Europe along the Coastline (1)

Juni 2024 - Februar 2025
  • Spaziergänge mit Hilde
Eine Fahrt um das Festland Europas inklusive ausgewählter Inseln Weiterlesen
  • Spaziergänge mit Hilde

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Strand, Bus, Camper, Kultur, Natur, Fotografie, Alleinreisen, Spiritualität
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    4.–5. Aug. 2024 in Norwegen ⋅ 🌬 14 °C

    DAY 38 A JOURNEY ALONG
    THE COASTLINE OF EUROPE
    (Fahrtstrecke 84 km)

    Vorhaug - Brusand - Hellvik - Midbrødøya - Eigerøy - Egersund - Parkplatz zwischen den Felsen nicht fern von Mong am Meer, nahe den Windkraftanlagen auf Svåheia

    In der Zwischenzeit habe ich einen Kussmund bekommen und Hilde schläft wieder tief und fest. Was ist passiert? Kurz nach sechs Uhr morgens muss Hilde raus, sie habe Bauch. Gestern abend war schon grenzwertig, da es windstill war, und mein Gesicht gekribbelt hat von diesen minikleinen Insekten, die du kaum siehst und auch nicht totschlagen kannst.

    Möglicherweise zerfallen die in sich selbst, anders kann ich mir nicht erklären, wohin die verschwunden sind, die mit uns in den Bus gekommen sind. Heute Morgen ist leichter Wind, atme erleichtert auf, dann schläft er ein und Hilde frisst Gras. So bin ich, vielleicht auch wir, eine leichte Beute.

    Plötzlich schwillt die Oberlippe an, kein Surren einer Mücke, nichts, nur der Stich mitten hinein. Vielen Dank. Das Taubheitsgefühl lässt langsam nach, der Kaffee schmeckt auf jeden Fall.

    Auf dem Spaziergang hält Hilde an. Eine deutlich sichtbare Spur führt vom See her durchs Gras über unseren Weg in die Berge hinauf. Sie tastet die Luft ab mit ihrer Nase, das fremde Tier muss in der Nähe sein, irgendwo oberhalb von unserem Parkplatz, von dem eine Wanderung zum Branndalsvatnet möglich ist.

    "Erlebe diesen 5,5-Kilometer langen Rundweg in der Nähe von Egersund, Rogaland. Die Route wird grundsätzlich als einfach eingestuft und kann zumeist in 1 Std 42 Min bewältigt werden. Obwohl sich der Weg bestens zum Wandern eignet, trifft man hier nur selten andere Abenteurer an. Die Route ist das ganze Jahr über zugänglich und zu jeder Jahreszeit einen Ausflug wert."

    https://www.alltrails.com/de/ar/route/norway/ro…

    Von hier aus kommen nochmal 1,5 km hinzu, sodass es ein angenehmer Nachmittagsspaziergang sein könnte, wenn es nicht so furchtbar regnen würde, und die Welt voller kleiner Mistviecher wäre. Und natürlich mit gesunden Beinen, die mir leider abhanden gekommen sind.

    So bleiben wir im Bus und erkunden die Küstenlandschaft mit kleinen Spaziergängen. Leider konnten wir nicht an den belebten Sandstränden südlich von Stavanger herumstrolchen, da es Hundeverbote gibt.

    Und damit komme ich zu einem interessanten Punkt dieser besonderen Tour. Wenn wir also an den Rändern der europäischen Welt unterwegs sein wollen, dann wird dies zu Jahreszeiten passieren, an denen üblicherweise das Urlaubsherz nicht unbedingt sehr hoch schlägt.

    Hier wären Frühjahr oder Herbst die besseren Jahreszeiten gewesen, das habe ich schlichtweg falsch geplant. Also bleib gespannt, wohin es für uns ab Oktober über den Winter geht.

    Nach den Sandstränden kommen die Wiesen bis fast ans Meer, auf denen es auch mal einen Friedhof gibt, der, nach den Gräbern zu urteilen, alt sein muss. Im nächsten Hafen liegen zwar kaum Boote, aber in der idyllischen, öffentlichen Sauna verbringt ein fast nackter Mann den frühen Nachmittag.

    Am Ufer ein rostiges Wrack, Schafe und Kühe, viele Steine. Bootshäuser in Hellvik, von 1 bis 35, in denen man dem Anschein nach auch zumindest kurzzeitig wohnen kann. Vorher war ich noch einkaufen. Coop Prix Landhandel in Brusand, so die dörfliche Variante eines übersichtlichen Supermarktes mit dem Bedarf in allem Alltäglichen.

    Decke mich mit Joghurt und Käse ein, Kaviarcreme und Knoblauchsoße, Kefir und Apfelsaft ein. Ein Brot für Hilde zum Trocknen ausgelegt, da ist soviel Feuchtigkeit drin, das wird dauern. Und dieses Mal komme ich nicht am Süßen vorbei. Keine 20 Kronen für zwei Kokosstreuseldeckel mit Aprikosencremefüllung, zu dem Google meint, es seien "Schulschüsseln".

    Durchaus essbar, lecker ist schon lange nicht mehr mein Kriterium, eher die Bedarfsbefriedigung, sprich den Hunger. Niemand würde behaupten, daß Nutella lecker ist, wenn man es mit Esslöffeln ist, aber es sättigt halt.

    Kurz nach Hellvik beginnt die Steinknubbellandschaft. Als habe ein Riese seinen Sack Murmeln ausgeschüttet, so Stapeln sich abgerundete Felsen aufeinander. Dazwischen kann man wohnen, ganz idyllisch, wenn man nicht unbedingt grün und Wiese mit Bäumen um sich haben möchte.

    Vor Egersund gibt es noch eine Landstraße mit der Nummer 426, die zwischen Häusern mit Privatwegen einfach so endet. Du fährst über die Eigerøybrücke und spätestens da hätte mir auffallen müssen, dass es sich um eine Insel handelt, also gar nicht auf meiner Route liegen müsste.

    Trotzdem ist es interessant, zum anderen Ufer zu schauen, wo wir gerade entlang gefahren sind, und bis zum Campingplatz Skadberg war das auch noch lustig. Aber dann hüllt sie uns ein, die erste Regenfront seit Tagen. Pisselig, dünne Regenstreifen mit einem so hohen Nässegrad, dass ich meinen könnte, ich würde durch einen See fahren.

    Egersund. Das kleine Haus an der Straßenecke mit den beiden Schornsteinen bleibt mir gut in Erinnerung. Weniger die sauberen Einkaufsstraßen, die gepflegten Häuser einer Kleinstadt, vor der die Bewohner am Wochenende lieber in ihre Sommerhäuser flüchten. Oder in ihre Berghütten im Winter.

    Wohlgemerkt. Das ist mein emotionaler Eindruck, der mit der Wirklichkeit nicht unbedingt einher geht. Aber vielleicht sitzen die Menschen ja alle vorm Fernseher und fiebern der ersten Goldmedaille im Zehnkampf entgegen, die ein smarter Junge namens Markus sich an diesem Tag holt.

