen erreichen, bietet sich ihnen ein grausames Bild...
    Am 27.04.1945 kommt es dann zu einem ersten Treffen zwischen Vertretern der Roten Armee und den mittlerweile auch eingetroffenen Amerikanern. Der Sieg wird mit Bier, Weib und Gesang gefeiert und unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse wird von Russen und Amerikanern gemeinsam der "Schwur an der Elbe" verkündet: "Endlich Frieden. Keiner feuert mehr von Westen und niemand feuert mehr von Osten - niemand." .... Tja, was ist davon geblieben.
    Wir lassen uns mit der Fähre auf die andere Seite, Claudis Heimat bringen. Mit alten Erinnerungen begleitet radeln wir direkt an der Elbe entlang und staunen immer wieder über die Hochwassermarken der letzten Jahrhunderte.
    Dann ein riesiger Phallus direkt am Eingang von Riesa, denk ich zumindest, und auch die Rieseraner: die "Elbquelle" des Düsseldorfer Künstlers Jörg Immendorff. Er will sich dabei durch historische Gemälde von Caspar David Friedrich inspiriert haben. "Getarnt durch Baum und Borke wird des Malers Pinsel zum Spaten", soll er gesagt haben.
    Wir denken nicht weiter drüber nach und fahren zu Claudis Freunden, die uns herzlich aufnehmen. Der Grillduft hängt uns schon in der Nase..
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  • Hari 22

    Tag 20: Von Riesa nach Dresden

    29 April 2022, Jerman ⋅ ☀️ 17 °C

    Ein Tag mit Lust, Freudentanz, Fummelei und Pullern. Und mit Butterbemme, Eierschecke und Karlsbader Schnitten. Dazu den guten Wein der Elbhänge bei Meißen.
    Nach einem herrlichen Abend mit viel viel Spaß (ich sage nur der Glocken läutende Bär in Wittenberg...) bei den wunderbaren Gastgebern Diana und Harpo (die Bärlauchwürstchen aus Oschatz sind die Wucht und ich darf sogar im Trabi probesitzen) krabbeln wir in den Wohnwagen der Familie und lachen uns in den Schlaf.
    Noch im Einschlafen denke ich über die abendlichen Erzählungen über das Zeithainer Lustlager in der dortigen Gegend nach. Veranstalter war Kurfürst von Sachsen, August der Starke, im Jahr 1730. Zum einen war es wohl die größte Truppenschau Europas, vor allem aber das gigantischste Barockfest seiner Zeit (mit allem was so dazu gehört...der Phantasie seien alle Tore geöffnet...). Es wurde bald als "Spektakel des Jahrhunderts" bekannt. Etliche europäische Fürsten waren geladen, auch der preußische Soldatenkönig Friedrich I., der zu dem Fest notierte: "Die drei Regimenter Kronprinz gut, Weissenfeld gut, sehr gut. Pflugk (kann man mal wieder nachlesen) sehr miserabel, schlecht. Befehlshabung gut. Von der Kavallerie habe ich Kommandos gesehen, die finde ich sehr propre."
    Am nächsten Morgen verlässt uns Franz hin zu seiner Familie. Noch mal ganz fest gedrückt und für die wunderbare Begleitung bedankt und dann fängt Claudi plötzlich an zu drängeln. Komisch, sonst ist sie eigentlich nicht so. Bis, ja bis sie zielstrebig auf einen Mann am Straßenrand zufährt. Was will sie denn von dem? Und dann kann ich es kaum glauben. Mein so lieber Freund Uwe aus Dresden! Mit Fahrrad. So eine superschöne Überraschung!
    An der nun wieder wunderschön dahinfließenden Elbe entlang (an einem Turmdrehkran vorbei, der am Anfang des letzten Jahrhunderts mit elektrisch betriebenen Winden das böhmische Floßholz aus dem Wasser zog) liegt plötzlich eine riesige Industrieanlage, das Chemiewerk WACKER. Ende des 19. Jhd. wurde dort Salicylsäure, der Grundstoff des Aspirins, hergestellt, heute vieles andere. Sicherlich ein wichtiges Werk, aber in dieser schönen Landschaft tut es dem Auge schon echt weh.
    Plötzlich ein Aufschrei von Claudi: "Die Pullerburg!" und sie zeigt auf ein wunderbares Schloss auf der anderen Elbseite. Es ist das Schloss Hohenstein, in dem wohl früher kleine Bettnässer behandelt wurden.
    Langsam verändert sich die Landschaft, sie wird hügelig, hohe Felsen ragen am Ufer empor. Wir radeln in das Gebiet der sächsischen Weinstraße und es wird immer schöner und schöner (toll das Schloss Diesbar-Seußlitz mit seinem wunderschönen Park). Dann plötzlich der Blick auf die Meißener Albrechtsburg. Fantastisch. Und genauso ist Meißen mit seinen wunderbaren Gassen, den alten Häusern und dem so beeindruckenden Porzellan (absolut unbezahlbar). Bezahlbar ist aber der "Meißner Fummel". Warum dieses so brüchige Gebäck so heißt, ist mir immer noch nicht klar und schmecken tut es auch nicht. Aber es gibt eine wunderbare Geschichte dazu. Demnach verkehrte zwischen Dresden und Meißen regelmäßig ein sächsischer Kurier des Kurfürsten, der wohl gern ein Gläschen zu viel trank....Daraufhin befahl der Kurfürst der Bäckerzunft Meißens ein leicht zerbrechliches Gebäck herzustellen, was heil nach Dresden gebracht werden musste... Die Geburtsstunde des "Meißner Fummels".
    Wir bringen ihn nicht heil nach Kötzschenbroda. Dafür lass ich mir die Eierschecke (eine Art Käsekuchen) schmecken...ich hätte allerdings auch ne Butterbemme (ein Butterbrot) nehmen können und genieße den Blick auf dieses schnuckelige Städtchen.
    Uwe kneift dann vor dem "Brand" (eine Straße hoch in die Weinberge), so dass Claudi und ich alleine strampeln müssen. Um so mehr freue ich mich über das schon liebevoll vorbereitete Nachtlager in Claudis Heim und die Karlsbader Schnitten, die ich gleich serviert bekomme.
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  • Hari 24