    Parkplatzsuche südlich des Städtchens in einer blühenden, grünen Felswasserlandschaft. Die 44 bleibt schon meernah, sodass wir nur hier und da kleine Abstecher durch unwirtliches Land in kleine Orte machen müssen, um den Eindruck der Küstenlandschaft zu intensivieren. Nicht immer schlagen diese Sträßchen einen schönen Bogen zurück, sodass wir die umgekehrte Sicht auf die Landschaft um uns genießen können.

    So werden aus den 54 km Fahrtstrecke in einer Stunde am Ende 87 km in sechs Stunden. Aber dafür gibt's auch Landschaft satt. Der Parkplatz für die Nacht mag noch so verborgen liegen, doch sehe ich als erstes ein Fahrzeug mit Braunschweiger Kennzeichen unterm Dachzelt stehen. Und obwohl ich dreißig Jahre in der Stadt gearbeitet habe, ist mir in acht Reisejahren niemand unverhofft begegnet, den ich von dort kannte.

    Lediglich in einer bayrischen Waldstrasse kam mir eine Frau aus dem Dorf entgegen, wo wir gelebt haben, und ihren geschiedenen Mann zum Nachbarn hatten. Aber das ist eine andere Geschichte.
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  • Die beiden Schwestern

    5.–6. Aug. 2024 in Norwegen ⋅ ☁️ 15 °C

    DAY 39 A JOURNEY ALONG
    THE COASTLINE OF EUROPE
    (Fahrtstrecke 133 km)

    Über die 44 nach Rekefjord zum Tanken und die 14 km zurück zum Rastplatz - Abzweig nach Mong und zurück zu 44 - Abzweig nach Birkefeld über die 33 - Nesvåg - Rekefjord - 44 Hauge i Dalane - Sogndalstrand - Abzweig Bu - zurück auf 44 - Åna Sira - Abzweig 469 bis Fähre Andabeløy - zurück auf 44 - Flekkefjord - E39 - Flikka - Tronvik

    Es ist der Tag des blauen Wassers, der kleinen Dörfer und Straßen, der großen Felsen und der Einsamkeit, der vielen Menschen und der Autos. Es ist Sonntag, vielleicht der Beginn des Urlaubs oder der Tage mitten drin.

    Es ist einer der Tag, an dem mir die Pärchen besonders auffallen. Zu zweit sein. In seiner eigenen Welt. Also der Teamwelt, die nach außen sichtbar wird, deren innerer Zusammenhalt aber manchmal zu bröckeln scheint. Vielleicht erahne ich es eher, als dass ich es weiß.

    Alleine zu leben, setzt die Möglichkeit frei, auf eine besondere Art zuzuhören, zuzusehen. Oft sind es nur Sequenzen, eine Frage, keine Antwort, eine plötzliche Leere, die im Raum stehen bleibt.

    Ich begegne einem dunkel gekleideten Radfahrer dreimal. Und einmal hätten wir die Gelegenheit gehabt, miteinander zu reden. Aber er ist mit seinem Rad beschäftigt, nur einen Blick vom Bus entfernt. Da wo die Seerosen das Wasser am Ufer bedecken. Ich habe angehalten, aber er hat sich abgewandt.

    Später unten am Berg hat er sehr gekämpft mit der steilen Straße, dem schweren Rad, vielleicht seiner Erschöpfung. Oben haben wir lange gewartet, aber vielleicht hat er sich an einen See gesetzt und ausgeruht. Mit dem Rad, zu Fuß bist du noch dichter dran an der Natur, aber viele sind sie in einem Tunnel, wenn sie mir begegnen.

    In voller Konzentration sehen sie weder mich noch sonst was? Ich würde ihnen gerne meine Bewunderung zuwinken, aber ihre Zielsetzungen zwingen ihr Leben anscheinend zu dieser Fokussierung. Vielleicht bin ich auch einfach nur draußen, gehöre als Autofahrer zu diesem anderen Genre der Umweltverschmutzer.

    In and Out. Abgrenzung. Gegen jedermann, gegen sich selbst. Ich will nicht behaupten, dass Radfahren einsam macht, oder Autofahren, Wandern. Aber es gibt schon eine deutliche Tendenz dazu. In der virtuellen Welt sind wir zusammen, in der persönlichen werden wir uns vielleicht nie begegnen.

    Dabei sind wir an so schönen Orten unterwegs. Das blaue Wasser, die grauen Felsen, der bunte Farbenumschlag der Häuser. All das macht doch was mit mir. Endet das nur in leblosen Bildchen, in Erinnerungen einmal später in unserem Leben.

    Für mich mag es kein Kraftakt sein, in dieser Welt unterwegs zu sein. Obwohl die engen Straßen mit den wenigen Ausweichstellen gerade in den Begegnungen äußerste Konzentration bedeuten. Die Straße, auf der ich dem dunklen Radfahrer begegnet bin. Vor jeder Kurve, in allen kleinen Orten, dazu die Warnhinweise auf spielende Kinder. Gerade an einsamen Gehöften. "Barn leker".

    Tatsächlich möchte ich gerne unterwegs mit anderen Menschen reden. Sie sind eine Bereicherung für mich, mit ihren Gedanken, ihrer Sicht der Dinge, vielleicht auch mit ihren Ängsten und Sorgen, ihren oft hilfreichen Tipps zu besonderen Zielen.

    Unsere virtuelle Welt gibt uns den Eindruck, dass an jedem Ort schon mal jemand war. Trotzdem sind wir der Überzeugung, dass wir diesen Wegkreuzungen unseren individuellen Stempel aufdrücken können. Sonst macht Reisen doch auch wenig Sinn. Trotzdem gibt es Ziele, die vielleicht nur ein anderer Mensch kennt. Gehen Sie mal dorthin, das ist ein ganz besonderer Ort, höre ich immer mal wieder.

    Und stehe ich staunend ob der Schönheit dort, die sehr individuell ausgeformt sein kann. Gestern abend sagt Jeremy, mein Nachbar auf dem Parkplatz, dass es doch toll ist, wenn wir heute Kontakt mit Menschen halten können, denen wir unterwegs begegnen.

    Auf seinen früheren Reisen waren Begegnungen immer mit dem Makel behaftet, dass sie einmalig geblieben sind. Selbst wenn wir uns sehr mögen, haben wir selten die Möglichkeit gehabt, ohne eine Adresse den anderen erreichen zu können.

    1973 bin ich Andy aus den USA in Kopenhagen begegnet. Wir sind eine Weile zusammen gereist. Sein Ziel war die Welt, meins das Studium. Später haben wir oft miteinander geschrieben, da er einen festen Wohnsitz hatte, während meine Anschrift sich ständig geändert hat. Eine tiefe bereichernde Freundschaft über Kontinente hinweg.

    1998 sind wir uns noch einmal begegnet. Wieder war er in Europa, auf der Durchreise von Prag nach Frankfurt haben wir uns morgens um vier Uhr an einem stillen Bahnhof in Gemünden am Main getroffen, sind einen Tag nochmal zusammen gereist.

    Heute könnten wir skypen, aber all diese Möglichkeiten haben wir nie mehr genutzt. Lediglich versucht, den Briefkontakt aufrecht zu erhalten. Bis vor ein paar Jahren. Warum? Ich weiß es nicht, erahne es vielleicht. Möglich, dass der Schmerz zu tief sitzt, voneinander zu wissen, einander nicht mehr begegnen zu können.

    Dann ist es doch vielleicht besser, alleine zu bleiben, oder in einer unpersönlichen Begegnung sich zu begegnen. Ich habe geträumt, dass eine Frau mir begegnet, um mir von ihrer Schwester zu erzählen, die schwer krank ist, und mit der sie keinen Frieden mehr hat, sie aber aus irgendeinem Grund nicht mehr treffen kann.

    Im Schlaf begegnet mir ihre Schwester dann in ihrem Sterben, um mir für ihre Schwester mitzugeben, dass sie in Frieden sterben wird, weil sie ihr vergeben hat. Ich habe beide vorher nie gesehen, und doch verbindet uns dieser Traum.

    Es ist ein Tag voll mit blauem Wasser, grauen Felsen, pittoresken Dörfern, grünen Wiesen und Schafen, die in all dieser Schönheit einfach still ihren Kopf senken und fressen, manchmal aber mit ihren Blicken mir begegnen.
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  • Lindernes Fyr

    6.–7. Aug. 2024 in Norwegen ⋅ ☁️ 17 °C

    DAY 40 A JOURNEY ALONG
    THE COASTLINE OF EUROPE
    (Fahrtstrecke 218 km)

    E39 bis Flikka - 466 bis Abzweig 42 - Kvinlog - 465 - Kvinesdal - Åsevegen über die E39 hinweg bis Abzweig 465 - Åpta - Abzweig 43 - Vanse - Vestbygd - Lista Leuchtturm - Vanse - Søndre Vei - Lundevagen mit Forschungsschiffen - Loshavn - 43 - Farsund - Lyngdal - Abzweig Richtung Spangereid - 460 - Lindesnes Leuchtturm - Vigeland E39 - Abzweig 408 bis zum See "Slåttelona"

    Ist der Himmel blau, sind die Wasser blau. Scheint die Sonne hell, grünt das Gras ganz schnell. Schreibe ich Texte sind sie ein Widerhall meiner Gedanken, schreibe ich keine Texte mehr, macht das für meine Gedanken auch keinen Unterschied aus.

    Bei den Bildern fällt auf, ob der Tag sonnig und hell ist, oder grau und schlicht. Für mich bleibt er traumhaft wunderschön, auch wenn auf den Fotos das tiefe Dunkel eines Sees fast irritieren, abschrecken mag.

    Wenn jemand Geschichten schreibt, wünscht er sich eine Reaktion, so dachte ich, möchte mit anderen Menschen ins Gespräch kommen, über Inhalt, Gedanken und Emotionen. Bei Büchern hat mich das schon immer gestört, dass kein unmittelbares Gespräch möglich ist. In den sozialen Netzen habe ich das fälschlicherweise für möglich gehalten, aber habe mittlerweile auch gemerkt, dass das gar nicht gewünscht zu sein scheint.

    Auf Instagram zB kannst du nur dann ins Gespräch kommen, wenn dich der andere akzeptiert. Selbst als Follower ist das nicht möglich, wenn das Gegenüber dir nicht auch folgt. Und so bleibt halt eine Unterhaltung meist aussen vor.

    So schön die virtuellen Möglichkeiten auch sein mögen, um Kontakte aufrechtzuerhalten, so traurig stellt sich mir diese einseitige Sichtweise der Dinge dar.

    Mittlerweile kann ich Menschen gut verstehen, die mit ihrem Leben, ihren Reisen, ihrem Sein in die Anonymität abtriften, vielleicht um sich selber zu schützen, weil sie meinen, ohne ein Gegenüber auch gut leben zu können. Oder weil ihnen alles andere am Gesäß vorbeigeht.

    Und dann sind wir wieder in einer Gesellschaft der Einzelkämpfern, von den Politikern bevorzugt. Nur gemeinsam sind wir stark. Das denken sich oft die Falschen, die politisch aus der Mitte abrücken.

    Was gab es sonst noch Interessantes. Ich bin dem dunkelgekleideten Radfahrer zum vierten Mal begegnet. Jetzt habe ich gehupt und gewunken, was ihn zumindest zu einem überraschten Blick bewegt hat, dem ich nicht unbedingt ein Erkennen abgesehen habe.

    Ach ja, wir waren am südlichsten Punkt von Norwegen, der mit dem nördlichsten Ort eins gemeinsam hat. Er ist auch ein Ort der Steine, mit einem Parkplatz voller Camper, die sagenhafte 300 NOK dafür bezahlen, eine Nacht hier stehen zu können.

    Für mich gab es noch ein Highlight, denn der südlichste Ort kam so überraschend, dass ich gar keine Vorfreude entwickeln konnte. Das ist halt so, wenn man ohne Vorbereitung reist und von den Ereignissen überrollt wird. Denn eigentlich bin ich nach Spangereid gefahren, weil ich dort Wasser nachfüllen konnte. Das Schild vom Leuchtturm in zehn Kilometern konnte ich gar nicht zuordnen.

    Ähnlich ist es am streng gesicherten Hafen außerhalb von Farsund, der plötzlich links ab biegt. Hinter hohen Zäunen liegen mehrere Schiffe, von denen ich denke, dass sie Eisbrecher sein könnten. Überraschenderweise finde ich nur eins auf Vesselfinder, das sich als Forschungsschiff ausgibt, während die anderen ebenso nicht registriert sind wie Kriegsschiffe.

    Den Rest unserer Tages kannst du aus den Bildern lesen, die Reiseroute habe ich oben vermerkt. Details gerne bei persönlicher Nachfrage. Einen schönen Tag noch.
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  • Lena

    7.–8. Aug. 2024 in Norwegen ⋅ ☁️ 19 °C

    DAY 41 A JOURNEY ALONG
    THE COASTLINE OF EUROPE
    (Fahrtstrecke 158 km)

    Såmun - Mandal - Tregde - Ålo - Ausvika - Lunde - Tangvall - Langenes - Vågsbygd - Kristiansand - Ålefjær - Vennesla - Ålefjær - Kjevik - Hånes - Kristiansand

    Für Hilde sind Begegnungen oft unerträglich, weil sie diesen kurzlebigen Charakter des Kommen und Gehens haben, sodass ich gestern schon überlegt habe, einfach die Tour abzubrechen und mich ins Hinterland abzusetzen.