    Tag 21/22: Dresden

    1 Mei 2022, Jerman ⋅ ☀️ 18 °C

    Pause! Ich hatte mir ja mal bei meiner Planung der Tour gedacht, dass ich so nach fünf oder sechs Tagen ein/zwei Ruhetage einschiebe, um auf mich und meinen Körper aufzupassen. Plötzlich sind zwei Wochen vergangen und ich hab das mit der Ruhe irgendwie vergessen. Aber meine Beine nicht, die haben sich nämlich gemeldet (die brannten im "Brand"). Und während ich so nach ner Ferienwohnung rund um Dresden suchte, tippte mir Franz auf die Schulter. "Kannst bei uns wohnen, wir sind für ne Woche im Urlaub." So genieße ich jetzt - nach einem etwas exzessiven Abend mit Claudi (wie viele unterschiedliche Fruchtschnäpse waren es noch mal?) - sein fantastisches, so gemütlich eingerichtetes Heim und erhole mich bestens. Das Fahrrad bleibt in der Garage und ich "öffel".
    So schlenderte ich gestern mit viel viel Zeit (und vielen vielen anderen) durch Dresden und bewunderte mal wieder den Zwinger, die Semperoper, das Schloss, die Elbterrassen und natürlich die Frauenkirche am Neumarkt. Nur, es war wie verhext, überall Baustellen! Ein Blick in die Kamera und das beste Motiv im so schönen "Elbflorenz" (wohl nach seiner klimatisch begünstigten Lage im Elbtal und seiner mediterran geprägten Architektur so benannt) wird mit nem Baustellenschild oder -zaun "verziert". Also keine Fotos, dafür aber ein Besuch der Frauenkirche - so dachte ich zumindest. Als ich dort mit einem Schild "heute geschlossen" begrüßt wurde und auf dem Neumarkt wohl der ausgefallene Weihnachtsmarkt gerade nachgeholt wird (selbst dicke Socken und Mützen gibt es zu kaufen), gab ich auf. Dann eben Sonnen auf Franz Terrasse. Plötzlich ein Anruf - Claudi.
    Und dann hat der verhexte Tag tatsächlich etwas mit Hexerei zu tun. Gegen Abend werde ich von Claudi und ihrer Familie abgeholt und wir fahren immer weiter gen Osten, in die Oberlausitz. Je näher wir unserem Ziel kommen, um so häufiger sieht man kleinere und größere Feuer brennen - ja klar, Walpurgisnacht!
    Im Garten von Oma und Opa ist das Feuer auch schon geschichtet und mitten drin steckt eine liebevoll ausgestopfte Hexe, die kurze Zeit später lichterloh brennt. Bei Bratwurst und selbstgemachtem Rumtopf genieße ich diesen schönen Brauchtumstag in einer "echten Oberlausitzer Familie". Es ist schon sehr sehr lieb, dass ich dazu eingeladen und so herzlich aufgenommen werde..
    Heute muss ich dann früh raus, die Flottenparade der Weißen Flotte findet seit drei Jahren das erste Mal wieder statt. Und ich bin dabei! Mein Dampfschiff , der Schaufelraddamper "Stadt Wehlen", ist einer der ältesten Personendampfer Europas und fährt sei 1879 auf der Oberelbe. Er wird, wie auch die meisten der am Kai liegenden Schiffe, tatsächlich noch von einer Dampfmaschine (man kann sie im Schiffsinneren bewundern) angetrieben und auch das Schaufelrad ist keine Attrappe. Bei Brückendurchfahrten wird der Schornstein einfach eingeklappt.
    Pünktlich um 10 Uhr legt die Flotte (mit Livemusik auf jedem Schiff) nach und nach ab und in einer langen Parade fahren wir an Elbschlössern und am "Blauen Wunder" vorbei (die 1891 errichtete stählerne Loschwitzer Brücke erhielt wegen ihres hellblauen Anstrichs ihren Namen) - aber auch an der "Waldschlösschenbrücke", wegen der Dresden im Juni 2009 von der Liste der Weltkulturerbstätten gestrichen wurde (auch die besonders schützenwerte kleine Hufeisennase und eine 200 Jahre alte Rotbuche hielten den Bau nicht auf...jetzt gibt es dort beide nicht mehr...).
    Ich sitze auf dem Oberdeck mit einem herrlichen Blick auf den Fluss und die Sehenswürdigkeiten ...und auf Klaus aus Wilsdruff. Der sitzt mir gegenüber. Schweißer sei er in der DDR gewesen, soweit sei es ihm damals ganz gut gegangen. Aber kein Vergleich zu jetzt, ihm ginge es richtig gut und den meisten anderen auch...
    Klaus ist mein großer Griff, immer wieder macht er mich auf kleine und große Sehenswürdigkeiten aufmerksam. Und er erzählt aus seinen DDR-Tagen. Meißner Porzellan habe er in den Westen zu seinen Verwandten auf "Dienstreisen zum Klassenfeind" geschmuggelt, was hätte er ihnen auch sonst schenken können. Und 5 Mark hätte er bekommen, wenn er am 1. Mai zum Demonstrieren gegangen sei. Sonst wäre vermutlich keiner hin...
    Klaus berichtet aber genauso interessant über das Schloss Pillnitz (schenkte August der Starke seiner Mätresse Gräfin von Cosel und nahm es ihr auch wieder weg), in der eine 226 Jahre alte Kamelie gehegt und gepflegt wird. Dann macht er mich auf den am Elbhang liegenden Luisenhof, ein Ausflugslokal direkt an der Bergbahn, aufmerksam. "Dort gibt es Transitenshows.."
    Wir haben noch viel Spaß miteinander und er verabschiedet mich mit den Worten: "Lieber ne coole als ne verbiesterte Alte"... Seine Frau saß übrigens die ganze Zeit am Nebentisch....
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  • Hari 25