    Denn wenn du dich von Westen her der Fährstadt Kristiansand näherst, gibt es zwei Arten von Reisenden, die kommen oder die gehen. Die einen voller Neugier auf ein unbekanntes Land, das es ihnen gestattet, es sich anzuschauen. Die anderen mit dieser - woher auch immer - mitteleuropäischen Arroganz, des Besitzergreifens anstelle eines Gastverständnisses.

    Und es gibt die Rückkehrer voller Dankbarkeit und Demut, aber auch die, die das Land Norwegen nicht verstanden haben, die einsam geblieben sind, voller Heimweh stecken, obwohl sie doch erst vor einer Woche weggefahren sind. Es gibt natürlich eine Bandbreite mehr an Empfindungen zum Land, und besonders erschrecken mich neben den Arroganten die Versteckten.

    Wir mögen keine Menschen, wir lieben die Einsamkeit, den Abstand zu anderen, die Nähe zur Natur. Die fahren alle eines Tages zurück und dann...Verstecken sie sich den Winter über in der Grausamkeit mitmenschlicher Nähe.

    Ich sollte aufhören, mit den Menschen zu reden, das wäre besser für Hilde, die das Abschiednehmen nicht gut ertragen kann. Wobei das an einem Abendspaziergang auf dem Schlafplatz wohl keine Rolle spielt, da spazieren wir einfach weiter. Aber selbst wenn ich die Kontakte meiden würde, dann kommen die Menschen auf uns zu.

    Sie habe das Auto anhalten müssen, weil es komische Geräusche macht, da habe sie uns gesehen, als wir auf der anderen Straßenseite spazieren gegangen sind. Erzählt Lena aus Norwegen, Mutter, Hunde- und Pferdebesitzerin, verheiratet, auf dem Weg die Mitte der Vierziger zu überschreiten.

    Sie habe uns zuschauen müssen, und wollte uns unbedingt kennenlernen. Warum. Ein alter Mann, beleibt, mit Bandagen um die Knie, Stützstrümpfen, ein ausgewaschenes T-Shirt, Wanderschuhen, weiße, zottelige Haare, fern einer Frisur. Und ein Hund, der aus irgendeinem Grund seit einigen Monaten haart, nach Mäusen buddelt, ziellos herumstrolcht.

    Sie weiß es nicht, aber es hat ihr gut getan, sie war niedergeschlagen, hört Johnny Cash, der singt, man müsse hart bleiben. Aber sie ist weich, in ihrer Seele, ihrem Herzen, ihrem Gesicht. Es hat ihr gut getan, uns zu sehen, mit uns (das ist keine Floskel) zu sprechen. Wir nehmen Abschied voneinander und sind traurig, woher kommen solche Gefühle.

    Lena lächelt und ist froh, sie will ein Bild von mir machen, es ihrer Freundin zeigen, die sie gleich treffen wird. Hilde hat sie ja schon auf dem Sticker als Erinnerung. Wir sind an der Küste entlang gefahren, dort wo der Radweg Nummer 1 seinen Weg nimmt, und wir ein niederländischer Ehepaar Mitte Sechzig getroffen haben, die fast 10 Wochen in Norwegen gereist sind.

    Später begegnen uns noch zwei junge Berliner Schüler aus der Gegenrichtung, 16,17 Jahre alt, die Freundin hängt weit zurück, seine Haare sind lang, verwirrt und verschwitzt. Stavanger sehen und nicht sterben, einfach nur zurückfahren. Neugierig sein. Sie wollen weiter als Mandal, wo es ein Guesthouse mit Wasser und Waschmaschine gibt.

    Da kommen wir her, dort ist das Foto entstanden, das alte weiße Haus mit dem grauen Sockel und dem Bild von einem Abend am Meer. Die erste größere Stadt von Kristiansand entfernt, wohin es die geschafft haben, die weggehen wollten, und die geblieben sind, die nicht weggehen konnten. Ein Mix aus arm und reich, der sich nicht unbedingt in der Hautfarbe zeigt, aber dennoch offensichtlich ist, mich erschreckt.

    Dann sind wir auf der Küstenstrasse. Rechts Wasser und Boote, links Häuser und Felsen. Dazwischen Mülleimer und Briefkästen, entgegengekommende Radfahrer, ein Tanklastzug, die Müllabfuhr. Die Boote im Wasser mit den Masten hoch aufragend, den schicken Motorbooten, dazwischen, oder ist es die Mehrzahl, die einfachen Boote, offenes Deck, hochgeklappter Motor, zwei Ruder, eine Sitzbank, der obligatorische Eimer zum Wasser schöpfen.

    Die Häuser spiegeln die Boote wieder. Oder ist es umgekehrt. Lehmweg dort wo es zum Lands End geht. Heute bin ich nicht mutig genug, drehe vorzeitig in Einfahrten, auf schmalen Straßen. Dann die große Stadt, das riesige Schiff de4 Color - Line unterhalb der Straße, eine Phalanx aus Eisenbahnschienen eingerahmt von Glasfassadenhäusern, die es fast zur Hochstrasse geschafft haben.

    Einmal den Fjord umkreist und in Vennesla gegenüber vom Bahnhof bei YX Wasser getankt, um die Wäsche zu reinigen, damit sie trocknen kann, obwohl es in der Stadt grau und regnerisch ist, der Dieselpreis bis auf 17,19 Nok gesunken ist. Aber ich will heute nicht für 1,45 Euro tanken, manchmal bin ich einfach nur blöd.

    Parkplatz am Wald, zum ersten Mal seit langem Lichter einer Stadt in der Nacht. Wir gehen spät schlafen, noch um ein Uhr morgens bellt Hilde das Fahrzeug an, das wohl von der Mitternachtsfähre gekommen ist. Um halb fünf fährt der Nachbar los, zwei Stunden später legt endlich das Schiff ab, das ihn nachhause bringt, zu seiner Familie, auf die er sich sehr freut. Nach einer einsamen Woche in Norwegen.

    Wir fahren weiter. Zurück zur Küste. Nach Osten, wo wohl Oslo herkommt, und wohin weniger Reisende unterwegs sein dürften. An einem grauen Morgen, kurz vor meinem damaligen Hochzeitstag, der nicht erst mit der Scheidung ein Ende gefunden hat, aber mit dem Einzug der Tochter uns abhanden kam, die just dann Geburtstag hat. Ein Achterkind sozusagen, die jetzt schon 36 wird. Wie die Zeit vergeht.

    Nicht wahr, Hilde, ich weiß noch genau, wie du in unser Leben getreten, just an jenem Tag, an dem wir früher einen Kindergeburtstag gefeiert haben. Aber das findet alles erst Morgen statt.
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  • Lillesand

    8.–9. Aug. 2024 in Norwegen ⋅ ⛅ 18 °C

    DAY 42 A JOURNEY ALONG
    THE COASTLINE OF EUROPE
    (Fahrtstrecke 103 km)

    Tømmerstø - Kystveien 496 über Kongshavn zurück zur 401 bei Drange - Parkplatz am See "Fjordtønnane" - pittoresker Hafen Ulvøysund -
    Monsun in Høvåg - Brekkestø - Bücherschrank - Lillesand - Birkeland - Parkplatz am See oberhalb vom Wasserfall "Flakkefossen" - Lillesand

    Regen am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen. Wir brechen nach dem Kaffee auf, weil ich mir naiv vorstelle, dass wir zum Lands End am Fjordausgang von Kristiansand fahren, um spazieren zu gehen und Schiffe anschauen können.

    Stattdessen landen wir an den Schranken zu einem riesigen Feriencenter, in Privatstrassen, und an einem Fabrikgelände. Zum Glück biegt dort auch die Küstenstrasse nach Kongshavn ab, trotz des hochtrabenden Namens ein unscheinbaren Ort mit einem nichtssagenden Hafen.

    Aber an der Küstenstrasse ist gut Wohnen. Wiesen um die einzelstehenden Häuser, ein Zugang zum Wasser, sozusagen ein Boot vor der Tür. Viel Wald drumherum und trotz Großstadtnähe eine einsame Umgebung. Kaum eine Menschenseele ist um acht Uhr morgens zu sehen, kein entgegenkommenden Auto, niemand will uns überholen.

    Der Regen ist abgeebbt und als wir an dem kleinen Parkplatz am See zum Frühstück ankommen, scheint sogar für Augenblicke die Sonne. Gerade dabei das Frühstück für Hilde zu machen, fährt ein kleiner Camper vor, dem wir schon mal begegnet sind, und parkt hinter dem Dachzeltbelgier, den Hilde und ich wohl beim Spazierengehen geweckt.

    Hilde weiß genau, wer da vorgefahren ist und bellt laut vor Freude. Kirsten und Alex haben wir auf unserer ersten Nacht auf der Küstenstrasse 17 nördlich von Namsos getroffen. Das ist jetzt genau drei Wochen her, und sie müssen in wenigen Tagen ihr Fahrzeug in Oslo zurückgeben.

    Große Überraschung, wir erzählen von unseren Erfahrungen, tauschen Neuigkeiten aus, frühstücken währenddessen. Ihnen schenke ich als Erinnerung den letzten verkäuflichen Band 1 der "365 Spaziergänge mit Hilde".

    Jetzt gibt es nur noch eine PDF als Vorstufe zum eBook, die ich gegen eine Spende weitergeben kann.

    Natürlich gibt es den 2. Band nach wie vor als Buch zu kaufen.

    Später in Lillesand treffen wir die Beiden nochmal auf dem Parkplatz, wo wir übernachten. Sie haben sich die hübsche Stadt angesehen, fahren aber abends noch weiter.

    In Høvåg halten wir am Friedhof, während ein ganz heftiger Regen uns überfällt. Das Wasser rinnt so stark über sie Windschutzscheibe, dass man glauben könnte, die Regenwolke läge direkt auf dem Dach. Wir sind auf den Weg nach Brekkestø, als ich einen jungen Mann an einem hölzernen Bücherschrank sehe, den er gerade öffnet.

    Später schaue ich selber mal rein, und wie es zu erwarten ist bei Schränken, die nicht gepflegt werden, aber der Witterung ausgesetzt sind, jeder stellt seinen "Mist" kreuz und quer rein, und es riecht muffig. Aus den Bildern sieht man ein bisschen das hiesige Leseverhalten, das sich vielleicht gar nicht so arg von dem Bekannten unterscheidet.

    Von dem schönen, kleinen, einsamen Hafen in Ulvøysund bin ich so verwöhnt worden, dass ich mir Ähnliches in Brekkestø erhoffe. Viel zu spät erkenne ich, dass die schmale Ortsstrasse am Wasser endet, und von der bunten Obst- und Gemüseauslage des Dorfladens, sowie den parkenden Autos, den wartenden Menschen, eingeengt wird.

    Augen auf und durch, mit freundlichem Nicken versuche ich meine unmögliche Lage zu verbessern und sehe rechts eine Zehnquadratfläche, wo die Fischer anlanden, und wo ich eigentlich nicht hinfahren dürfte. Unter verärgerten Blicken drehe ich den Bus und eile ohne weitere Fotos von dannen.

    Puuh, das war knapp. Das kommt davon, wenn man sich nicht ordentlich vorbereitet. Oben beim Ghost Rider, einem völlig zerstörten Reisebus, der vor sich hin rostet, mache ich mal ein kurzes Päuschen, um das Atmen wieder in entspannte Bahnen zu lenken.

    In Lillesand regnet es wieder, der Parkplatz ist mitten zwischen den Häusern, lediglich von Wiesenstücken umgeben, nicht sehr einladend. Birkeland ist zwanzig Kilometer entfernt, oberhalb vom Ort bieten sich etliche Plätze am Ufer des Flusses Flakke, der hier einen See bildet, bevor er sich die Hänge hinab stürzt, zur Übernachtung an.

    Kaum stehen wir dort in der heißen Luft ohne Wind, haben wir die erste Wespe im Bus. Das ist ein schlechtes Zeichen, denke ich noch, und öffne die Tür, dass sie wegfliegen kann. Ein kleiner Strand, ein wenig Sand, fast bin ich geneigt, Hilde ohne Leine laufen zu lassen.

    Aber dann strebt sie zielsicher einem Grasbüschel zu, ich zerre sie weg. Da hat sich jemand sozusagen vor seiner Bustür vor kurzem erleichtert, ich schaue leicht entsetzt zur geöffneten Tür des Fahrzeugs, das hier schon stand, aber der Inhalt bleibt mir verborgen.

    An dem abgekühlten Lagerfeuer hat ein anderer Camper seine Kippen entsorgt. Mindestens fünfzig Filter, die in 10 bis 15 Jahren verrotten werden, liegen dort wie ein Bild der Verrohung menschlicher Vernunft angesichts einer geduldigen Natur.

    Ich werde auf gar keinen Fall hier bleiben, und es fällt mir auch jetzt noch schwer, die Bilder aus meinem Kopf zu verdrängen. Ist das Gleichgültigkeit oder vielleicht sogar eine bewusste Einstellung. "Was kümmert mich mein Tun von gestern." (In Anlehnung an den bekannten Satz von Adenauer)

    Es macht mich sehr traurig zu erleben, wie sich Menschen verhalten, die möglicherweise davon erzählen werden, wie schön es in der norwegischen Natur ist. Aber als alter Sozialarbeiter weiß ich natürlich auch, dass das eine Haltung vieler Menschen ist im Umgang mit denen, die ihnen unterlegen sind. Das Lächeln im Gesicht ist kein Indiz für freundliche Gedanken, erst an den Taten wird unsere Einstellung zum Leben (in jeder Form) gemessen.