    Tag 23: Moritzburg

    2 Mei 2022, Jerman ⋅ ⛅ 16 °C

    August der Starke. Vor rund 350 Jahren wurde er geboren. Wer in Sachsen und insbesondere rund um Dresden unterwegs ist, entkommt ihm, Friedrich August I. - Kurfürst von Sachsen und später auch König von Polen - nicht. Eitel muss er gewesen sein und egozentrisch. So protzte er wohl gerne und angeblich nicht zu Unrecht mit seiner Mannes- (so genau weiß man nicht, wie viele illegale Nachkommen er zeugte, von 365 ist die Rede) und insbesondere seiner Körperkraft. Noch im Alter von 40 Jahren soll er ein Hufeisen mit bloßen Händen zerbrochen haben...
    Der 30-jährige Krieg mit seinem Elend und seinen Entbehrungen war zu Ende, aber man hatte ihn noch gut im Gedächtnis. Leben was das Zeug hält, hieß die Devise der Mächtigen. Es war Barock mit all seiner Üppigkeit, Völlerei und ungehemmten Sex. So soll August bei einer Körpergröße von 1,76 Metern rund 120 Kilo auf die Waage gebracht und "anerkannt" zehn Mätressen sein eigen genannt haben (umworben, ins Bett gezogen und dann abgeschoben...). Verheiratet war er im übrigen auch.
    Aber auch Politik wurde gemacht. So versucht er während seiner Regierungszeit den Einfluss des Adels zurückzudrängen und im Geist des Absolutismus zu regieren. Herrschaft durch Gottes Gnade. Seine Politik kostet Geld, viel Geld, Geld, was er nicht hat. In seiner Gier polnischer König zu werden (den polnischen Thron konnte man damals tatsächlich kaufen) verkauft August ganze Landstriche Kursachsens, nimmt riesige Kredite auf und erhöht die Steuern. Nur dank eines klugen Beraters ging Sachsen nicht zu Grunde und August sanierte nach und nach den Haushalt. Der "Merkantilismus" war geboren. In dieser Zeit entstehen die Leipziger Messe und auch die Meißner Porzellanmanufaktur. "Made in Sachsen" war gegründet.
    Ein besonderer Genuss war für August den Starken die Jagd, die Hetzjagd. Da bot es sich doch geradezu an, das damalige Jagdhaus Moritzburg (benannt nach dem Besitzer Herzog Moritz) und die dazugehörigen riesigen Jagdgründe zu erwerben.
    Kurz in ein Schloss umgebaut und den Park mit etlichen barockenen Gebäuden und sogar einem Hafen versehen. Ein Jagd- und ein Lustschloss halt.
    Und es ist wirklich eine Lust, sich diese wunderschöne Anlage anzusehen. Kaum jemand da an einem Montag. Und so genieße ich die vielen vielen Vögel im Schlosspark, die Stille in den Jagdgründen und bewundere die so schönen barocken Puttenfiguren. Es ist schon märchenhaft hier und darum auch kein Wunder, dass hier der Weihnachtsklassiker "Drei Nüsse für Aschenbrödel" gedreht wurde.
    Ein weiterer herrlicher Tag zum Relaxen... und mit Völlerei... Ich werde nämlich gleich zum Essen abgeholt.
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  • Hari 26

    Tag 24: Von Boxdorf nach Reinsberg

    3 Mei 2022, Jerman ⋅ ⛅ 18 °C