    Wir verbringen einen ruhigen Abend in Lillesand, nach einem ausgiebigen Spaziergang über das Grün, was uns umgibt. Die Lichter der Häuser um uns herum begleitet uns in den Schlaf. Und auch wenn ich mir denken kann, dass nicht in jeder Wohnung eitel Kerzenlicht ist, so glaube ich doch weiterhin an das Gute im Menschen, weil mir sonst die lebenserhaltende Freude genommen würde.

    Nach einem kurzen Spaziergang am Morgen, fahren wir auf einen schönen Tagesparkplatz am Meer, und so bringe ich noch einige Wasserbilder mit.
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  • Banksy

    9. August 2024 in Norwegen ⋅ 🌧 18 °C

    DAY 43 A JOURNEY ALONG
    THE COASTLINE OF EUROPE
    (Fahrtstrecke 140 km)

    Homborsund - Grimstad - Fevik - Rød - Hisøy - Kolbjørnsvik - Festung Sandvigen - Arenal - Saltrød - Vatnebu - Tvedestrand - Sagesund - Krogvåg - Vegarvassdråget - Risør

    Heute kannst du unserer Strecke mehr oder weniger einfach folgen, weil wir über die 420 bis Arendal fahren. Dann die 410 nehmen, die in Tvedestrand in die 411 übergeht. Und bei Bossvika kommt die 416 dazu nach Risør, wo wir übernachten.

    Straßen, die manchmal am Rande des Wassers sind, mal einen Schlenker ins Inland nehmen. Zwischen Einsamkeit und Feierabendverkehr, vorbei an blauen Seen, kleinen Ortschaften, Miniaturhäfen mit dem obligatorischen Segelboot als Eyecatcher. Und viel Wald.

    Wir machen Abstecher zum Land's End, sind in Homborsund, bei der Festung in Sandvigen, die von den deutschen Besatzern im Zweiten Weltkrieg gebaut wurden, und werfen einen Blick nach Kilen, wo sich sie Häuser um einen Wasserzugang mit Felsen gruppieren.

    In Sagesund hätten wir unter dem Haus auf dem Felsen am Wasser stehen können, aber die Grütze, die die Steine berührt, ist Hilde so gut in Erinnerung, dass sie es nicht wagt, ins Wasser zu gehen. Aber selbst an einem seichten Ufer bei dem Abzweig zur 416 hat sie wenig Interesse am Nass, aber leider viel am Dreck.

    Wo gibt es was zu fressen ist ihr momentanes Lebensmotto, was meins zu einem genervten Neinsager macht. Ständig muss ich gucken, wo ihre Schnauze ist, das ist leider nicht lustig. Der offene Blick in die Kloecke macht das auch nicht besser, es scheint fast so zu sein, als möchten die Verursacher ihre Hinterlassenschaften offen zeigen. Ich bin der Banksy des Mülls, guck das ist von mir, aber du kennst mich nicht.

    So landen wir nachts oft auf einem Parkplatz, den die Stadtreinigung sauber hält, wo die Öffentlichkeit so nah ist, dass der Verunreiniger sich fern halten muss. Und so sind meine Nachbarn oft Einheimische, denen es wohl leichter fällt, sich an die Regeln des Anstands zu halten.

    In Risør ist zum 40.sten Mal das Holzbootfestival, von dem es auf der Webseite mit Google Übersetzung heißt, "Jedes Jahr kommen 125-150 wunderschöne Holzboote zum Risør Tree Boat Festival. Indre Havn, Steinmoloen und Dampskipsbrygga sind voller eleganter Motorboote, wunderschöner Skiffs, Segelboote und Jetskis. Dampfschiffe, das Erbe der Wikingerzeit, Rettungsboote und restaurierte Versorgungsschiffe."

    https://trebatfestivalen.no/program/

    Morgens regnet es heftig, gegen Mittag kommt die Sonne genauso massiv raus, dass sie fast auf der Haut, in den Augen, brennt. Der Abend wird mild und angenehm, zur Nacht leuchten die Laternen gelb. Das Wasser ist blau, ob See, ob Meer, den Unterschied machen vielleicht die Wellen im Wind.

    Blau ist auch das Bild auf dem Heck eines deutschen Campers. Seit 40 Jahren ist er Fan, das Trikot im vollen Blau trägt er mit Stolz. Damals haben sie in der höchsten Liga gespielt, beim Zusammenschluss gab es ein Jahr lang 2.Bundesliga, jetzt sind sie in die Landesliga abgestiegen. Sieben Klassen runter, aber dieses Jahr wollen sie es nochmal wissen.

    Das ist eine Lektion in Kulturgeschichte, die ich hier bekomme. Eine Geschichte von Heimat und Treue, geprägt von Verlustängsten. Was hat uns die Wende tatsächlich gebracht, wir dahinten kurz vor der polnischen Grenze, wo er mit seiner Frau jetzt lebt, und zweihundert Kilometer zum Spiel fahren muss. Ein Weg.

    Gerade vorher habe ich ein norwegisches Paar getroffen, das den schmalen, steilen Weg hoch zur Festung keucht. Sie haben dort oben ein Sommerhaus, wir sprechen über norwegische Geschichte, alte Gebäude, historische Erinnerungen. Weil ich dachte, dass die Festung eine Burg sei, wie wir sie von Deutschland her kennen.

    Nein, nein, sowas hat Norwegen nicht. Vielleicht eine alte Kirche aus dem vorherigen Jahrhundert. Ich erinnere mich an den Fotografen in Grøndelang, der die alten Gebäude aus dem 17./18. Jahrhundert dokumentiert. Einfache Bauernhöfe aus Holz, zu Museen umgewandelt, schlichte Bauwerke.

    Kein Fachwerkhaus wie im mittleren Europa, keine Burgen und Schlösser, Villen und vergangene Steinkulturen. Obwohl die erste Besiedlung auf die Zeit von 9000 v. Chr. datiert wird. Jahrhunderte später, etwa im 8. n. Chr. kommen die Wikinger, aber tatsächlich hat mir noch kein Norweger gesagt, er stamme von ihnen ab.

    "Norwegen erlangte erst im Jahr 1905 die volle Unabhängigkeit, als Haakon VII. zum König von Norwegen gekrönt wurde. Davor war das Land bis 1814 eine Kolonie von Dänemark und anschließend vereinigte es sich mit Schweden."

    https://www.hurtigruten.com/de-de/inspiration/n…

    Kurz und knapp schreibt die Schifffahrtsgesellschaft mal eben die Geschichte nieder, was weniger langatmig daherkommt als die detaillierten Erklärungen von Wikipedia.

    Heute begegnen uns zwei große, weiße Kirchen. Aber auch einige Backsteinkirchen, wie wir sie aus Deutschland kennen. Das überrascht mich. Backstein im Sonnenlicht, auf schneebedecktem Boden, das liebe ich im Winter. Hier wirkt es zwischen den weißen Häusern verloren, die im Regen allerdings auch irgendwie traurig wirken.

    Abends wird Hilde gefeiert. Vor neun Jahren hat mein Sohn sie mir als Reisebegleiter geschenkt, damit sie auf den Papa aufpasst, wenn der alleine durch die Welt reist. Hilde ist die Verbindung zwischen mir und meinem Sohn, so sagt er es, selbst wenn wir jetzt nicht mehr zusammen wohnen, zusammen reisen, zusammen leben.

    Das hat unser Leben geprägt, die zehn Jahre, die er bei mir alleine gewohnt hat. Von 7 bis 17. Und mit 27 nochmal zusammen 7 Wochen durch Norwegen bis zum Nordkap. Das kann uns keiner nehmen, hat er damals gesagt! Und zwischen uns die Hilde, die die Verbindung bleibt, auch wenn wir eben nicht zusammen reisen.
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  • Hogga Schleuse

    10. August 2024 in Norwegen ⋅ ⛅ 15 °C

    Die Hogga-Schleusen sind das oberste Schleusensystem im Bandak-Norsjøkanalen, dem obersten und jüngsten der beiden Kanäle, aus denen der Telemarkkanalen besteht. Die Schleusenanlage befindet sich in Straumen am Auslass des Bandak-Magazins in Nome. Die Hubhöhe beträgt 7 Meter, aufgeteilt auf zwei Schleusenkammern.

    Das obere Tor in der Hogga-Schleuse ist das einzige noch erhaltene Original-Schleusentor des Bandak-Norsjø-Kanals aus der Zeit der Eröffnung im Jahr 1882. Es hält auch den größten Wasserdruck aller Tore, nämlich den Vestvannen, zurück

    In Hogga finden Sie eine komplette Anlage mit einem Schleusenwärterhaus, einem Wachraum und Betriebsgebäuden. An den Schleusen liegt auch das Kraftwerk Hogga.
    (Norw. Wikipedia mit Google Übersetzung)
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  • Entscheidung

    10.–11. Aug. 2024 in Norwegen ⋅ ⛅ 18 °C

    DAY 44 A JOURNEY ALONG
    THE COASTLINE OF EUROPE
    (Fahrtstrecke 212 km)

    Akland - Søndeled - Stabbestad - Sannidal - Kragerø - Helle - Valle - Langesund - Brevier- Porsgrunn - Ulefoss - Lunde - Hogga Sluse

    Die Qualität der Bilder ist ein Graus, die Schäden an der Kamera sind fortschreitend, sodass lediglich oft nur ein Eindruck von dem bleibt, was in Wirklichkeit vorhanden ist.

    Das passt aber gut zu der Realität unserer Reise, die auch nur ein Abglanz der Möglichkeiten ist, unter denen sie tatsächlich hätte stattfinden sollen. Zu hoch, zu schnell, zu weit. Das könnte ein Motto für die Sieger in vielen Wettbewerben der Olympischen Spiele sein, für mich sind sie ein Ausdruck meiner falschen Entscheidungen.

    Wohlgemerkt. Auch gestern waren wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Die Dinge fügen sich immer schon so, wie es in unserem Leben sinnvoll sein soll. Dennoch bin ich manche Wege gegangen, die ich mir grundsätzlich anders vorgestellt habe.

    Wobei es sich nicht um neue Erkenntnisse handelt, ich weiß schon, was ich besser anders machen muss, lediglich die Umsetzung fällt mir nicht leicht. Ich baue immer Gründe für mich ein, warum was wie nicht funktionieren kann. Bis der Krug, der zum Brunnen geht, zerbricht.

    Vielleicht habe ich gerade noch rechtzeitig den Fuß in die Tür gesetzt, bevor sie zugeschlagen ist. So hoffe ich wenigstens. Und möchte dich heute ein wenig in meine Überlegungen mitnehmen.

    Es gibt bestimmte Voraussetzungen, unter denen unsere Reise für alle angenehmer ist. Maximal hundert Kilometer am Tag zu fahren, nachmittags um 16 Uhr einen Schlafplatz haben, nach mehreren Reisetagen zwei Ruhetage einbauen. Und am Meer links herum zu fahren. Dazu ausreichend Spaziergänge einzubauen. Da sie körperlich für mich nicht länger als 30 Minuten sein dürfen, müssen sie eben häufiger sein, fünf, sechsmal am Tag dürfte passen.

    Und - ich muss die Reiseroute so legen, dass wir außerhalb der Touristenströme unterwegs sind, weil wir sonst nicht an die Strände kommen, die wir für einen leichten Auslauf benötigen. Denn das sollte eigentlich der wichtige Nebeneffekt eine Reise am Rand der Welt sein.

    Norwegen, so dachte ich, wäre ein guter Beginn gewesen. Von der Witterung her, vom Startpunkt, von meinen eigenen Bedürfnissen und Sehnsüchten geleitet. Aber wo soll ich starten. Lange habe ich mit mir gehadert, warum wir nicht von der russischen Grenze aus losfahren. Das wäre logisch gewesen. So glaubte ich, wusste aber auch, dass das Zeitfenster eigentlich dafür zu klein ist.

    Oslo wäre von der Richtung die beste Entscheidung gewesen, aber es war mir zu sehr südlich. So war der Start mitten drin. Und zum Glück nach Norden. Leider habe ich dann die falsche Entscheidung getroffen, weil ich an die weite Entfernung gedacht habe, die ich zurückfahren muss, an die langen Tunnel in den Bergen.

    Die beste Route wäre gewesen, bis Rognan zu fahren, über Kiruna zur Ostküste nach Schweden und die nach Süden. Denn eins weiß ich auch, dass wir die Strecken durchs Landesinnere immer wieder brauchen. Nur Meer macht auf Dauer müde. Egal, wo wir unterwegs sein werden.

    Anfangs hatte ich noch ein schlechtes Gewissen, wenn ich mehr als hundert Kilometer gefahren bin, dann habe ich Erklärungen gesucht. Später war das nicht mehr nötig, aber als ich jetzt den Tagesdurchschnitt ausgerechnet habe, wurde mir doch schwarz vor Augen.

    Natürlich soll jede Reise Freude bereiten, besonders wenn sie die letzte Lebensreise ist. Aber gerade deshalb fordert sie Disziplin von mir und konsequentes Handeln. Das habe ich weitgehend versäumt. Dass ich schnell vergesse, wo ich gereist bin und übernachtet habe, ist vermutlich bei der Vielzahl der Eindrücke eher normal, aber dass ich meinen Überblick verliere, vergesse wann ich mich zuletzt "geduscht" habe, oder das Atemgerät reinigen konnte, das ist gravierend.