    Gestern noch ein wunderschöner Abschlussabend unterhalb der Frauenkirche mit meinen wackeren sächsischen Begleitern Claudi, Franz und Uwe und auch der liebe Isi, der nix mit Fahrradfahren am Hute hat, kommt dazu. Noch einmal wird viel gelacht und zum Abschied unser Traditionsgetränk der Becherovka - leider nicht - getrunken (es gab nur Averna...) und damit ist meine Zeit an der Elbe vorbei.
    Heute starte ich mit ausgeruhten Beinen bei herrlichstem Sonnenschein immer gen Westen, tja, bis mich mein Bike tatsächlich zum ersten Mal im Stich lässt. Die Schaltung geht nicht bzw. kaum noch. Ein bissl hilflos bin ich schon, da ich keine Ahnung vom Reparieren habe. Aber just in dem Moment läuft mir Ronny über den Weg, genauer radelt er an mir vorbei. Kurz gequatscht und er bringt mich zu seiner Arbeitsstelle, der Fahrradwerkstatt der "Lebenshilfe". Kurz an ein paar Schräubchhen gedreht und wir machen eine Probefahrt. Alles Prima! Und Ronny erzählt mir, dass die Lebenshilfe nicht nur geistig behinderten sondern auch ihm, einem psychisch kranken Menschen, hilft. Er habe Kfz-Mechaniker gelernt und sei dem Arbeitsdruck nicht gewachsen gewesen. Immer habe er am unteren Ende der Nahrungskette gestanden, das habe ihn immer weiter runtergezogen. Nun lebe er seit sechs Jahren in der Einrichtung der Lebenshilfe und seit vier Jahren könne er sein berufliches Können in der Fahrradwerkstatt super einbringen. Plötzlich sei er einer der Leistungsträger und das tue ihm unendlich gut.
    Und ich freue mich mit ihm, er wirkt so positiv und optimistisch.
    Glücklich über mein nun einwandfrei funtkionierendes Bike radel ich immer weiter gen Westen, in die Berge des östlichen Erzgebirges. Und die haben es wirklich in sich. Ich fühle mich plötzlich in die Höhen des Sauerlandes versetzt (superschöne Ausblicke, aber manchmal eben auch sch... Berge) und schnaufe die Anhöhen hinauf. Bei einer streike ich. 15% Steigung mit 22 Kilo Gepäck.... aber schieben geht auch.
    Ich weiß, in Mohorn muss ich abbiegen. Was ich aber nicht weiß, in dem winzigen Örtchen Mohorn ist Knox. Sagt mir immer noch nichts. Bis ich davor stehe und das Räuchmännchen und die Tüten erkenne. Ich stehe vor der Produktionsstätte der Knox-Räucherkerzen (Knox ist seit 1865 die älteste deutsche Produktionsstätte). Früher wurden diese kleinen Hütchen tatsächlich in Handarbeit, meist in Heimarbeit, gefertigt. Sie wurden geknetet. Für 1 Kilo bekam man sage und schreibe 25 Pfennige... Im Ausstellungs- und Verkaufsraum kann ich es dann nicht lassen, jetzt befindet sich ein "Original Erzgebirge Knox-Räuchermännchen" auf dem Weg zu mir nach Hause.
    Ja, und heute will ich es tatsächlich noch einmal wagen. Das Zelten. Mein in Dortmund mit viel Beratung gekaufter Schlafsack (da geh ich nieeeeee wieder hin) befindet sich auch auf der Heimreise und heute wird im neuen gekuschelt...und hoffentlich nicht gefroren....
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  • Hari 27