    Vorher hatte ich einen Kalender verwendet, dachte aber jetzt ob der veränderten Reisesituation, dass ich das nicht mehr brauche. Weit gefehlt. Ohne Hilfsmittel geht gar nichts mehr. Entweder ich mache etwas täglich wie das Einnehmen der Medizin, oder das Führen des Roadbooks, dann ist es unproblematisch. Aber für alles andere, auch die Ergänzung von Medikamenten und bestimmten Lebensmitteln, was ich nur in Deutschland erledigen kann, brauche ich einen Kalender.

    Langesund ist unser Endpunkt dieses Mal an der norwegischen Südküste. Im August finden anscheinend viele Festivals statt, der Verkehr nimmt Richtung Oslo zu, und ich bin auf der falschen Seite unterwegs. Die Sicht von der Fahrerseite aufs Wasser habe ich nur, wenn ich den Bus drehe, das rechte Seitenfenster kann ich nicht öffnen. Das macht viele Eindrücke unvollkommen, eingeschränkt, sinnlos. Jedesmal für ein Bild auszusteigen, macht Hilde völlig konfus, weil sie jedesmal unruhig wird und glaubt, wir gehen spazieren.

    Wir werden Oslo weiträumig über den Norden umgehen, und dann quer durch Schweden an die Südküste fahren, um noch einen Hauch Ostsee mitzunehmen. Von Ende August bis Mitte Oktober sind wir in Deutschland unterwegs, bevor wir dann erneut ans Meer fahren werden.

    Die Highlights gestern waren der heftige Regen bis Kagerø, wo die Sonne erst dann rauskommt, als ich Kirche und Fähre schon abgelichtet hatte. Zwischen Valle und Helle gab es den tollen Wasserfall auf der sonst einsamen Straße mit vielen Blicken auf beschauliche Küstenregionen, mehr oder weniger weit entfernt vom Meer.

    An der Bamble Kirke treffe ich auf deutsch norwegische Freundschaft zweier älterer Herren, die heute ihre jüngsten Kinder dort vermählen, während unweit im Hintergrund die fast tausend Jahre alte Olavskirke in ihre Zukunft schlummert.

    Langesund geht in der Mode voran, während Porsgrunn eher in der Zeit zurückgeht. Letztendlich kommen wir zur Nacht an den alten Telemarkkanal mit seiner historischen Schleuse aus schwarzem Stein, wo das Wasser unterbrochen Lärm ins stille Tal wirft.

    Weiter unten stehen wir auf dem Bobilpark für 250 Kronen zwischen reisenden Norwegern in einer ziemlich kalten, sternenübersäten Nacht, die in einen sonnigen Morgen mündet, gleich einem Neubeginn.
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  • Kongsberg

    11. August 2024 in Norwegen ⋅ ☀️ 14 °C

    DAY 45 A JOURNEY ALONG
    THE COASTLINE OF EUROPE
    (Fahrtstrecke 119 km)

    Lunde - Bø - Notodden - Kongsberg - Saggrenda

    Während wir gestern am Kanal mit lauter Norwegern auf einem bezahlten Platz stehen, sind heute auf den kostenlosen Stellplätzen rund um den Wasserfall nahe Kongsberg die Norweger in der Minderheit.

    Hier treffen sich die Mitteleuropäer. Und wenn ich treffen sage, dann ist das eigentlich falsch, denn sie gehen sich aus dem Weg. Meistens zumindest, und sogar uns, die wir ja gerne Kontakt suchen.

    Nebeneinander stehen, aber einander so ferne sein, als läge ein Meer dazwischen. Es geht nicht um ein wildes zwischenmenschliches Mischmasch, aber ich denke, gerade wenn Menschen reise, dann brauchen sie doch die Bereicherung durch andere Reisende ind Einheimische. Zur Erweiterung des eigenen Horizonts, zum Entdecken neuer Ziele, unbekannter Orte.

    Dass ich so vollkommen daneben liege, haut mich komplett aus den Socken. Zum Glück gibt es immer mal einen Franzosen für einen kleinen Schwatz, und natürlich vereinzelt auch "Reisende aus aller Herren Länder", die offen für ihre Mitmenschen sind.

    Nur mal so am Rande, wenn die einzigen Einheimischen, die man in drei Wochen Urlaub spricht, in einer Tankstelle, einem Geschäft, oder einem Museum arbeiten, dann ist mir vieles entgangen. Tatsächlich hat jemand heute zu mir gesagt bezüglich der Reiseziele, dass sie die Sonne suchen. Aber als ich gerade rausschaue, sehe ich, dass sie gefahren sind, obwohl doch hier die Sonne scheint. Ich weiß, sie meinen natürlich etwas anderes. Hier war ja nur ein Schlafplatz.

    Zwischen den beiden Schlafplätzen gibt es nur wenig Bilder. Wir haben zwei Stunden an einem See gestanden und sind später an einer anderen Stelle an ihm entlang spaziert. Das ging wegen Wald und Wurzelwerk weiter oben nicht.

    Die Telemark nördlich von Oslo ist ja eher ein Wandergebiet im Sommer, während im Winter die Skiläufer an den Bäumen sich vorbeischlängeln. Autofahrer sind meist einheimisch, die auf den Motorrädern auch. Wo die vielen Camper auf dem Stellplatz hergekommen sind, ist mir nicht klar. Bei vierzig Fahrzeugen hätte ich doch mehr als eins sehen müssen. Und Ausländer sind mir schon gar nicht begegnet.

    Aber wir haben einen schönen Tag, halten uns an die Vorgaben von gestern, gehen viel spazieren, genießen die Stille des Lebens. Da jemand meinte, dass mein Text gestern extrem niedergeschlagen wirkte, möchte ich klarstellen, dass das keineswegs der Fall ist.

    Ich bin mir schon bewusst, dass ich zukünftig ein wenig mehr vorbereitet sein sollte, weil uns das das Leben erleichtern wird. Ich werde mich bemühen, Eckpfeiler zu beachten, brauche aber immer die Freiheit, alles anders machen zu können.

    Letztendlich ist das unsere Reise, von der ich lediglich ein bisschen erzählen darf. Und ein Hauch gesunder Nachdenklichkeit gehört immer dazu.

    Kongsberg ist eine Kleinstadtmetropole nördlich von Oslo und Larvik. Hier ist eine Menge los. Die Stadt ist lebhaft und bunt, viele Geschäfte, Autos und Menschen. Da ist der außerhalb liegende, große Stellplatz gar nicht falsch. Denn hier gibt es zum Fall des Wassers, einen Badesee und schöne Spazierwege, ausreichend Radfahrer, und Sonntagmorgen werden auch die Mülleimer geleert.

    Für vieles ist gesorgt, den Rest müssen die Menschen selber machen. Die Nacht ist dunkel, die Laternen hell genug, dass manche auch um Mitternacht noch lautstark ihren Platz finden, was mich mehrfach aufweckt, weil es Hilde deutlich dokumentiert.

    Wir revanchieren uns früh am Morgen mit dem ersten Spaziergang zum See, nachdem die Sonne den Baum vollkommen durchdrungen hat. Dann ist es heiß und Zeit zu gehen.
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