    Tag 25: Von Reinsdorf nach Wolkenburg

    4 Mei 2022, Jerman ⋅ ⛅ 16 °C

    Fix und fertig von 800 Höhenmetern, die ich heute irgendwie bewältigt habe, komm ich gegen 17 Uhr am Silberbergwerk, meiner heutigen Unterkunft, an. Was freu ich mich auf ein riesgenroßes Alster mit ner ebenso großen Portion von Irgendwas, hauptsache megaviel. Schon, als ich den Gasthof mit seinem echt schönen Biergarten erblicke, läuft mir das Wasser im Munde zusammen. Und dann...nix. Den Zimmerschlüssel in die Hand gedrückt (sie finden das Zimmer da oben rechts..) und "heute ist Ruhetag, das steht da irgendwo im Internet", ist er weg, der Wirt. Ach ja, ich könnt zur Vogelschänke fahren, die sei nicht weit weg, der Anstieg sei ganz sanft.
    5 Kilometer nur bergauf in der kleinsten Übersetzung!!!! Vor Wut oder vielleicht auch aus Erschöpfung kommen mir die Tränen. Was tut es mir da gut, dass ich so nett und echt superlecker bewirtet werde. Die Vogelschänke werd ich bestimmt nie vergessen, das Silberbergwerk schon.....
    Ein blödes Finale eines eher abwechslungsreichen Tages. Nach einer doch immer noch frösteligen Nacht (ich beschließe erst ab 10 Grad wieder zu zelten) brauch ich echt lange, bis ich loskomme. Das Zelt muss trocknen, der Kocher will nicht so, wie ich will, und das Einpacken dauert heut irgendwie viel zu lange.
    Dann gleich ein mega Anstieg - es braucht echt lange, bis ich die Tour genießen kann.
    Aber die wieder mal so wunderschönen Ausblicke kann man gar nicht ignorieren und so radel ich irgendwann trotz heftiger Anstiege glücklich dahin. Ich komme durch Hirschfeld, dem Geburtsort von Katharina von Bora (Martin Luthers Frau) ,lerne in Bieberstein viel über die Anfänge der Volksschule, die die Reformation ganz nebenbei mit sich brachte, und bewundere die vielen überdimensional großen Schwibbögen (die typischen Lichterbögen aus dem Erzgebirge) an den Häusern.
    In Hainichen bitte ich einen älteren Mann, der echt schlecht zu Fuß ist, um Wasser für meine Trinkflasche. "Ja klar, sehr gerne, ich weiß, wie wichtig das ist! Ich war Profi-Radrennfahrer." Stolz erzählt er mir von seinen Erfolgen, beim Bodensee-Radklassiker sei er zweimal ganz vorne mit dabei gewesen. Aber nun sei er kaputt, seine Kniee und sein Rücken... das wäre halt so im Profisport. Davon wolle er aber keine Sekunde vermissen...
    Leider verlasse ich damit auch die schöne Landschaft und Kilometer um Kilometer radel ich einfach nur ab (Chemnitz muss nicht schön sein und die Gegend nördlich davon ist es definitiv auch nicht). Erst mit Erreichen der Mulde (einem kleinen Flüsschen) kurz vor der Thüringenschen Grenze wird es wieder richtig schön.
    Und ich werde heute Nacht bestimmt richtig schön schlafen.
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